1 Zwischen mehr und weniger – Ambivalenzen religionspädagogischer Internationalisierung
Internationalisierung ist eine religionspädagogische Perspektive mit besonders hoher normativer Färbung. Ob in Lehrstuhlausschreibungen, universitätspolitischen Entwicklungsplänen, religionspädagogischen Desideratmarkierungen oder in öffentlichen Erwartungen, stets wird klar artikuliert, dass Internationalisierung in der Religionspädagogik wünschenswert, zeitgemäß und daher energisch voranzutreiben ist. Diese normative Aufladung ist in gewisser Hinsicht in den Terminus selbst eingeschrieben, der die Vorstellung einer kontinuierlichen Mehrung evoziert. Sie ist aber auch problematisch: Dass der Begriff der Internationalisierung Wirksamkeit vor allem in die Zukunft projiziert, kann sich ambivalent auf die Wahrnehmung religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation in der Gegenwart auswirken. Wie bei anderen Leittermini mit einem klar positiven Bedeutungsfeld – man denke hier etwa an den Begriff der Inklusion ( Witten, 2020) – kann die zukunftsbezogene Erwartungslast zu einer Überforderung oder Abwertung der gegenwärtigen Religionspädagogik führen. In dem einen Fall werden ihr Internationalisierungserwartungen aufgebürdet, die sie realistischerweise nicht erfüllen kann, in dem anderen Fall erscheint sie in einem permanent unvorteilhaften Licht, weil sie zu wenig international ausgerichtet ist. Wir wollen in unserem Beitrag diese Spannung bearbeiten, indem wir zunächst die Zeitebene in den Blick nehmen, über die im religionspädagogischen Internationalisierungsdiskurs zumeist nicht die Rede ist: nämlich die Vergangenheit. Wir unterziehen im ersten Teil des Beitrags die religionspädagogische Wissenschaftskommunikation des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts einer SWOT-Analyse und erhoffen daraus Aufschlüsse auf die Frage, warum die im zweiten Teil adressierte Gegenwart internationaler Wissenschaftskommunikation im deutschsprachigen Raum stets den Internationalisierungserwartungen hinterherzuhinken scheint. Abschließend stellen wir – bewusst subjektiv – strategische Optionen vor, die auch den Hemmnissen religionspädagogischer Internationalisierung Rechnung tragen. Unsere Analyse richtet sich dabei auf Internationalisierungsprozesse in der internen Wissenschaftskommunikation der Religionspädagogik.1
2 Blick in die Vergangenheit – eine internationalisierungsgeleitete SWOT-Analyse der religionspädagogischen Wissenschaftskommunikation zwischen 1970 und 2000
Das forschungsleitende Interesse der für die historische Analyse zugrundeliegenden Dissertation (Ahme, 2022) richtet sich danach, wie sich in der Religionspädagogik als wissenschaftlicher Disziplin Internationalisierungsprozesse nachvollziehen lassen. In Anlehnung an erziehungswissenschaftliche Studien von Jürgen Schriewer und Marcelo Caruso (2005) lässt sich Internationalisierung in der Religionspädagogik als die nationalstaatliche Grenzen überschreitende Diffusion und kontextspezifische Rezeption religionspädagogisch relevanten Wissens definieren. Um dies beispielhaft an Diskursen festmachen zu können, basiert die Studie auf einer Analyse von je 30 Jahrgängen einer führenden deutschsprachigen religionspädagogischen Zeitschrift – dem evangelischen Erzieher bzw. der heutigen Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (ZPT), und einer führenden britischen und damit englischsprachigen Zeitschrift – Learning for Living bzw. dem heutigen British Journal of Religious Education (BJRE). Als Indikatoren für Internationalisierungsprozesse wurden dafür drei Aspekte besonders fokussiert. Erstens wurde in den Blick genommen, inwieweit die Zeitschriften Texte internationaler Autor:innen veröffentlicht haben, zweitens inwieweit Texte internationaler Autor:innen in den Zeitschriften zitiert wurden, und drittens, inwieweit inhaltliche Bezüge auf das Ausland und internationale Zusammenhänge hergestellt wurden.2
Die Wahl von zwei kontextuell unterschiedlich verorteten Zeitschriften ermöglicht, sowohl vergleichend zu analysieren, inwieweit sich die Internationalisierungsprozesse in Großbritannien und im deutschsprachigen Raum unterscheiden, als auch Transferprozesse zwischen den beiden Kontexten aufzudecken.
Im Folgenden werden exemplarische Ergebnisse in Form einer SWOT-Analyse dargelegt. Die beschriebenen Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren beziehen sich dabei auf die internationale Dimension der deutschsprachigen Religionspädagogik, wie sie sich im Diskurs der ZPT und des BJRE dargestellt haben.
2.1 Strengths: Produktivität und Rezeptionsvermögen
Als ausgesprochene Stärke der deutschsprachigen Religionspädagogik müssen zuvorderst ihre enorme Produktivität und ihre Fähigkeit, Impulse aus anderen Kontexten aufzunehmen, genannt werden. Die Produktivität lässt sich dabei schon durch einen oberflächlichen Blick auf den Umfang der untersuchten Zeitschriften verdeutlichen.
Abb. 1: Entnommen aus Ahme, 2022, S. 135.
Abbildung 1 zeigt, wie viele Beiträge in jedem der untersuchten Jahrgänge veröffentlicht wurden – und verdeutlicht, dass schon seit Mitte der 1970er Jahre unterschiedliche Tendenzen in den beiden Zeitschriften vorliegen. Während die Menge an veröffentlichter Forschung im BJRE stetig zurückgeht, bleibt sie in der ZPT auf einem deutlich höheren Niveau. Dabei müssen noch weitere Effekte mitbedacht werden: Von den hier angezeigten Beiträgen im BJRE wurden seit Mitte der 1980er Jahre mindestens ein Viertel von Autor:innen außerhalb Großbritanniens und Irlands verfasst, was bedeutet, dass der eigentliche „britische Diskurs“ noch einmal kleiner ist als hier dargestellt. In der ZPT hingegen werden nahezu ausschließlich deutschsprachige Autor:innen veröffentlicht. Dennoch dürfen diese Zahlen nicht überbewertet werden, weil sie auch das Resultat individueller Entscheidungen der entsprechenden Verlage und Herausgeber sind. Dass der deutschsprachige religionspädagogische Diskurs jedoch generell äußerst produktiv war, wird deutlich, wenn man sich die Menge an weiteren relevanten Zeitschriften und Monographien auch im katholischen Bereich vor Augen führt. In Bezug auf Internationalisierungsdynamiken wird diese hohe Produktivität vor allem durch eine zweite Statistik relevant.
Abb. 2. Entnommen aus Ahme, 2022, S. 187 und geringfügig modifiziert.
In Abbildung 2 ist nun dargestellt, wie hoch der Anteil von Beiträgen in den beiden Zeitschriften ist, in denen mindestens 25 Prozent der zitierten Texte nicht aus dem deutschsprachigen Raum bzw. Großbritannien stammt. Um die deutschsprachige und die britische Religionspädagogik in ihrem Zitationsverhalten miteinander vergleichen zu können, sind die Beiträge internationaler Autor:innen in beiden Zeitschriften an dieser Stelle nicht in die Statistik eingegangen. Sie zeigt, dass mit Ausnahme der 1980er Jahre deutschsprachige und britische Autor:innen mit ähnlicher Häufigkeit Texte aus dem Ausland rezipieren. Insgesamt zeigt sich für den Diskurs in der ZPT eine eher kleine, aber nicht von der Hand zu weisende internationale Dimension, die sich durch die stetige Verarbeitung internationaler Referenztexte speist. Berücksichtigt man die zuvor beschriebene deutlich höhere Grundgesamtheit an veröffentlichten Beiträgen in der ZPT, werden die Unterschiede zwischen den Zeitschriften noch einmal geringer. Ob es sich bei diesen etwa 10-25 Prozent im Vergleich zu anderen Disziplinen oder Fachdidaktiken um einen besonders hohen oder niedrigen Wert handelt, lässt sich in Ermangelung entsprechender Zahlen nicht sagen. Der deutschsprachige Diskurs fällt in dieser Hinsicht jedenfalls nicht allzu sehr vom britischen Referenzwert ab. Inhaltlich füllen lassen sich die hier dargestellten Rezeptionsprozesse mit zwei für die deutschsprachige Religionspädagogik außerordentlich wichtigen Dynamiken, auf die unten teilweise noch genauer eingegangen wird: Die wachsende Bedeutsamkeit entwicklungspsychologischer Forschung und Anstöße in Bezug auf interreligiöses Lernen.
2.2 Weaknesses: Präsentation von Forschungsergebnissen im internationalen Feld
Schwächen darzustellen, fällt natürlicherweise etwas schwerer als über Stärken nachzudenken. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die deutschsprachigen Religionspädagog:innen Schwierigkeiten bei einer wirkungsvollen Präsentation von Forschungsergebnissen im internationalen Feld aufwiesen.
Unter den Autor:innen, die im Untersuchungszeitraum zwei oder mehr Texte im BJRE veröffentlicht haben und nicht in Großbritannien oder Irland arbeiteten, findet sich ein kleiner Kreis sehr engagierter deutschsprachiger Religionspädagogen.3 Bedenkt man die Forschungsprofile der hier genannten Personen zeichnen sich die zwei zuvor angesprochenen Schwerpunkte bei entwicklungspsychologischer Forschung und interreligiösem Lernen ab. Auch bestätigt sich erneut die vergleichsweise hohe Produktivität dieser Autoren.
Trotz der vielen Veröffentlichungen zeigt ein Blick auf die Zitationsdaten nur eine geringe Aufmerksamkeit für die Texte deutschsprachiger Religionspädagog:innen über ihre Erstveröffentlichung hinaus. Dies lässt sich am Beispiel der englischsprachigen Texte Karl Ernst Nipkows (1978; 1979; 1983; 1993; 1999), der unumstritten einer der Protagonisten deutschsprachiger Religionspädagogik im Untersuchungszeitraum war, exemplarisch verdeutlichen.
Nipkow bearbeitete ein vielfältiges Themenspektrum über den Zeitraum von 21 Jahren durch fünf unterschiedliche Beiträge im BJRE. Neben einem Länderbericht zählen dazu wissenschaftstheoretische Überlegungen zu Theologie und Pädagogik, das Elementarisierungsmodell, ökumenisches und globales Lernen sowie auf gesellschaftliche Herausforderungen bezogene interreligiöse Begegnungen in der Schule. Trotz dieser unterschiedlichen Fokussierungen lässt sich in den Zitationsdaten nur eine darauffolgende lose Bezugnahme auf Nipkow von einer britischen Autorin (Cush, 1999) feststellen. Nipkow ist es zumindest im Diskurs des BJRE nicht gelungen, Stimuli für die britische Religionspädagogik zu setzen.
Michael Grimmitt (2008) liefert dafür in einem Text über die (ausbleibende) Rezeption Nipkows in England eine mögliche Erklärung. Er stellt auf der einen Seite zwar den weitreichenden und innovativen Charakter der Veröffentlichungen Nipkows heraus, an dem sich auch einige Gemeinsamkeiten zwischen der englischen und der deutschsprachigen Religionspädagogik festmachen ließen. Andererseits erklärt er es als schwierig „zu sehen, wie Entscheidungen über Methoden, pädagogische Ansätze und Bildungsinhalte, die dem vielgestaltigen deutschen Bildungssystem angemessen sein sollen, beispielsweise auf das Bildungssystem in England, das ganz anders ist, angewendet werden können“ (Grimmitt, 2008, S. 272). Grimmitt macht damit eine Aporie religionspädagogischer Internationalisierung deutlich. Denn nach seiner Darstellung führt mehr Wissen über einen anderen religionspädagogischen Kontext und seine spezifische Situation dazu, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, die aus diesem Kontext stammen, schwerer zu rezipieren werden. Grimmitts Analyse deutet auch darauf hin, dass die reine Übersetzung von Texten, die im deutschsprachigen Kontext situiert sind, nicht ausreicht.
Die dahinterstehenden Fragen nach der kontextübergreifenden Validität religionspädagogischer Forschungsergebnisse wurden in letzter Zeit vor allem im Zusammenhang der Frage nach „internationalem Wissenstransfer“ behandelt, auf die weiter unten noch genauer eingegangen wird. Dass es trotz solcher Einschränkungen zu internationaler Kooperation kam, zeigen die Opportunities.
2.3 Opportunities: Partizipation an kontextübergreifender Forschung
Im Untersuchungszeitraum wurden an mehreren Stellen Entwicklungen deutlich, in denen es zu einer zunehmenden Internationalisierung kam und in denen sich Partizipationsmöglichkeiten für Religionspädagog:innen boten. Mit der entwicklungspsychologischen Forschung und empirischer Religionspädagogik lässt sich eine zentrale Möglichkeit exemplarisch aufzeigen.
Mitte der 1960er Jahre veröffentlicht der Religionspädagoge Ronald Goldmann (1964; 1965) seine beiden in England viel rezipierten Bücher über die religionsbezogene kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Darin vertritt er die auch im deutschsprachigen Raum bekannte These, dass beispielsweise Gleichnisse erst ab einem bestimmten Alter unterrichtet werden sollten, weil ihr eigentlicher Sinn zuvor nicht verstanden werden kann. Etwa 10 Jahre später berichtet der Amerikaner John H. Peatling (1977) in einem wichtigen Aufsatz von parallelen Entwicklungen in den USA: „The place was New York City. The year was 1965. The question was whether or not Goldman’s findings could be ‚replicated‘ with a large sample of children and adolescents in the United States via a paper-and-pencil instrument“ (Peatling, 1977, S. 99). Dahinter steckt Peatlings eigene PhD-Arbeit, die angelehnt an Goldmans Forschung amerikanische Kinder und Jugendliche in den Blick nahm. Im gleichen Themenheft berichtet auch der finnische Religionspädagoge Kalevi Tamminen (1977) von seiner an Goldman anschließenden Forschung. Peatling kommentiert die Ergebnisse folgendermaßen: Entwicklungspsychologie ist „something like a cross-cultural, trans-national reflection of some basic human process of cognitive development […] that religious educators can only ‚encounter’, not ignore.“ (Peatling, 1977, S. 103).Hier zeigt sich exemplarisch, wie hoch im Fall der entwicklungspsychologischen Forschung und darauf aufbauenden religionspädagogischen Überlegungen das Vertrauen in kontextübergreifende Validität war. Darüber hinaus zeigt sich, welche engen Beziehungen zwischen Ergebnissen empirischer Forschung hergestellt werden können, auch wenn sie religionspädagogisch völlig unterschiedlich situierten Kontexten entstammen. Und noch eine dritte Beobachtung lässt sich anschließen: Am Beispiel von Goldman, Peatling und Tamminen wird deutlich, wie der gegenseitigen Rezeption bereits während des Forschungsprozesses Austausch und gegenseitige Anregung vorausgegangen waren.
Auch John Hull war als Herausgeber des BJRE von der Bedeutung entwicklungspsychologischer Forschung für religiöse Bildung überzeugt (Ahme, 2024) und gründete gemeinsam mit Peatling im Jahr des Erscheinens des zitierten Texts das „International Seminar on Religious Education and Values“ als lange maßgebliche internationale Plattform für wissenschaftliche Religionspädagogik. Hier tat sich demnach ein entscheidendes Fenster für internationalen Austausch und Zusammenarbeit auf.
2.4 Threats: Erlöschen von Partizipationsmöglichkeiten und Selbstgenügsamkeit
Der untersuchte Zeitraum eignet sich nur bedingt, um über Gefahren für Internationalisierung zu sprechen, denn die Zeit von 1970 bis 2000 lässt sich durchaus als religionspädagogische Phase der Konsolidierung und der neu entstehenden Möglichkeiten auch im internationalen Feld begreifen. Neben ISREV ist hier auch an die Nürnberger Foren als zweite regelmäßige internationale Konferenz zu denken (Lähnemann, 2021). Und dennoch lassen sich zwei Gefahren herausstellen. Zum einen zeichnet sich schon im Untersuchungszeitraum ab, dass die integrative Kraft der Entwicklungspsychologie als Rahmentheorie auch wieder abnimmt. Einmal etablierte Strukturen sind nicht automatisch selbsterhaltend, sie sind vielmehr kontextuellen Bedingungen unterworfen, wie beispielsweise Entwicklungen in Referenzdisziplinen oder veränderten gesellschaftlichen Faktoren.
Eine zweite Gefahr für die Internationalisierung der deutschsprachigen Religionspädagogik hängt auch mit ihrer zu Beginn genannten Stärke zusammen. Angesichts der Größe und Produktivität des deutschsprachigen Diskurses ist die Versuchung groß, sich selbst genug zu sein. Auch dafür zeigen die erhobenen Daten Anhaltspunkte.
Abb. 3: entnommen aus Ahme, 2022, S. 153.
Abbildung 3 zeigt, wie hoch der Anteil der Beiträge von Autor:innen von außerhalb des deutschsprachigen Raums in der ZPT bzw. von außerhalb Großbritanniens und Irlands im BJRE war. In dieser Hinsicht divergieren die Internationalisierungsdynamiken in beiden Zeitschriften deutlich. Während in der ZPT häufig keine und nie mehr als fünf Prozent der Beiträge von internationalen Autor:innen stammten, waren es im BJRE bis zu 50 Prozent der Beiträge, die ihren Ursprung außerhalb des eigentlichen Referenzkontexts hatten. Hier zeigt sich, dass die Bereicherung internationaler Perspektiven im BJRE und durch dessen Herausgeber John Hull deutlich höher geschätzt wurde, als es seine deutschsprachigen Kollegen in der ZPT taten. Während also die Produktivität der deutschsprachigen Religionspädagogik Rezeptionen förderte, war es für nicht-deutschsprachige Autor:innen schwer, in ihr direkt gehör zu finden. Auch in diesem Fall hat der Unterschied zwischen BJRE und ZPT sprachliche und kontextuelle Gründe, die zum Beispiel auch mit der britischen Kolonialgeschichte zusammenhängen, für deren Erläuterung an dieser Stelle aber nicht der richtige Ort ist.
3 Blick auf die Gegenwart: Zur Voraussetzungslastigkeit internationaler Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik
Aus der historischen Analyse lassen sich bereits einige Einsichten gewinnen, wenn man sich, Gedanken darüber macht, wie sich internationale Wissenschaftskommunikation im spezifischen Feld der Religionspädagogik gegenwärtig zeigt und ausrichtet. Zunächst einmal fällt auf, dass Internationalisierung als Prozessbegriff auch verschleiernd wirken kann. Denn ganz offensichtlich kann im Blick auf die oben präsentierten Befunde von einer linearen oder kontinuierlichen Internationalisierung der Wissenschaftskommunikation nicht die Rede sein. Vielmehr bleibt der Korridor, in dem Beiträge aus anderen Länderkontexten in der ZPT rezipiert oder publiziert werden, zwischen 1970 und 1999 relativ stabil. Auch danach hat es in deutschsprachigen Fachzeitschriften keinen markanten „international turn“ gegeben. Dies ist insofern bemerkenswert, als spätestens mit den 1980er Jahren die Globalisierung deutlich an Fahrt gewonnen hat und der akademische Diskurs in vielen Wissenschaftsdisziplinen mittlerweile vornehmlich in englischer Sprache über internationale Fachzeitschriften geführt wird. Es ist also offensichtlich nicht zulässig, allzu direkt von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen oder hochschulpolitischen Profilerwartungen auf die Realität religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation zu schließen.
Fragt man nach den Gründen dafür, ist es ratsam, sich kurz vor Augen zu führen, wie sich die Religionspädagogik in Deutschland wissenschaftlich institutionalisiert hat. Wie die Ergebnisse eines einschlägigen DFG-Projekts zeigen geht die Einrichtung religionspädagogischer Lehrstühle in Deutschland Hand in Hand mit der Professionalisierung des Religionslehrer:innenberufs (Simojoki et al., 2021). Bis heute bildet der schulische Religionsunterricht den Hauptfokus der religionspädagogischen Wissenschaftskommunikation in Deutschland. Dieser klare, in der Verfassung verankerte Professionsbezug ist zunächst einmal ein wirklicher „Asset“ und bildet einen der Hauptgründe dafür, dass die Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum sich auch im internationalen Vergleich bemerkenswerter breit und nachhaltig institutionalisieren konnte.
Allerdings sind mit diesem Nexus auch nicht-intendierte Nebeneffekte verbunden: religionspädagogische Forschung zum Religionsunterricht ist in mehrerlei Hinsicht voraussetzungsreich. Erstens setzt sie die Existenz eines religionsbezogenen Faches an öffentlichen Schulen voraus, was in globaler Perspektive alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist (vgl. als Überblick: Davis & Miroshnikova, 2013). Zweitens muss dafür ein wissenschaftliches Interesse an diesem Fach und seiner Weiterentwicklung vorhanden sein. Drittens ist Forschung zum Religionsunterricht an akademische Strukturen und finanzielle Ressourcen gebunden, die in der heutigen Weltgesellschaft sehr ungleich verteilt sind. Es ist diese Voraussetzungslastigkeit, die internationalen Austausch in der Religionspädagogik strukturell unwahrscheinlicher macht und das Feld potenzieller Interaktionspartner deutlich eingrenzt.
Schließlich wird das Zustandekommen internationaler Wissenschaftskommunikation in Deutschland dadurch beeinträchtigt, dass der religionspädagogische Fachdiskurs hier in erster Linie in deutscher Sprache geführt wird. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt der Blick in den skandinavischen Raum, wo die Religionspädagogik ebenfalls eng mit einem schulischen Fachangebot verbunden ist. Denn hier findet zwar die Professionalisierung von Religionslehrkräften ebenfalls muttersprachlich statt. Aber der religionspädagogische Wissenschaftsdiskurs wird immer mehr in englischer Sprache geführt, was sich an Dissertationen, wissenschaftlichen Fachgesellschaften und, um an die SWOT-Analyse anzuknüpfen, auch in den neueren Jahrgängen des BJRE bemerkbar macht, in denen skandinavische Autor:innen überproportional repräsentiert sind.
4 Blick in die Zukunft – strategische Optionen religionspädagogischer Internationalisierung
Es geht uns in diesem Beitrag nicht darum, Hürden und Unterlassungen religionspädagogischer Internationialisierung zu markieren, um vor diesem Hintergrund einmal mehr appellartig eine Internationalisierungsoffensive einzufordern. Zum Abschluss wollen wir daher – bewusst subjektiv – strategische Optionen für eine Internationalisierung ins Spiel bringen, die den rekonstruierten Realbedingungen Rechnung tragen. Im Anschluss an die SWOT-Analyse unterscheiden wir zwischen fünf Ebenen der Internationalisierung: Rezeption, Wissenstransfer, kooperativ-komparative Forschung, verbandliche Vernetzung und schließlich, als Ausblick, programmatische Bewegungen.
4.1 Internationalisierung durch Rezeption
Die basalste Form der Internationalisierung in der religionspädagogischen Wissenschaftskommunikation besteht darin, dass Forschende Diskurse, Publikationen und Entwicklungen aus anderen Ländern im Blick haben und konstruktiv-kritisch in das eigene Denken integrieren. In dieser Hinsicht hat sich der Aufmerksamkeitshorizont der deutschsprachigen Religionspädagogik einerseits erweitert und andererseits verfeinert. Während die internationale Wahrnehmungsperspektive sich lange Zeit auf den mittel-, west- und nordeuropäischen sowie bedingt auch den US-amerikanischen Kontext fokussierte, hat sich die deutschsprachige Religionspädagogik in den letzten Jahrzehnten verstärkt darum bemüht, ihre Sensibilität für die Vielfalt religiöser Bildung und deren Rezeption in der heutigen Weltgesellschaft zu erhöhen (vgl. Simojoki, 2012; 2023a; 2023b). An dieser Stelle sei eigens auf Bernd Schröders Entwurf einer religionspädagogischen Ökumenik verwiesen, in dem ausgewählte Bildungskontexte in Afrika, Asien, Australien und Ozeanien, Europa, im Nahen Osten sowie in Nord- und Südamerika für die deutschsprachige Leser:innenschaft erschlossen werden, einschließlich zentraler Impulsgeber:innen (Schröder, 2023).
Das eigentliche Rezeptionsproblem der deutschsprachigen Religionspädagogik zeigt sich erst, wenn man die Rezeptionsrichtung umkehrt: Die mittlerweile beträchtlichen Forschungs-, Theorie- und Diskursbestände der deutschsprachigen Religionspädagogik tauchen eher selten in Publikationen von Autor:innen aus nicht deutschsprachigen Ländern auf.
Der eine Grund dafür liegt auf der Hand: Was sprachlich nicht zugänglich ist, kann auch nicht rezipiert werden. Sucht man nach einem Weg, den fraglos zu geringen englischen Output der deutschen Religionspädagogik zu erhöhen, lohnt es sich, bei den strukturellen Gründen für diese Schieflage anzusetzen. Und die zeigen sich besonders deutlich am wissenschaftlichen Qualifikationssystem: Wer sich in Deutschland für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheidet, muss in der Regel zwei Monografien schreiben, was fast immer in deutscher Sprache geschieht. Danach muss der Ertrag der Großstudien in der eigenen Fachcommunity bekannt gemacht werden, in zumeist deutschsprachigen Zeitschriften- und Sammelbandartikeln. Erst wenn das alles geschafft ist, kommt der Transfer in internationale Journals in Frage. Um so weit zu kommen, braucht es allerdings einen langen Atem.
Die aus unserer Sicht effektivste Maßnahme zur Internationalisisierungsförderung besteht folglich in einer konsequenteren Umstellung auf kumulative Dissertationen – eine Entwicklung, die etwa im skandinavischen Raum schon weit gediehen ist. Promotionen basieren dort oft auf vier oder fünf Aufsätzen, von denen die Mehrheit in englischer Sprache in einer internationalen Fachzeitschrift publiziert wurden (vgl. als Beispiel: Ojala, 2020). Internationalisierung ist hier also nicht die Kür akademischen Vorankommens, sondern selbstverständlicher Bestandteil des Qualifizierungsprozesses selbst.
Die zweite Ursache: Wie bereits ausgeführt, wird die Rezeption von Erträgen der deutschen Religionspädagogik nicht nur durch Sprach-, sondern auch durch Relevanzbarrieren beeinträchtigt. Ein Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung mit dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, die in Deutschland und Österreich nun schon mehrere Jahrzehnte geführt wird, mit einer beeindruckenden Zahl von empirischen Regionalstudien und Diskursbänden (als Überblick vgl. Riegel & Schweitzer, 2022; Sajak & Simojoki, 2023). Für Forschende aus anderen Ländern sind die Problembestände und Erträge dieser Diskussion nur schwer zugänglich und weitestgehend irrelevant, weil sie so eng mit hochspezifischen Kontextfaktoren der deutschen Bildungsgeschichte und -gegenwart verknüpft sind.
Dabei werden internationale Anschlussmöglichkeiten nicht nur durch die Konfessionalität des Religionsunterrichts in Deutschland, sondern auch durch den für die deutschsprachige Religionspädagogik charakteristischen Fokus auf den Religionsunterricht limitiert. Dies zeigt sich beispielhaft an Südkorea, einem der wenigen Kontexte Asiens, in denen sich eine wissenschaftliche Religionspädagogik mit eigenen Lehrstühlen und Diskussionsforen ausgebildet hat (Schröder, 2023, S. 153–165). Bis auf Ausnahmefälle gibt es in Südkorea keinen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Umso stärker etabliert ist ein entsprechendes Fachangebot aber in dem denominational und profilbezogen pluralen Spektrum christlicher Schulen. Der vornehmliche Professionalisierungskontext der an Universitäten und Hochschulen institutionalisierten Religionspädagogik ist allerdings das Gemeindeleben, in dem sich die für Südkorea ohnehin charakteristische Wertschätzung von Bildung und Lernen eindrücklich bemerkbar macht. Aus der Perspektive der südkoreanischen Kolleg:innen sind religionspädagogische Beiträge folglich vor allem dann interessant, wenn sie sich entweder auf gemeindliche Bildung oder auf christliche Schulen beziehen lassen. Dabei bildet Südkorea keinen Ausnahmefall: Konfessionsübergreifend gehören Bildungsangebote zum Standardrepertoire christlicher Gemeinden weltweit. Zudem haben Annette Scheunpflug und Mark Wenz (2015) auf den im globalen Maßstab überragenden Einfluss der christlichen Kirchen als Träger von Schulbildung aufmerksam gemacht. Unter dem Aspekt der Internationalisierung gehören „faith-based schools“ zweifellos zu den eklatantesten Desideraten religionspädagogischer Forschung (vgl. Simojoki, Scheunpflug & Schreiner, 2018; Plötz, 2024).
4.2 Internationalisierung durch die Förderung und Reflexion von Wissenstransfer
Die zweite Ebene, Internationalisierung durch Wissenstransfer, befindet sich im Aufschwung und hat durch mehrere Konferenzen und aktuell zwei, bald schon drei Veröffentlichungen neuerdings programmatische Bedeutung gewonnen (Schweitzer & Schreiner, 2020; Berglund, Roebben, Schweitzer & Schreiner, 2023). Um Missverständnisse zu vermeiden, muss man sich bewusst sein, dass der Begriff des Wissenstransfers hier etwas anders verwendet wird, als zumeist im weiteren akademischen Diskurs zur Wissenschaftskommunikation. Dort bezieht er sich auf einen effektiven Transfer wissenschaftlich generierter Wissensbestände in Gesellschaft und Praxis – eine Aufgabe, die mittlerweile immer mehr auch auf internationale Wissenschaftskommunikation bezogen wird. In der Religionspädagogik verbindet sich der Programmbegriff „International Knowledge Transfer“ (IKT) hingegen mit der Zielsetzung, wie Peter Schreiner und Friedrich Schweitzer zu Beginn ihres Programmbandes ausführen, „to strengthen the awareness and the need for international cooperation in the field of religious education in general and especially for clarifying the role of knowledge in this kind of research“ (Schweitzer & Schreiner, 2020, S. 1). Es geht also einerseits um die Förderung, andererseits um die methodologische Konsolidierung von internationalem Wissenstransfer. Nach dem Eröffnungsband ist das Projekt am Beispiel der Religionslehrkräftebildung fortgesetzt worden, die ohnehin einen Schwerpunkt von Wissenstransfer auf europäischer Ebene bildet (Schweitzer, Freathy, Parker & Simojoki, 2023). Hier zeigt sich beispielhaft, dass internationaler Wissenstransfer an Attraktivität gewinnt, wenn sie im Dienst der Qualitätsentwicklung steht.
In diesem Zusammenhang muss natürlich das europäische Flaggschiff religionspädagogischer Wissensdistribution auf den Podest gehoben werden: Die sechs Bände des von der Universität Wien aus koordinierten Publikationsprojekts „Religious Education at Schools in Europe“ (REL-EDU, vgl. zuletzt Band 6: Rothgangel, Rechenmacher & Jäggle, 2020) bieten einen bestechenden Überblick über die fast atemberaubende Pluralität religionsbezogener Fachangebote im europäischen Kontext. Je mehr man sich in den Gesamtkorpus aus mehr als 1.500 Seiten einarbeitet, desto deutlicher gehen einem die Verzerrungen auf, die den eigenen, zumeist durch ein begrenztes Set an mittel-, west- und nordeuropäische Länderkontexte geprägten Normalitätsannahmen über religiöse Bildung in Europa zugrunde liegen. Da alle Länderberichte analog strukturiert sind, bieten die Bände, eingedenk gewisser Grenzen, eine spannende Grundlage für vergleichende Analysen.
An beiden Projekten wird deutlich, dass die Religionspädagogik des deutschen Sprachraums trotz der zuvor adressierten Limitationen durchaus als treibende Kraft der auf den Religionsunterricht bezogenen Internationalisierung im europäischen Kontext fungiert. Wie gut daher, dass – wie aus einem bald veröffentlichungsreifen Konferenzband hervorgeht – beide Projekte, IKT und REL-EDU, in ihrem wechselseitigen Zusammenhang ausgewertet werden.
Aber auch hier wollen wir eine Anregung zur Weiterarbeit bieten. Den Hintergrund dafür bildet das 2022 erschienene „Bloomsbury Handbook of Religious Education in the Global South“ (Matemba & Collet, 2022), in dem das Anliegen internationalen Wissenstransfers bahnbrechend, wenn auch nicht sonderlich systematisch auf Länderkontexte des Globalen Südens ausgeweitet wird. Worauf es uns an dieser Stelle ankommt: In dem fast 500-seitigen Handbuch wird nur an einer Stelle auf eine religionspädagogische Autorin aus dem deutschsprachigen Raum Bezug genommen. Dies scheint zu implizieren, dass Nichtwahrnehmung Nichtwahrnehmung erzeugt – was ein weiterer Anlass dafür wäre, den religionspädagogischen Gesprächsfaden mit Wissenschaftler:innen aus dem Globalen Süden künftig zu intensivieren.
4.3 Internationalisierung durch kooperativ-komparative Forschung
Im Vergleich zu den beiden bisherigen Ebenen ist die dritte Ebene – kooperative Forschung – weit exklusiver. Bisherige Beispiele lassen erkennen, dass es hier nicht den einen Königsweg zum Ziel gibt, sondern religionspädagogische Kooperationsprojekte mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten, Forschungsmethoden, Kooperationsformen und Förderstrukturen verwirklicht werden können: Während das von der Europäischen Union von 2006 bis 2009 geförderte, von Wolfram Weiße geleitete Projekt „Religion in Education: A Contribution to Dialogue or a Factor of Conflict in Transforming Societies of European Countries?“ (REDCo), einen Schwerpunkt auf Religion in formalen Bildungskontexten in europäischen Gesellschaften legte und historische, empirische wie systematische Forschungszugänge beinhaltete (Pilotband: Jackson et al., 2007; Abschlussbericht: Weiße, 2010), erstrecken sich die zunächst von Friedrich Schweitzer und dann zuletzt von Wolfgang Ilg und Henrik Simojoki koordinierten, von zunächst sieben und dann neun europäischen Kirchen finanzierten Studien zur Konfi-Arbeit in Europa auf einen längeren Zeitraum von 2007 bis 2024 (Schweitzer, Ilg & Simojoki, 2010; Schweitzer et al., 2015; Schweitzer et al., 2017; Ilg et al., 2024). Hier steht ein non-formales Bildungsangebot im Fokus, das über ein international-vergleichend angelegtes empirisches Forschungsdesign erforscht und weiterentwickelt wird. Allerdings zeigt sich in der Zusammenschau beider Projekte, dass einiges zusammenkommen muss, wenn international-kooperative Forschung in größerem Maßstab gelingen soll: eine Fragestellung, die länderübergreifend als relevant angesehen wird, Menschen aus mehreren Länderkontexten, die gut zusammenarbeiten können und über eine vergleichbare Forschungsexpertise und -infrastruktur verfügen und schließlich finanzielle Mittel, die eine solche ressourcenaufwändige Forschung möglich machen.
Im Blick auf zukünftige Internationalisierungsstrategien scheint uns der von Alexander Unser durch nationale Projekte vorbereitete Weg vielversprechend zu sein, der sich mit einem schrittweise erweiterten Forschungsradius dem Zusammenhang von religiösen bzw. nicht-religiösen Zugehörigkeitsgefühlen, demokratischen Einstellungen und politischen Beteiligungsformen nachgeht. Man kann aus diesem Beispiel viel darüber lernen, wie international-kooperative Forschung schrittweise auf- und ausgebaut werden kann: Anschlussfähige Forschungsprojekte im deutschen Kontext gehen Hand in Hand mit ersten international-vergleichenden Studien (Klie et al., 2024) und dem BMBF-finanzierten Aufbau eines EU-weiten thematisch einschlägigen interdisziplinären Netzwerks von Expert:innen und Nachwuchskräften aus Wissenschaft und Praxis.4 Besser kann man einen Großantrag im Rahmen der EU-Horizon Förderlinie5 eigentlich nicht vorbereiten.
4.4 Internationalisierung durch verbandliche Vernetzung
In organisatorischer Hinsicht sind Internationale Verbände und Organisationen ein klassisches Vehikel der Internationalisierung. Historisch am weitesten zurück reicht die Arbeit der Religious Education Association, die ihre Hauptbasis in Nordamerika hat, aber auch in die europäische Religionspädagogik hineinwirkt.6 In Europa bildeten sich die bis heute tragenden Verbandsstrukturen im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts aus: Im wissenschaftlichen Kontext etablierte sich, wie oben bereits ausgeführt, ISREV als führendes Austausch- und Begegnungsformat,7 während sich die Religionslehrer:innenschaft über das 1980 gegründete European Forum for Teachers of Religious Education (EFTRE) vernetzte.
Da die Entwicklung der klassischen religionspädagogischen Verbände teilweise im Zeichen nachlassender Dynamik steht, scheint es uns wichtig zu sein, die religionspädagogische Stimme auch in weiterreichenden internationalen Zusammenschlüssen zu stärken. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Erziehungswissenschaft, namentlich die European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI), die eine Special Interest Group (SIG) zu Religion and Worldviews in Education besitzt.8 als auch in Richtung der Praktischen Theologie, in der sich die International Academy of Practical Theology (IAPT) als führendes internationales Austauschforum etabliert hat.9 Gemäß der Einsicht, dass der global gesehen stärkste Entfaltungskontext einer christlich verantworteten religiösen Bildung die Kirchengemeinde ist, lohnt es sich zudem, die 2019 gegründete International Association for the Study of Youth Ministry (IASYM) im Blick zu haben.10
5 Ausblick: Internationalisierung durch programmatische Anliegen und Bewegungen
Man könnte aus den bisherigen Überlegungen den Eindruck gewinnen, als sei Internationalisierung in erster Linie etwas, was sich dem strategischen Handeln akademischer Akteur:innen verdankt. Zum Glück ist das aber nur die eine Seite der Medaille. Viele besonders wirksame Dynamiken religionspädagogischer Internationalisierung verbinden sich mit programmatischen Anliegen. So bildet die ökumenische Bewegung bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen maßgeblichen Kontext religionspädagogischer Internationalisierung, was sich unter anderem daran zeigt, dass Fragen der Erziehung im Fokus der großen Weltkirchenkonferenzen in Stockholm 1925 und Oxford 1937 standen (Simojoki, 2018). Auch das religionspädagogische Programm des „Ökumenischen Lernens“, das von den 1970er bis in die 1990er Jahre erhebliche Zugkraft entfaltete (als Überblick vgl. Koerrenz & Pemsel-Maier, 2023), steht in diesem Zusammenhang. Im 21. Jahrhundert kann vor allem die kindertheologische Bewegung als ein solcher Internationalisierungsmotor verstanden werden – wobei es, genau genommen, mehrere Bewegungen in Richtung einer kindorientierten Theologie mit internationaler Ausstrahlung gibt (Simojoki, 2023, S. 130–138), deren Vernetzung eine verheißungsvolle Zukunftsaufgabe darstellt.
Auf dieser Ebene ist es besonders schwer, strategische Optionen vorzuschlagen, weil Bewegungen bekanntlich nicht machbar sind. Auch wenn sich die politische Großwetterlage in den letzten Jahren etwas eingetrübt hat, besitzt die Erforschung des Zusammenhangs von Religion, Bildung und nachhaltiger Entwicklung sicherlich besonderes internationales Mobilisierungspotenzial. Auch hier gilt, wie für viele andere Gebiete: Es fehlt der deutschen Religionspädagogik nicht an theoretischen Ressourcen, den internationalen Diskurs zu diesem Überlebensthema (Windsor & Franck, 2024) zu bereichern (als hervorgehobene Einzelpublikationen vgl. Bederna, 2019; Gärtner, 2020). Vielmehr geht es vor allem darum, diese Impulse in internationalen Fachzeitschriften und Bänden in englischer Sprache publik zu machen (Altmeyer, 2021).
Literaturverzeichnis
Ahme, B. (2022). Internationalisierung in der Religionspädagogik. Methodologische Grundlagen und Diskursanalysen in international-vergleichender Perspektive. Paderborn: Schöningh / Brill.
Ahme B. (2024). Religionspädagogische Internationalisierungsschübe zwischen 1970 und 2000 im Spiegel von Zeitschrifteneditorials. Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, 76(3), 265-275.
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Dr. Benjamin Ahme, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
Prof. Dr. Henrik Simojoki, Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
Vgl. für die Differenzierungen zwischen interner und externer Wissenschaftskommunikation den Beitrag von Julia Metag im gleichen Heft.
Das auch quantifizierende Vorgehen bei der Analyse der Zeitschrift lässt sich als Schritt in Richtung einer „Datafizierung der Theologie“ verstehen, die datenbasierte und hermeneutische Analysen miteinander verschränkt und von Ilona Nord in ihrem Beitrag für dieses Heft beschrieben wird.
Dabei handelt es sich um Helmut Reich (7 veröffentlichte Aufsätze), Karl Ernst Nipkow (5), Hans Günther Heimbrock (3), Heinz Streib (3), Johannes Lähnemann (2) und Fritz Oser (2) (Ahme, 2022, S. 163).
kth.ht.tu-dortmund.de/forschung/reac-religion-and-citizenship/ (21.10.2024)
kth.ht.tu-dortmund.de/forschung/praktische-theologie/bmbf-anschubfinanzierung-im-rahmen-von-horizon-europe/ (21.10.2024).
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isrev.org.uk (21.10.2024).
www.earli.org/sig/sig-19-religions-and-worldviews-in-education (21.10.2024).
www.ia-practicaltheology.org (21.10.2024).
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