Gesellschaftliche Konflikte und Polarisierung scheinen in den letzten Jahrzehnten zuzunehmen. Dabei zeigen neue und umfangreiche Studien wie „Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser (2023) anhand historisch-empirischer Forschung, dass die deutsche Gesellschaft zwar nicht tiefgreifend gespalten ist, es aber diverse Auslöser für Streit – sog. Triggerpunkten (z. B. „Gendersprache“) – gibt, an denen sich Kontroversen über Migrationspolitik, sexuelle Vielfalt oder den politischen Umgang mit der Klimakrise entzünden. Diese vielfältigen Kontroversen, die zum Teil durchaus robust ausgetragen werden, führen Sozialwissenschaftler:innen wie etwa Andreas Reckwitz (2019) auf unterschiedliche Umgangsweisen mit Kultur zurück, auf den Konflikt zwischen Hyperkultur und Kulturessenzialismus. Hyperkultur ist auf die Selbstentfaltung der Einzelnen bezogen, sie ist auf Vielfalt, Einzigartigkeit und Individualität ausgelegt. Beim Kulturessenzialismus wird Kultur hingegen als unveränderliche Konstante („Essenzialismus“) verstanden, die über historisch wirkmächtig gewordene Gemeinschaften (z. B. Religionen) vermittelt wird. Zugehörigkeit und Identität werden hier als relativ stabil und die Grenzen zwischen den Gemeinschaften als strikt aufgefasst.

In diesem Kontext stellt sich pädagogisch die Frage, wie mit diesem zugrundeliegenden Sachverhalt umzugehen ist: Sollen die Kontroversen aus der Schule rausgehalten oder explizit im Unterricht thematisiert werden? Einerseits besteht die Gefahr, dass Unterricht emotionalisiert wird und dadurch, dass gerade religiöse und interkulturelle Kontroversen verhandelt werden, aktuelle „Grabenkämpfe“ in das Klassenzimmer getragen werden (z. B. Philpott, Clabough, McConkey & Turner, 2011). Andererseits bietet gerade die öffentliche Schule ein Potenzial, durch das bewusste Unterrichten solcher Kontroversen das Rationalitätsvermögen der Schüler:innen – genauer: ihre Argumentations- und Urteilskompetenzen – zu schulen und reflexive Distanzierungsprozesse zu ermöglichen (z. B. Drerup, 2021). Manche Forscher:innen gehen – aufgrund empirischer Beobachtungen oder eigener Erfahrungen – sogar davon aus, dass sich diese Debatten gar nicht aus dem Klassenzimmer heraushalten lassen. Schließlich könne häufig „das Fieber gesellschaftlich politischer Diskurse im Klassenzimmer“ gemessen werden (Augst nach Spichal & Reimann, 2019, S. 110; Herbst & Menne, 2022, S. 108). Beispielhaft werden diese Fragen derzeit mit Blick auf das Thema „Israel/Palästina“ diskutiert (z. B. Elger & Haidar, 2023).

Religionspädagogisch ist die Frage, wie mit diesen Auseinandersetzungen im Unterricht umzugehen ist, tendenziell entschieden, vor allem aufgrund formaler Sachverhalte: Mit dem Schwerter Konsent, dem Koblenzer Konsent und der neuen Missio canonica-Musterordnung plädieren drei religionspädagogische und/oder kirchliche Dokumente für ein religionspädagogisches Kontroversitätsprinzip – also dafür, dass gesellschaftliche Kontroversen auch kontrovers im Unterricht zu behandeln sind (z. B. DBK, 2023; Herbst, Gärtner & Kläsener, 2023). Der Impuls hierfür kommt jedoch von außen, aus der Pädagogik und anderen Fachdidaktiken (z. B. Beutelsbacher Konsens aus der Politikdidaktik und Dresdener Konsens aus der Philosophiedidaktik). Unklar ist, wie die fachliche Eigenlogik religiöser Bildung mit dem Kontroversitätsprinzip zusammenhängt. Um diesbezüglich konzeptionelle Grundlagen zu legen, soll beispielhaft das wirkmächtige Elementarisierungsmodell aus der Religionsdidaktik näher betrachtet werden. Vorwiegend wird dabei auf die präsente Tübinger Tradition und insbesondere auf die Weiterentwicklung des Modells bei Friedrich Schweitzer rekurriert. Dazu wird im Folgenden rekonstruiert, inwiefern Kontroversität das Modell insgesamt und die einzelnen fünf Elementarisierungsdimensionen auf einer Tiefenebene prägt. Dadurch soll gezeigt werden, dass und wie sich das Kontroversitätsprinzip als ein genuin religionsdidaktischer Grundsatz begreifen lässt.

1 Allgemeine Zusammenhänge zwischen Elementarisierung und Kontroversität

Was kontrovers ist, ist kontrovers. Das hält bereits Dearden (1981, S. 33) in seinem klassischen Text „Controversial Issues and the Curriculum“ fest: „An immediate difficulty that has to be faced is that what is meant by ‘controversial’ may itself be a matter of controversy.“ Mit dem Konzept ‚Kontroverse‘ ist eine inhaltliche und normative Unschärfe verbunden. Allerdings gibt es einen semantischen Kern des Begriffs, auf den sich grundsätzlich geeinigt werden kann und der für die folgenden Überlegungen den Bezugspunkt darstellt: Sachthemen sind dann kontrovers, wenn es zu ihnen „unterschiedliche Standpunkte“, „Optionen“, „Alternativen“ gibt (Wehling, 2016, S. 24). Kontroversen sind also Themen, über die gestritten wird und zu denen es unterschiedliche Perspektiven gibt, aus denen sich jeweils Positionen ableiten lassen, die nicht zueinander passen. Kontroversen können fachlich fundiert sein oder gesellschaftlich ausgetragen werden (Wehling, 2016, S. 24). Der Begriff Kontroverse befindet sich in einem semantischen Feld, in dem auch Meinungsverschiedenheit, (sachliche) Auseinandersetzung, Streit, Debatte und Diskussion angesiedelt sind. Das Kontroversitätsprinzip berührt vor diesem Hintergrund die Frage, wie Themen im Unterricht aufbereitet und dargestellt werden. Diese Frage wird religionspädagogisch u. a. anhand des weit etablierten Elementarisierungsmodells beantwortet, welches das Ziel besitzt, eine Korrelation zwischen wissenschaftlich verantworteter Glaubenstradition und der Lebenswelt der Lernsubjekte herzustellen und beide in ein produktives Gespräch miteinander zu verwickeln. Das Ziel des Modells, einen lernförderlichen und existenziellen Bezug zwischen Thema und Personen herzustellen (Schweitzer, Haen & Krimmer, 2019, S. 12), wird auch in der pädagogisch-didaktischen Debatte über Kontroversität als neuralgischer Punkt angesehen (z. B. Yacek, 2018). Elementarisierung bezeichnet“, so lässt sich mit etwa mit Friedrich Schweitzer (2013, S. 10) festhalten, „ein religionsdidaktisches Modell für die Vorbereitung und Gestaltung von (Religions-)Unterricht“. Ergänzen ließe sich mit Baumann (2015, Kap. 3.2) zudem die Analyse und Reflexion von Religionsunterricht‘, die zusätzlich zur Vorbereitung und Gestaltung hinzutritt. Dieses Modell soll „eine Konzentration auf pädagogisch elementare – also von den Inhalten ebenso wie von den Kindern und Jugendlichen (oder Erwachsenen) her grundlegend bedeutsame und für sie zugängliche – Lernvollzüge unterstützen“ (Schweitzer, 2013b, S. 10). Im Rückgriff auf Wolfgang Klafki (1964) wurde das Elementarisierungsmodell v. a. von Nipkow (2002) und Schweitzer (weiter-)entwickelt (Tübinger Ansatz), um eine Auswahl der Inhalte und „Kriterien für eine didaktische Reduktion“ dieser Inhalte zu begründen (Baumann, 2015, Kap. 1; vgl. Lämmermann, 2001, S. 383–387; Schweitzer, 2013b, S. 10–11). Weitere Impulse erhielt es bibeldidaktisch von Ingo Baldermann (z. B. Baldermann, Nipkow & Stock, 1979) und politisch-ideologiekritisch von Godwin Lämmermann (2001, S. 387) (hierzu z. B. Baumann, 2015, Kap. 2). Insgesamt geht es darum, durch das Elementarisierungsmodell einen qualitativ hochwertigen Religionsunterricht zu erwirken (Schweitzer, 2013b, S. 11). Dies gelingt auch in der Gegenwart, wie der neuere Band „Elementarisierung 2.0“ in Bezug auf Kompetenzorientierung, aktuelle empirische Unterrichtsforschung und eine konstruktivistische Religionspädagogik (z. B. Kinder- und Jugendtheologie) begründet (Schweitzer et al., 2019, S. 11–33).

Der systematische Zusammenhang zwischen Kontroversität und Elementarisierung lässt sich weiter spezifizieren: Von Interesse ist hierbei, dass elementare Themen – alternativ auch: „die großen Fragen“ (Oberthür, 1995) oder mit Klafki gesprochen: „epochaltypische Schlüsselprobleme“ (Lämmermann, 2001, S. 387) – häufig kontroverse Themen sind, die über das Elementarisierungsmodell didaktisiert werden. Beispielhaft sind hier zu nennen: Menschenwürde und Menschenrechte, Schöpfung vs. Evolution?, Theodizee, Genozid/Schoah, Krieg und Frieden, Migration und Religion oder Jenseitsvorstellungen – allesamt (potenziell) kontroverse Themen, die im Band „Elementarisierung im Religionsunterricht“ und im Band „Elementarisierung 2.0“ behandelt werden (Schweitzer et al., 2019, S. 59–156; Schweitzer, 2013a, S. 31–114). Themen wie Christologie, Nächstenliebe oder Mythos Reformation lassen sich grundsätzlich ebenfalls als kontroverse Themen begreifen (z. B. Herbst, 2022, S. 487–500). Einzig bei wenigen Beispielfällen wie Abraham handelt es sich in den meisten Kontexten (vermutlich) nicht um ein kontroverses Thema – auch wenn unterschiedliche Deutungen der biblischen Figur Abraham im interreligiösen Trialog sicherlich ebenfalls ein Kontroversitätspotenzial besitzen. Dieser Zusammenhang wird nun systematisch verdeutlicht an den unterschiedlichen Schritten des Tübinger Elementarisierungsmodells (z. B. Baumann, 2015, Kap. 3.1) und exemplarisch an einigen Originaltönen aus dem Band „Elementarisierung 2.0“, die sich explizit auf Kontroversität als Sache beziehen und sie auch teilweise expressis verbis erwähnen.

2 Rekonstruktionen entlang der fünf Elementarisierungsdimensionen

2.1 Elementare Strukturen

Beim ersten Schritt geht es um den „Kern“ einer Sache, der über thematische „Konzentration, Reduktion oder Vereinfachung“ (Schweitzer, 2013b, S. 16) erreicht werden kann.Dazu ist im Elementarisierungsmodell ein grundlegender Wissenschaftsbezug vorgesehen – zur Theologie oder zu anderen Fächern, z. B. wird auch auf „politikwissenschaftliche, soziologische, philosophisch-ethische, ökonomische, informations- und kommunikationstheoretische, vielleicht auch ethnologische u. a. Erkenntnisse“ (Schweitzer, 2013b, S. 17) rekurriert. Die Frage nach Kriterien der Reduktion und Repräsentation, also dem didaktischen „Problem der Auswahl“ (Schweitzer, 2013b, S. 15), verbindet diesen Schritt mit dem Kontroversitätsprinzip, das ein fachliches und fachdidaktisches Auswahlkriterium darstellt. Bei den elementaren Strukturen geht es damit besonders um theologische oder interdisziplinäre Fachkontroversen (Schweitzer, 2013b, S. 17–18), die sich u. a. auch auf naturwissenschaftliche oder historische Forschung beziehen (z. B. Schweitzer et al., 2019, S. 109) und im Unterricht – auch aus lerntheoretischen Gründen (z. B. kognitive Aktivierung) – abgebildet werden sollten. Neben Fachkontroversen sind hierbei aber auch öffentliche Debatten relevant (z. B. zu Migration), die das Thema und die zu behandelnden Inhalte strukturieren. Damit ermöglicht Elementarisierung eine religionsdidaktisch reflektierte „Themenkonstitution“ (Delling & Riegel, 2022, S. 25; 25–116), die auch das Verhältnis der Bezugsdisziplin Theologie und verwandter Nachbardisziplinen zu religiöser Bildung konkretisiert. Dabei spielt Kontroversität eine fundierende Rolle, insofern sich in unterschiedlichen Forschungsdiskursen eine wiederholende Struktur zeigt: „Die entsprechenden Diskussionen sind kontrovers und werden von unterschiedlichen Positionen aus geführt“ (Schweitzer, 2013b, S. 18). Bereits dann also, wenn man – im Sinne einer „Elementartheologie“ – „ganz an der Sache selbst“ (Schweitzer, 2013b, S. 16) ausgerichtet ist sowie die für das Elementarisierungsmodell konstitutive und in den folgenden Schritten fokussierte „Beziehung zwischen der Sache und den Kindern und Jugendlichen“ (Schweitzer, 2013b, S. 16) tendenziell ausblendet, ergibt sich ein Zusammenhang zu Kontroversität. Schweitzer (2013b, S. 17) markiert nämlich die „Vielfalt und Uneindeutigkeit“, dementsprechend also auch die Kontroversität, welche wissenschaftliches Arbeiten schon immer, aber besonders in Zeiten der Wissensexplosion kennzeichnet. Exemplarisch verdeutlicht seien diese Überlegungen anhand der angekündigten Originaltöne zu drei Themenfeldern:

  • Thema Reformation/Luther: „Ähnlich wird auch der Thesenanschlag stark infrage gestellt. Es sei eher unwahrscheinlich, dass er je stattgefunden habe. Hinter der kritischen Revision solcher zum Mythos gewordener Erlebnisse und Ereignisse […] steht die weiterreichende Frage nach dem Verständnis der Reformation insgesamt. Dabei geht es um kontroverse Gesamteinschätzungen, insbesondere in welchem Sinne die Reformation wirklich etwas Neues gebracht habe“ (Schweitzer et al., 2019, S. 109).

  • Thema Migration und Religion: „Zahlreiche Debatten im gesellschaftlichen, kulturellen und (schul-)politischen Bereich kreisen um die Frage, wie eine Neuformung der Gesellschaft angesichts der globalen Migrationsbewegungen aussehen kann und welche Veränderungen sich daraus für das kulturelle und religiöse Zusammenleben ergeben. Die mitunter recht emotional geführten Kontroversen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen einer Willkommens- und Anerkennungskultur einerseits und der Angst vor Deprivation oder dem Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts andererseits“ (Schweitzer et al., 2019, S. 130).

  • Thema Auferstehung und ewiges Leben bei Gott: „Ein Dialog zwischen sich mitunter diametral unterscheidenden religiösen Sichtweisen kann deshalb nicht auf deren inhaltliche Übereinstimmung im Sinne einer bloßen Betonung von Gemeinsamkeiten abzielen, sondern muss das gegenseitige Verständnis sowie auch das Aushalten von bleibenden Spannungen und Widersprüchen in den Mittelpunkt stellen“ (Schweitzer et al., 2019, S. 148).

2.2 Elementare Erfahrungen

Beim zweiten Schritt des Tübinger Modells geht es um einen Lebenswelt- und Erfahrungsbezug der ausgewählten Themen, um ihren Sitz im Leben“ (Schweitzer, 2013b, S. 19). Das Ziel sei die „Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen in ihren eigenen lebensweltlichen Zusammenhängen“ (Schweitzer, 2013b, S. 19). Um dies zu erreichen, lässt sich auf Ergebnisse empirischer Sozialforschung zu unterschiedlichen Milieus in der Gesellschaft oder zur Religiosität von Kindern und Jugendlichen zurückgreifen. Solche Studien bieten einen Einblick in Strukturdeterminanten kindlicher und adoleszenter Erfahrungsräume. Kontroversität taucht hierbei auf zweierlei Weise auf: Einerseits als diachrone und andererseits als synochrone Erfahrungsdissonanzen.[1]

Diachron[2] lässt sich darauf Bezug nehmen, dass beim Schritt der Elementaren Erfahrungen „gezielt – und damit auch selektiv – nach Entsprechungen, Anknüpfungsmöglichkeiten, lebensweltlichen Fragestellungen, Suchbewegungen usw. Ausschau gehalten wird“ (Schweitzer, 2013b, S. 19). Beispielsweise können biblisch-theologische Vorstellungen von Gerechtigkeit oder Sünde herausgearbeitet und zu den Auffassungen der Schüler:innen in ein Verhältnis gesetzt werden. An diesen Fallbeispielen wird besonders deutlich, dass das Elementarisierungsmodell mit dem Blick für Entsprechungsverhältnisse zwischen Glaubenstradition und Gegenwartserfahrung nicht nur eine positive Übereinstimmung meint, vielmehr kann das Entsprechungsverhältnis „positiv oder negativ“ (Schweitzer, 2013b, S. 20) sein. Damit sind auch „Kontrasterfahrungen“ aus biblisch-christlichen Traditionen im Blick, „die gerade nicht den eigenen Erfahrungen entsprechen und eben dadurch das Lernen provozieren“ (Schweitzer, 2013b, S. 21; vgl. Schillebeeckx, 1994). Mit unterschiedlichen Erfahrungen korrespondieren dann auch differente Weltdeutungen, die sich begrifflich bemerkbar machen: Kontrastiert werden müsste etwa – im Sinne von weltanschaulicher bzw. religiöser Kontroversität – ein biblisch-theologisches und ein jugendliches Sündeverständnis (z. B. Herbst, 2022, S. 407). Ersteres bezieht sich im Kern auf die Gottesbeziehung, es betrifft auch soziale Strukturen und Praktiken (Stichwort: Götzenkritik) sowie Unterlassungen. Dementgegen verstehen Jugendliche Sünde primär als individuellen Verstoß gegen soziale Normen durch aktives Handeln (Gennerich, 2017, S. 54).

Synchron lassen sich Erfahrungsdissonanzen zwischen unterschiedlichen Sozialgruppen feststellen. Beispielsweise genannt werden können hier konfliktive Weltdeutungen zwischen verschiedenen Milieus, etwa zwischen sozialökologischen bzw. postmateriellen und traditionellen bzw. bürgerlich-konservativen Auffassungen (z. B. Calmbach, Flaig, Edwards, Möller-Slawinski, Borchard & Schleer , 2020; Sellmann, 2012, S. 147–254). Das gilt aber auch für unterschiedliche Typen von Religiosität in einer religionspluralen Gesellschaft (z. B. Gärtner, 2015a, S. 117–123): Kirchlich-christliche, autonom-religiöse, konfessionslose und atheistische Schüler:innen werden ihre Einstellungen auch auf der Basis von Erfahrungsdissonanzen gemacht haben, die das Unterrichtsgeschehen prägen und Kontroversität implizieren (z. B. Riegel, 2010, S. 82–84). Daneben stellen in einer globalen Weltgesellschaft auch die Erfahrungen aktuell lebender, aber im Unterricht nicht anwesender (junger) Menschen einen Dissonanzhorizont dar, der – beispielsweise im Unterrichtsmaterial – aufgegriffen werden kann und sollte: „[…] Lernen wird in erfahrungsbezogener Form nur möglich sein, wenn es auch die Erschließung der Erfahrungen anderer, auch in anderen Teilen der Welt bedeutet“ (Schweitzer, 2013b, S. 21).

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass bei diesem Elementarisierungsschritt weniger Fachkontroversen im Blickfeld stehen, sondern gesellschaftliche Konflikte und öffentliche Auseinandersetzungen, die (zumindest teilweise) den Erfahrungsraum der Schüler:innen prägen. Zu solchen Kontroversen gehören interkulturelle, interreligiöse und interweltanschauliche Konflikte, die einen existenziellen Identitätsbezug zu den am Lerngeschehen beteiligten Personen aufweisen. Unterschiedliche Erfahrungshorizonte konstituieren demnach implizit und/oder explizit eine kontroverse Situation im Klassenraum – in Bezug auf unterschiedliche Positionierungen von Schüler:innen in der Lerngruppe oder Differenzen zwischen Schüler:innen und anderen Akteur:innen wie der Kirche bzw. traditionellen Glaubensvorstellungen –, die didaktisch aufgegriffen werden kann. Da dieser Elementarisierungsschritt, wie auch die elementaren Zugänge, durch eine größere Ferne zur Sache/zum Thema und – damit zum Kontroversitätsprinzip[3] – gekennzeichnet ist, lässt sich der Zusammenhang hier nur anhand eines Originaltons veranschaulichen.

  • Thema Christologie – (synchrone Erfahrungsdissonanzen, auch im Kontext Elementarer Wahrheiten): „Die angedeuteten Glaubensunterschiede sollten auch im Religionsunterricht aufgenommen werden, wobei zu klären ist, dass die aus anderen Religionen kommenden Zweifel z. B. an der Auferstehung Jesu nicht […] plausibler oder weniger plausibel erscheinen, sondern es hierbei um Wahrheitsfragen geht, die es durch einen sachkundigen Religionsunterricht zu klären gilt. Dabei kommen zugleich die Auffassungen der christlichen Jugendlichen, die keineswegs in jedem Falle den dogmatisch-bekenntnismäßigen Erwartungen entsprechen, in möglicherweise kontroverser Form in den Blick – was Anlass für weitere Klärungen sein kann“ (Schweitzer et al., 2019, S. 90).

2.3 Elementare Zugänge

Beim dritten Schritt geht es darum die Zugänge der Kinder und Jugendlichen zu erschließen, ihre Perspektive auf ein Thema einzunehmen und von da aus das Thema zu durchdenken: Angenommen wird nämlich, „dass Kinder und Jugendliche ihre eigenen Verstehens- und Deutungsweisen mitbringen, wie es beispielsweise die Rezeptionsforschung im Blick auf das Verstehen und Deuten biblischer oder anderer Texte hervorgehoben hat“ (Schweitzer, 2013b, S. 21). Für die Elementaren Zugänge ist der religionspädagogische Zugriff auf psychologische Theorien zu kognitiver, moralischer oder religiöser Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zentral (z. B. Piaget, 1974). Darüber hinaus sind auch fach-und themenspezifische Studien zur Entwicklung des Denkens und Argumentierens von Kindern relevant – etwa zu komplementärem Denken bei Schöpfung vs. Evolution? und zu christologischen Fragen (z. B. Schweitzer et al., 2019, S. 62–70 und 91; 146–147). Von Interesse ist auch, inwiefern Kinder schon symbolisches Verstehen literarischer Texte gelingt (Schweitzer et al., 2019, S. 101). Während im vorherigen Schritt synchrone Erfahrungsdissonanzen einen Bezug zu Kontroversität ermöglichten, sind es hier nun sich intrapsychisch darstellende Spannungen, die im Zentrum strukturgenetischer Entwicklungstheorien stehen.[4] So versteht Piaget (1974) Lernen als „ein aktives Sich-Auseinandersetzen mit Fragen und Widersprüchen“ (Schweitzer, 2013b, S. 25), mit Problemen, Konflikten und Herausforderungen, die sich dem Subjektaus der Umwelt stellen und die körperlich, emotional oder geistig bearbeitet werden (müssen) (z. B. Gronostay, 2019a, S. 112). Konstruktivistische Ansätze von Didaktik nutzen dies, um anhand von „Perturbationen (Störungen) im Sinne Piagets“ (Gronostay, 2019a, S. 63) – beispielsweise durch die forcierte Auseinandersetzung mit Gegenargumenten zur Position der jeweiligen Schüler:innen – Denkprozesse anzustoßen und Konzeptwechsel anzuregen (z. B. Petrik, 2016, S. 385; zu den Herausforderungen bei politischen Kontroversen: Gronstay, 2019, S. 66–67). Dieser Sachverhalt passt dazu, dass das Elementarisierungsmodell nicht lediglich darauf abzielt, „die Kinder und Jugendlichen in ihren Verstehensweisen […] zu bestätigen“, sondern auch konstruktiv zu begleiten, wozu „auch ein kritisches Herausfordern gehören kann“ (Schweitzer, 2013b, S. 23). Damit besteht eine Verbindung zwischen Elementaren Zugängen und Kontroversität besonders über Gedankenexperimente (z. B. Dilemmasituationen; Riegel, 2018), die einen Kontroversentypus darstellen (z. B. Yacek, 2024): Von Piaget, über Kohlberg hin zu Oser/Gmünder spielen intrapsychische Konflikte eine zentrale Rolle bei der individuellen Entwicklung von (allgemeinem, moralischem oder religiösem) Denken und Argumentieren. Reale und hypothetische Kontroversen können diese Entwicklungen induzieren.

Dieser Zusammenhang kann durch einen Bezug auf zentrale Kategorien eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts noch einmal spezifiziert werden. Konzepte wie Anforderungssituation(z. B. Bürig-Heinze, Rösener, Schaper, Stoebe & Wenzel, 2014; Obst, 2015; Lenhard, 2017, Kap. 1) und Kognitive Aktivierung oder kognitive Dissonanz (z. B. Gronostay, 2019a, S. 59–67; Manzel, 2017) stehen in einem direkten Verhältnis zu Kontroversität: Anforderungssituationen sollten verschiedene Kriterien wie einen konkreten Lebensweltbezug oder eben einen konflikthaft-kontroversen Charakter erfüllen. Und inhaltliche Widersprüche im Denken, welche gerade durch Kontroversen – im weiten Sinne, also auch Gedankenexperimente – ausgelöst werden, fördern die Motivation, die kognitive Aktivierung sowie insgesamt die Unterrichtsqualität. So wird ein Umgang mit der vorhandenen Pluralität von Erfahrungen und Zugängen ermöglicht, ohne zur „differenzarmen Harmonisierung“ (Goertz & Roth, 2021, S. 187) oder zu „Relativismus“ (Drerup, 2021, S. 105) zu neigen. Zum Abschluss ebenfalls zwei Beispiele zu diesem Elementarisierungsschritt:

  • Thema Schöpfung vs. Evolution?: „Der kognitive Konflikt, der die Zugänge der Schülerinnen und Schüler in Klasse 5/6 bei ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Schöpfungsglauben bestimmt, richtet sich dann auf die in der Kindheit ausgebildete oder übernommene Vorstellung von Schöpfung als Fabrikationsprozess. Vielfach wird dieser Konflikt als Ablösung von einem kindlichen oder kindischen Glauben und als dessen zwingende Überwindung wahrgenommen: So etwas können die Schülerinnen und Schüler nicht mehr glauben – und vor allem wollen sie es nicht mehr glauben, weil sie schließlich ‚keine kleinen Kinder mehr‘ sind“ (Schweitzer et al., 2019, S. 62).

  • Thema Auferstehungund der Glaube an ein Leben nach dem Tod: „Die Tatsache, dass die Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten allen nüchternen Erfahrungsgehalten und jeglicher – gerade im Jugendalter an Bedeutung gewinnender – naturwissenschaftlich orientierter Vernunft zu widersprechen scheint, kann jedoch religionsdidaktisch insofern als Chance verstanden werden, als Ablehnung, Widerspruch und Diskussionsbedarf aufseiten der Schülerinnen und Schüler somit von vorneherein als fester Bestandteil des Themas aufgefasst und im Unterrichtsgeschehen entsprechend aufgenommen werden können. Dabei ist es wesentlich, die Fragen [und Zweifel; Anm. Verf.] der Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen […]“ (Schweitzer et al., 2019, S. 151–152).

2.4 Elementare Wahrheiten

Elementare Wahrheiten betreffen den Kern des Religionsunterrichts, sie definieren sein Profil, insofern konfessionelle religiöse Bildung positioniert um Wahrheitsfragen ringt und die „existenzielle Auseinandersetzungen mit Glaubensfragen“ (Schweitzer et al., 2019, S. 17) eröffnet. Diese Elementarisierungsdimension zielt folglich „nicht auf die Vermittlung vorab festliegender Wahrheiten, sondern auf die gezielte Eröffnung von Möglichkeiten, auch persönliche Überzeugungen äußern und kontroverse Wahrheitsansprüche diskutieren zu können“ (Schweitzer et al., 2019, 43). Hier besteht – ähnlich wie bei Schritt 2 – also besonders ein Bezug zu religiösen (öffentlichen, gesellschaftlichen und/oder existenziellen) Kontroversen.

Interreligiös kann darüber gestritten werden, was es heißen soll, daran zu glauben, dass Gott dreieinig sowie in Jesus Christus Mensch geworden und auferstanden ist (Schweitzer et al., 2019, S. 89–90; 127–128). In Bezug auf interreligiöses Lernen ist auch Karlo Meyers (2019, S. 253) Weiterentwicklung der elementaren Wahrheiten zu bedenken: Nicht nur aus elementaren Wahrheiten können sich tiefgehende religiöse Gespräche entfalten, insofern etwa beim Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen auch andere religiöse Fragen (z. B. zum Thema Achtsamkeit) ein „elementare[s] ‚existentielle[s] Potential“ besitzen (können). Meyers Anpassung zielt auf „das, was im Umkreis eines Themas Impulse zum Bedenken eigener Relevanzen auslöst“ (Meyer, 2019, S. 265) und damit ebenfalls religiöse Kontroversen und multiperspektivischen Austausch stimulieren kann.

In Bezug auf das christliche Verständnis von Nächstenliebe können unterschiedliche Deutungen und ihre handlungspraktischen Konsequenzen für das eigene Leben kontrovers diskutiert werden (Schweitzer et al., 2019, S. 104–105). Und im Hinblick auf christliche Auferstehungsvorstellungen kann ihr reales Hoffnungspotenzial im eigenen Leben kritisch besprochen und gefragt werden, wie viel „Vertröstungsglauben“ in dieser Annahme enthalten ist (Schweitzer et al. 2019, S. 153–154). An dieser Stelle ist der Bezug zu Kontroversität besonders präsent: Es geht um einen diskursiven Austausch über existenzielle und unentscheidbare Fragen. Das Elementarisierungsmodell legt auf diesen Wahrheitsanspruch des Religionsunterrichts – als ein positionierter Diskursimpuls –, „der in einem Zeugnis der religiösen Tradition zum Ausdruck kommt“ (Baumann, 2015, Kap. 1), einen besonderen Fokus. Elementarisierung soll das fachspezifische Profil schärfen, was vor allem durch diese „Konzentration auf existenziell bedeutsame Wahrheitsfragen im Dialog zwischen Kindern und Jugendlichen einerseits und in ihrem Glauben identifizierbaren Erwachsenen andererseits“ (Schweitzer, 2013b, S. 13) gelingen soll. Das setzt auch eine persönliche Anfragbarkeit und Positionierung der Lehrkräfte voraus. Diese haben die Aufgabe, ihr existenzielles „Verhältnis zum Inhalt zu klären“ (Schweitzer et al., 2019, S. 17). Zur Veranschaulichung erneut zwei Beispiele:

  • Thema Schöpfung vs. Evolution?: „Gerade bei kontroversen Themen wie dem Schöpfungsglauben kommt es immer wieder vor, dass Schülerinnen und Schüler ihre Lehrkraft daraufhin befragen, ob sie das ‚denn selber glaube‘. Auf solche Fragen sollte eine professionell agierende Lehrkraft […] in vorbereiteter und reflektierter Weise antworten können“ (Schweitzer et al., 2019, S. 17).

  • Thema Gottesfrage im interreligiösen Lernen: „Letztlich geht es dabei darum, ob Christinnen und Christen und Musliminnen und Muslime an denselben Gott glauben. Diese Frage fordert auch Erwachsene heraus […]. Eine […] korrekte theologische Antwort gibt es auf diese Frage allerdings nicht, denn die theologischen Diskurse dazu sind nach wie vor offen und mitunter kontrovers. Insofern besteht bei der Unterrichtsvorbereitung zum Thema ‚Islam‘ die erste Aufgabe darin, eine eigene Position dazu zu finden und sich über Möglichkeiten klar zu werden, wie diese Position begründet werden kann“ (Schweitzer et al., 2019, S. 127).

2.5 Elementare Lernwege

Elementare Lernwege betreffen die methodische Vermittlung der Inhalte in einem bestimmten didaktischen Setting, also Techniken, Medien und Sozialformen. Im Elementarisierungsmodell wird der Religionsunterricht dabei als ein organischer Zusammenhang verstanden, wobei sich die einzelnen Dimensionen beeinflussen können.[5] Vor diesem Hintergrund ist zweierlei nachvollziehbar: Erstens dürfe der letzte Schritt nicht „als eine Art Anhang der ersten vier Elementarisierungsdimensionen“ (Schweitzer et al., 2019, S. 18) missverstanden werden. Und zweitens ist der adäquate Lernweg immer kontextspezifisch auszuwählen, auch wenn bestimmte Grundsätze als bewährt gelten – z. B. pluralitätsbewusste Lernwege, die mehrdimensionales (kognitives, emotionales und körperliches; Schweitzer et al., 2019, S. 18), erfahrungsbezogenes, kreatives und aktives Lernen durch vielfältige Methoden und Zugänge ermöglichen (Baumann, 2015, Kap. 3.1; Schweitzer et al., 2019, S. 18). Diesbezüglich denkt Schweitzer (2013b, S. 25) etwa „an Formen des sozialen Helfens (diakonisches Lernen u. a.), an ästhetisches Gestalten, an geschichtliches Erkunden, an die Begegnung mit Symbolen, liturgische Vollzüge […].“

Der Bezug zwischen den Elementaren Lernwegen und Kontroversität ist grundsätzlich ziemlich umfassend, insofern die Frage nach einem passenden Lernweg in der Auseinandersetzung mit Kontroversen eine wichtige Rolle in der internationalen Fachdebatte spielt. Dabei lassen sich zwei Teildiskussionen voneinander unterscheiden, die auch religionspädagogisch verhandelt werden: Erstens werden unterschiedliche methodische Diskussionsformate im Rahmen „diskussionsbasierter Ansätze“ diskutiert („Discussion‐Based Approaches“; Ho et al., 2017, 327). Als produktiv erachtet werden hierbei etwa Techniken wie Fish-Bowl, Dilemma-Diskussionen, Schreibgespräche, Streitschlichtung oder das Training von Argumentationen (Grammes, 2014, 271). Diese demokratie- wie religionspädagogisch – beispielsweise im Rahmen der Kinder- und Jugendtheologie – sehr präsenten Formate werden jedoch auch kritisiert. Religionspädagogisch wird, ausgehend von einem semiotischen Religionsverständnis, moniert, dass nicht Sprech-, sondern Zeichenhandlungen den Kern von Religion ausmachen, den religiöse Bildung erschließen müsste (z. B. Dressler, 2013). Demokratiepädagogisch problematisiert wird, dass Diskussionsansätze zu rationalistisch, individualistisch und affirmativ seien, insofern sie selten Reflexions- und Diskussionsblockaden (wie etwa traditionelle Regeln, Konventionen und implizite Gruppennormen) berücksichtigen (z. B. Ho, McAvoy, Hess & Gibbs, 2017, S. 329). Zudem wird hier wie dort problematisiert, dass diskursive Formate exklusivistisch seien und (nichtintendiert) ein bestimmtes Milieu bevorzugen (z. B. Grümme, 2013; Ho et al., 2017, S. 329). Vor diesem Hintergrund werden alternative Ansätze diskutiert (z. B. Gronostay, 2019b; Ho et al., 2017, S. 329–321; Yacek, 2024), von denen einige beispielhaft angeführt seien:

  • Forschendes Lernen, u. a. in der Tradition John Deweys (Kauppi & Drerup, 2021; Rott & Feindt, 2018).

  • Theaterpädagogische Methoden wie das Forumtheater (z. B. Hammer, 2023).

  • Die Einladung externer Gäste wie Zeitzeug:innen oder der Besuch außerschulischer Lernorte (überblickshaft: z. B. Herbst, 2022, S. 444–447).

  • Die Durchführung und Reflexion einer politischen Aktion (z. B. Herbst, 2022, S. 437–442), eines Planspiels oder eines politischen Schulgottesdienstes, z. B. eines Friedensgebets.

Darüber hinaus lässt sich konkretisierend darauf verweisen, dass Kontroversität bei unterschiedlichen religionsdidaktischen Lernprinzipien (z. B. Hilger, Leimgruber & Ziebertz, 2015, Teil III) bzw. Lernformen (z. B. Riegel & Kropač, 2021, Kap. VII) eine wesentliche Funktion besitzt.[6] Diese Zusammenhänge können hier nur exemplarisch dargestellt werden: In Bezug auf interreligiöses Lernen wird etwa das Lernpotenzial interreligiöser Konflikte hervorgehoben (z. B. Kraml, Zekirija, Bauer & Kolb, 2020). Bei historischem Lernen wird – gerade mit Blick auf die Rekonstruktion biographischer Perspektiven (z. B. Mutter Teresas) – auf die Bedeutung des „geschichtsdidaktische[n] Prinzip[s] der Kontroversität […] auch für religionsdidaktische Kontexte“ abgehoben: „kontroverse Einschätzungen sind nicht zu harmonisieren oder zu verschweigen, sondern didaktisch zu nutzen“ (Witten, 2018, Kap. 3.1). Auch das ethische Lernen an Vorbildern umfasst eine Auseinandersetzung mit ihren kontroversen Seiten, um die theologisch vorausgesetzte bleibende Sündhaftigkeit eines jeden Menschen nicht zu untergraben und das Vorbild gleichzeitig nicht zu stark von der jugendlichen Lebenswelt zu distanzieren (z. B. Mendl, 2015; 2019, S. 62; Rickers, 2008). Weitere Bezüge, etwa zwischen Kontroversität und Biblischem oder Ästhetischem Lernen, ließen sich ebenfalls entfalten. Der folgende Originalton veranschaulicht, dass auch im Religionsunterricht kontroverse Unterrichtsgespräche als möglicher Lernweg relevant sind.

  • Thema Migration und Religion: „Auf der Grundlage eines erweiterten Verständnisses für Flucht und Migration können dann im Verlauf der Unterrichtseinheit produktive und handlungsorientierte Methoden hinzukommen. Bei alldem muss auch Raum für kontroverse Fragen bleiben, da nicht einfach davon auszugehen ist, dass beispielsweise nicht auch Vorurteile in der Lerngruppe vorhanden sind“ (Schweitzer et al., 2019, S. 141).

3 Abschluss und Ausblick

Abschließend lässt sich festhalten, dass das Elementarisierungsmodell einen inhärenten Verweisungszusammenhang mit dem Kontroversitätsprinzip aufweist. Elementare Strukturen und Elementare Wahrheiten weisen Bezüge zu theologischen Fachkontroversen auf. Es bestehen Verbindungen zwischen Elementaren Erfahrungen und Elementaren Wahrheiten auf der einen und existenziell-persönlichen, intra- und interreligiösen sowie inter-weltanschaulichen Kontroversen auf der anderen Seite. Zudem gibt es einen Zusammenhang zwischen der Dimension der Elementaren Zugänge und dem Kontroversentypus des Gedankenexperiments. Darüber hinaus zielen religionspädagogische und demokratiepädagogische Auseinandersetzungen um ein adäquates methodisches Lernsetting – zumindest teilweise und wie dargelegt wurde – in dieselbe Richtung und verweisen auf den Schritt der Elementaren Lernwege. Vor diesem Hintergrund zeigt sich Kontroversität mit dem Blick auf das Elementarisierungsmodell als implizites Thema der Religionspädagogik, als genuin religionsdidaktische Kategorie, die den fachdidaktischen Diskurs tiefgreifend durchzieht. Dieser Sachverhalt bestätigt gleichzeitig – vor dem Hintergrund der einführenden Anmerkungen – Schweitzers erwähnte These, dass das Elementarisierungsmodell eine bleibende Aktualität besitzt und sensibel für zeitgenössische Entwicklungen ist. Der als aktueller Debattenpunkt in Pädagogik und allgemeiner Fachdidaktik markierte Kontroversitätsbegriff lässt sich so aus einer religionspädagogischen Eigenlogik zugänglich machen und erschließen.

Ausblickend lassen sich noch drei Leerstellen markieren: Erstens ist hervorzuheben, dass ein Fokus auf der Tübinger Tradition des Elementarisierungsmodells lag, insbesondere auf der Weiterentwicklung nach Friedrich Schweitzer. Dies könnte ergänzt werden durch eine vergleichende Analyse, die noch stärker die ursprünglichen Überlegungen bei Nipkow, die erwähnten Akzentuierungen bei Lämmermann oder Fortschreibungen wie die von Meyer (2019, S. 252–256) reflektiert. Andere Entwürfe stehen womöglich einer Konvergenzdeutung, wie sie hier vorgelegt wurde, stärker entgegen. Zweitens wäre begriffstheoretisch noch genauer auf die einzelnen Nuancierungen von Kontroverse und Kontroversität zu achten, um sie religionspädagogisch produktiv machen zu können. Drittens müssten die spezifisch Herausforderungen beim Unterrichten von Kontroversen empirisch untersucht werden: Ist es eine Chance oder eine Gefahr, dass religiöse Bildung im konfessionellen Religionsunterricht in tendenziell weltanschaulich homogenen Lerngruppen und von weltanschaulich positionierten Lehrkräften unterrichtet wird (Herbst, 2023)?

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  1. Die folgenden Überlegungen passen dazu, dass eine „Hermeneutik der Wiedererkennung“ (Englert, 2020, S. 101–102) in empirischen Studien als nicht produktiv für nachhaltige Lernprozesse im Religionsunterricht angesehen wird, wohingegen das Einspielen von Kontrasterfahrungen die Wahrscheinlichkeit nachhaltigen Lernens deutlich erhöht (Englert & Eck, 2021, S. 15–17; Englert, Hennecke & Kämmerling, 2014, S. 121–123; Gärtner, 2015b, S. 270; Stinglhammer, 2017, S. 319).

  2. Beispielhaft veranschaulichen lässt sich dies an biblischen Texten, mit denen sich „durch die Geschichte“ neue Sichtweisen und Deutungen sowie „unterschiedliche[] Erfahrungen […] verbanden“, aber auch „Erfahrungen heutiger Menschen“ (Schweitzer, 2013b, S. 20) korrespondieren.

  3. Auf dem didaktischen Dreieck lassen sich Elementare Erfahrungen zwischen Lernenden und Sache (mit einem Fokus auf ersteren) verorten, während das Kontroversitätsprinzip – ähnlich wie Elementare Strukturen – zwischen Lehrkraft und Sache (mit einem Fokus auf letzterem) anzusiedeln ist (z. B. Menne, 2023, S. 175–177; Grammes, 1996, S. 144). Aus diesem Umstand resultiert die tendenziell stärkere Distanz des zweiten und dritten Elementarisierungsschritts zum Kontroversitätsgebot.

  4. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, „dass Entwicklungsprozesse selbst häufig schon von sich aus in Bewegung sind, d. h. nicht mit festliegenden Entwicklungsständen verwechselt werden dürfen“ (Schweitzer, 2013b, S. 23).

  5. Dies ist relevant, weil diese Dynamik im Sinne einer Förderung der nächsten Stufe (bei strukturgenetischen Theorien: ‚n+1‘) didaktisch genutzt und hinsichtlich der Erreichung von Lernzielen ausgebaut werden kann.Ein performativer Religionsunterricht eröffnet etwa einen neuen „Erfahrungsraum“ (Schweitzer, 2013b, S. 25) und verändert/beeinflusst damit den Horizont der (Elementaren) Erfahrungen betroffener Schüler:innen.

  6. Dieser Bezug ist inhaltlich naheliegend, weil das Elementarisierungsmodell aus der Auseinandersetzung mit solchen Prinzipien – besonders dem Biblischen Lernen, aber auch dem Ethischen Lernen – erwachsen ist (Baumann, 2015, Kap. 1). Auf die Bezüge zu ethisch-politischen Themen wie Nachhaltigkeit wird aufgrund der offensichtlichen Nähe verzichtet (z. B. Herbst, Gärtner & Kläsener, 2023). Zudem werden hier keine grundlegenden Konzepte wie die Kinder- und Jugendtheologie verhandelt, zu denen jedoch ebenfalls – wie der bereits rezipierte fünfte Band des Jahrbuchs für Kinder- und Jugendtheologie zum Thema Positionalität zeigt – Bezüge hergestellt werden könnten (z. B. Zimmermann, 2022).