Im hochschuldidaktisch orientierten Workshop zur Tagung „Wo stehe ich, wo kann ich anders? Positionierung als religions- und gemeindepädagogisches Arbeitsfeld“ ging es mir darum, über die Frage ins Gespräch zu kommen, wie Studierende in religionspädagogischen Lehrveranstaltungen zur Positionierungsarbeit herausgefordert werden können. Um einen Erfahrungsaustausch in Kleingruppen zu motivieren, formulierte ich drei Thesen, die ich direkt mit Fragestellungen verband:

  1. Die typische Aussage von Studierenden (es gibt kein richtig und falsch…) resultiert aus einem reduktionistischen Wahrheitsbegriff, der Wahrheit auf Faktenwissen beschränkt. Inwiefern könnte eine epistemologische Aufklärung helfen?

  2. Insofern das Lernziel „Ambiguitätstoleranz“ mit Lernzielen wie „Differenzkompetenz“ oder „religiöse Identitätssicherheit“ konfligiert, leitet es Lehrende und Studierende eher dazu an, klare Positionierungen zu vermeiden. Wie steht es um den Zusammenhang von Teilkompetenzen beim Ernstfall interreligiösen Lernens?

  3. Trotz zunehmender gesellschaftlicher Polarisierungen schlägt sich die Divergenz von Meinungen nicht im Diskursklima theologischer Veranstaltungen an der Universität nieder. Woran liegt das?

Die Fragen beziehen sich auf verschiedene Felder theologie- bzw. hochschuldidaktischer Reflexion: Erstens geht es um die grundsätzliche Frage nach der Relevanz religiöser Wahrheitsansprüche und damit verbunden um die Legitimation, Studierende bei ihrer religiösen bzw. theologischen Positionierung zu begleiten, sie wohlmöglich allererst zu provozieren und die skeptische Maxime, es gebe kein richtig und falsch in Glaubensdingen, kritisch zu hinterfragen (fundamentaldidaktisch-kriteriologische Fragestellung). Versteht man interreligiöses Lernen als Ernstfall des Umgangs mit der religiösen Wahrheitsfrage angesichts religiöser Pluralität, dann sind die zu erreichenden Lernziele zu erörtern und in ihrem Zusammenhang zu erwägen, inklusive der in ihnen eingeschlossenen Paradoxien (domänenspezifisch-praxeologische Fragestellung). Ist die gesellschaftliche Situation religiös-weltanschaulicher Pluralität durch eine sich polarisierende Meinungsvielfalt geprägt, erstaunt die ausbleibende konfrontative Kommunikation am Lernort Hochschule – etwa im Gegensatz zu den Diskursen in den 1960er und 1970er Jahren. Diesbezüglich ist der zeitgeschichtliche Rahmen des je eigenen hochschuldidaktischen Handelns zu reflektieren (politisch-kairologische Fragestellung).

Im Folgenden beschränke ich mich auf die erste Fragestellung, die mit dem Gedanken der „epistemischen Demut“ einen roten Faden der Tagungsdiskussion aufgreift, den Christian Wiese in seinem Eingangsvortrag ausgelegt hat: Entspricht nicht die häufig zu hörende skeptische Maxime der geforderten Bescheidenheit im Verfechten religiöser Wahrheitsansprüche? Erscheint es angesichts der Tatsache, dass ein sicheres Wissen über die Wahrheit des Glaubens nicht möglich ist (wenn man wüsste, dass Gott existiert, bräuchte man schließlich auch nicht an ihn glauben), nicht geradezu geboten, sich in der Bewertung einer religiösen Aussage als richtig oder falsch zurückzuhalten? Die Kernthese meiner Ausführungen wird demgegenüber sein, dass epistemische Demut eine epistemologische Aufmerksamkeit erfordert. Diese erkenntnistheoretische Aufmerksamkeit kann dazu beitragen, Positionierungen zu provozieren. Damit knüpfe ich an Sebastian Eck und Rudolf Englert an, die „epistemologische Unaufmerksamkeit“ als „Mangel an Verständnis für den besonderen Charakter religiösen Wissens“ verstehen und diesen Mangel als „unterschätztes religionsdidaktisches Problem“ beurteilen (Eck & Englert, 2022, S. 215).

Zunächst werde ich zwei Beispiele aus Arbeiten von Studierenden darstellen (1), bevor ich sie mit dem Hilfsmittel einer epistemologischen Differenzierung des Wahrheitsbegriffs analysiere (3). Diese epistemologische Differenzierung ist begründet in einer komplexen Beobachtungstheorie, wie ich sie in meiner Studie „Paradoxien entfalten und bearbeiten“ entwickelt habe (Brieden, 2022). Deren zentralen Ergebnisse gebe ich in gebotener Kürze wieder (2). Ihre Anwendung an den beiden Beispielen (3) belegt die hochschuldidaktische Bedeutung der Aufgabe, die Reflexionsfähigkeit von Studierenden durch epistemologische Aufklärung zu fördern (4).

1 Das Ungenügen der skeptischen Maxime: Zwei Beispiele von Studierenden

Das erste Beispiel entstammt einer Bachelor-Thesis, in der es bei der Analyse eines Bilderbuches um religiöses Wissen bezüglich eschatologischer Vorstellungen geht. Bei der Darstellung greife ich auf meinen kleinen Beitrag zur epistemologischen Aufmerksamkeit im hochschuldidaktischen Kontext zurück (Brieden, 2022a). Das zweite Beispiel handelt von einer Unterrichtssituation, die in einem Studienprojekt zum Praxissemester analysiert wurde. Hier geht es weniger um ein inhaltlich zu bestimmendes religiöses Wissen, sondern um die Einübung in ein symbolisches Sprechen mit Erstklässlern über das Symbol des Herzens, was hier als ein formales religiöses Wissen verstanden sein soll – angelehnt an die Differenzierung zwischen sachlicher und symbolischer Rede etwa bei Hubertus Halbfas (Halbfas, 1968, S. 195–269). Diese Situation wurde im Workshop der Tagung diskutiert.

1.1 Eschatologische Fragen: „Kann man an zwei Orten gleichzeitig sein?“ – „Kann der Tote ein Gespenst oder ein Zombie werden?“

Eine Studentin analysiert in ihrer Abschlussarbeit ein Bilderbuch zur Thematik von Tod und Trauer (vgl. Schroeter-Rupieper & Sönnichsen, 2020, o. S.). Die Besonderheit dieses Buches besteht in seiner Doppelstruktur als narratives Bilderbuch einerseits und informierendes Sachbuch andererseits: Die meisten Doppelseiten sind so gegliedert, dass auf einer Seite der Abschied der Kinder Marlene (Schulalter) und Paul (Vorschulalter) von ihrem Opa aus der Perspektive der Kinder erzählt wird, während auf der anderen Seite Sachinformationen zum Tod, zur Beerdigung etc. anhand von authentischen Kinderfragen gegeben werden. So wird auf der letzten Seite des Buches die Frage: „Kann man an zwei Orten gleichzeitig sein?“ wie folgt beantwortet: „Einige Leute sagen: ‚Der tote Mensch ist im Himmel oder auf dem Friedhof und in meinem Herzen.‘ Sie wissen, dass der Körper auf dem Friedhof liegt, und haben das Gefühl, dass die Seele oder das Leben, die aus dem Körper herausgegangen sind, im Himmel oder in ihrer Nähe sind. Den Menschen, die so etwas sagen, gefällt dieser Gedanke“ (Schroeter-Rupieper & Sönnichsen, 2020, o. S.).

Die Studentin betont nun in ihrer Analyse die Offenheit des Bilderbuches für eschatologische Vorstellungen des Christentums, wie sie in Worten wie „Himmel“ und „Seele“ zum Ausdruck kommen. Insgesamt schlussfolgert sie: „Besonders wichtig für die religiöse Selbstbestimmung ist die Erwähnung, dass diese Vorstellungen den Menschen gefallen müssen. Es bleibt jedem Schulkind selbst überlassen, sich Vorstellungen anzueignen, sie zu übernehmen, diese angepasst an sich selbst zu entwickeln, oder sich ganz eigene Vorstellungen zu machen. Wenn man über einen Glauben spricht, kann es kein Richtig oder Falsch geben, somit sind alle Vorstellungen über das Danach gerechtfertigt und sollten respektiert werden“ (Bachelor-Arbeit). Das zentrale Wahrheitskriterium übernimmt die Studentin aus dem Text von Rupieper-Schroeter: Es ist das ästhetische Kriterium, dass denjenigen, die etwas glauben, die „Vorstellungen … gefallen müssen“. Wem der Glaube daran, dass die Seele nach dem Tod des Körpers weiterlebt, gefällt, der lässt sich davon nicht abbringen. Und weil es diesbezüglich „kein Richtig oder Falsch“ gebe, ist folgerichtig für die Studentin der Versuch, gegen diese Vorstellung zu argumentieren, weder sinnvoll noch statthaft.

Anders liegt die Sache bei der nächsten Frage: „Kann der Tote ein Gespenst oder ein Zombie werden?“, die Schroeter-Rupieper wie folgt beantwortet: „Nein, das geht nicht. Gespenster gibt es nur in Gespenstergeschichten und Zombies sind gruselige erfundene Figuren, die dir Angst machen sollen. Ein Opa, der stirbt, oder ein Meerschweinchen, das gestorben ist, können und wollen den Menschen, die sie gernhaben, keine Angst machen. Menschen, die vom Sterben und Tod nicht so viel wissen, können vielleicht auf so komische Gedanken kommen“ (Schroeter-Rupieper & Sönnichsen, 2020, o. S.). Die Studentin interpretiert diese Antwort so, „dass es wichtig ist, Wissen über den Tod und das Sterben zu haben, um sich positive Vorstellungen machen zu können. […] Mit Wissen über die entsprechende Thematik entstehen solche Ängste weniger, oder sogar gar nicht“ (Bachelor-Arbeit). Damit ist nun doch ein inhaltliches Kriterium gefunden, das wahre von falschen Vorstellungen scheidet: Erzeugt ein Gedanke Ängste (wie die Zombies), ist er „komisch“ – und kann durch das naturwissenschaftliche Wissen über den Tod abgewiesen werden. Das Wissen führt dann dazu, wie die Studentin ableitet, dass „solche Ängste weniger“ entstehen.

Stellt man sich jedoch die Frage, wie sich Kinder denn eine „Seele“ vorstellen, als die der Verstorbene die Nähe der Hinterbliebenen sucht, dann wird schnell deutlich, dass auch hier Ängste entstehen können: Was ist, wenn ich die Seele des Verstorbenen nicht wahrnehme? Kann mich diese Seele vielleicht für etwas bestrafen, das mich belastet? Inwiefern kann die Seelenvorstellung, die ihre Wurzeln eher in der griechischen Philosophie als in der jüdischen Anthropologie hat, sogar dazu führen, den Tod zu verharmlosen? Usw. Vielleicht verweist das zunächst vorsichtige Urteil der Studentin auf die Ambivalenz aller Vorstellungen über das Leben nach dem Tod (z. B. kann auch die Reinkarnationsvorstellung Ängste darüber auslösen, als welches mich ggf. ekelnde Tier ich wiedergeboren werde). Und welche Vorstellungen über ein Leben nach dem Tod lassen sich denn (natur-)wissenschaftlich ausschließen, wenn doch die Frage nach der Form dieses „Danachs“ nicht wissenschaftlich zu entscheiden ist? Was wissenschaftlich falsifizierbar ist, kann geklärt werden; die Wahrheit einer mathematischen Gleichung lässt sich beweisen und muss daher nicht entschieden werden. Paradoxerweise sind dagegen gerade die religiösen Fragen, die sich nicht wissenschaftlich entscheiden lassen, wie die Frage nach der Existenz Gottes, genau jene Fragen, die entscheidbar sind: Die Bedingung der Möglichkeit zur Entscheidbarkeit ist zugleich die Bedingung der Möglichkeit der Unentscheidbarkeit (s. u. 2.1 und 2.4).

1.2 Formales religiöses Wissen: das Reden in und mit Symbolen einüben

In ihrem Praxissemester plante die Studentin eine Unterrichtsreihe in einem ersten Schuljahr zum Thema „Einander mit dem Herzen sehen“. Auch wenn man aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive kritisch fragen kann, ob man Kinder in diesem frühen Alter nicht damit überfordere, in und mit Symbolen zu kommunizieren, so bleibt es doch für den Religionsunterricht eine zentrale Aufgabe, das Reden in und mit Symbolen einzuüben – gerade wenn man bedenkt, dass kindliche Kommunikation „auf unmittelbare Weise mit Symbolen“ geschieht: „Es beginnt mit dem Puppenspiel, in dem sie ‚Gott und die Welt‘ erfassen, mit dem Höhlenbau aus Tischdecken und Kissen, mit Rollenspiel und Verkleiden. Die ganze kindliche Phantasie ist eine symbolische Partizipation am großen, noch so geheimnisvollen Leben“ (Halbfas, 2012, S. 72). In der Reflexion des Unterrichts und der konkreten Äußerungen der Kinder ist dann nachzuvollziehen, inwiefern sie den Hinweischarakter symbolischer Sprache und damit ihr religiös relevantes Potential zur Transzendierung des Tatsachenwissens erfassen konnten. Eine passgenaue Einschätzung der elementaren Zugänge ist immer eine komplexe Aufgabe, die pädagogisches Fingerspitzengefühl und ein Sich-Einpendeln mit der jeweils konkreten Lerngruppe erfordert – durch Versuch, Irrtum und Reflexion (Göllner, Brieden & Kalloch, 2010, S. 179–180).

In der Unterrichtsstunde ging es unter dem Thema „Herzgucker“ darum, neben den biologisch-organischen Funktionen des Herzens (naturwissenschaftlich erarbeitete Tatsache) seine Bedeutung als Symbol zu erarbeiten. Steht das Herz als Ort des Gefühls für ganzheitliche Erfahrungen von Trauer und Glück, dann sind Herzgucker Personen, die über das Sichtbare hinaus die unsichtbaren Stimmungen wahrnehmen und den Geheimnischarakter anderer Personen erspüren. Darin steckt insofern eine religiöse Dimension, als jeder Mensch über sein bloßes Sosein über sich selbst hinausweist in ein ihn begründendes Geheimnis, das zu beschreiben eine religiöse Sprachbildung erfordert (Oberthür, 2021, S. 252; 262–263).

Der folgende Auszug der Unterrichtsplanung benennt die Impulse, mit denen die Studentin versuchte, das symbolische Reden einzuüben. Interessant ist in den didaktischen Kommentaren zu den Impulsen der wiederholte Hinweis, dass „alle Kinder [sich] beteiligen“ können, „da es keine falschen Antworten gibt“. Hieße das im Umkehrschluss, dass nicht „alle Kinder integriert“ wären, wenn es auch falsche Antworten gäbe? Spricht daraus die Sorge, Kinder zu beschämen, wenn sie eine falsche Antwort geben? Woher kommt dieser Horror vor einer falschen Antwort? Wie wird in unserer Gesellschaft mit Fehlern umgegangen? Braucht es da nicht den Religionsunterricht als einen Ort mit bewertungsfreien Räumen, in denen Kinder und Jugendliche frei sprechen können, ohne Angst davor zu haben, dass ihre Äußerungen gleich zensiert werden? Die Doppeldeutigkeit des Wortes „Zensur“ spricht doch schon Bände…

Tabelle 1: Auszug aus der Unterrichtsplanung zur Stunde (Studienprojekt im Praxissemester)

Phase

Impulse

Didaktischer Kommentar

Erarbeitung

 

[…] „Wofür benötigen wir unser Herz noch?“ […]
„Wo spürst du z. B., wenn du traurig bist oder jemanden liebhast?“ […]

Die SuS nennen ihre Ideen, wofür das Herz noch wichtig ist. So werden alle Kinder integriert. Es gibt keine falschen Antworten. […]

Vertiefung

 

„Ich kenne Menschen, die können mit ihrem Herzen sehen. Sie heißen Herzgucker. Was könnte es denn bedeuten, ein Herzgucker zu sein?“ […]

Auch hier können sich alle Kinder beteiligen, da es keine falschen Antworten gibt. Die Fragen sind sehr offen gestellt und die Kinder sollen nur Vermutungen anstellen.

Nun geschieht im Unterricht aber etwas Unvorhergesehenes, das die Studentin nachhaltig beschäftigt. Es folgt ihre dichte Beschreibung der Unterrichtssituation nach dem Impuls der Erarbeitung: „Wo spürst du, wenn du traurig bist oder jemanden liebhast?“

„Ein Mädchen, das vom Wesen her eher schüchtern ist, meldete sich und berichtete mit leiser Stimme, dass sie das Gefühl hat, zuhause nicht so sehr geliebt zu werden wie ihr älterer Bruder. Da sie, wie sonst auch im Unterricht, sehr leise sprach und ich mir sicher war, dass viele andere Kinder sie nicht verstehen konnten, forderte ich sie auf, das Gesagte zu wiederholen. Daraufhin wiederholte sie es mit zitternder Stimme. Während des Erzählens begann sie zu weinen. Die Klasse war sehr still, kein Kind hat sich über die Gefühle der Schülerin lustig gemacht, alle Schülerinnen und Schüler wirkten sehr betroffen. Ich fragte das weinende Kind, ob es mal zu mir kommen wolle. Sie bejahte und setzte sich neben mich in den Sitzkreis. Daraufhin sagte ich ihr, dass ihre Eltern sie und ihren Bruder gleich stark liebhaben und dass sie sich keine Sorgen machen muss, dass ihr Bruder mehr geliebt wird. Meine Mentorin […] bot der Schülerin an, mit ihr auf den Flur zu gehen. Dieses Angebot nahm sie an. Die beiden gingen für ungefähr fünf Minuten auf den Flur. Währenddessen fuhr ich mit dem Unterricht fort. Als sie wiederkamen, hatte sich die Schülerin wieder beruhigt und konnte am weiteren Unterrichtsgeschehen teilnehmen“ (Studienprojekt zum Praxissemester).

Die „vom Wesen eher schüchtern[e]“ Schülerin öffnet ihr „Herz“ der Klassengemeinschaft, indem sie von ihren Gefühlen der Trauer erzählt. Gegenstand der Trauer ist ein Gefühl, das jeder Mensch kennt: Sich zurückgesetzt zu fühlen, nicht gesehen zu werden. Konkret geht es darum, dass das Mädchen das Gefühl hat „zuhause nicht so sehr geliebt zu werden wie ihr Bruder“. Mit Mühe bringt es dieses sie belastende Gefühl „sehr leise“ zum Ausdruck. Damit alle Kinder es verstehen, fordert die Studentin das Mädchen auf, „das Gesagte zu wiederholen“, was ihm „mit zitternder Stimme“ und unter Tränen auch gelingt. Erkennbar wird die Intimität der Situation, in der sich alle Kinder insofern als „Herzgucker“ erweisen, als niemand „sich über die Gefühle der Schülerin lustig“ macht und alle „sehr betroffen“ wirken. Einfühlsam fragt die Studentin nach, ob das Mädchen sich zu ihr setzen möchte. Nachdem das Mädchen die Frage bejaht und sich zu ihr gesetzt hat, versucht die Studentin das Mädchen zu trösten, indem es ihr Gefühl relativiert: Die Eltern hätten sie genauso lieb wie ihren Bruder und sie müsse sich keine Sorgen machen. Daraufhin nimmt die Mentorin das trauernde Mädchen aus der Situation heraus, geht mit ihr auf den Flur, und nach wenigen Minuten kann es wieder am Unterricht teilnehmen.

Im Workshop wurde herausgearbeitet, dass die Anlage der Stunde die Erstklässler überfordert. Das wird hier daran deutlich, dass das Mädchen nicht auf den Frageimpuls antwortet „Wo spürst du, wenn du traurig bist…“, sondern ihr Trauergefühl direkt beschreibt. Die Frage nach dem Ort der Trauer erscheint abstrakt gegenüber dem belastenden Trauergefühl selbst, das sich hier schwer verständlich und unter Tränen Ausdruck verschafft, so dass die Form der Aussage den Inhalt performativ unterstreicht.

Die im Workshop diskutierte Frage, ob die Studentin richtig oder falsch gehandelt habe, brachte die Einsicht hervor, dass die Relativierung des Gefühls für das Mädchen aus einer seelsorgerischen Perspektive nicht hilfreich sei. Hier wäre es vermutlich besser gewesen, das Gefühl zu spiegeln und es damit ernster zu nehmen. Entgegen der Aussage im didaktischen Kommentar, es gebe keine falschen Antworten, stellt die Studentin die Gefühlsäußerung des Mädchens als irrig heraus. Auch wenn die Mentorin im Nachhinein erzählt, dass der ältere Bruder der Schülerin vor einem Schulwechsel steht, die Eltern deshalb stark mit ihm beschäftigt seien und mehrere Schulen besuchten, kann das zwar den Eindruck des Mädchens erklären und auch die Relativierung der Studentin plausibilisieren, aber die Studentin ist nicht zufrieden mit ihrem Handeln, und es beschäftigt sie lange über diese Stunde hinaus.

Solche Situationen sind produktiv für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit als Lehrerin, wenn sie entsprechend reflektiert werden können. Im Unterrichtsalltag bleibt in der Regel zu wenig Zeit dafür; es fehlt an Supervisionen, die vom privaten Engagement abhängig bleiben. Umso dringlicher ist es, mit der Reflexion von Erfahrungen im Praxissemesters und später im Referendariat diese Zeit zu gewähren. Es sind Räume zu schaffen, in denen sich Studierende als Lehrkräfte entwickeln können, indem sie einen Habitus stärken, der die unvorhersehbaren Wahrheits-Momente in Lehr- und Lernsituationen wahr- und ernstnimmt. Inwiefern dazu eine Schulung in epistemologischer Aufmerksamkeit einen Beitrag zu leisten vermag, darum soll es nun gehen.

2 Unterscheiden – Paradox-ologisieren – Beobachten – Be-Wahrheiten: Reflexionsstufen einer epistemologischen Aufmerksamkeitsschulung

Im Folgenden kann nur äußerst knapp die epistemologische Grundlegung einer konstruktivistischen Religionsdidaktik skizziert werden (Brieden, 2022). Dazu unterscheide ich im Blick auf das Lernziel epistemologischer Aufklärung vier Reflexionsstufen. Basierend auf dem grundlegenden Prozess, der jedweder Erkenntnis zugrunde liegt – Unterscheidungen zu treffen und sie zu hinterfragen (1) – geht es um die drei darauf aufbauenden, ineinander verwobenen Reflexionsstufen: Die ubiquitäre Paradoxie im Unterscheiden zu erfassen, um die Aufgabe der Paradoxieentfaltung anzunehmen, die ich mit dem Kunstwort des „Paradoxologisierens“ beschreibe (2); Ebenen und Ordnungen eines paradoxiesensiblen, umfassenden Beobachtungsbegriffs zu erläutern (3), was das Verstehen religiöser Bildung auf eine neue Basis stellt; Dimensionen des Wahrheitsverständnisses über den differenzierten Beobachtungsbegriff in ihrer komplexen Verschränkung zu begreifen (4), um epistemologische Aufmerksamkeit grundlegend zu systematisieren.

2.1 Erste Reflexionsstufe: Unterscheidungen treffen und hinterfragen

George Spencer Brown (1923-2016) hat mit dem sogenannten „Indikationenkalkül“ (calculus of indication), das er in seinem Grundlagenwerk „Laws of Form – Gesetze der Form“ entwickelte (Spencer Brown, 1969/1997), nach Auffassung des Mathematikers Felix Lau die Mathematik auf eine neue Grundlage gestellt: Nicht die Logik sei Basis der Mathematik, sondern umgekehrt schaffe die Mathematik mit der Formalisierung des Einfachsten im Indikationenkalkül ein mathematisches Fundament, um aus ihr eine Logik abzuleiten, die sich im Vergleich zur verbreiteten zweiwertigen Logik weniger Einschränkungen auferlegt. Die zweiwertige Logik bestimme eine Aussage entweder als wahr oder falsch. Indem aber das Indikationenkalkül in der Figur des Wiedereintritts (re-entry) Selbstbezüglichkeit ermögliche, also Aussagen erlaube über die Wahrheit oder Falschheit der Aussage, gehe sie über eine bloße Zuordnung von „wahr“ oder „falsch“ hinaus. Mit der Selbstbezüglichkeit in Gleichungen zweiten Grades würden auch Paradoxien mathematisch darstellbar, die zuvor in einer von der Logik her aufgebauten Mathematik künstlich hätten ausgeschlossen werden müssen (vgl. Lau, 2015, S. 112–142).

Das erste Kapitel der Laws of Form fängt damit an, die beiden zentralen Vollzüge des Unterscheidens und des Anzeigens in ihrem Zusammenhang zu erläutern: „We take as given the idea of distinction and the idea of indication, and that we cannot make an indication without drawing a distinction“ (Spencer Brown, 1969, S. 1). Jede ‚indication‘ geht mit einer ‚distinction‘ einher: Ohne Unterscheidung gibt es keine Anzeige (oder anders übersetzt: Bezeichnung), und sobald jemand etwas anzeigt, trifft er oder sie eine Unterscheidung zwischen dem ‚Raum‘, dem die Aufmerksamkeit gilt (marked space), und dem durch die Unterscheidung davon abgegrenzten Raum (unmarked space). Das zweite Kapitel der Laws of Form beginnt mit dem Imperativ: „Draw a Distinction!“ (Spencer Brown, 1969, S. 3). Aus dieser Aufforderung lassen sich sechs Aspekte einer Form der Unterscheidung ableiten:

  1. Die eine Seite des im Unterscheiden Angezeigten, worauf sich die Aufmerksamkeit richtet (marked),

  2. die andere Seite, das Übrige (unmarked),

  3. die Grenze zwischen den beiden Seiten,

  4. der in einen nicht beschreibbaren Kontext (empty space) eingebettete Kontext, der die beiden Seiten (marked/unmarked space) unterscheidbar bzw. zu verschiedenen macht,

  5. das Motiv, das den inhaltlichen Sinn des Unterscheidens verbürgt und einen Beobachtungsstandpunkt impliziert. Denn in Prozessen des Beobachtens werden Unterscheidungen getroffen bzw. hinterfragt (s. u. 2.3),

  6. der Reentry, der in jeder Unterscheidung impliziert ist. Denn weil jede in einer Unterscheidung gegebene Anzeige auf eine Seite der Unterscheidung in sich die Form der Unterscheidung repräsentiert, erfolgt in der Verwendung der Anzeige einer Seite der Wiedereintritt in die Form (Schönwälder-Kuntze, 2009, S. 205).

Katrin Wille erläutert in ihrer Interpretation des elften Kapitels der Laws of Form die Strukturen und Dynamiken, mit denen man versucht hat, die Figur des Reentry zu identifizieren: Selbstreferenz, Rekursion, Selbst-Ähnlichkeit, Feedback, Zirkularität, Imaginäres und Paradoxie (Wille, 2009, S. 191–193). Zuvor mahnt sie, „dass das ‚Re-entry‘ eine komplexe Struktur/Dynamik mit verschiedenen Grundtypen ist, die nicht zu einem ‚Re-entry‘-Singular verkürzt werden dürfen, wenn man sich auf die Ideen der Laws of Form beziehen will“ (ebd., S. 191):

Tabelle 2: Sieben Strukturen/Dynamiken des Reentry der Form in die Form (Brieden, 2022, S. 116–117; 123–126)

Strukturen/ Dynamiken

Definition
(vgl. Wille, 2009, S. 191–193)

Religionspädagogischer Kommentar

Selbst-Ähnlichkeit

Besonderer Fall der Teil-Ganzes-Beziehung: Das Ganze ist Ganzes und gleichzeitig Teil seiner selbst. (Beispiel: Fraktale)

Glaube: jede Glaubensäußerung enthält in sich den Keim der Glaubensfülle.
(Theologie)

Selbstreferenz

Ein selbstreferentieller Satz enthält einen Teilausdruck, der den ganzen Satz bezeichnet. Allgemein: Das, was bezeichnet, ist zugleich das, was bezeichnet wird.

Reflexion des eigenen religionspädagogischen Handelns
(Lehrer*innenbildung, Religionsdidaktik, theologische Hochschuldidaktik)

Rekursion

Verfahren, das immer wieder auf sich selbst angewandt wird, bis eine gesuchte Größe erreicht ist. Geometrische Rekursion führt zur Entwicklung von Fraktalen.

Mechanisches Lernen; z. B. Auswendiglernen, Fragen und Antworten aus dem Katechismus; aber auch Vertiefen des Verstehens, im Sinne des hermeneutischen Zirkels
(Geschichte der Religionspädagogik)

Zirkularität

In einem oder mehreren Kreisläufen kann, was übertragen wurde, an eine Stelle zurückfließen, von der es ausgegangen war.

‚Natürliche‘ Lernprozesse: Aufgreifen und Einbauen, was interessiert
(Pädagogik)

Feedback

Prozess, in dem der Output eines Kreislaufes den Input verändert.

Input/Output-Trennung ist häufig künstlich: Oft entstehen Input und Output simultan und in Abhängigkeit voneinander.

Lernen professionell gestalten: hohe Bedeutung von konkretem Feedback; Kompetenzorientierung
(Allgemeine Didaktik)

Imaginäres

Die imaginäre Zahl i, die Wurzel aus Minus 1, hat eine reale und notwendige Funktion in der üblichen Mathematik und kann geometrisch als ‚realer‘ Vorgang interpretiert werden. Dadurch können Gleichungen gelöst werden, die sonst nicht direkt gelöst werden können.

Religion in ihrer Funktion, Unbestimmbares in Bestimmtes zu überführen; Antworten auf ‚unbeantwortbare‘ Fragen; Imagination: sich vorstellen können, was transzendent ist
(Religionssoziologie, Religionspsychologie)

Paradoxie

Schwacher Sinn: etwas geht gegen die Überzeugungen des common sense (para doxa) und ist trotzdem wahr.

Stärkerer Sinn: Selbst-Widersprüchlichkeit

Paradoxien des Glaubens wahren das Geheimnis Gottes; z. B. Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch
(Theologie)

Die Paradoxie ist eine von mehreren Dynamiken des Reentry der Form der Unterscheidung in diese Form. Katrin Wille unterscheidet das Paradox im „schwachen Sinn“ einer Widerständigkeit gegen den common sense von seinem „starken Sinn“ als logische Selbstwidersprüchlichkeit (Wille, 2009, S. 193). Für beide Sorten mag gelten, was Niklas Luhmann im Glossar zu seinem Buch „Ökologische Kommunikation“ schreibt: „Ein Paradox ergibt sich, wenn die Bedingungen der Möglichkeit einer Operation zugleich die Bedingungen der Unmöglichkeit dieser Operation sind“ (Luhmann, 2008, S. 177–178).

Der starke Sinn des Paradoxiebegriffs ist abzugrenzen vom Paradoxiebegriff der analytischen Philosophie, die Paradoxien als Rätsel versteht, die durch logische Untersuchungen zu lösen wären. So definiert etwa R. Mark Sainsbury Paradoxie als eine „scheinbar unannehmbare Schlussfolgerung, die durch einen scheinbar annehmbaren Gedankengang aus scheinbar annehmbaren Prämissen abgeleitet ist“ (Sainsbury, 2010, S. 12). In der philosophischen Behandlung von Paradoxien geht es dann lediglich darum, die Schwächen in den Prämissen oder dem Gedankengang aufzudecken und damit die Paradoxien aufzulösen. Die Auseinandersetzung mit Paradoxien schult das logische Denken.

Für Luhmann hingegen tritt die Paradoxie „an die Stelle des transzendentalen Subjekts“ und seines ihm von der Transzendentalphilosophie eingeräumten Zugangs „zu unkonditioniertem, a priori gültigem, aus sich selbst heraus einsichtigem Wissen“; Paradoxien sind für Luhmann „die einzige Form, in der Wissen unbedingt gegeben ist“, und die Pardoxieentfaltung fordert zu Entscheidungen heraus – aber „entscheiden kann man nur (um auch dies paradox zu formulieren), was im Prinzip unentscheidbar ist“ (Luhmann, 2000, S. 132). Da es in der Religion um die Entscheidung derjenigen Fragen geht, die wissenschaftlich nicht entschieden werden können – wie Fragen nach dem Sinn von Leben und Tod (s. o. 1.1) –, „hat anspruchsvolles theologisches Denken […] es immer wieder mit […] Paradoxien zu tun gehabt“ (ebd., S. 74).

2.2 Zweite Reflexionsstufe: Paradoxien nachvollziehen und reflektieren

Niklas Luhmann verweist gegenüber einem schwachen Verständnis von Paradoxie in seinen Schriften immer wieder auf die „Paradoxie der Form“ der Unterscheidung, die in der paradoxen Einheit von Sehen und Nicht-Sehen begründet ist (exemplarisch: Luhmann, 1993). Die im Beobachten des Unterscheidens gewonnene Einsicht in die Paradoxie der Einheit von Unterscheidung und Bezeichnung ersetzt innerhalb eines operativen Konstruktivismus die Suche nach transzendentalen Bedingungen der Möglichkeit, deren Anspruch auf ewige Geltung (insofern sie aller möglichen Erfahrung vorausliegen) bestritten wird: „Zu sehen, was andere nicht sehen können (und dem anderen zu konzedieren, daß er nicht sehen kann, was er nicht sehen kann), ist gewissermaßen der systematische Schlußstein der Erkenntnistheorie – das, was an die Stelle ihrer Begründung a priori tritt. Deshalb ist auf die Feststellung wert zu legen, daß jeder Beobachter sich, indem er seinem Beobachten eine Unterscheidung zugrundelegt, in eine Paradoxie verstrickt. Deshalb kann er weder das Anfangen noch das Aufhören seines Beobachtens beobachten – es sei denn mit einer anderen Unterscheidung, mit der er schon angefangen hat bzw. nach dem Aufhören weitermacht. Deshalb erfordert alles Projektieren, alles Zwecksetzen, jede Episodierung schon rekursives Beobachten, und rekursives Beobachten ermöglicht seinerseits zwar nicht eine Eliminierung von Paradoxien, wohl aber ihre zeitliche und soziale Aufteilung auf verschiedene Operationen“ (Luhmann, 2005, S. 49).

Wenn es notwendig sein sollte, „mit Unterscheidungsoperationen zu beginnen“, dann steht nach Luhmann nicht „Arbeit am Mythos“ im Zentrum auch des Aufgabenspektrums religiöser Systeme, sondern „Arbeit an Paradoxien“ (Luhmann, 1987, S. 265). Rekursives Beobachten ist eine Weise des Umgangs mit Paradoxien. In solcher Arbeit kann die Paradoxie selbst entweder in die Latenz verdrängt (invisibilisiert) werden – Luhmann spricht dann von „Entparadoxierung“ –, oder es bleibt möglich, ihre Gegenwärtigkeit zu beachten – das schließt der diesbezüglich neutralere Ausdruck der „Paradoxieentfaltung“ ein. Dass Luhmann dieser Arbeit hohe Priorität einräumt, wird deutlich darin, dass er dafür zwei „Wissenschaften“ erfindet: „Sthenographie“, die der Paradoxie trotz Gefahr der eigenen Erstarrung ins Auge blickt, und „Euryalistik“, die mit ihrer „Blickvermeidungsstrategie“ eher entparadoxierend tätig wird (Luhmann, 1991). Paradoxieentfaltung geschieht beispielsweise durch die „zeitliche und soziale Aufteilung auf verschiedene Operationen“ (s. o.: Luhmann, 2005, S. 49). Mit der sozialen Aufteilung ist die Differenzierung unterschiedlicher Perspektiven verbunden, die jeweils ernst zu nehmen sind, aber eben auch eingesetzt werden können. Durch zeitliche Aufteilung wird Komplexität reduziert, insofern man sich einzelnen Bestandteilen eines Problems nacheinander widmen kann. Damit ist allerdings paradoxerweise zugleich eine Steigerung von Komplexität verbunden, insofern in der Beschränkung auf das Detail dessen Komplexität neu ins Spiel kommt.

Solche Paradoxien zu „verstehen“ und zu reflektieren sind für jedes religionspädagogische Nachdenken zentrale Lernziele, etwa in der Arbeit an den folgenden Fragen: Wie lässt sich die paradoxe Einheit von Lernbarkeit und Nichtlernbarkeit des Glaubens bearbeiten? Wie können Anfänge des Glaubens im Leben der einzelnen in ihrer paradoxen Einheit mit dem Unglauben thematisiert werden? Wie ist mit der dadurch verbundenen Ambivalenz umzugehen, die in der Regel unbewusste Vorurteile und Ängste beinhaltet, auch in Bezug auf die Perspektiven von anderen? Welche Rolle spielt das religionspädagogische Ziel der Perfektion in seiner paradoxen Einheit mit der Unvollständigkeit allen Lernens und Glaubens? Inwiefern wird religiöses Lernen durch Moralisierung parasitiert? Wie können Medien der Kunst eingesetzt werden, ohne sie didaktisch zu instrumentalisieren? Inwieweit kommt bei all dem die paradoxe Einheit von Verstehen und Missverstehen zu ihrem Recht? Etc. (Brieden, 2022, S. 384–430).

Eine umfassende Auseinandersetzung mit Luhmanns Paradoxiebegriff (Brieden, 2022, S. 153–298) lehrte mich, sechs Charakteristika der Form der Paradoxie und ihrer Entfaltung zu bestimmen: Das erste Charakteristikum ist die in der Paradoxie aufgehobene Geltung des logischen Satzes vom Widerspruch: Etwas kann nicht zugleich A und Nicht-A sein. Denn die Form der Paradoxie bezeugt die Einheit von Bezeichnung und Nicht-Bezeichnung (als Form der Unterscheidung), von Bejahung und Verneinung, von Kommunikation und Nicht-Kommunikation, von Glauben und Nicht-Glauben, von Immanenz und Transzendenz, von Verstehen und Nicht-Verstehen, von Lernen und Nicht-Lernen, etc.

Ein zweites Charakteristikum ist, dass die Überwindung logischer Gesetze in der Form der Paradoxie das Nachdenken in eine zirkuläre Bewegung versetzt: Im Oszillieren zwischen Bejahung und Verneinung konvergieren Anschlussfähigkeit und Anschlusslosigkeit. Darin deutet sich eine dritte Möglichkeit an: Es gibt nicht nur ja und nein, nicht bloß wahr und unwahr. Damit wird der Satz vom ausgeschlossenen Dritten außer Gefecht gesetzt – und das ausgeschlossene Dritte kann sich über die Paradoxie hinterrücks, wie ein Parasit, wieder ins System einschließen und es irritieren.

Das Hin-und-her-Schwingen zwischen einer Behauptung und ihrem Gegenteil erzeugt nicht bloß eine unkreative Starre, sondern eröffnet einen Raum für Imaginäres, das sich nach dem Absprung aus dem Schwingungszustand zeigt. Denn das Oszillieren benötigt zwar Zeit, lässt sich aber nicht auf Dauer durchhalten. Es ist ähnlich wie bei einem wilden Schaukeln – irgendwann kann es der Körper nicht mehr aushalten. Der Absprung aus einer hohen Position eröffnet neue Perspektiven auf die Welt. Wer konnte das nicht als Kind erleben und erinnert sich – trotz oder auch wegen der Gefahr, sich dabei einige Knochen zu brechen oder zumindest ein paar Schrammen einzufangen – nicht gern daran zurück? Und dieser Absprung ist das dritte Charakteristikum der Form der Paradoxie, dass sie nämlich auf Entparadoxierung drängt.

Das ist kaum verwunderlich, wendet man die Form der Paradoxie über einen Reentry in der Dynamik der Rekursion auf sich selbst an: Dann spiegelt sich die Form der Paradoxie in der Form der Paradoxie wider, sie ist die paradoxe Einheit von Paradoxie und Nicht-Paradoxie. Damit ist der Übergang zu einer anderen Weise des Beobachtens der Paradoxie erreicht. Die Form der Paradoxie gilt für alle Beobachtungen, wird aber erst auf der Ebene einer Beobachtung zweiter Ordnung als Paradoxie erkennbar. Die ersten drei Charakteristika sind das Resultat einer Beobachtung zweiter Ordnung, die sich auf die konkrete Operation der Unterscheidung richtet und in ihr die Form der Paradoxie wahrnimmt. Die nächsten drei Charakteristika sind das Resultat einer Beobachtung, die sich auf die Beobachtung als Beobachtung fokussiert.

Eine solche Beobachtungsweise beobachtet also die Paradoxie nicht als Operation, sondern sie beobachtet, wie Systeme Paradoxien beobachten, d. h. wie sie mit ihnen umgehen, sie entfalten bzw. entparadoxieren. Zwei Weisen eines solchen Paradoxologisierens lassen sich differenzieren: Erstens kann sich ein System der Entparadoxierung und der für sie angewendeten Strategien bewusst sein, zweitens werden die Strategien der Entparadoxierung unsichtbar gemacht. Diese Differenzierung zwischen invisibilisierter und bewusster Entparadoxierung ist das vierte Charakteristikum der Paradoxie.

Aus diesen beiden Strategien leiten sich zwei weitere Charakteristika ab. Nach Luhmann ist die Strategie der Invisibilisierung effektiver, weil der blinde Fleck des Nichtwissens das System darin bestärkt, die Entparadoxierung sicher und ohne hemmende Zweifel durchzuführen. Außerdem bewirkt die soziologische Beobachtung der von fremden Beobachtungsstandpunkten aus unbewusst durchgeführten Entparadoxierungsstrategien dann einen größeren Erkenntnisgewinn. Der Fall der invisibilisierten Paradoxie ist das fünfte Charakteristikum der Form der Paradoxie.

Nicht nur soziologische, auch theologische Aufklärung kann darin bestehen, die Entparadoxierung transparent zu machen – und auch dafür wird es mehrere Wege geben. Entparadoxierungsstrategien sind in der modernen Gesellschaft nur angemessen, wenn sie transparent gemacht werden. Die transparente Paradoxieentfaltung ist deshalb das sechste Charakteristikum der Form der Paradoxie (Brieden, 2022, S. 286–288).

2.3 Dritte Reflexionsstufe: Beobachtungen differenzieren

Die bisherigen Ausführungen nutzten den Beobachtungsbegriff bereits in einem weiten Sinn, der alle Vollzüge des Unterscheidens umgreift. Neben einer Beobachtung erster Ordnung, durch die die Perspektive des Alltags bestimmt wird (die unmittelbaren Lebensvollzüge sind zugleich immer auch Vollzüge des Beobachtens), ist die Beobachtung zweiter Ordnung beispielsweise als Perspektive von Wissenschaft und Wissenschaftstheorie allgemein anerkannt: Wissenschaftler*innen reflektieren ihr Beobachten, um durch methodisches Handeln blinde Flecken des Beobachtens erster Ordnung auszuschließen; wissenschaftstheoretisch werden im Beobachten des wissenschaftlichen Beobachtens auch dessen blinde Flecken sichtbar. Auch dieses Beobachten hat freilich seine blinden Flecken – als Folge der ubiquitären Paradoxie der Form der Unterscheidung.

Für Luhmann ist Beobachten generell „eine paradoxe Operation“, insofern sie die Zwei-Seiten-Form der Unterscheidung als Einheit aktualisiert (Luhmann, 1990, S. 95). Die Beobachtung zweiter Ordnung ist dann besonders daran interessiert, „wie der beobachtete Beobachter mit seiner Paradoxie umgeht; wie er diese Paradoxie auflöst; wie er die Paradoxie des Beobachtens entparadoxiert“ (ebd., S. 98). Luhmanns Begriff der Beobachtung ist daher, analog zu den Begriffen der Unterscheidung und der Paradoxie, ebenfalls ubiquitär. Luhmann ersetzt die traditionelle Unterscheidung von Willen und Verstand/Vernunft „durch den Begriff des Beobachters. Der Begriff Beobachten umfaßt also Erkennen und Handeln“ (ebd., S. 112). Folgt man diesem weiten Verständnis von Beobachten, müsste er der zentrale Begriff der Religionspädagogik sein, durch den sie sich jeweils als Einheit von Wahrnehmungs- und Handlungswissenschaft aktualisiert. Luhmann erläutert die Verbindung des Begriffs mit der paradoxen Unterscheidungsform und erklärt, warum Spencer Brown die Figur des Beobachtenden erst relativ spät einführt: „Die Unterscheidung ist der Grund der Beobachtung (denn mit einer anderen Unterscheidung würde man etwas anderes beobachten). Die Unterscheidung kann aber nur selbstimplikativ eingeführt werden, und das wird zum Paradox, wenn man mit dem Unterscheiden beginnt. Denn die Unterscheidung ist eine Form, die ihrerseits eine Innenseite (das Unterschiedene) und eine Außenseite (das Sonstige) unterscheidet. Also kann man mit dem Unterscheiden nicht anfangen, ohne schon unterschieden zu haben. Der Kalkül Spencer Browns schiebt dieses Problem vor sich her (er läßt sich dadurch nicht blockieren), bis er komplex genug ist, um es mit der Figur des ‚re-entry‘, dem Eintritt der Unterscheidung in das Unterschiedene, zu behandeln“ (ebd., S. 84).

Georg Kneer und Armin Nassehi stellen in ihrer Zusammenfassung der Beobachtungstheorie Luhmanns acht Charakteristika heraus, die das Gesagte bestätigen und weiterführen (Kneer & Nassehi, 2000, S. 95–110): Das erste Merkmal betreffe die Allgemeinheit der Operation „Beobachten“, die nicht nur von den autopoietischen Systemen des Körpers, des Bewusstseins und der Gesellschaft vollzogen werden könnten, sondern auch von allopoietischen Systemen wie etwa einem Thermostat. Dabei gelte für alles Beobachten zweitens ihre operationale Geschlossenheit, d. h. im Blick auf die Systemtheorie, dass keine direkten Kontakte zur Umwelt der Systeme bestünden, sondern die Beobachtungen, die im Vollzug eine Differenz von Operation und Beobachtung setzten, systeminterne Konstruktionen der jeweiligen Systeme blieben.

Drittens habe jede Beobachtung ihren blinden Fleck, weil sie auf die jeweils anvisierte Unterscheidung bezogen bleibe; wenn z. B. das Rechtssystems aufgrund seines Codes recht/unrecht einen Einbruch als unrecht beobachte, fielen andere mögliche Unterscheidungen unter den Tisch (etwa ob der Einbruch für den Einbrecher gewinnbringend war oder nicht, oder ob er technisch gut ausgeführt wurde oder nicht). Zudem könne keine Beobachtung beide Seiten der Unterscheidung zugleich beobachten (das Rechtssystem bezeichnet den Einbruch als unrecht und könnte erst später durch Wechsel der Beobachtungsebene feststellen, ob und inwiefern dem Einbruch auch ein relatives Recht zuzuordnen wäre, z. B. weil der Einbrecher nur auf diese Weise seinen Hungertod verhinderte oder sich lediglich zurückholte, was sein Opfer ihm zuvor genommen hatte).

Damit hänge viertens zusammen, dass sich die Beobachtung nicht im Beobachten selbst beobachten könne (im Vollzug des Unterscheidens von recht und unrecht kann nicht zugleich darüber reflektiert werden, ob diese Unterscheidung selbst recht oder unrecht ist, oder was diese Unterscheidung von anderen möglichen Unterscheidungen unterscheidet wie z. B. der Differenz des religiösen Systems von immanent und transzendent). Der Vollzug des Unterscheidens beinhalte damit wie gesagt immer auch einen blinden Fleck des Beobachtens. Zwar könne über eine Beobachtung zweiter Ordnung das Beobachten beobachtet werden, aber auch diese Beobachtung bleibe an die eigene Unterscheidung gebunden und habe ihren blinden Fleck.

Deshalb sei fünftens die Beobachtung zweiter Ordnung nicht privilegiert gegenüber einer Beobachtung erster Ordnung. Allerdings führe die Beobachtung zweiter Ordnung – indem sie zu sehen erlaube, dass sie nicht sehen kann, was sie nicht sehen kann – sechstens „zu einem radikal gewandelten Welt-, Seins- und Realitätsverständnis“. Denn deutlich werde, dass die Welt immer auch anders beobachtet werden kann. Ein monokontexturales Weltverständnis, das allein auf der Basis von Beobachtungen erster Ordnung oder innerhalb geschlossener gesellschaftlicher Systeme bestehe, wandele sich zu einer polykontexturalen Weltsicht: „Polykontexturalität meint, daß es eine Vielzahl von Unterscheidungen, eine Vielzahl von unterschiedlichen Kontexturen gibt, die von keinem archimedischen Beobachtungspunkt ineinander überführt und verglichen werden können.“ Es gebe keine „absolut ‚richtige‘ Sicht der Dinge“ (ebd., S. 102–103). Siebtens führe die bereits präsentierte Paradoxie als Form der Unterscheidung und damit auch des Beobachtens zu Situationen von Unentscheidbarkeit, in denen ein Oszillieren zwischen zwei Werten zu beobachten sei.

Das achte und letzte Merkmal betrifft die Forderung nach Autologie, dass also die Merkmale der Beobachtung auf Luhmanns Supertheorie selbst anzuwenden seien: Diese Selbstreflexivität der Theorie impliziere folglich

  • ihre Allgemeinheit (die Systemtheorie lässt sich auf alle Felder des Gesellschaftlichen und auf sich selbst beziehen),

  • operationale Geschlossenheit (die Beobachtungen der Theorie sind interne Konstruktionen innerhalb des Systems Wissenschaft),

  • Betroffenheit von blinden Flecken und damit in wissenschaftstheoretischer Perspektive eine epistemische Demut (die Systemtheorie ist verwiesen auf Interdisziplinarität, damit sich die Wissenschaften gegenseitig über ihre jeweiligen blinden Flecken aufklären, und auf Transdisziplinarität, um blinde Flecken des Wissenschaftssystems wahrzunehmen),

  • Betroffenheit von Paradoxien, die wissenschaftlich durch ein Zusammenspiel von Euryalistik und Sthenographie zu entfalten wären (Brieden, 2022, S. 75–77).

Luhmanns Schülerin Elena Esposito differenziert vier Ebenen, um die Differenz zwischen Beobachtungen erster und zweiter Ordnung präzise zu erfassen: Ebene A sei diejenige der monovalenten Operationen, durch die sich die autopoietischen Systeme am Leben erhalten. Was existiert, werde auf der Ebene dieser Operationen hervorgebracht. Aber „was über das Existierende gesagt werden kann“, bedürfe der Beobachtung, „die stets eine spezifische Unterscheidung benutzt“ (Esposito, 1991, S. 43). Ebene B (Beobachtung erster Ordnung) basiert somit auf der Form der Unterscheidung, um zu beobachten, welchen Inhalt die Operation hat. Dabei werde die zu diesem Zweck durchgeführte Unterscheidung zwischen Bezeichnung (des Inhalts der Operation) und Unterscheidung (z. B. Gedanke/Nicht-Gedanke, wahr/falsch, …) zum blinden Fleck der Beobachtung. D. h., erst durch das Beobachten werde der Inhalt für das Bewusstsein zugänglich. Aber der Blick auf diesen Inhalt verdecke die Unterscheidungsoperation des Beobachtens, das selbst als autopoietisches System operiere. Deshalb sei die Beobachtung sowohl blind als auch nicht-blind. Der Widerspruch sei nur ein scheinbarer, denn der beobachtete Inhalt und der Inhalt des blinden Flecks der Unterscheidung seien nicht miteinander identisch (vgl. ebd., S. 43). Die so beschriebene Beobachtung erster Ordnung sei demnach „eine bivalente Operation, die eine Unterscheidung benutzt, um ein monovalentes Objekt, auf das sie sich bezieht, zu identifizieren: eine Information, einen Gedanken, eine Wahrheit“ (ebd., S. 44).

Wenn der Inhalt des blinden Flecks, der durch das Beobachten in der Operation der Unterscheidung hervorgebracht wird, beobachtet werden soll, dann geschehe das „von einer anderen (systeminternen oder systemexternen) Beobachtung“ aus (ebd., S. 43). Dabei sei wichtig zu bedenken, dass in „jeder Beobachtung […] ein Wert zur Bezeichnung des Objekts (zum Beispiel als ‚wahr‘), und der Gegen-Wert […] der Unterscheidung des Anderen (‚das Falsche‘)“ diene. „Als Operation bringt die Beobachtung so eine Selbstreferenz hervor, die von einer anderen Beobachtung als Fremdreferenz behandelt werden kann“ (ebd., S. 46). Der blinde Fleck könne dann auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung beobachtet werden.

Für diese Beobachtung unterscheidet Esposito zwei Varianten: Auf Ebene C könne die bivalente Beobachtung als monovalente Operation beobachtet werden; ihr Inhalt sei die Differenz von Wert und Gegen-Wert, die sie als Fremdreferenz zur Operation der beobachteten Beobachtung ins Auge fasse. Auf Ebene D gehe es nun nicht um den operativen Charakter der beobachteten Beobachtung, sondern um ihren bivalenten Beobachtungscharakter selbst. Hier erst gerate die paradoxe Einheit der operativen Differenz der beobachteten Beobachtung vor den Blick – und provoziere die Suche nach einem dritten Wert, der diese Einheit zu bezeichnen vermag (ebd., S. 46).

Die folgende Tabelle zeigt die Unterscheidungen Espositos im Überblick. Wichtig ist zu beachten, dass jede Beobachtung immer zugleich auch eine Operation darstellt. Die erste Zeile unter den Titeln der Ebenen beschreibt den Charakter der jeweiligen Operation, die zweite Zeile gibt jeweils ein Beispiel für sie und die dritte Zeile akzentuiert ihre je spezifische Leistung. Die höheren Ebenen verweisen in sich auf die Leistungen der unteren Ebenen (deshalb die Pluszeichen in der letzten Zeile); von jeder Beobachtungsebene aus sind Perspektivwechsel zu den anderen möglich bzw. erforderlich. Diese wechselseitige Durchdringung der drei differenzierten Beobachtungen (Ebenen B-D), die zugleich jeweils eine spezifische monovalente Operation sind (Ebene A), macht das Phänomen der Beobachtung so komplex.

Tabelle 3: Beobachtungstheoretische Differenzierung in vier Ebenen nach Esposito (Brieden, 2022, S. 305)

Ebene A

Ebene B

Ebene C

Ebene D

Operation

Beobachtung 1. Ordnung

Beobachtung 2. Ordnung, Typ 1

Beobachtung 2. Ordnung, Typ 2

monovalenter Vollzug im System

bivalente Unterscheidung, gerichtet auf monovalente Operation zur Erzeugung von Inhalten

bivalente Unterscheidung, beobachtet bivalente Beobachtung als monovalente Operation

bivalente Unterscheidung, beobachtet bivalente Beobachtung als bivalente Operation

Gedanke, Kommunikation, …

Objekt des Gedankens (benutzt z. B. Differenz wahr/falsch)

Differenz wahr/falsch als Inhalt

paradoxe Einheit von wahr und falsch

aktualisiert Autopoiesis

+ bringt Selbstreferenz hervor

+ richtet sich auf Fremdreferenz

+ Suche nach drittem Wert

Paradoxien entstehen nach Esposito dann, „wenn eine Operation sich selbst zum Objekt hat“. Und bei dieser Operation muss es sich entsprechend Espositos erstem Paradoxiekriterium der Selbstreferenz um „eine Operation der Beobachtung handeln […], die sich auf ein spezifisches Objekt bezieht, welches seinerseits eine Beobachtung ist“ (Esposito, 1991, S. 44). Entsprechend ihrem zweiten Paradoxiekriterium der Unentscheidbarkeit muss der Gegenstand der Beobachtung eine Beobachtung in ihrem bivalenten Beobachtungscharakter sein. Wenn nämlich keiner der beiden Werte (z. B. wahr oder falsch, gut oder böse, gerecht oder ungerecht) auszuschließen ist, werde auch keine Entscheidung dem bivalenten Objekt der Beobachtung gerecht (ebd., S. 47). Beobachtbar würden Paradoxien damit erst auf Ebene D, obwohl sie schon auf Ebene B wirkten – was natürlich auch für Ebene D gilt, sofern sie alle anderen Ebenen beinhaltet (Brieden, 2022, S. 305–307).

Über Luhmanns Beobachtungstheorie hinaus geht das paradoxe Konstrukt einer Beobachtung dritter Ordnung (manche bezeichnen die wissenschaftstheoretische Beobachtung als eine solche; m. E. stellt sie im Sinne der Ebene D nach Esposito lediglich einen Sonderfall der Beobachtung zweiter Ordnung dar): Sie umfasst Perspektiven ästhetischer und religiöser Wahrnehmung, indem sie, bezogen auf die Religion, die ersten beiden Ordnungen in der Bestärkung reflektierter religiöser Entschiedenheit integriert (was Paul Ricœur als zweite Naivität bezeichnete) und auch Innen- und Außenperspektive durch Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung ineinander verschränkt (was Rudolf Otto mit der Erfahrung des Heiligen als des fascinosum et tremendum beschrieb). Die Beobachtung dritter Ordnung ist ein paradoxes Konstrukt, weil sie von außen nicht von der Beobachtung erster Ordnung (im Sinne einer ergriffenen Teilnahme aus der Innenperspektive) zu unterscheiden ist und im Grunde erst postreflexiv, im Nachhinein, aus der Perspektive einer Beobachtung zweiter Ordnung als Beobachtung erkennbar ist. Sie ist aus dieser nachträglichen Beobachtungsperspektive, paradox gesprochen, Beobachtung einer Nicht-Beobachtung. Im Blick auf den dritten Wert jenseits von Beobachtung und Nicht-Beobachtung kann sie als die paradoxe Einheit von Beobachtung und Nicht-Beobachtung bezeichnet werden. Die folgende Tabelle resümiert die beschriebene Beobachtungstheorie in ihrem Zusammenhang (Brieden, 2022, S. 319–322):

Tabelle 4: Postulat einer Beobachtung 3. Ordnung: paradoxe Einheit von Beobachtung und Nicht-Beobachtung

 

Außenperspektive

Innenperspektive

Ebene A: Operation
(Leben)

Vollzug im System, immer nach innen gerichtet,
Differenzierung spielt keine Rolle

Ebene B: Beobachtung 1. Ordnung
(alltägliches Erleben)

distanzierte Wahrnehmung

ergriffene Teilnahme

Ebene C: Beobachtung 2. Ordnung, Typ 1
(wissenschaftliches Erleben)

Religionswissenschaft
(-soziologie, -philosophie, -ethnologie, …)

christliche Theologien/Theologien der Weltreligionen

Ebene D: Beobachtung 2. Ordnung, Typ 2 (wissenschaftliches Erleben)

Außenperspektive dominiert
durch wissenschaftstheoretische Distanz,
Differenzierung spielt keine Rolle,

‚Beobachtung‘ 3. Ordnung

nicht didaktisch herstellbar, verwechselbar mit Beobachtung 1. Ordnung aus der Innenperspektive

(religiöses Erleben, Analogien zum ästhetischen Erleben)

Integration

(a) der ersten beiden Ordnungen
in der Bestärkung reflektierter religiöser Entschiedenheit („2. Naivität“),


(b) der Innen- und Außenperspektive
durch Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung    
(religiöses Erleben des Heiligen: „fascinosum et tremendum“ – Offenbarungserfahrung)

Religiöse Erfahrung machen Paradoxien unsichtbar (fünftes Merkmal der Paradoxie, s. o. 2.2). Sofern die Theologie durch Wechsel der Beobachtungsordnung über diese Paradoxien aufklärt (sechstes Merkmal), dient sie zum einen der religiösen Bildung. Zum anderen kann sie, lässt sie es an epistemischer Demut fehlen, dadurch auch Glauben zerstören. Das Postulat einer Beobachtung dritter Ordnung ist nötig, damit Theologie nicht zynisch wird, sich nicht über den als naiv abgewerteten Glauben erhebt: Das Bewusstsein darüber, dass in der Beobachtung dritter Ordnung Beobachtung und Nicht-Beobachtung vereint sind, führt unweigerlich zu epistemischer Demut. Denn das religiöse Erleben lässt sich in seiner ästhetischen Valenz nicht vollständig wissenschaftlich erfassen (Brieden, 2022, S. 360–363).

2.4 Vierte Reflexionsstufe: Beobachtungen bewahrheiten

Theologie hat die Funktion der Selbstdistanzierung vom eigenen Glauben und dient damit zugleich diesem Glauben; sie hilft über diese Distanzierung hinweg, indem sie paradoxerweise eine neue Nähe zum Glauben ermöglicht, etwa im Oszillieren mit dem Unglauben. Gilt das wirklich für jedes theologische Denken? Um diese Frage zu klären, referiere ich im Folgenden vier Denkformen von Theologie, die Rudolf Englert differenziert: hybride, lehramtliche, wissenschaftliche und sapientiale Theologie (Englert, 2020, S. 15–39); die Zitate im Folgenden sind seiner Tabelle am Ende des ersten Kapitels entnommen (ebd., S. 38).

1. Mit hybrider Theologie reflektiert ein Individuum seinen Lebensglauben, ohne sich dabei auf eine bestimmte Tradition zu verlassen. Was als Kinder- und Jugendtheologie bezeichnet wird, hat häufig den Charakter des Hybriden: Der „Relevanzrahmen“ ist „das in religiöser Hinsicht ‚einsame Ich‘“ und der „Geltungsanspruch“ ist dementsprechend „eingeschränkt auf die eigene Person“. Das „Deutungsinstrumentarium“ sind „intuitiv empfundene Plausibilitäten“ und das „Klärungsinteresse“ dreht sich um „persönliche (religiöse) Fragen“. Dass eine solche Theologie von anderen rezipiert wird, ist unwahrscheinlich, denn sie gilt erst einmal nur für einen selbst. Diese „Idiosynkrasie“ verweist darauf, dass die geforderte Selbstdistanzierung mit hybrider Theologie selten einhergeht; in religiösen Bildungsprozessen können jedoch hybride Theologien der Individuen in einen Dialog untereinander und mit verschiedenen religiösen Traditionen gebracht werden. Das Angebot theologischer Alternativen könnte auf diese Weise eine Distanz zur eigenen Theologie erwecken – zumindest dann, wenn den Lernenden die Grenzen ihrer Theologien aufscheinen.

2. Lehramtliche Theologie begegnet zumeist in kirchlichen Verlautbarungen oder katechetischer Literatur. Innerhalb des Christentums ist ihr Relevanzrahmen die „als konsistentes Überzeugungssystem verstandene Tradition christlichen Glaubens“, die „normative Geltung“ und „hohe Verbindlichkeit“ beansprucht. Ein „autoritativer Duktus“, eine „appellative Redeform“ und „assertorische Sprache“ charakterisiert das Deutungsinstrumentarium lehramtlicher Theologie, die „unterschiedliche Aspekte des Glaubensvollzugs in Christentum und Kirche“ zu klären bestrebt ist. Der hohe „Verbindlichkeitsanspruch“ lehramtlicher Theologie im Dienst der Glaubenswahrheit dient somit ebenfalls nicht der Distanzierung vom eigenen Glauben, sondern möchte einladen, sich mit dem Glauben einer religiösen Gemeinschaft zu identifizieren. Allerdings stößt diese Verbindlichkeit viele Menschen ab, so dass sie sich von einem solchen Geltungsanspruch distanzieren, anstatt die Einladung anzunehmen. Für religiöse Bildungsprozesse ist die lehramtliche Theologie jedoch unverzichtbar, weil sie mit ihren verbindlichen Deutungsperspektiven Anlässe für Lernende schafft, sich von diesen Perspektiven zu distanzieren, an der Auseinandersetzung mit ihnen zu wachsen und sie gegebenenfalls auch für sich zu übernehmen. Diese Bedeutungsstruktur wird mit der Organisationsform des konfessionellen Religionsunterrichts konkretisiert, ohne dass sie auf diese Form zu reduzieren wäre – auch ein interreligiös-kooperativer oder ein religionskundlicher Religionsunterricht sollten bestrebt sein, die Denkform lehramtlicher Theologie einzuspielen.

3. Wissenschaftliche Theologie ist jene Denkform, mit der sich Studierende in einem Theologiestudium primär befassen. Der Relevanzrahmen ist abgesteckt durch „Regeln des wiss. Diskurses“, der Geltungsanspruch bezieht sich auf die „überprüfbare Richtigkeit deskriptiv erfasster Befunde“. Das Instrumentarium dieser Denkform sind „mittels anerkannter Methoden generierte Erklärungen und Interpretationen“, die ein „fachspezifisch[es], überwiegend speziell[es], vom Stand der Forschung abhängig[es]“ Klärungsinteresse bedienen. Wissenschaftliche Theologie ist für die Reflexion aller Lehrkräfte unverzichtbar, insofern sie dazu verhilft, sich vom eigenen Glauben zu distanzieren. Erst diese Selbstdistanzierung gibt den nötigen Freiraum, die hybride Theologie von Kindern und Jugendlichen wahrzunehmen und zu strukturieren, ohne sie vorschnell an lehramtlicher Richtigkeit oder sapientialer Effektivität zu bemessen. Zum Gegenstand des Unterrichts wird sie allerdings erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Jugendlichen entsprechende formal-abstrakte Denkoperationen vornehmen; meistens gegen Ende der Sekundarstufe I und vor allem im Oberstufenunterricht mit wissenschaftspropädeutischem Charakter.

4. Sapientialer Theologie ist ein Großteil der Literatur zuzuordnen, die wir in Buchhandlungen unter „Religion“ finden: Der Relevanzrahmen ist hier ein „selektiver und non-normativer Bezug auf eine religiöse Tradition“. Der Geltungsanspruch ist „gebunden an persönliche und fachliche Kompetenz“, die sich am Instrumentarium eines „breite[n] Spektrum[s] von Deutungen aus religiösen, aber auch anderen (z. B. tiefenpsychologischen) Quellen“ zeigt. Diese Vielfalt von Deutungsperspektiven hinsichtlich einer religiösen Tradition ist gerichtet „auf Gelingen des Lebens, auf ganzheitliches Heil-Werden“. Das theologische Interesse, einen Beitrag zur Lebenshilfe zu leisten, findet zwar die größte Resonanz beim Publikum, ist aber durch andere Anbieter auf diesem Markt der – eher unverbindlichen – Sinnangebote „substituierbar“, beispielsweise durch das Mitfiebern bei Sportereignissen. Von daher geht es sapientialer Theologie weniger um eine Selbstdistanzierung vom eigenen Glauben, sondern erst einmal darum, das Interesse an einem religiösen Glauben zu wecken, der zum Gelingen des Lebens einen Beitrag zu leisten beansprucht. Diese Dimension des Glaubens ist für religiöse Bildungsprozesse insofern höchst relevant, als sie Menschen dazu motivieren kann, sich überhaupt mit religiösen Traditionen zu befassen.

Bezieht man diese vier Denkformen auf die vier Ebenen der Beobachtung, dann lassen sich – natürlich unter der Voraussetzung, dass Theologie als Reflexionsgestalt des Glaubens primär eine Beobachtung zweiter Ordnung ist – folgende Akzentuierungen vornehmen: Für hybride Theologie steht die Ebene A der konkreten Operation im Vordergrund, insofern sie der je eigenen, idiosynkratischen Glaubensreflexion Ausdruck verschafft und auf diese Weise die Autopoiese des religiösen Ichs stützt. Lehramtlicher Theologie ist Ebene B besonders wichtig, auf der die Differenz wahr/falsch benutzt wird, um Selbstreferenz hervorzubringen; hier steht selbst in der Auseinandersetzung mit Fremdreferenz die Stabilisierung der eigenen Identität im Vordergrund. Demgegenüber fokussiert wissenschaftliche TheologieEbene C, wenn sie die Differenz wahr/falsch entsprechend des Codes im Wissenschaftssystem zum Inhalt macht und sich auf die Fremdreferenz ihrer Inhalte stützt, um möglichst kohärente und konsistente Urteile zu fällen (was ein hohes Spezialwissen erfordert und deshalb vielen Menschen irrelevant zu sein scheint). Für sapientiale Theologie ist Ebene D zentral, auf der die paradoxe Einheit von wahr und falsch ins Blickfeld rückt, was die Suche nach einem dritten Wert motiviert: Es könnte auch anders sein – die eigene religiöse Wahrheit ließe sich durch religiöse Wahrheiten anderer substituieren.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Zuordnung zu den Ebenen impliziert keine Bewertung, sondern soll vielmehr aufzeigen, dass alle Akzentuierungen der differenten theologischen Denkformen zu unterschiedlichen Zeiten von Bedeutung sind. Das Postulat einer Beobachtung dritter Ordnung, die alle Aspekte umgreift, weist genau darauf hin: Jede einzelne Beobachtung steht in einem Beobachtungs-Kontext, der niemals vollständig zu erfassen ist. Trotz der Relativierung von Wahrheitsansprüchen durch diese Kontextualisierung kommt der religiösen Glaubensgewissheit als einem existentiellen Überzeugtsein (Immanenz) von der Wirklichkeit irgendeines Unbedingten (Transzendenz) eine besondere Geltung zu, die sich in der Lebenspraxis je neu bewährt. In diesem Sinne verstehe ich Englerts Plädoyer dafür, der Wahrheitsfrage in religiösen Bildungsprozessen genügend Raum zu geben (Brieden, 2022, S. 367–370).

Englert differenziert dazu zwischen überprüfbaren „Aussagewahrheiten“ einerseits und unentscheidbaren „Seinswahrheiten“ andererseits, die als „Antworten auf religiöse Fragen … nicht zwingend als wahr oder falsch erwiesen werden“ können. Trotzdem sei „auch im Religionsunterricht die Wahrheitsfrage zu stellen“. Weil sich die Seinswahrheiten „allenfalls im Lebensvollzug bewähren können“, sei „die Wahrheit des Glaubens weniger etwas Theoretisches als etwas Praktisches“ (Englert, 2020, S. 147). Wie lässt sich der Charakter von „Seinswahrheiten“ in Abgrenzung zu „Aussagewahrheiten“ präziser bestimmen? Im Folgenden geht es darum, über eine am differenzierten Beobachtungsbegriff geschulte wahrheitstheoretische Analyse die gebräuchlichen Wahrheitskriterien in ihrer jeweiligen Funktion zu bestimmen (Brieden, 2022, S. 375–379):

  • Das (naiv-realistische) Kriterium der Korrespondenz akzentuiert den Zusammenhang von Beobachtung erster Ordnung mit der ihr zugrunde liegenden Operation: Ist die aktualisierte Autopoiesis (Ebene A) wahr oder falsch (Ebene B)? Die Grenze des Kriteriums liegt darin begründet, dass weitere Kriterien erforderlich sind, um Wahrheit oder Falschheit einer Operation nachzuweisen. Denn kein Mensch kann den standpunktlosen Standpunkt Gottes einnehmen.

  • Das (logische) Kriterium der Konsistenz ist ein solches weiteres Kriterium und bezieht sich auf die Stimmigkeit und Folgerichtigkeit der Aussagen zu dem Beobachteten (Ebene B). Seine Grenze liegt in der Isolation der Aussagen, die einerseits nötig erscheint, um einen Gegenstand einzugrenzen, aber andererseits die Komplexität des Gegenstandes derart reduziert, dass der Geltungsbereich des Wahrheitsanspruchs stark eingeschränkt ist. Das (verfahrenstechnische) Kriterium der Falsifizierbarkeit erklärt die Eingrenzung des Gegenstands zur Voraussetzung, um einen Wahrheitsanspruchs zu bewähren, und macht auf diese Weise aus der Not eine Tugend. Insofern unentscheidbare (und nur deshalb zu entscheidende) religiöse Geltungsansprüche in der Regel nicht falsifizierbar sind (s. o. 1.1, 2.1), fielen sie damit aus dem Spektrum wahrheitsbezogenen (konsistenten) Redens heraus (Ludwig Wittgenstein). Innerhalb empirischer Forschungspraktiken haben sich (methodische) Kriterien bewährt, um die Konsistenz der zu interpretierenden Daten zu gewährleisten: Die Validität bezeichnet die Passung von Messung und Messziel, die Reliabilität die Messgenauigkeit im Sinne ihrer Wiederholbarkeit unter den gleichen Konditionen, die Repräsentativität das Maß für die Qualität der Stichprobe in ihrer Stellvertretungsfunktion für eine je größere Grundgesamtheit (bei quantitativen Studien) und die Signifikanz das Maß für die Zuverlässigkeit der gemessenen Korrelation zweier Variablen (hier geht es um den Ausschluss von Zufallskorrelationen durch statistische Berechnungen).

  • Das (relationale) Kriterium der Kohärenz bettet die Geltungsansprüche des als konsistent Beobachteten bzw. als falsifizierbar Zugerichteten bzw. als valide, reliabel, repräsentativ und signifikant Erhobenen in weitere Zusammenhänge ein (z. B. der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder interdisziplinärer Bezüge): Wie spielen Selbstreferenz (Ebene B) und Fremdreferenz (Ebene C) ineinander? Durch die Einbettung in andere Zusammenhänge können die Eingrenzungen des Konsistenzkriteriums zwar überwunden werden. Die Grenze des Kohärenzkriteriums zeigt sich aber in der Kontingenz der gewählten Bezüge: Es lassen sich immer weitere zu beobachtende, bislang nicht berücksichtigte Relationen finden. Um Einigkeit über die Auswahl dieser Relationen zu gewinnen, ist das nächste Kriterium relevant.

  • Das (soziale) Kriterium des Konsenses setzt die Diskutierbarkeit unterschiedlicher Geltungsansprüche voraus, insofern im Vorgriff auf eine im Konsens zu erzielende Wahrheit darauf zu hoffen ist, dass sich jener Anspruch (bzw. jene Kombination von Ansprüchen) durchsetzt, der (bzw. die) auf der Basis des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments (Jürgen Habermas) nicht unterdrückt werden kann: Wie realisiert sich die Autopoiesis (Ebene A) im Austausch von Selbstreferenz (Ebene B) und Fremdreferenz (Ebene C)? Die Grenze zeigt sich formal in der Beschränkung auf Kommunizierbares sowie der Unterstellung einer idealen Kommunikationsgemeinschaft (Karl-Otto Apel) und inhaltlich in der Begrenzung auf bestimmte Subjekte (z. B. können Geltungsansprüche von Subjekten der Zukunft zwar im Sinne einer advokatorischen Ethik antizipiert, aber nicht vollständig konstruiert und konkretisiert werden). Das Kriterium der (intersubjektiven) Validierung verbindet Kohärenz- und Konsenskriterien, insofern es darum geht, wissenschaftliche Wahrheitsansprüche vor wechselndem Publikum jeweils so zu reformulieren, dass sie verstanden werden und sich auf diese Weise im dialogischen Austausch bewähren.

  • Das (ethische) Kriterium der Konsequenz beurteilt Geltungsansprüche von ihren Wirkungen her: Diese können utilitaristisch im Sinne des größten Glücks der größten Zahl bewertet werden, deontologisch im Blick auf die Beachtung moralischer Pflichten oder auch moralpädagogisch hinsichtlich des Potentials, das moralische Empfinden der Handelnden zu bilden, etc. In der Regel spielen verschiedene Motive und deren Zusammenspiel in das Urteil über die Konsequenzen von Geltungsansprüchen hinein, so dass insgesamt die Ebene C zentral ist: Es geht um die Differenz von wahr und falsch im Blick auf die Wirkung als Fremdreferenz eines zu beurteilenden Geltungsanspruchs. Dabei ist der kausale Zusammenhang von Wahrheitsanspruch und Wirkung empirisch kaum nachzuweisen, da die Handlungen, deren Wirkungen zu beurteilen sind, in der Regel ausgelöst werden durch ein Faktorenbündel, das sich nicht auf einen bestimmten Geltungsanspruch reduzieren lässt. Oft werden auch als positiv angesehene Normen (etwa das Gebot der Nächstenliebe) dafür ausgenutzt, um von den eigentlichen Zwecksetzungen abzulenken (wenn z. B. Abgeordnete Masken zum Schutz vor Viren beschaffen und dabei den eigenen Geldbeutel füllen).

  • Das (pragmatische) Kriterium der Viabilität fasst im Grunde alle anderen Kriterien zusammen: Als wahr zeigt sich, was sich in den Prozessen der Bewährung von Geltungsansprüchen im Zusammenspiel aller Ebenen durchsetzt – und das kann durchaus ein „dritter Wert“ sein, in dem sich die paradoxe Einheit von Wahrheit und Falschheit des ersten und zweiten Wertes verbirgt (Ebene D). Insofern das Kriterium der Viabilität den Wahrheitsbegriff dynamisiert, weil sich Wahrheit im Prozess des Lebens ereignet (Ebene A), fokussiert das Kriterium der Viabilität auf das Eingebundensein von Geltungsansprüchen in Praktiken. Alle Kriterien erweisen sich dann selbst als viabel oder nicht-viabel. Der Vorteil des Kriteriums der Viabilität, die sich abspielende Bewährung wertfrei zu beobachten, ist jedoch zugleich seine Grenze: Die Geltungsansprüche, die auf den Ebenen B und C (Korrespondenz, Konsistenz, Kohärenz, Konsens, Konsequenz) die Differenz von wahr und falsch mit inhaltlichen Motiven verbinden, werden auf den formalen Pragmatismus reduziert: Was geht, ist wahr, weil es geht. Daran zeigt sich, dass eine Reduktion auf das Kriterium der Viabilität selbst nicht viabel ist.

Die blinden Flecken der Kriterien verweisen auf die paradoxe Einheit ihrer Viabilität und ihrer Nicht-Viabilität, was auch für das Viabilitätskriterium selbst gilt. Darin spiegelt sich die Beobachtung dritter Ordnung wider: Das Postulat der paradoxen Einheit von Beobachtung und Nicht-Beobachtung verweist auf die Einheit aller Ebenen, die ihrer Differenzierung vorausliegt. Auf diese Einheit wird in den unterschiedlichen theologischen Denkformen reflektiert, insofern die religiöse Erfahrung in der Regel eine Transzendenzerfahrung ist, die sich der präzisen Eingrenzung auf eine Beobachtungsebene entzieht. Das generiert weitere Kriterien; drei möchte ich nennen:

  • Das (existentielle) Kriterium der Glaubensüberzeugung verweist darauf, dass die geglaubte Wahrheit eine Seinswahrheit ist. Der Glaube muss nicht religiös sein in dem Sinne, dass er sich auf die Lehren einer bestimmten Religion bezieht. Er ist existentiell, weil er das Tatsachenwissen transzendiert: Was zu wissen ist, muss nicht geglaubt werden. Die Reflexion des Lebensglaubens durch hybride Theologie kann sich an den lehramtlich vorgegebenen Glaubenssätzen reiben, um nicht in der Idiosynkrasie stecken zu bleiben. Wissenschaftliche und sapientiale Theologie leisten Beiträge dazu, den Lebensglauben als in sich konsistent darzustellen und seine Kohärenz innerhalb der pluralen Gesellschaft zu kommunizieren. Bezogen auf die Wahrhaftigkeit des Glaubenszeugnisses des einzelnen entspricht ihr das (personale) Kriterium der Authentizität.

  • Das (religiöse) Kriterium des Offenbarungscharakters deutet darauf hin, dass religiöse Wahrheit eine empfangene Wahrheit ist. Demgegenüber bleibt konstruktivistisch festzuhalten, dass auch die religiöse Wahrheit vom einzelnen Subjekt mitkonstruiert wird, indem es im Glauben auf sie antwortet. Gleichwohl kann das Subjekt die religiöse Wahrheit nicht aus sich selbst schöpfen, weshalb lehramtliche Theologie die göttliche Autorität dieser Wahrheit als verbindlich setzt. Aber auch lehramtliche Aussagen können missverständlich sein und sind kontextgebunden. Sie sind daher auf die heilsame Relativierung durch die wissenschaftliche Denkform angewiesen: Es gibt keine Offenbarung an sich, sondern jede Offenbarung konkretisiert sich in den kontextuell eingebetteten Glaubenszeugnissen von Menschen. Glaube als eine vom Anderen her eröffnete Erfahrung (Bernhard Grümme) steht darum unter dem (phänomenologischen) Kriterium der Alterität.

  • Das (ästhetische) Kriterium der Stimmigkeit von Glauben und Leben zeigt auf, dass Glauben und Leben eine korrelative Einheit bilden. Die weisheitliche Reflexion sapientialer Theologie bestätigt diese (praxeologische) Korrelativität, die sich zwar vom hybriden Kreisen um „das in religiöser Hinsicht ‚einsame Ich‘“ (s. o.: Englert, 2020, S. 38) nährt, aber durch das sapientiale Bedenken von Alternativen an Weite gewinnt. Im Austausch mit Menschen, die ihren Glauben ähnlich oder auch ganz anders leben, kann sich das eigene Glauben und Nicht-Glauben neu erschließen. Dabei geht es je nach Lernort um unterschiedliche Ziele: Dient die Katechese in der Gemeinde meistens dazu, einen inhaltlichen Konsens bezüglich der Glaubenswahrheiten, die lehramtlich mehr oder weniger verbindlich gefasst sind, und der aus ihr abzuleitenden Konsequenzen zu finden (Viabilität auf Ebene C), bedenkt der Religionsunterricht in der Schule primär die Konsequenzen unterschiedlicher religiöser Wahrheitsansprüche, ohne einen inhaltlichen Konsens in Bezug auf die Wahrheitsansprüche selbst zu verfolgen. Die Suche nach einem Konsens dreht sich hier eher um die präzise Darstellung feststellbarer Konsequenzen und ihre geschichtliche und ethische Beurteilung (Viabilität auf Ebene D). Dazu leistet die wissenschaftliche Denkform einen unverzichtbaren Beitrag.

Tabelle 5: Fächer der Wahrheitskriterien zur epistemologischen Aufklärung

Kriterium

Beobachtungsebene

Fragestellung(en)

Grenze

Korrespondenz (naiv-realistisch)

 

Zusammenhang von Ebene B mit der ihr zugrunde liegenden Operation

Ist die aktualisierte Autopoiesis (Ebene A) wahr oder falsch (Ebene B)?

weitere Kriterien nötig, um Wahrheit oder Falschheit zu bestimmen

Konsistenz

(logisch)

 

Stimmigkeit/Folgerichtigkeit der Aussagen auf Ebene B

Welche Aussagen werden zugelassen (Falsifizierbarkeit)?

Woran misst sich ihre Konsistenz (Kriterien empirischer Forschung)?

Isolation der Aussagen (nötige Komplexitätsreduktion)

Kohärenz
(relational)

 

Ebenen B & C: Einbettung in weitere Zusammenhänge (z. B. gesellschaftlicher Rahmen, interdisziplinäre Bezüge).

Wie spielen Selbstreferenz (Ebene B) und Fremdreferenz (Ebene C) ineinander?

Kontingenz der gewählten Bezüge

Konsens
(sozial)

 

Ebenen A, B & C: Verständigung über die gewählten Bezüge setzt Diskutierbarkeit unterschiedlicher Geltungsansprüche voraus.

Wie realisiert sich Autopoiesis (Ebene A) im Austausch von Selbstreferenz (Ebene B) und Fremdreferenz (Ebene C)? Im System der Wissenschaft: Wie lassen sich Geltungsansprüche intersubjektiv validieren?

Begrenzung auf Kommunizierbares und unterstellte ideale Kommunikationsgemeinschaft; real einbezogene Subjekte

Konsequenz
(ethisch)

 

Ebene C zentral: Differenz von wahr und falsch im Blick auf die Wirkung als Fremdreferenz eines Geltungsanspruchs

Wie wirken Operationen auf den Ebenen A-C? Ebene D: Welche Beurteilungsmaßstäbe werden gewählt (utilitaristisch, deontologisch, moralpädagogisch…)?

kausaler Zusammenhang von Wahrheitsanspruch und Wirkung empirisch kaum nachzuweisen

Viabilität
(pragmatisch)

 

Zusammenspiel aller Ebenen:

Was geht, ist wahr, weil es geht (Dynamisierung, Eingebunden-Sein in Praktiken).

Was setzt sich in den Prozessen der Bewährung von Geltungsansprüchen durch (z. B. ein dritter Wert, der die paradoxe Einheit von Wahrheit und Falschheit der beiden anderen Werte zeigt)?

Reduktion auf formalen Pragmatismus: nicht-viable Position

Authentizität

(existentiell-personal)

Zusammenspiel aller Ebenen mit Fokus auf die Selbstreferenz (Ebene B): Der Glaube transzendiert die Aussagewahrheiten durch seinen Authentizitäts-Anspruch.

Inwiefern findet sich das Subjekt in der geglaubten Seinswahrheit so wieder, dass es sich authentisch mit ihr identifizieren kann?

Als Aufgabe: subjektive Glaubensüberzeugungen in Frage stellen

Alterität

(religiös-phänomenologisch)

Zusammenspiel aller Ebenen mit Fokus auf die Fremdreferenz (Ebene C) in ihrem Fremdheits-Charakter (Ebene D): Der Glaube hat seine letzte Quelle in der Transzendenz.

Inwiefern zeigt sich in der geglaubten Seinswahrheit die Alterität Gottes als unableitbare Fremdheit (Offenbarungscharakter)?

Als Aufgabe: Sich dem unbekannten Gott in seiner Fremdheit öffnen

Korrelativität (ästhetisch- praxeologisch)

Zusammenspiel aller Ebenen ohne klare Fokussierung: Glauben und Leben (Ebene A) bilden eine unverbrüchliche Einheit.

Inwiefern stimmen die geglaubten Seinswahrheiten auf allen Wahrnehmungskanälen mit der Lebenspraxis überein (Ästhetik der Glaubenspraxis)?

Als Aufgabe: Unkorrelierbares wahrnehmen und reflektieren

Die vorgebrachten Differenzierungen sollten gezeigt haben, wie komplex diverse Wissensformen ineinander verwoben sind. So lassen sich Aussagewahrheiten zwar in erster Linie den Kriterien der Korrespondenz, Konsistenz und Kohärenz zuordnen und Seinswahrheiten den Kriterien der Authentizität, Alterität und Korrelativität; aber es gibt Überschneidungen durchaus nicht nur mit den Kriterien von Konsens, Konsequenz und Viabilität – auch Seinswahrheiten müssen sich etwa, wenn auch auf andere Weise als Aussagewahrheiten, den Kriterien von Korrespondenz, Konsistenz und Kohärenz stellen. Und die Kriterien der Authentizität, Alterität und Korrelativität bleiben zur Lösung der mit ihnen verbundenen Aufgaben auf Aussagewahrheiten bezogen: Glaubensüberzeugungen in Frage zu stellen, sich Gott in seiner Fremdheit zu öffnen und an dem zu arbeiten, was sich in der Korrelation von Glauben und Leben als unkorrelierbar zeigt, geht nicht ohne Rückgriff auf Tatsachenwissen und der mit diesem Wissen verbundenen Aussagewahrheiten.

3 Der Gewinn epistemologischer Aufmerksamkeit: vertiefte Analyse der beiden Beispiele

Authentizität ist eng verbunden mit den logischen und sozialen Kriterien (Konsistenz und Konsens), Alterität mit den relationalen und ethischen Kriterien (Kohärenz und Konsequenz) und Korrelativität mit den Kriterien der Korrespondenz und Viabilität. Die folgenden Analysen der beiden Beispiele von Studierenden sollen das belegen.

3.1 Das erste Beispiel: Eschatologische Aufklärung für Kinder

Es geht zunächst um die Vorstellung, ein Lebewesen könne nach seinem Tod an verschiedenen Orten gleichzeitig sein, etwa als Erinnerung im eigenen Herzen und als Seele im Himmel, während der Leichnam auf dem Friedhof verwest; danach um die Abwertung von Horrorgeschichten und schließlich um die Kombination der beiden von der Studentin in ihrer BA-Thesis analysierten Aussagen der Autorin Schroeter-Rupieper im Bilderbuch „Geht Sterben wieder vorbei?“ Die Studentin kam zu dem Schluss „Wenn man über einen Glauben spricht, kann es kein Richtig oder Falsch geben, somit sind alle Vorstellungen über das Danach gerechtfertigt und sollten respektiert werden“ (s. o. 1.1).

3.1.1 „Der tote Mensch ist im Himmel […] und in meinem Herzen.“

Die Studentin folgt Schroeter-Rupieper darin, die authentische Glaubensüberzeugung, etwa bezüglich der Fortexistenz einer Seele, im ästhetischen Kriterium des „Gefallens“ zu verorten. Damit wird das ästhetisch-praxeologische Kriterium der Korrelativität aufgerufen, sobald diese Glaubensvorstellung mit der eigenen Trauerarbeit übereinstimmt. Das hängt eng mit dem pragmatischen Kriterium der Viabilität zusammen, insofern sich diese Vorstellung im Lebenszusammenhang bewährt: Auch wenn sich die Fortexistenz der Seele im Himmel nicht nachweisen lässt, so spricht doch die Erinnerung an den verstorbenen Menschen im eigenen Herzen, die im Sinne des Korrespondenzkriteriums als unmittelbar wahr erlebt wird, für die Person, die an die Seele glaubt, eher für als gegen ihren Glauben. Insofern diese Person ihren Glauben als in sich konsistent erfährt und ihn im Konsens ihrer Glaubensgemeinschaft bestätigen kann, wird sie sich mit ihm identifizieren und ihn als „Seinswahrheit“ entsprechend dem existentiell-personalen Kriterium der Authentizität glaubwürdig vertreten.

Damit ist aber noch nichts über das religiös-phänomenologische Kriterium der Alterität ausgesagt. Hier könnte sich die Person im Sinne des Kohärenzkriteriums fragen: Inwiefern drückt mein Glaube an die Seele des toten Menschen im Himmel meine Beziehung zu Gott aus? Wie passt dieser Glaube zu meinen anderen Urteilen, Werten und Beziehungen? Im Sinne des Konsequenzkriteriums wäre etwa zu fragen: Welche Folgen hat diese Jenseitsvorstellung für mein Verhalten? Wie gehe ich etwa mit trauernden Menschen um, die diesen Glauben an die Fortexistenz der Seele nicht teilen?

3.1.2 „[…] Zombies sind gruselige erfundene Figuren, die dir Angst machen sollen.“

Das Kriterium der Konsequenz wird hier von Schroeter-Rupieper eingespielt, insofern die Funktion von Zombies negativ bewertet wird: Sie sollen „Angst machen“. Damit einher geht das Kriterium der Korrespondenz, indem Zombies als „gruselige erfundene Figuren“ deklariert werden, denen keine Gestalten in der Realität entsprechen. Dass Zombiefilme möglicherweise mit Lust angesehen werden, um sich am eigenen Schrecken zu erfreuen und sich dem Horror als einem ästhetisch zu genießenden Schauer auszusetzen, kommt ebenso wenig in den Blick wie die literarische Wahrheit von Zombie- oder Gespenstergeschichten, die auf einer anderen Ebene liegt als die eines Tatsachenberichts: Inwiefern kommen etwa in solchen Erzählungen verdrängte Ängste, eine kollektive Schuldgeschichte oder etwas anderes zum Ausdruck, das durch die literarische Gestaltung erst wahrnehmbar wird?

Das Kriterium der Kohärenz wird aufgerufen, indem die widerwärtigen Zombies mit den Wünschen geliebter Menschen oder Tiere verbunden werden: „Ein Opa, der stirbt, oder ein Meerschweinchen, das gestorben ist, können und wollen den Menschen, die sie gernhaben, keine Angst machen“ (s. o. 1.1). Die Trauer über solche toten Lebewesen passt nicht zur Angst vor Gespenstern. Bestärkt wird die Aussage noch mit dem Kriterium der Konsistenz: „Menschen, die vom Sterben und Tod nicht so viel wissen, können vielleicht auf so komische Gedanken kommen“ (s. o. 1.1). Das faktuale Wissen über den Tod wird den Fiktionen der Horrorliteratur gegenübergestellt, um diese Fiktionen als „komisch“ zu entschärfen.

Die Frage nach „Richtig und Falsch“ hat selbst bei diesem zunächst harmlos anmutenden und pädagogisch plausiblen Beispiel mehr Dimensionen als alleine die naiv-realistische der Korrespondenz von Aussage und Inhalt (im Sinne von „Aussagewahrheiten“) oder die logische der Konsistenz im Sinne eines Ausschlusses „komischer“ Vorstellungen wie derjenigen von Gespenstern oder Zombies, wobei in der Argumentation der Studentin in ihrer Aufnahme der Argumentation von Schroeter-Rupieper die ethische Dimension der Konsequenz (als Ausschluss von Angst-erzeugenden Aussagen) mit dem logischen Wissen über den Tod (als den naturwissenschaftlich verifizierbaren Aussagen über ihn) kurzgeschlossen wird.

3.1.3 Keine Angst vor Seelen: Paradoxien der Aufklärung in pädagogischer Absicht

Die Paradoxie aller Aussagen über ein Danach, von dem es keine Tatsachenberichte oder Videoaufnahmen gibt, besteht darin, dass die Bedingung der Möglichkeit, sichere Aussagen über das Tot-Sein zu treffen, zugleich Bedingung ihrer Unmöglichkeit ist (s. o. 2.1): Der oder die Tote müsste ja leben und wäre dann nicht mehr tot. Auch Nahtoderfahrungen handeln von Erlebnissen, in denen die Schwelle des Todes noch nicht überschritten ist. Die Ungewissheit des Todes bringt deshalb verständlicherweise Ängste mit sich. Die zitierten Antworten von Schroeter-Rupieper auf Kinderfragen dienen dazu, die beschriebene Paradoxie unsichtbar zu machen; zunächst mit dem Kriterium der Viabilität in Kombination mit dem ästhetischen Kriterium der Stimmigkeit: Was gefällt, hilft und keine Angst macht, ist wertzuschätzen, wie etwa die Vorstellung der Seele im Himmel. Wenn aber ein Gedanke wie die Verwandlung eines Toten in einen Zombie oder ein Gespenst Ängste erzeugt, dann passt er weder zur Trauer über geliebte Verstorbene noch zum Wissen über das, was nach dem Tod mit dem Leichnam geschieht. Diese zweite Entparadoxierung wendet den Blick von der Ungewissheit über das Danach auf den Tisch des*der Patholog*in: Dort tauchen keine Gespenster auf – aber auch keine Seelen. Solches Paradoxologisieren klärt über die Entparadoxierungen auf, die damit ihre Kraft verlieren: Der Schrecken des Todes bleibt, soll aber aus pädagogischen Gründen für Kinder verringert werden. Um das nicht misszuverstehen: Diese Arbeit ist wichtig und richtig, kann aber auch zum Gegenteil dessen führen, was beabsichtigt wird, etwa indem sie Ängste vor wiederkehrenden Seelen oder einer eigenen Seelenwanderung ausblendet (s. o. 1.1). Die epistemologische Aufklärung dient hier dem Bewusstsein der Ambivalenz von Entparadoxierungen, indem das komplexe Gefüge im Einsatz von diversen Wahrheitskriterien durchschaut wird: Die Paradoxien der Aufklärung sind nur durch Aufklärung über Paradoxien zu durchschauen. Aber auch diese Aufklärung hat ihre blinden Flecken, die der Aufklärung durch Wechsel des Beobachtungsstandpunktes bedürfen.

3.2 Das zweite Beispiel: Herzgucker in Aktion

Die Studentin hatte Erstklässler dazu angeregt, ihr Herz als Ort von Gefühlen wie Trauer oder Liebe zu entdecken. Im didaktischen Kommentar zu ihrem Impuls weist sie darauf hin, dass es auf die Frage nach dem Ort von Gefühlen keine falschen Antworten gebe. Die authentische Gefühlsäußerung einer Schülerin, die nicht den Ort ihres Gefühls nennt, sondern die Klasse als einen solchen Ort herstellt, macht die Lerngruppe zu Herzguckern: Menschen, die mit ihrem Herzen sehen. Zunächst geht es um die Aussage der Schülerin, danach um den Umgang der Studentin mit dieser Aussage und schließlich um den Umgang mit diesem Umgang im hochschuldidaktischen Workshop.

3.2.1 „Ich habe das Gefühl, zuhause nicht so sehr geliebt zu werden wie mein älterer Bruder.“

Mit ihrer Gefühlsäußerung stellt das Mädchen eine Wahrheit in die Mitte der Lerngruppe, die von dieser als authentisch rezipiert wird: Der Konsens der Lerngruppe zeigt sich in ihrer einhelligen Betroffenheit über die in sich konsistente, in Form und Inhalt übereinstimmende Darstellung des Mädchens. Diese Gefühlsäußerung ist also entsprechend des existentiell-personalen Kriteriums der Authentizität wahr – und die Bemerkung im didaktischen Kommentar der Studentin, es gebe bezüglich ihrer Frage nach dem Ort solcher Gefühle keine falschen Antworten, scheint sich zu bestätigen.

3.2.2 „Deine Eltern haben dich und deinen Bruder gleich stark lieb: Mach dir keine Sorgen.“

Nachdem die Studentin das weinende Mädchen gefragt hat, ob es sich zu ihr setzen möchte, und es sich neben sie gesetzt hat, versucht sie es zu trösten, indem sie seine Aussage relativiert. Damit stellt sie nun nicht die Authentizität seiner Gefühlsäußerung in Frage, sondern möchte einen Impuls geben, der das Mädchen die Kohärenz seiner Aussage neu zu bedenken auffordert: Ist es nicht doch so, dass die Eltern sie genauso liebhaben wie den älteren Bruder? Gibt es nicht Erfahrungen, die gegen den aktuellen Anschein sprechen, der ältere Bruder würde bevorzugt? Entsprechend der ästhetisch-praxeologischen Korrelativität geht es zum einen um das Kriterium der Korrespondenz, also die Übereinstimmung des Lebensvollzugs (konkrete Operationen: Ebene A) mit der von der Schülerin beobachteten Wirklichkeit (Ebene B), zum anderen um das Kriterium der Viabilität, inwiefern die dargestellte Korrespondenz pragmatisch gesehen sinnvoll ist: Die Studentin zieht die Aussagewahrheit, die das Mädchen unter Tränen in Worte fasst, in Zweifel, ohne die darin authentisch geäußerte Seinswahrheit in Frage zu stellen (die existentielle Trauer über das Gefühl, vernachlässigt zu sein). Der Ratschlag, sich keine Sorgen zu machen, zielt pragmatisch auf Lebensertüchtigung, ohne dass eine Falsifizierung des Inhalts erfolgen kann (im Sinne einer Vergleichs-Messung der Elternliebe).

In gewisser Weise hat das Mädchen nicht korrekt auf den Impuls der Studentin geantwortet, weil sie nicht auf den Ort ihres Gefühls – entsprechend der symboldidaktisch angelegten Unterrichtsdramaturgie – hinweist, sondern das Gefühl selbst zur Sprache bringt. Auch fragt die Studentin nicht nach, wo denn in seinem Körper dem Mädchen dieses Gefühl besonders weh tut; und zum Glück tut sie das nicht, sondern sie geht auf das geäußerte Gefühl ein. Die personale Wahrheit des Mädchens, die sie mit ihren kaum hörbaren Worten zum Ausdruck bringt, hat eine Autorität, die die Lerngruppe aufmerken lässt. Das Mädchen selbst wird sichtbar und bringt sich in der Art seiner Äußerung für die anderen zum Vorschein. Darin tritt ein Wahrheitsanspruch zutage, der das Mädchen in seiner Alterität zeigt: Es offenbart sich vor sich selbst und den anderen in seiner Verletzbarkeit und seinem Verletzt-Sein. Die Studentin ist sich unsicher, ob sie richtig reagiert hat. Sie denkt darüber nach, welche andere Reaktion möglicherweise besser gewesen wäre, kommt aber zu keinem Ergebnis. Der geschilderten Alteritätserfahrung entspricht es, dass für die Studentin das ethische Kriterium der Konsequenz – was wäre gewesen, wenn ich mich anders verhalten hätte – jetzt im Vordergrund ihres Interesses steht. Immerhin kann das Mädchen, nachdem die Mentorin mit ihm auf dem Flur gesprochen hat, am weiteren Unterricht teilnehmen.

Im Nachgespräch mit der Mentorin erfährt die Studentin, dass sich die Eltern des Mädchens gerade intensiv mit dessen älterem Bruder befassen, weil er einen Schulwechsel vor sich hat. Diese Information erklärt für die Studentin im Nachhinein das Verhalten des Mädchens – und plausibilisiert für sie das von ihr gewählte Vorgehen, denn die Eltern lieben (doch wohl!) ihre Tochter ebenso wie ihren Sohn, auch wenn er momentan eine größere Aufmerksamkeit erfordert (hoffentlich nur vorübergehend!). Die Aussagen in Klammern deuten an, dass trotz der durch die Mitteilungen der Mentorin hergestellten Kohärenz zum Verständnis der problematischen Situation und zur Beurteilung des Verhaltens der Studentin in dieser Situation keine Sicherheit darüber besteht, wie das Mädchen mit dieser Situation weiter umgehen kann und inwiefern das Verhalten der Studentin richtig oder falsch war.

3.2.3 Hochschuldidaktische Entparadoxierungsstrategien

Die schwierige Lage der Studentin besteht nicht in erster Linie darin, dass die Aussage des Mädchens, seine direkte Gefühlsäußerung, die eigene Planung unterläuft. Paradoxerweise nähert die Studentin sich durch diese unerwartete Äußerung ihrem Thema des Mit-dem-Herzen-Sehens viel unmittelbarer und existentieller, als es der Umweg über den Ort der Gefühle ermöglicht hätte – die Reaktionen der Lerngruppe zeigen das an. Schwieriger scheint die Frage zu sein, wie sie als verantwortliche Lehrerin der konkreten Verletztheit des Mädchens begegnen soll. Die Bedingung der Möglichkeit für eine solche Begegnung ist zugleich die Bedingung ihrer Unmöglichkeit, weil jede Reaktion in dem Sinne „falsch“ sein kann, als sie das Leiden des Mädchens verstärkt, statt es zu lindern.

In diese Richtung ging auch die Reaktion im Workshop, die einen Grundsatz der Seelsorge zur Entparadoxierung vorschlug: Ginge es nicht eher darum, dem Mädchen ihr eigenes Gefühl zu spiegeln, anstatt es zu relativieren – was immer auch die Gefahr beinhaltet, es zu bagatellisieren? Nun können wir das Mädchen nicht mehr danach fragen, ob es sich durch den Trostversuch der Studentin in seiner Sorge ernst genommen gefühlt hat oder nicht. Immerhin könnte die seelsorgerisch angemahnte Spiegelung des geäußerten Gefühls das Mädchen zu einer Selbst-Distanzierung veranlassen, die es ihm erleichtert, den Wahrheitsgehalt der Aussage, die Eltern liebten es weniger als ihren Bruder, im Sinne des Korrespondenzkriterium in Zweifel zu ziehen. Es mag sein, dass die Studentin, indem sie diesen Schritt in gewisser Weise an der Stelle des Mädchens vollzieht, ihm damit eine Lernchance verbaut. Aber es kann auch sein, dass sie durch die körperliche Nähe zum Mädchen eine Resonanzerfahrung erlebte, die sie genau das sagen ließ, was das Mädchen in diesem Moment brauchte. Dass wir das nicht wissen, und dass die Studentin es auch nicht weiß, hat mit der Unverfügbarkeit der beschriebenen Situation und der in ihr sich ereignenden Resonanz- und Beziehungserfahrungen zu tun. Die hart erarbeitete epistemologische Aufmerksamkeit führt zu epistemischer Demut.

4 Fazit: Hochschuldidaktische Konsequenzen

Eine religionsdidaktisch zielführende theologische Hochschulbildung wird verstärkt eine epistemologische Aufmerksamkeit einüben, die die Vielfalt von Wahrheitsansprüchen präziser als bislang reflektiert. Der skizzierte Weg über die vier Reflexionsstufen einer epistemologischen Aufmerksamkeitsschulung mag abstrakt und mühsam erscheinen, aber der Gewinn könnte sehr hoch sein: Etwa, wenn Studierende (als angehende Lehrkräfte) besser dazu in der Lage sind, die von ihnen analysierten Unterrichtsmedien auf ihre unausgewiesenen Wahrheitsansprüche und versteckten epistemologischen Voraussetzungen hin kritisch zu beurteilen (erstes Beispiel) – und dann auch didaktisch reflektierter einzusetzen, etwa nach dem R-A-D-E-V-Modell von Sebastian Eck und Rudolf Englert (vgl. Eck & Englert, 2021), das sich gut mit dem Elementarisierungsmodell verbinden lässt (vgl. Brieden, 2022b). Oder wenn sie ihr eigenes Verhalten in schwierigen Unterrichtssituationen so zu reflektieren lernen, dass sie es in ihrer Ambivalenz und bleibenden Unsicherheit darüber, das Richtige oder das Falsche zu tun, anerkennen (zweites Beispiel).

Spielräume für die Entfaltung von Paradoxien zu eröffnen, scheint mir eine wesentliche Aufgabe theologischer Hochschuldidaktik zu sein. Positionierungen sind nötig, denn sie reduzieren Komplexität. Zugleich ist mit jeder Positionierung das Paradox verbunden, dass die Bedingung der Möglichkeit, sich zu positionieren, zugleich die Bedingung ihrer Unmöglichkeit ist: Denn eine andere Position könnte doch auch richtig sein. Sich dieser Unsicherheit zu versichern, bedarf des Wechsels von Beobachtungsstandpunkten, um blinde Flecken und deren Unvermeidbarkeit wahrzunehmen. Der berühmte sokratische Satz: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ entparadoxiert die epistemische Demut im Verweis auf epistemologische Aufmerksamkeit – und zeigt darin ein enormes Selbstbewusstsein, das auch aneckt und Widerspruch erregt; bekanntlich führte es bei Sokrates zum Tod (in dem sich paradoxerweise seine Sturheit bewährte). Studierende bilden sich zu selbstbewussten Theolog*innen, indem sie ihre religiösen Erfahrungen theologisch reflektieren. Persönlichkeitsbildung (Weber, 2018) und Schreibdidaktik (Bräuer, 2021; Brieden, 2022c) bieten Wege an, eine pluralitätssensible Positionierungskompetenz zu entwickeln, die Positionierungen jenseits von Abwertungen gegensätzlicher Positionen erlaubt. Und diese Kompetenz scheint gerade beim Ernstfall interreligiösen Lernens erforderlich zu sein (vgl. Reis, Hillebrand, Mauritz, Wittke & Kamcili-Yildiz, 2020, S. 259).

Der gesellschaftliche Rahmen unserer privilegierten und zugleich bedrohten politischen Situation in einem trotz des wachsenden Abstands von Armut und Reichtum insgesamt wohlhabenden Westeuropa wäre auch hochschuldidaktisch präziser als bisher zu reflektieren und im Sinne der Aufklärung miteinander zu kommunizieren, und zwar sensibel für Machtverhältnisse und ihre paradoxen Wirkungen, „damit die Metapher der ‚Herausforderung‘ – durch Gender, Rassismus, Kritik am Anthropozentrismus, Intersektionalität – zu einem wissenschaftlichen Standard führt, der von dort aus eine in nicht-theologische Wissenschaften hinein kommunizierbare systematische Subjekttheologie denken lässt“ (Werner, 2022, S. 74). Die hochschulische Ausbildung künftiger Religionslehrpersonen scheint mir dafür ein zentrales Bewährungsfeld zu sein, insofern sie nicht nur inter- sondern auch transdisziplinär die Praxis religiöser Bildung formiert.

Literaturverzeichnis

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Wille, K. (2009). Das elfte Kapitel: Equations of the Second Degree. In T. Schönwälder-Kuntze, dies. & T. Hölscher (Hrsg.), George Spencer Brown. Eine Einführung in die Laws of Form (überarb. 2. Aufl.) (S. 174–193). Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.

Prof. Dr. Dr. Norbert Brieden, Professur für Religionspädagogik/Katechetik und Didaktik des Katholischen Religionsunterrichts, Bergische Universität Wuppertal.