1 Religionsdidaktische Veröffentlichungen
Den Auftakt zu den diesmaligen Buchvorstellungen bildet Friedrich Schweitzers wichtiger Band Lernen im Religionsunterricht. Was der RU leisten kann und wie er seine Ziele erreicht, der im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag als UTB-Band (8252-6088-0)erschienen ist und plausible Antworten auf die Ausgangsfrage enthält: Was kann der Religionsunterricht leisten? Der Verfasser räumt zunächst in seiner Einleitung ein: „Die Frage, was der Religionsunterricht leisten kann, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Sie stellt sich aber jeder Religionslehrkraft alltäglich ebenso wie der wissenschaftlichen Religionspädagogik. Auch in Bildungspolitik und Öffentlichkeit wird sie diskutiert, heute oft kritisch. Sie betrifft in grundlegender Weise das Lernen im Religionsunterricht und damit nach heutiger Auffassung das, wovon der Sinn eines Schulfachs insgesamt abhängt. Zugleich erscheint das Lernen im Religionsunterricht vielen in Öffentlichkeit und Politik, aber auch Eltern allzu unbestimmt oder sogar diffus. Nicht zuletzt sehen viele Schüler:innen im Religionsunterricht primär eine Gelegenheit, sich vom Schulstress zu erholen. Dabei ist Lernen heute wieder neu zum Megathema geworden, national wie international. Vor dem Hintergrund internationaler Schulleistungsvergleichsuntersuchungen wird kritisch gefragt, wie es um den Kompetenzerwerb in der Schule steht und wie entsprechende Fähigkeiten, die dann häufig als Literacy bezeichnet werden, ausgeprägt sind. Das betrifft auch die Religious Literacy, an der es vielfach zu fehlen scheint. Heftig debattiert wird zudem international die aus England stammende These, die ‚Krise des Religionsunterrichts‘ sei im Kern eine ‚Krise des Wissens‘. Hinter solchen Wahrnehmungen kann eine Blickverengung stehen. Der Religionsunterricht soll ‚kein Lernfach‘ sein, sondern hat ein besonderes Profil, das häufig mehr mit den beteiligten Personen als mit den Inhalten zu tun zu haben scheint. Dennoch: In der Schule bleibt die Frage nach dem Lernen unausweichlich, auch für den Religionsunterricht. Bislang kommen Religionslehrkräfte ebenso wie Religionspädagog:innen in der Wissenschaft schnell in Verlegenheit, wenn sie auf die Frage nach dem Lernen im Religionsunterricht überzeugende Antworten geben sollen. Auch die Bildungspläne für den Religionsunterricht führen in dieser Hinsicht meistens kaum weiter. In vielen Fällen wirken sie eher zufällig – wie ein Gemisch aus fortgeschriebenen Traditionen und allgemeinen bildungspolitischen Vorgaben. Sie lassen nicht recht erkennen, welche dann auch in Wissenschaft und Politik, Schule und Öffentlichkeit überzeugende Systematik ihnen zugrunde liegt. Und wenn es beispielsweise darum geht, warum bestimmte Inhalte einer bestimmten Jahrgangsstufe zugeordnet werden, fallen vor allem die in den Bundesländern unterschiedlich getroffenen Entscheidungen ins Auge: Wie soll hier der Eindruck von Beliebigkeit vermieden werden? Beantwortet werden muss die Frage nach dem Lernen aber auch von jeder einzelnen Religionslehrkraft, die für sich selbst und für andere klären will, was die Schüler:innen aus einer Stunde oder aus einem Schuljahr Religion eigentlich ‚mitgenommen‘ haben. Dabei geht es nicht nur um verantwortliche Rechenschaft, sondern immer auch um die Weiterentwicklung des eigenen Religionsunterrichts und damit um die nicht immer leicht aufrechtzuerhaltende Motivation im Lehrberuf.“ (S. 13–14) Sodann stellt der Autor Inhalt und Gliederung seines grundlegenden Buches vor: „Dieses Buch versucht, die damit für Wissenschaft und Praxis angesprochenen Fragen zu klären und zugleich Perspektiven für die praktische Weiterentwicklung des Religionsunterrichts aufzuzeigen. Damit wendet es sich ebenso an Religionslehrkräfte wie an Multiplikator:innen sowie wissenschaftlich in der Religionspädagogik Tätige. Im Einzelnen werden drei Grundaufgaben beschrieben: religiöse und weltanschauliche Traditionen in Geschichte und Gegenwart kennenlernen (Wissen), religiöse und weltanschauliche Zusammenhänge deuten (Verstehen) sowie den reflektiert-kritischen Umgang damit zu fördern (Urteilsfähigkeit). Diese Grundaufgaben werden im Religionsunterricht in den doppelten Horizont einer gesellschaftlichen und existenziellen Positionierung gestellt (religiöse Orientierungsfähigkeit und existenzielle Klärung). Die Plausibilität dieser Darstellung setzt zugleich ein spezifisch religionspädagogisches Lernverständnis voraus. Lernen mit einem transzendenten Horizont sieht anders aus als in anderen Fächern der Schule, auch wenn der Religionsunterricht ebenso Anteile umfasst, die mit anderen Fächern vergleichbar sind. Religiöses Lernen bezieht sich letztlich auf eine Transformation und Rekonstruktion der Person, die aber weit über die Schule hinausweist und deshalb auch nicht einfach Ziel des Unterrichts sein kann. Auch das Lernen im Religionsunterricht ist Schule und soll Schule bleiben. Der letzte Teil des Buches ist der Frage gewidmet, wie das Lernen im Religionsunterricht konkret unterstützt werden kann. Dazu werden Perspektiven für einen religionsdidaktischen Perspektivenwechsel im Horizont des Lernens beschrieben“ (S. 14), dessen Praxis wie folgt aussieht: 1. Von den Kindern und Jugendlichen ausgehen: Religionsdidaktik im Perspektivenwechsel gestalten 2. Relevante und zentrale Fragen identifizieren: Elementarisierung als übergeordneter Horizont 3. Den Perspektivwechsel vollziehen: von der Instruktions- zur Ermöglichungsdidaktik 4. Das Lernen begleiten und befördern: Unterstützung, Beziehungen und Lernkultur 5. Lehr-Lernstrategien kriteriengeleitet auswählen: religionsdidaktische Lernprinzipien und empiriebasierte Fachdidaktik 6. Sich der Ergebnisse vergewissern: Prüfungen, Erfolgskontrolle und Feedback 7. Das Ende zum Anfang machen: Erfahrungen im Unterricht als Ausgangspunkt für die Unterrichtsentwicklung (S. 277–296). Diese Neuerscheinung gehört in die Hand jedes und jeder für den Religionsunterricht Tätigen!
Arnulf von Scheliha und Hinnerk Wißmann sind die Verfasser der lesenswerten, im Verlag Mohr Siebeck Verlag (16-163661-5) veröffentlichten religionspolitischen Erörterung in rechtswissenschaftlicher und ethischer Perspektive Religionsunterricht 4.0. Sie schreiben in ihrem Vorwort: „Die Dinge in Sachen Religionsunterricht sind in Bewegung. Diese Beobachtung ist kaum zu bestreiten angesichts der dynamischen Veränderungen, die in Deutschland auf der praktischen Ebene festzustellen sind: Neben den gewohnten konfessionellen Unterricht (und seine bereits sehr heterogene Praxis) sind in den letzten Jahren Islamunterricht, konfessionell-kooperativer Religionsunterricht, gemeinchristlicher Unterricht, interreligiöser Unterricht und staatliche Religionskunde getreten, das alles bei großer regionaler Vielfalt und breiter publizistischer und wissenschaftlicher Begleitung. Trotzdem kann man mit guten Gründen fragen, ob es sich wirklich um ein Thema handelt, das noch größere Aufmerksamkeit verdient – vielleicht erledigt sich das überkommene deutsche Kooperationsmodell auch in Sachen Religionsunterricht gerade einfach in zunehmender Geschwindigkeit, so dass hier nur noch eine plural getönte Verfallsgeschichte zu erzählen ist? Dann wäre ‚Bewegung‘ nur eine Chiffre für äußerliche Unruhe und inneren Substanzverlust. Wie die Sache sich entwickeln wird, können auch die Autoren dieses Buchs nicht vorhersagen. Sie gehen allerdings von folgenden Grundüberlegungen aus: Der Religionsunterricht, diese gemeinsame Unternehmung von Staat und Religionsgemeinschaften, repräsentiert die deutsche Eigenart im Umgang mit der Religion in exemplarischer Deutlichkeit. Dazu zählt die historisch gewachsene Vermutung, Religion könne für den Einzelnen wichtig und zugleich für das Gemeinwohl förderlich sein, und dazu zählen die daraus abgeleiteten besonderen Rechte für Religionsgemeinschaften, die in die Breite wie in die Tiefe gehen; dies alles gilt prinzipiell nicht auf eine Staats- oder Mehrheitsreligion begrenzt, sondern als offenes System für grundsätzlich jede religiöse Überzeugung. Weiterhin kann auch festgestellt werden: Zum Religionsunterricht gibt es unter den deutschen Bedingungen schlicht eine ‚Jedermann-Erfahrung‘, bewusst oder unbewusst, als autobiographische Frage der Zustimmung. Teilhabe oder Ablehnung in jeder einzelnen Schulbiographie, als Herausforderung für Staat wie Gesellschaft, gerade in demographischen Umbrüchen. Daher meinen wir: Im Religionsunterricht kristallisieren sich die gegenwärtigen Herausforderungen der Religionspolitik in besonders klarer Weise heraus.“ (S. V–VI.) Die beiden Autoren verstehen ihren Essay als wissenschaftlichen Beitrag zu dieser Religionspolitik: „Dabei ist unser Blick hier nicht nach außen, auf den internationalen Vergleich gerichtet, sondern auf die Fundamente, auf die das sehr besondere deutsche Modell des Religionsunterrichts gebaut ist. Wir rekapitulieren zunächst in knapper Form die gegebene Sachlage, wie sie sich historisch, theologisch, pädagogisch und rechtlich entwickelt hat. Im Mittelpunkt stehen dann die Begründungslinien, die von unterschiedlichen Disziplinen für die Gestaltung des Religionsunterrichts formuliert werden. Aus der Synthese dieser Grundargumente, ihren Differenzen und ihren Übereinstimmungen lässt sich die Debatte, so möchten wir behaupten, mit nochmals verbesserter Tiefenschärfe führen. Es geht im Folgenden nicht darum, ein bestimmtes Modell von Religionsunterricht zu verteidigen oder ein neuartiges Projekt durchzusetzen. Aber es soll der Korridor bestimmt werden, in dem Entscheidungen zum Religionsunterricht in verantwortlicher Weise getroffen werden können. Die Verfasser verbindet die optimistische Grundannahme, dass es – einerseits – nicht nur eine einzige zulässige Gestaltungsform für diesen Unterricht gibt (weshalb der Religionspolitik auch im Feld des Religionsunterrichts Entscheidungsspielräume zukommen), dass aber – andererseits – sehr wohl unterschieden werden kann, wo eine modelltreue Gestaltung auch aufhört. Die eigentliche Substanz der religionspolitischen Dinge erschließt sich erst im interdisziplinären Gespräch.“ (S. VI–VII) Die Erörterung ist wie folgt aufgebaut: „Auf eine analytisch zugespitzte Bestandsaufnahme des Ist-Standes folgt eine ebenfalls pointierte Rekonstruktion der inhaltlichen Begründungen dafür, warum es sinnvoll ist, das Fach ‚Religion‘ an öffentlichen Schulen zu lehren. Diese Begründungen liegen auf verschiedenen Ebenen und haben unterschiedliche Reichweiten. Sie enthalten Spannungsfelder und verweisen aufeinander. Wie zu zeigen sein wird, ist es gerade dieses ambivalente Spannungsgeflecht, das als Realisierung von Freiheit interpretiert werden kann, die im Religionsunterricht zur Geltung kommt. Diese Freiheit kann zur Kreativität für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Formen des schulischen Religionsunterrichts und seines rechtlichen Fundamentes genutzt werden.“ (S. 12)
In dem im W. Kohlhammer Verlag (17-043897-2) von Harmjan Dam und Laura Weidlich erstellten Arbeitsbuch Historische Religionspädagogik. Eine Geschichte der Didaktik des christlichen Religionsunterrichts geht es um die Entwicklung der Didaktik des Schulfaches, das heute evangelische oder katholische Religion genannt wird: „Ausgehend von der gegenwärtigen Unterrichtspraxis und den aktuellen Herausforderungen werden die folgenden bleibenden didaktischen Fragen des christlichen Religionsunterrichts in historischer Perspektive beleuchtet: Inwiefern ist es möglich, Religion zu unterrichten? Worum geht es im Religionsunterricht: Erschließung von Glauben, Vermittlung von Wissen, Lernen des Umgangs mit Religion usw.? Können didaktische Konzeptionen identifiziert werden? Welche inhaltlichen Aspekte und Methoden sind vorrangig? Welchen Stellenwert haben die Bibel, Kirchengeschichte und andere Religionen? Der Blick in die Vergangenheit der Fachdidaktik legt die historische Pfadabhängigkeit von vielen gegenwärtigen Phänomenen dar. Er ermöglicht anhand historischer Beispiele, Aufmerksamkeit für die oben genannten bleibenden Fragen zu gewinnen und Parallelen in der Geschichte und Genese nachzuzeichnen. Diese Aufmerksamkeit hilft, die heutigen Herausforderungen (wie Subjektorientierung, Individualisierung, Traditionsabbruch und Kompetenzorientierung) in historischer Perspektive zu verstehen.“ (S. 6) Im Mittelpunkt dieses Arbeitsbuches steht eine Fachdidaktik, die die Ziele, Inhalte, Methoden und Medien beschreibt: „Der Blick auf die Entwicklung der Didaktik in der Vergangenheit hat als Handlungsaspekt eine unmittelbare Relevanz für das didaktische Handeln der Unterrichtenden heute. In diesem Arbeitsbuch werden darum einerseits bleibende didaktische und religionspädagogische Querschnittsfragen erschlossen, während andererseits ein orientierender Längsschnitt über die Geschichte des Faches geboten wird. Für den Längsschnitt durch die Didaktik werden für unterschiedliche Zeiten die jeweiligen Ziele und Intentionen (Worauf zielt Unterricht ab?), die Inhalte (Was wird unterrichtet?) sowie die Methoden und Medien (Auf welche Weise und mit welchen Hilfsmitteln wird unterrichtet?) herausgestellt. Umbruchzeiten, die verstärkt zum Nachdenken über die Art der Vermittlung führten, wie Reformation, Aufklärung, die Zeit um 1900 und die 1968er Jahre, werden besonders betont. Es geht um Orientierungs- und Erklärungswissen, das einen ersten Überblick über die Didaktik des Schulfaches Religion leistet. Weitere religionspädagogische historische Themen – die oft als Fragmente, Mosaikstücke und Tiefenbohrungen vorhanden sind – sollten darin eingeordnet werden können. Umfassende Studien zur Geschichte der Religionspädagogik werden durch das Arbeitsbuch nicht ersetzt. Auch hat es nicht den Anspruch, ein neues Handbuch der Religionspädagogik zu sein, in dem die Ergebnisse neuerer Ansätze und Forschungsergebnisse umfassend dargelegt werden. Vielmehr spiegelt es vorhandenes Wissen wider, das mit neuen Akzenten und vielfältigem Material einen systematischen Zugang zur historischen Dimension christlicher Bildung in der Schule bietet. Immer wenn es in der Ausbildung angehender Lehrkräfte um diese Dimension geht, kann es eingesetzt werden. Das Ziel ist somit nicht, zum aktuellen Forschungsdiskurs in der Historischen Religionspädagogik beizutragen, sondern es soll als hochschuldidaktisches Arbeitsbuch verstanden werden, in dem einführend für angehende Lehrkräfte des Schulfaches evangelische und katholische Religion insbesondere die praktischen Aspekte des Faches verständlich erschlossen werden.“ (S. 7–8) Passend dazu empfiehlt sich die Lektüre des umfangreichen, im Verlag Königshausen & Neumann (8260-8941-1) erschienenen und von Ulrike Baumann erarbeiteten Bandes Perspektiven religiöser Bildung. Ein Gespräch mit frühen Klassikern, in dem es um den Zusammenhang von religiöser Bildung und Elementarisierung geht. Die Verfasserin möchte Perspektiven religiöser Bildung aufzeigen, die theologisch fundiert und praktisch ermutigend sind. Der Band ist in vier Kapitel gegliedert: 1. Bildung und Elementarisierung als religionspädagogische Begriffe, 2. Christlicher Glaube und Elementarisierung bei Aurelius Augustinus, 3. Elementarisierung des Glaubens und Katechismusunterricht bei Martin Luther, 4. Religionspädagogischer Ertrag für das Bildungsverständnis. Mit für die Situation der Gegenwart geöffneten Perspektiven religiöser Bildung beschäftigt sich insbesondere das vierte Kapitel des Buches in systematischen Überlegungen. Es schlägt dabei die gelingende Brücke zu einem modernen Bildungsverständnis, das den Menschen als mündiges Subjekt mit seiner eigenen Würde in den Mittelpunkt stellt. In einigen Kapiteln liegt hier der Akzent stärker auf den sachlich-theologischen Einsichten, in anderen eher auf den personenbezogenen Aspekten: 1. Geschöpflichkeit, Gottebenbildlichkeit und Bildung, 2. Freiheit, Fehlbarkeit und neue Würde, 3. Sozialität, Kirche und Bildungsgemeinschaft, 4. Keine Bildung ohne Religion, 5. Religiöse Bildung im Lebenslauf, 6. Gebildeter Glaube, 7. Gottes Wirken bildet, 8. Bildung und christlich verstandene Lebenskunst, 9. Ethische Bildung und gerechter Friede – christlich verantwortet, 10. Interreligiöse Bildung.
Folgende drei Neuerscheinungen widmen sich dem Thema des Religionsunterricht in der digitalisierten Welt: Zum einen das von Saskia Eisenhardt, Silja Leinung, Uta Pohl-Patalong unter Mitarbeit von Antonia Lüdtke im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (525-70008-2) verfasste Buch Religionsunterricht gestalten in der digitalisierten Welt, in dem die Autorinnen dafür plädieren, dass die digitale Prägung der Lebenswelten und des Unterrichts „(auch) fachspezifisch gedacht werden muss, wenn es über Erkenntnisse wie die Bedeutung einer funktionierenden Technik, klarer Arbeitsanweisungen und aktivierender Methoden hinausgeht. Dann muss nämlich gefragt werden, welche Grundsätze im Fach Religion eigentlich gelten (sollten) und wie sich diese in der zunehmenden Digitalität in beiden Hinsichten – der digitalen Prägung der Lebenswelt einerseits und der Verwendung digitaler Elemente im (Präsenz-)Unterricht andererseits – verhalten. Dieser Aufgabe widmet sich dieses Buch. Es identifiziert zehn Gestaltungsprinzipien des Religionsunterrichts als Grundsätze oder Leitlinien, an denen sich die didaktische Planung und Durchführung des Unterrichts orientieren kann. Alle zehn sind sowohl in der religionspädagogischen Literatur als auch in den Fachanforderungen und Lehrplänen in irgendeiner Weise zu finden, allerdings ist ihre Zusammenstellung und Ausformulierung in der Weise, wie sie hier geschieht, neu. Sicher wäre es auch möglich, sie in anderer Weise zu bestimmen – manche könnten anders genannt, manche anders zusammengefasst oder ausdifferenziert werden, manche könnten fehlen oder andere hinzukommen. Inhaltlich scheinen sie uns jedoch einen relativ weitgehenden Konsens in der Theorie und der Praxis des Religionsunterrichts zu bilden, auch wenn manches immer auch anders akzentuiert wird. In unserer Formulierung lauten sie: Förderung der Subjektwerdung – Ausrichtung auf die Lebenswelt – Haltung des Zutrauens – Berücksichtigung der religiös-weltanschaulichen Vielfalt – Inklusion – Gendersensibilität – Umgang mit Traditionen – Ermöglichung religiöser Erfahrungen – Stärkung der Argumentations- und Urteilsfähigkeit – Förderung einer lebensfreundlichen Religiosität. Alle zehn Gestaltungsprinzipien erscheinen uns unverzichtbar für einen Religionsunterricht, der seinen Aufgaben und seinem Charakter gerecht werden möchte. Auch diese werden jedoch unweigerlich von der digitalen Prägung der Lebenswelt und des Unterrichts berührt und verändern sich dadurch teilweise. Wir möchten in diesem Buch zeigen, wie dies jeweils geschieht und wie es gelingen kann, diesen Grundsätzen des Faches Religion treu zu bleiben – nicht trotz der digitalen Prägungen, sondern in ihnen und mit ihnen. Dafür gehen wir in jedem Kapitel folgende Schritte: Nachdem wir einleitend vorstellen, worum es in dem jeweiligen Gestaltungsprinzip konkret geht, fragen wir zunächst, wie sich das Gestaltungsprinzip in der heutigen Gesellschaft darstellt und in welcher Weise es von ihrer digitalen Grundierung beeinflusst wird. Wir stellen aber auch die theologischen Bezüge jedes Gestaltungsprinzips dar und beleuchten, wie es religionspädagogisch diskutiert wurde und wird. Ein kurzer Blick wird auch immer dem Spannungsfeld zwischen dem (konfessionell orientierten) Religionsunterricht einerseits und der zunehmenden religiösen Heterogenität der Schüler:innen andererseits gewidmet. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass die Teilnahme von Schüler:innen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften und auch ohne die Zugehörigkeit zu einer solchen in vielen Regionen Deutschlands immer stärker zur Realität gehört. Selbstverständlich sind aber die Grundlinien des Buches auch auf andere Bundesländer sowie auf Hamburg, Berlin und Bremen mit anderen Modellen als dem klassisch-konfessionellen übertragbar. Vor allem fragen wir dann, wie sich der Religionsunterricht in Bezug auf das jeweilige Gestaltungsprinzip in der digital geprägten Welt und in der Verwendung digitaler Elemente didaktisch verändert und welche Potenziale darin liegen. Dabei werden auch kritische Töne gegenüber den aktuellen Entwicklungen laut und Schwierigkeiten benannt. Die Darstellung ist jedoch von der Überzeugung geprägt, dass ein Religionsunterricht nur zukunftsfähig wird (und bleibt), wenn er in unserer Kultur der Digitalität arbeitet und diese mitgestaltet. Dabei ergeben sich teilweise auch überraschende Chancen, die den Religionsunterricht eher in seinem Charakter bestärken, als dass sie ihn in Frage stellen. Abschließend werden zu jedem Gestaltungsprinzip zwei praktisch ausgerichtete Impulse vorgestellt, die zeigen, wie auf dieser Basis der Religionsunterricht so gestaltet werden kann, dass er der digital geprägten Lebenswelt gerecht wird und dies mit digitalen Elementen umsetzt. Dabei haben wir auf die Empfehlung konkreter digitaler Tools verzichtet, weil diese sich zum einen beständig ändern und zum anderen die datenschutzrechtlichen Grundsätze zwischen den Bundesländern variieren.“ (S. 8–10)
Zum anderen das von Alissa Geisler und Clauß Peter Sajak im W. Kohlhammer Verlag (17-044488-1) herausgegebene Buch Digitalen Religionsunterricht entwickeln und gestalten. Das Projekt KathReliOnline, das durch Blended Learning, also durch einen geplanten Wechsel von Präsenz- und Selbstlernphasen, den katholischen Religionsunterricht in den Diasporagebieten Thüringens sichern und stärken möchte: „Der vorliegende Band will sowohl die verschiedenen Teile der Evaluation dokumentieren als auch Informationen zu Geschichte und Durchführung dieses zukunftsweisenden Projekts vorhalten. Außerdem sind Experten im Bereich des digitalen Lernens zu Kommentierungen von KathReliOnline aufgefordert worden. Entsprechend gliedert sich der Sammelband in zwei Teile: Der Teil A beginnt mit einem ausführlichen Kapitel von Martin Fahnroth, in dem dieser die Geschichte des Projekts, seine Organisation und seine Verwirklichung beschreibt. Es folgt der eigentliche Bericht, der die Daten der offiziellen Evaluation enthält und der noch einmal aus wissenschaftlicher Perspektive überarbeitet worden ist. Die Schülerinnen und Schüler wurden im Rahmen dieser Evaluation mit einem Fragebogeninstrument zu zwei Zeitpunkten ausführlich über das Projekt befragt. Mit den beteiligten Lehrkräften wurden Interviews geführt. Interviewt wurden auch ehemalige wie aktuelle Schülerinnen und Schüler des Projekts. Die Auswertung dieser Interviews wird im folgenden Kapitel in Kürze präsentiert. Es folgen zwei Kapitel, in denen die am Projekt beteiligten Lehrkräfte zu Wort kommen. In einem zweiten Teil des Buches haben fünf für ihre Expertise im Bereich der digitalen religiösen Bildung bekannte Experten zum Evaluationsbericht und zu den Unterrichtsmaterialien im Projekt KathReliOnline Stellung genommen.“ (S. 7–8) Insgesamt durchaus hilfreiche Informationen und Anregungen, um den Religionsunterricht mit Blick auf die Möglichkeiten und Chancen von Hybrid- und Digitalformaten weiterzuentwickeln!
Zum Dritten den von Ulrich Riegel und Mirjam Zimmermann ebenfalls im W. Kohlhammer Verlag (17-043899-6) herausgegebene Sammelband Digitale Sakralraumpädagogik, der die Möglichkeiten einer digitalen Sakralraumpädagogik untersucht im Schnittpunkt zweier Diskurse, die innerhalb von Theologie und Religionspädagogik auf eine gewisse Tradition zurückblicken können: „Insbesondere aus christlicher Perspektive wird der Kirchenraum in seiner räumlich-spirituellen Dimension schon lange diskutiert und mit der Kirchen- bzw. Kirchenraumpädagogik gibt es seit über 30 Jahren eine lebendige religionsdidaktische Praxis und Forschung, die sich auf die Erkundung von Kirchenräumen konzentriert. Auch die Sakralräume anderer spiritueller Traditionen kommen zumindest religionsdidaktisch immer stärker in den Blick. Darüber hinaus wird die Digitalität von Theologie und Religion jüngst intensiv wissenschaftlich reflektiert, wobei auch religiöses Lernen im digitalen Raum eine große Rolle spielt. Allerdings handelt es sich hierbei um zwei voneinander weitgehend unabhängige Diskurse, denn die Präsenz sakraler Räume im Digitalen spielt in Forschungen bislang eine deutlich untergeordnete Rolle. Zwar erfuhren diese Räume während der sog. Corona-Krise eine gesteigerte Aufmerksamkeit. In den einschlägigen Überlegungen ging es aber weniger um die Möglichkeit, Kirchen als Gebäude in 3D selbstständig zu erkunden, sondern Gottesdienste wurden per Webplattform vom Ort des Geschehens ins Wohnzimmer übertragen, und es interessierte, wie diese Form des ‚gemeinsamen‘ Feierns in spiritueller Hinsicht auch z. B. im Blick auf das Abendmahl erlebt werden konnte. Auch kommen im didaktischen Bereich langsam Vorschläge auf den Markt, die die räumliche Dimension virtueller Welten im Sinn von Escape Games oder Augmented Reality für religiöse Lernprozesse berücksichtigen. Hierbei geht es jedoch in einem sehr allgemeinen Sinn um digitale Räume, und der Schwerpunkt solcher Überlegungen liegt eher auf unterrichtspraktischen Aspekten als auf den pädagogischen und didaktischen Prinzipien, die eine sinnvolle Nutzung solcher Räume fokussieren. Des Weiteren verbietet sich ein unkritischer Übertrag der Erkenntnisse der beiden oben genannten Diskurse auf ihr Schnittpunktthema einer digitalen Sakralraumpädagogik, denn die sog. ‚Kultur der Digitalität‘, in welcher menschliches Denken und Handeln durch digitale Technik grundlegend geprägt sind, ist mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile. So verschwimmen die Grenzen ‚analoger‘ und ‚digitaler‘ Welten zunehmend, weil Kinder und Jugendliche sich immersiv durch virtuelle Spielewelten bewegen, dabei längst vergangene Zeiten bereisen, Gebäude besuchen, die nicht mehr existieren, und sich (darin) wechselseitig z. B. als Avatare begegnen und in all diesen Bezügen ihre Beziehungen untereinander ebenso ausleben wie auf dem Pausenhof, auf dem Sportplatz oder im Wartehäuschen der Bushaltestelle. In gewerblichen Servicebereichen bearbeitet ‚künstliche Intelligenz‘ mittlerweile einfache Anfragen, und nicht immer ist klar, ob eine Auskunft bei der Bank oder der Versicherung des Vertrauens von einem menschlichen Gegenüber erteilt wird. Auch lernen Medizinstudierende Operationen selbstverständlich in VR-unterstützten Szenarien, planen Techniker Modelle virtuell, üben Piloten lange am Flugsimulator usw. Der virtuelle Raum hat sich mittlerweile in vielen Berufsfeldern als vorteilhaftes Trainingsfeld erwiesen. Auch religionsdidaktisch kommt das Potenzial virtueller Erkundungen der sakralen Räume, nicht zuletzt auch stimuliert durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden organisatorischen Probleme bei der Realisierung von Exkursionen, immer stärker in den Blick, und die Nutzung digitaler Repräsentationen von Sakralräumen wird als alternative Möglichkeit einer Begegnung angeboten, weil immer mehr Religionsgemeinschaften digitale Präsentationen ihrer ‚heiligen Räume‘ zur Verfügung stellen, die über Fotos bzw. Filme hinausgehen und als 3-D-Simulationen Raumerleben ermöglichen. Teilweise sind die vorliegenden virtuellen Erschließungen aber technisch noch nicht ausgereift und orientieren sich stärker an touristischen Interessen als an sakralraumpädagogischen Prinzipien. Außerdem wirft die Verschiebung einer Beschäftigung mit Sakralräumen vom ‚realen‘ in den ‚virtuellen‘ Raum die Frage auf, ob beide Begegnungsformen analoge Lernmöglichkeiten eröffnen oder ob für eine digitale Sakralraumpädagogik nicht eigene Prinzipien für religiöses Lernen entwickelt werden müssten. Dass die pädagogische Rezeption virtueller Technik mehr als nur technischer Kompetenzen bedarf, zeigt die jüngste Verschiebung vom sog. TPACK-Modell zum DPACK-Modell. Im TPACK-Modell wurden inhaltsbezogene und didaktische Kompetenzen mit den notwendigen technischen Konsequenzen kombiniert, die es braucht, um einen Sachverhalt didaktisch angemessen im Unterricht zu inszenieren. Es ist von der Einsicht geleitet, dass die Integration digitaler Tools ins schulische Lernen auch einer gewissen technischen Kompetenz bedarf, und galt einige Zeit als Referenzfolie für die pädagogische Rezeption digitaler Artefakte. Jüngst wurde diese technische Kompetenz, für die das ‚T‘ in TPACK steht, durch eine digitalitätsbezogene Kompetenz, die das ‚D‘ in DPACK repräsentiert, ersetzt. Ausschlaggebend für diese Verschiebung ist die Erfahrung, dass Digitalität eben nicht nur für eine technische Innovation steht, sondern auch die Dinge selbst in einem anderen Licht erscheinen lässt. Im Sinn der obigen Skizze einer Kultur der Digitalität eröffnet z. B. das Smartphone nicht nur weitere technische Möglichkeiten in der Kommunikation mit den Mitmenschen, sondern verändert auch den Blick auf die Welt und das Leben in ihr fundamental. Technische Kompetenzen kompensieren nur einen kleinen Aspekt dieser Verschiebung. Wendet man diese Verschiebung auf den Bereich der Erkundung digitaler Sakralräume an, geht es hier nicht nur um das Wissen um die technischen Voraussetzungen solcher Erkundungen und deren Bewältigung. Eine sakralraumbezogene Digitalitätskompetenz erstreckt sich vielmehr auch auf das Wissen darum, wie Digitalität den Charakter und die Wahrnehmung sakraler Räume verändert und wie digitale (Re-)Präsentationen dieser Räume kritisch hinterfragt werden können. Überdies zählt dazu die Fähigkeit, digitale Artefakte verschiedener Sakralräume so in Lehr-Lernprozesse einzuspielen, dass ein respektvoller, antidiskriminierender Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher weltanschaulicher Positionen eingeübt werden kann. Insofern eine entsprechende (religions-)didaktische Forschung erst am Beginn steht, strebt der geplante Sammelband eine theoretische Grundlegung einer Beschäftigung mit digitalen (Sakral-)Räumen an und lotet die didaktischen und praktischen Möglichkeiten einer solchen Begegnung aus.“ (S. 11–13) Der innovative Ansatz gliedert sich in die vier Teile: I. Interdisziplinäre Grundlagen, II. Religionsbezogene & theologische Grundlagen, III. Didaktik & Praxis sowie IV. Offene Fragen, Diskussion & explorative Blicke.
Niklas Günther, Annika Möller und Sönke Zankel zeichnen verantwortlich für die Neuerscheinung Religionsdidaktik konkret. 7x7 Fragen zur Praxis des Religionsunterrichts, die als UTB im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (8252-6199-3) erschienen ist und ein Set mit 49 Karten enthält, die praxisbezogene Fragen und schulalltagsnahe Antworten zum Religionsunterricht sowie digitales Bonusmaterial bieten: „Alle Fragekarten sind nach sieben Blickwinkeln auf den Religionsunterricht sortiert und gleich aufgebaut: Auf die grundsätzliche, titelgebende Frage folgen zunächst weitere Anregungen, Fragen oder Denkanstöße. Auf der jeweiligen Rückseite findet sich eine Antwort, die, ähnlich wie auch alle Fragen zusammen, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Vielmehr geht es uns um einen Auftakt zum Weiterdenken und Weiterlesen. Hinweise dazu finden sich bei direkter Zitation im Text und darüber hinaus im Anschluss an diese Einführung.Thematisch werden alle wichtigen Bereiche abgedeckt, also etwa konzeptionelle und rechtliche Fragen, Fragen zur Vorbereitung und Gestaltung von Unterricht, zu Schülerinnen und Schülern, zur Rolle der Religionslehrkraft sowie zu aktuellen Herausforderungen. Die Karten können hintereinander gelesen werden. Viel eher aber sind sie dazu gedacht, entlang eigener Interessen und Anliegen durch sie hindurchzustöbern – eventuell geleitet durch zahlreiche Querverweise. Alle Antworten können aber auch für sich alleinstehen.“ (S. 11–12) Ein hilfreiches Kartenwerk zu den sieben Blickwinkeln Konzeptionelles und Grundsätzliches; Rechtsgrundlagen; Unterrichtsvorbereitung; Praxis; Schülerinnen und Schüler; Religionslehrkraft sowie Herausforderungen!
Das Schülerbild der Religionspädagogik. Eine kritische Analyse der Konstruktion von Schüler:innen im Religionsunterricht lautet der Titel der im Verlag Brill Schöningh (506-79451-2) erschienenen Tübinger Habilitationsschrift von Evelyn Krimmer. Diese umfassende Untersuchung zu einer übergangenen Grundfrage der Religionspädagogik unternimmt „in heuristischer Herangehensweise den Versuch eines Theorieentwurfs zu drei angedachten Konstruktionsdimensionen des religionspädagogischen Schülerbildes, die je nach Gewichtung eine in ihrer Bedeutsamkeit variierende Rolle für jeweilige religionspädagogische Vollzüge spielen können. Zuerst werden jedoch grundlegende erkenntnistheoretische Voraussetzungen zu klären sein. So wird durch die Kennzeichnung des religionspädagogischen Schülerbildes als Konstrukt sowie durch die Rede von Konstruktionsdimensionen, die im Zuge eines Konstruktionsprozesses zum Tragen kommen, bereits ersichtlich, dass konstruktivistische Sichtweisen für die vorliegende Untersuchung von wesentlicher Bedeutung sind. Das zweite Kapitel wird deshalb der Klärung eben dieser erkenntnistheoretischen Voraussetzungen Rechnung tragen und den Konstruktivismus als epistemologischen Bezugsrahmen für die Konstruktion des Schülerbildes in den Blick nehmen. Dabei werden konstruktivistische Perspektiven als erkenntnistheoretische Interpretation der Wirklichkeit vor ihrem historischen Hintergrund und in ihren Kernaussagen zur Darstellung kommen, bevor der Versuch einer Verhältnisbestimmung zwischen Theologie und insbesondere Religionspädagogik und Konstruktivismus unternommen wird. Am Ende dieses Kapitels wird ersichtlich werden, inwiefern der Konstruktivismus tatsächlich als epistemologischer Bezugsrahmen für die Konstruktion des Schülerbildes herangezogen werden und gleichsam als Sehhilfe zur Reflexion des Schülerbildes dienen kann. Im Sinne interdisziplinärer Interpretationsperspektiven stehen sodann die Schüler:innenrolle, das Kinderbild und das Menschenbild als triadische Konstruktionsdimensionen des religionspädagogischen Schülerbildes im Mittelpunkt der Ausführungen. Zunächst fragt dabei das dritte Kapitel danach, was die Rolle des Schülers und der Schülerin ist. Zur Annäherung an diese Fragestellung werden in der Bemühung um tragfähige Antworten sozialisations- und rollentheoretische Perspektiven betrachtet, um Konstruktionen der Schüler als erste Dimension des Schülerbildes auszuweisen. Anschließend steht zu Beginn des vierten Kapitels die Frage, was das Kind ist. Hier sind von einschlägigen Perspektiven der (erziehungswissenschaftlichen) Kindheitsforschung als sozial- und erziehungswissenschaftlicher Interpretation der Wahrnehmung des Kindes entsprechende Klärungen zu erhoffen, um Konstruktionen des Kinderbildes als zweite Dimension des Schülerbildes festhalten zu können. Schließlich ist das fünfte Kapitel mit der Frage danach überschrieben, was der Mensch ist. Da der vorliegenden Untersuchung eine evangelisch-theologische Perspektive zugrunde liegt, werden christlich- und im Blick auf das Bildungsverständnis auch dezidiert evangelisch-theologische Perspektiven herangezogen, um eine Annäherung an die Rede vom Bild des Menschen in christlicher Sicht anzustreben und Konstruktionen eines christlich perspektivierten Menschenbildes schließlich als dritte Dimension des Schülerbildes zu benennen. Jeweils am Ende der Kapitel 3, 4 und 5 werden dabei Kriterien und Leitfragen formuliert, die als Interpretationshorizont für die textanalytische (Re-)Konstruktion der im Schülerbild implizierten Schüler bzw. des im Schülerbild implizierten Kinder- und Menschenbildes zu verstehen sind. Ein weiterer Arbeitsschritt fragt nun nach Konkretionen des Schülerbildes und führt im Zuge einer exemplarischen Anwendung im sechsten Kapitel das Schülerbild ausgewählter religionspädagogischer Entwürfe und Ansätze mittels textanalytischer (Re-)Konstruktionen vor Augen. Das siebte Kapitel greift sodann die Ergebnisse der vorangegangenen Überlegungen und Arbeitsschritte zusammenfassend auf und veranschaulicht darüber hinaus die Korrelation der drei als triadisch zu bezeichnenden Konstruktionsdimensionen des religionspädagogischen Schülerbildes anhand von visualisierenden Darstellungen der im sechsten Kapitel herausgearbeiteten Schülerbilder. Als übergreifendes Ziel der Untersuchung steht dabei insgesamt die Einführung der Kategorie Schülerbild in den religionspädagogischen Diskurs vor Augen. Im achten Kapitel wird dazu abschließend auf die religionspädagogische Bedeutung des Schülerbildes reflektiert und eine fünffache Kategorisierung vorgeschlagen, in deren Verlauf mitunter die Anregung zur selbstkritischen Reflexion eines subjektiv konstruierten Schülerbildes als Qualitätskriterium für den Religionsunterricht in der wissenschaftlichen Theorie, empirischen Forschung und schulischen Praxis zur Sprache kommen wird, bevor eine resümierende Schlussbetrachtung in Kapitel neun die Untersuchung abschließt.“(S. 37–39) Die spannenden Ausführungen münden in folgende Schlussbetrachtung: „Die Annahme, dass Schüler:innen in lernpsychologischer und -theoretischer Hinsicht kontinuierlich Konstruktionsleistungen erbringen, sich Lernen und Erkenntnisgewinn also im Horizont konstruktivistisch angelegter Bildungsprozesse vollziehen, ist in der heutigen Religionspädagogik weithin anerkannt und bildet mitunter den epistemologisch-konstitutiven Ausgangspunkt entsprechender religionsdidaktischer Konzeptionen. Anstatt Schüler:innen vorschnell mit Wirklichkeitsdeutungen aus der Perspektive Erwachsener zu konfrontieren und gegebenenfalls zu korrigieren, werden sie als eigenständige Konstrukteur:innen ihrer Wirklichkeit anerkannt, ernst genommen und gewürdigt. Die vorliegende Untersuchung macht darauf aufmerksam, dass derartige konstruktivistische Prämissen in unbegründeter Weise bislang allerdings primär auf die Lernenden angewendet werden und somit gleichsam nur in eine Richtung Gültigkeit zu erfahren scheinen. Diese bisher nicht weiter begründete oder reflektierte selektiv-punktuelle Bezugnahme auf konstruktivistische Perspektiven lässt im Zuge dieser Untersuchung einen diesbezüglichen Perspektivenwechsel in das Blickfeld rücken. So ist der Frage nachzugehen, wie von Seiten – für gewöhnlich – erwachsener Religionspädagog:innen bestimmte Vorstellungen und Erkenntnisse hinsichtlich der Schüler:innen im Religionsunterricht generiert werden und, der Terminologie dieser Untersuchung entsprechend, welches religionspädagogische Schülerbild dadurch konstruiert wird. Abschließend kann daher in aller Kürze festgehalten werden, dass hinsichtlich der Überlegung, wie Vorstellungen von Schüler:innen in der wissenschaftlichen Religionspädagogik konstruiert werden und welches Schülerbild der Religionspädagogik somit entsteht, in der Tat von einer bislang vernachlässigten religionspädagogischen Grundfrage zu sprechen ist. Deren Bearbeitung hat jedoch nicht in normativ dimensionierter, sondern vielmehr in selbstreflexiv relativierender Weise zu erfolgen. Jegliches Unterrichtsgeschehen und wissenschaftliches Reflektieren über Unterrichtsprozesse kann sich nicht unabhängig von der Konstruktion eines implizit wirksamen Schülerbildes vollziehen, welches sich im Sinne einer Heuristik aus der Summe meist intuitiv existierender Hintergrundannahmen, Vorstellungen, Erwartungen und Zuschreibungen im Blick auf die Schüler:innen bezüglich ihrer schulisch-institutionellen Rolle sowie ihres Kindseins und Menschseins ergibt. Die in dieser Untersuchung herausgearbeiteten Konstruktionsdimensionen ermöglichen nun eine Kategorisierung und systematische Einordnung. Indem die bereits in unverbundenen Diskursen nebeneinander existierenden Perspektiven auf das Menschenbild, Kinderbild und die Schüler:innenrolle in der Kategorie des Schülerbildes systematisierend zusammengeführt werden, können die in dieser Untersuchung skizzierten Gedanken zum Schülerbild in der Religionspädagogik als eine erste Anregung zur Selbstreflexion in Theorie, Forschung und Praxis sowie zur kritischen Auseinandersetzung gelesen werden. Aus einem auf diese Weise transparent gestalteten Umgang mit Konstruktionen des Schülerbildes und den damit verbundenen komplexen Konstruktionsprozessen können schließlich Impulse erwachsen, ein neues Bewusstsein für die Wirksamkeit innerer Theorien und Bilder auszubilden, die im Blick auf die Schüler:innen als Adressat:innen religionspädagogischer Anliegen existieren und als solche handlungsleitende Funktion einnehmen. Somit besteht die Hoffnung, mit der vorliegenden Untersuchung einen an Verständigung und kritischer Selbstreflexion ausgerichteten Diskurs über Konstruktionsprozesse des religionspädagogischen Schülerbildes im Sinne einer konstellierenden, hermeneutischen, empirischen, subjektorientierten und selbstreflexiven Kategorie anzustoßen, um dadurch künftig einen Beitrag zum intra- und interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch sowie zur religionsunterrichtlichen Qualitätsentwicklung in Theorie, Forschung und Praxis leisten zu können.“ (S. 365–366) Dies ist vollends gelungen!
Der von Karin Peter im W. Kohlhammer Verlag (17-043903-0) herausgegebene Sammelband Religiöse Vorstellungen von SchülerInnen erforschen. Grundlagen – Forschungsprojekte – Perspektiven passt inhaltlich hervorragend zu dem vorherigen Buch. In einer ersten Annäherung schreibt die Herausgeberin: „Vorstellungen finden im schulischen Kontext hinsichtlich der an einem Lernprozess Beteiligten in der bildungswissenschaftlichen wie der fachdidaktischen Forschung aller Domänen entscheidende Berücksichtigung. Die dabei herrschende Begriffs- und Definitionsvielfalt ist Indiz für unterschiedliche Konzepte, die im Rahmen der Vorstellungsforschung zur Anwendung kommen. Sehr allgemein gesprochen wird als Vorstellung der immer nur indirekt zugängliche subjektive Zugang, das mentale Konstrukt einer Person zu einem konkreten, enger oder weiter gefassten Phänomen bzw. Phänomenbereich rekonstruiert. Auf den Schulkontext bezogen gibt es innerhalb der Bildungswissenschaften wie der verschiedenen fachdidaktischen Disziplinen eine lange Tradition, Vorstellungen von Schüler:innen und Lehrer:innen zu erforschen, allerdings durchaus in unterschiedlichen Ausprägungen und mit unterschiedlichen Zielrichtungen. Die Vorstellungen von Lehrkräften hinsichtlich ihres beruflichen Tuns sind von Interesse, weil diese die je konkrete Planung, Gestaltung und Reflexion von Unterricht entscheidend beeinflussen. Entsprechend werden die Vorstellungen einer Lehrperson zu ihrem Fach- sowie ihrem grundlegenden Lehr- und Lernverständnis als eine Dimension ihrer Berufskompetenz und -professionalität erhoben und analysiert. In einem Modell professioneller Handlungskompetenz von Lehrerinnen können in einer groben Gegenüberstellung, bei der die Übergänge teils durchaus fließend sind, Wissen und Können (knowledge) einerseits sowie subjektive kognitive Konstruktionen, im Sinne von Werthaltungen (value commitments) und Vorstellungen/Überzeugungen (beliefs), andererseits unterschieden werden. In diesen zweiten Bereich fallen z. B. epistemologische Überzeugungen, subjektive Theorien zu Lehren und Lernen sowie Zielpräferenzen für den Unterricht. Professionalität im Beruf eines:einer Lehrer:in bedeutet auch einen reflektierten Umgang mit den diesbezüglich eigenen Vorstellungen. In der Erforschung der Vorstellungen der Schüler:innen, auf die in diesem Band der Fokus gelegt ist, werden unterschiedliche Verortungen zwischen verschiedenen fachdidaktischen Kulturen deutlich. Im Bereich der naturwissenschaftlichen Didaktik, besonders in der Biologie- und Physikdidaktik, ist die Vorstellungsforschung innerhalb der Lehr- und Lernforschung sehr klar konturiert ausgewiesen und etabliert. Dieser Bezugsrahmen der Lehr- und Lernforschung, in den Vorstellungen und die Entwicklung von Vorstellungen eingebettet werden, ist durch Intentionalität, Normativität und Zielorientierung charakterisiert. Damit werden Vorstellungen von Schüler:innen in bestimmter Absicht ins Zentrum gerückt: Zum einen, um Ausgangspunkte und mögliche Schwierigkeiten bei der Planung und Initiierung intentionaler Lernprozesse berücksichtigen zu können. Bereits bestehende Vorstellungen der Schüler:innen stellen „grundlegende Voraussetzungen und Anknüpfungspunkte“ für Lernprozesse dar, können sich aber auch als ‚Stolpersteine‘ erweisen. In diesem Verständnis ist die Kenntnis der Alltagsvorstellungen der Kinder und Jugendlichen ‚genauso wichtig wie das Fachwissen: Sie ist Voraussetzung, um Schülerinnen und Schüler zu verstehen und sie bei ihrem Lernen sinnvoll zu begleiten.‘ Zum anderen ist das Wissen um die von den Schülerinnen eingebrachten Vorstellungen vonnöten, um veränderte Vorstellungen – und damit Lernschritte – der Heranwachsenden beobachten, evaluieren und beurteilen zu können. Die Erforschung der Vorstellungen von Schüler:innen in der Domäne Religion ist in deutlich geringerem Maß klar theoretisch gerahmt. Anders als in der naturwissenschaftlichen Fachdidaktik stellt nicht so sehr die Lehr- und Lernforschung die entscheidende Verankerung dar, sondern die Kinder- und Jugendtheologie. Gerade in der Ausprägung ‚Theologie von Kindern und Jugendlichen‘ erfolgt die Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Heranwachsenden überwiegend im Anliegen, deren eigenständige Denkleistungen zu verstehen und zu würdigen. Es geht wesentlich darum, ‚den Dialog mit jungen Erwachsenen (und Kindern) aufzunehmen, ihre Weltsicht aufzuspüren und die Erkenntnisse hinsichtlich weltanschaulicher Vorstellungen und Einstellungen als ein oft nur wenig beachtetes Feld auch in die allgemeine Jugendforschung einzubringen.‘ Im direkten und unkonventionellen Zugang, den Kinder zu ‚großen Fragen‘ pflegen, wird darüber hinaus ein Potenzial an Ideen und Denkanstößen gesehen, die ‚in den wissenschaftlichen Diskurs [der Religionspädagogik und der Theologie] kritisch und innovativ eingebracht werden können.‘ In Überlegungen zu Anregung und Förderung religiöser Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen werden durchaus auch von traditionellen Konzepten abweichende Vorstellungen thematisiert, allerdings weniger in eindeutig didaktischer als vielmehr in grundsätzlicher Weise hinsichtlich der Kriterien für falsche bzw. unwahre Aussagen in der Domäne Religion überhaupt. Die didaktische Bedeutung von Vorstellungen von Schülerinnen ist im Rahmen der Religionsdidaktik insgesamt weitgehend unbestimmt und offen. Ebenso unterschiedlich fällt die nähere Definition der innerhalb der Domäne Religion erhobenen Vorstellungen aus. Diese werden – auch von den Autor:innen in diesem Band – als religiöse oder religionsbezogene Vorstellungen beschrieben. Mit dieser Differenzierung wird in der Regel der Unterschied zwischen dezidierten Glaubensvorstellungen bzw. Glaubensüberzeugungen und Vorstellungen, die sich in allgemeinerer und distanzierterer Weise auf den Bereich Religion beziehen, markiert. Nachdem der Religionsbegriff prinzipiell in sehr unterschiedlicher Enge oder Weite verstanden werden kann und die vorgestellte Differenzierung innerhalb der Scientific Community nicht einhellig etabliert ist, wird als Überbegriff im Titel des Bandes – und in einem Gutteil der Beiträge – der Begriff religiös herangezogen. Wenn nicht anders definiert, wird dieser in einem weiten Sinn verstanden, insofern damit sowohl genuin religiöse Vorstellungen aus einer Binnenperspektive als auch Bezugnahmen auf Religion aus einer Außenperspektive umfasst sind. Angesichts dieser Offenheiten und Unbestimmtheiten im Feld ist es das Anliegen dieses Bandes, eine grundlegende Standortbestimmung der Vorstellungsforschung von Schüler:innen in der Domäne Religion zu bieten und damit ein religionsdidaktisches Desiderat zu bearbeiten. Angezielt ist, verschiedene theoretische Zugänge der Erforschung religiöser Vorstellungen von Schüler:innen offenzulegen, Begrifflichkeiten zu klären und Differenzierungen einzuführen, methodische und inhaltliche Schwerpunktsetzungen auszumachen und diese zu reflektieren, grundlegende Chancen und Probleme aufzuzeigen, (Forschungs-)Perspektiven zu entwickeln und eine Verhältnisbestimmung zu didaktischen Weiterüberlegungen anzustellen. Das Interesse gilt dabei durchgehend den ‚Hintergrund-Überlegungen‘ zur religiösen Vorstellungsforschung, der Bearbeitung der entsprechenden Prämissen und Folgerungen, also Überlegungen auf einer Metaebene.“ (S. 9–11)
In der in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07662-8) veröffentlichten Heidelberger Dissertation Religion und Lebenswelt. Positionierung als Aufgabe religiöser Bildung von Mareike Meiß-Schleifenbaumstehen Überlegungen zu den auslegungsbedürftigen Erfahrungen der Selbsttranszendenz im Mittelpunkt. Die Verfasserin schreibt dazu in ihrer Einleitung: „Bekanntermaßen stellt der Religionsunterricht für viele Schülerinnen und Schüler gegenwärtig eine Erstbegegnung mit Religion und Glaube dar. Entsprechend kann nicht bei allen Schülerinnen und Schülern auf eigene Erfahrungen mit gelebter religiöser Praxis oder auf Kenntnisse tradierter Motive und Erzählungen christlicher Religion zurückgegriffen werden. Hier kann das Anknüpfen an Selbsttranszendenzerfahrungen eine Zugangsmöglichkeit bieten, um überhaupt zu verstehen, was Glaube im Sinne einer Auslegung von selbsttranszendenter Erfahrung ist. Darüber hinaus stellt der Religionsunterricht wie auch andere Kontexte religiöser Bildung einen wichtigen Kommunikationsraum dar, in welchem der Austausch über existenzielle Erfahrungen und das Verstehen von Wirklichkeit sowie das Kennenlernen von religiösen Auslegungen solcher Erfahrungen einen Platz haben. In dieser Forschungsarbeit möchte ich das, was Joas als deutungsbedürftige Erfahrung von Selbsttranszendenz beschreibt, aus einer systematisch-theologischen und religionsdidaktischen Perspektive betrachten. Wie lässt sich der Aneignungsprozess einer bestimmten Weltsicht mit spezifischen Positionen auf eine von außen betrachtet deutungsoffene Erfahrung theologisch beschreiben? Wie lässt sich die Vielfalt an religiösen Auslegungen von einem dezidiert theologischen Standpunkt verstehen? Und wie lassen sich religiöse Positionierungsprozesse mit Schülerinnen und Schülern, die neben vielen anderen Faktoren auch in Bezug auf Religion und Weltanschauung eine sehr heterogene Gruppe bilden, unterrichtlich anbahnen? Der religionsdidaktische Schwerpunkt liegt auf der Alterskohorte von Jugendlichen in der frühen und mittleren Adoleszenz (11-18 Jahre). Zwar hat Anna-Katharina Szagun mit der Rostocker Langzeitstudie gezeigt, dass schon Kinder im Elementarbereich sehr komplexe Gottesvorstellungen ausbilden können. Allerdings fehlt ihnen noch die Möglichkeit, ihre komplexen Vorstellungen auch verbalsprachlich zu artikulieren. Jugendliche in der frühen und mittleren Adoleszenz bringen dagegen die notwendigen entwicklungspsychologischen Voraussetzungen mit, Positionierungen als Möglichkeiten wahrzunehmen, und sind zugleich von der sprachlichen Entwicklung her in der Lage, ihre komplexen Vorstellungen auch verbalsprachlich auszudrücken.“ (S. 11–12) Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert: „Ausgangspunkt für die Bearbeitung der oben genannten Fragen sind zunächst die heterogenen Lebenszusammenhänge von Jugendlichen. Wie sieht ihre religiöse Gegenwartslage aus? Was ist ihnen in Bezug auf Glauben und Religion besonders wichtig? Wie artikulieren sie ihre Vorstellungen von Gott bzw. Wirklichkeit? So wird im ersten Kapitel die religiöse Gegenwartslage beschrieben, in der Kinder und Jugendliche aufwachsen und religiöse, areligiöse, antireligiöse oder religiös indifferente Positionen übernehmen bzw. ausbilden. Als Grundlage für diese schlaglichtartige Beschreibung dienen quantitative und qualitative empirische Studien zur Religiosität von Jugendlichen aus den vergangenen zehn Jahren. Im zweiten Kapitel wird das Thema der Arbeit in der Forschungslandschaft verankert. Dafür werden die empirischen Linien zur religiösen Gegenwartslage aufgenommen und religionspädagogische Ansätze skizziert, die sich mit der Bildung religiöser Positionen bzw. Auslegungen von Wirklichkeit im Kontext religiöser Bildungsprozesse beschäftigen. Ausgehend von dieser Übersicht wird die weitere Schwerpunktsetzung der Arbeit entfaltet und in der Forschungslandschaft verankert. Im dritten Kapitel wird aus systematisch-theologischer Perspektive der Begriff der religiösen Position für diese Arbeit definiert. Maßgeblicher Bezugspunkt ist der semiotisch-offenbarungstheologische Ansatz Ingolf Dalferths. Eine religiöse Position wird im engeren Sinne als Versuch beschrieben, Gottes Selbstauslegung in den Phänomenen der Welt und ihre Bedeutung für die eigene Erfahrung zu verstehen. So ist eine bestimmte Gottesvorstellung kein beliebiger Konstruktionsprozess, sondern ein Versuch, Gott angemessen zu verstehen. Entfaltet wird, wie wir Gottes Selbstauslegung mit der Vielfalt an religiösen Positionen in Verbindung bringen können. Wie zu zeigen sein wird, spielen in diesem Verständnisprozess affektive, kognitive und handlungspraktische Faktoren eine bedeutsame Rolle. Die Darstellung der Aneignung religiöser Positionen verdeutlicht, dass religiöse Positionierungen keine allein individuelle Angelegenheit, sondern auch ein Resultat sinn- und lebensweltlicher Zusammenhänge sind. Im vierten Kapitel wird diesen sinn- und lebensweltlichen Prägungen religiöser Positionen vertiefend nachgegangen. Ausgehend von Andreas Reckwitz' Beschreibung der neuen Drei-Klassen-Gesellschaft wird dargestellt, dass Jugendliche, die in der neuen Mittelklasse aufwachsen, andere Zeichen oder Zeichen anders nutzen, um ihre Vorstellungen auszudrücken, als prekär aufwachsende Jugendliche. Das wiederum ist folgenreich für Bildungsprozesse und auch für die Rolle der Lehrperson, die Bildungsprozesse lenkt. Denn was als konventionell und damit auch zugänglich für eine Gruppe gilt, kann in einer anderen Gruppe mitunter Zugänge verschließen. Im fünften Kapitel wird schließlich die Bedeutung von Wahrheit in Bezug auf religiöse Positionierungsprozesse und ihre didaktische Konsequenz herausgearbeitet. Diese spezifische Fragestellung leitet sich aus den systematisch-theologischen und lebensweltlichen Analysen ab. So wird Wahrheit im Einklang mit der semiotischen Offenbarungstheologie als mitteilsames Ereignis beschrieben, welches nicht stumm bleibt, sondern der Selbstauslegung Gottes in der spezifischen Lebenswelt des und der Einzelnen Gehör verschafft. Als solches lässt sich Wahrheit weder besitzen noch festlegen, sondern als Horizont beschreiben, auf den religiöse Bildungsprozesse gerichtet sind. Abschließend zeigen praktische Umsetzungsbeispiele, wie Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt werden können, ihre Positionen, ihre selbstverständlichen Auslegungen von Wirklichkeit wahrzunehmen, zu reflektieren und sich mitunter auf die Frage einzulassen, ob die eigene Erfahrung auch anders verstanden und ausgelegt bzw. mithilfe von anderen Zeichen lebensdienlich verwandelt werden kann.“ (S. 12–13)
Golde Wissner legt mit ihrer im Waxmann Verlag (8309-4866-7) erschienenen Tübinger Dissertation Glaube in der Krise. Die Bedeutung krisenhafter Erfahrungen für die religiöse Entwicklung junger Menschen eine sehr interessante religionspädagogische und religionspsychologische Studie vor. Die Autorin intendiert mit der empirischen Untersuchung, „nicht nur das Bewusstsein für die Vielgestaltigkeit jugendlicher Religiosität zu schärfen, sondern auch weitere Antworten darauf [zu] geben, wo die Ursachen für die Komplexität dieser Religiosität liegen können. Ziel ist es, den Blick auf die religiöse Entwicklung bei Jugendlichen einerseits zu weiten, indem gezeigt werden soll, dass religiöse Entwicklung unterschiedlich verlaufen kann, und zugleich diesen Blick zu schärfen, indem gezeigt werden soll, inwiefern krisenhafte Erfahrungen (und der Umgang mit ihnen) Einfluss auf die religiöse Entwicklung nehmen können. Die darüberstehende Intention ist, Jugendliche und ihre religiöse Entwicklung zukünftig noch besser wahr- und ernst nehmen zu können und damit besser auf sie eingehen zu können.“ (S. 22) Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: „In einem ersten Teil wird zunächst der für die Untersuchung zentrale Krisenbegriff anhand psychologischer Erkenntnisse und Theorien geklärt. Unter anderem wird hier das Transaktionale Stressmodell von Richard Lazarus eingeführt, das grundlegend für das Verständnis der subjektiven Krisenerfahrung ist und die Formen des verhaltensbezogenen, des emotionsbezogenen und des kognitionsbezogenen Copings beinhaltet, das im Folgenden aufgegriffen werden wird. Zudem wird auf Erik H. Eriksons Entwicklungstheorie eingegangen, die davon ausgeht, dass entscheidende Entwicklungsschritte nur durch bestimmte Krisenbewältigungen erreicht werden. Erikson beschreibt ‚die Krise der Jugend‘ als zentral für die Identitätsentwicklung der jugendlichen Person. Er bietet wertvolle Anknüpfungspunkte, und seine Theorie ist von bleibender Bedeutung, was ihm jedoch fehlt, ist ein empirischer Zugang, der seine Theorie untermauern würde. Weitere empirische Befunde aus der Religionspsychologie ergänzen daher das Bild, die sich an Lazarus anknüpfend und weiter spezifizierend auf religiöse Bewältigungsmechanismen und das Phänomen der ‚religiösen Krise‘ beziehen. Allerdings fehlt in diesen Studien der spezielle Blick auf die Jugend und die Auswirkung der Krisenerfahrungen dort auf die religiöse Entwicklung. Zur religiösen Entwicklung im Jugendalter werden exemplarisch zwei dafür bedeutende religionspädagogische Konzepte genannt, die zwar einige Jahrzehnte alt und nicht unumstritten sind, aber doch bis heute insbesondere im deutschsprachigen, religionspädagogischen Raum eine hervorgehobene und prägende Wirkung haben: das Modell der religiösen Entwicklung nach James Fowler und Karl Ernst Nipkows Werk ‚Erwachsen werden ohne Gott?‘. Beide Ansätze sind geprägt von Erik H. Eriksons bereits erwähnter Theorie. Sie werden nicht umfänglich besprochen, sondern auf die Thematik dieser Untersuchung hin beleuchtet, das heißt auf die Frage: Wo und wie stehen in diesen Modellen Krisenerfahrungen und religiöse Entwicklung Jugendlicher in Beziehung zueinander? Daneben wird mit ‚Die Vielfalt religiöser Erfahrung‘ ein wirkmächtiges religionspsychologisches Werk von William James in Teilen vorgestellt, welches weitere Ergänzungen zu diesem Thema liefert. Beispielsweise konnte James bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts darlegen, dass religiöse Entwicklung interindividuell höchst unterschiedlich verlaufen kann und unter anderem mit Persönlichkeitseigenschaften korreliert. Bei Fowler stehen Krisenerfahrungen zwar nicht im Zentrum seiner Entwicklungstheorie, doch wie gezeigt werden wird, gibt es auch bei ihm Hinweise darauf, dass sich Religiosität nicht einlinig und unabhängig von Erfahrungen entwickelt. Nipkow stellt noch sehr viel deutlicher durch die so genannten ‚Einbruchstellen des Glaubens‘ den Zusammenhang religiöser Entwicklung mit Krisenerfahrungen heraus, wobei die Theodizeefrage der Jugendlichen eine hervorgehobene Stellung bekommt, da sie die Hauptursache für eine Abnahme der jugendlichen Religiosität sei. So wertvoll die Arbeiten von James, Fowler und Nipkow im Blick auf diese Fragestellung sind, bleiben sie doch jeweils unbefriedigend hinsichtlich der empirischen Fundierung. Zwar berufen sie sich auf empirische Beobachtungen, und Nipkow greift immerhin auf Ergebnisse einer größeren Befragung von über 1000 Berufsschülerinnen und -schülern zurück, aber eine strukturierte quantitative Erhebung mit Messungen, die Berechnungen wie Signifikanztests und damit objektivierbarere Befunde ermöglichen, haben alle drei Autoren nicht gemacht. Qualitative Studien haben ihren eigenen Wert – und auch im empirischen Teil dieser Studie gibt es bereichernde qualitative Äußerungen von Schülerinnen und Schülern, die besprochen werden, aber um überprüfbare und objektivierbare Ergebnisse zu bekommen, braucht es auch die quantitative Erhebung. Schließlich runden daher empirische Befunde der letzten beiden Jahrzehnte aus verschiedenen Studien das Bild ab, die weitere erste Hinweise dazu geben, wie religiöse Entwicklung durch Krisenerfahrungen bei Jugendlichen aussehen könnte. Jedoch kommt das Thema in diesen Untersuchungen jeweils nur am Rande vor, was die Notwendigkeit einer empirischen quantitativen Untersuchung zur Bedeutung von Krisenerfahrungen für die religiöse Entwicklung im Jugendalter anspricht und hervorhebt. So mündet dieser erste Teil in die ausdifferenzierten Fragestellungen für die Befragung von 504 Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein, die im Jahr 2016 an verschiedenen Schulen in Baden-Württemberg durchgeführt wurde. Die Vorstellung der Befunde der empirischen Untersuchung bildet den zweiten Hauptteil dieser Arbeit. Nach einer Stichprobenbeschreibung und Erläuterungen zu Methode und Vorgehen der Befragung werden die Ergebnisse – ausgehend von den Fragestellungen – dargestellt. Ein kurzer Diskussionsteil, der die wichtigsten Ergebnisse nochmals aufnimmt und zusammenfasst, schließt den empirischen Teil ab und leitet über in den abschließenden Teil. Der letzte Teil der Arbeit nimmt die Diskussion um ‚Jugend, Krise und religiöse Entwicklung‘ erneut auf und berücksichtigt dabei besonders die empirischen Befunde dieser Untersuchung. In einem abschließenden Ausblick werden Anregungen entwickelt, wie und warum die Befunde der Befragung bei der Arbeit mit Jugendlichen berücksichtigt werden sollten. Außerdem wird angedacht, welchen weiteren Beitrag zukünftige religionspädagogische und religionspsychologische Forschung leisten könnte, um weitere Antworten auf die Frage zu bekommen, welche Rolle krisenhafte Erfahrungen für die religiöse Entwicklung haben.“ (S. 22–24) Es gelingt der Verfasserin, zu motivieren, junge Menschen bewusster und differenzierter in ihrer religiösen Entwicklung und in ihren Krisenerfahrungen zu begleiten und dabei glaubwürdig von christlicher Hoffnung für sie zu erzählen!
Was für Jungen Sinn ergibt. Emotionale Schlüsselerfahrungen als Weg zu einer gendersensiblen Religionsdidaktik für Jungen ist der Titel der Augsburger Dissertation von Jens Beiner, die im W.Kohlhammer Verlag (17-044710-3) angefertigt wurde. In seiner Einführung stellt der Verfasser das Ziel seiner Untersuchung wie folgt vor: „Für die Konstruktion eines gendersensiblen Religionsunterrichts für Jungen ist es notwendig, die Problematik der widerstreitenden Ursachenzuschreibungen für die relevanten geschlechtstypischen Phänomene in Bezug auf Jungen wahrzunehmen. Dabei ist jedoch nicht zwingend eine grundlegende Unterteilung in stimmig und nicht stimmig bzw. in relevant und irrelevant geboten. Stattdessen scheint vielmehr ein Perspektivenwechsel aussichtsreich zu sein, der es ermöglicht, die Jungen selbst mit all ihren Bedürfnissen und Gefühlen zu betrachten. Anstelle der Frage, ob und inwieweit nun tatsächlich das Schulsystem, biologische Gegebenheiten oder die soziale Konstruktion von Männlichkeit ursächlich ist, soll nun vielmehr ergründet werden, was sich Jungen wünschen und was sie brauchen, welche Bedürfnisse in ihnen vorherrschen und wobei sie sich alleingelassen fühlen und sich eventuell Hilfe und Unterstützung erhoffen. Das Forschungsvorhaben verfügt somit über eine stark subjektorientierte Ausrichtung, wobei das subjektive Leben und Erleben der Jungen sowohl ihr Ausgangspunkt als auch der Maßstab sein soll, an welchem sich zu erarbeitende Fördermaßnahmen für Jungen im Religionsunterricht messen lassen müssen. Das Ziel des Forschungsvorhabens bildet somit die Erstellung konkreter und handlungspraktischer Fördermaßnahmen, die die Gefühle und Bedürfnisse von Jungen im Kontext ihrer derzeitigen Lebensphase wertschätzend anerkennen, ernst nehmen und didaktisch berücksichtigen, sodass es Jungen auf diesem Wege erleichtert wird, aktiv und authentisch am Religionsunterricht zu partizipieren und von ihm subjektiv in Bezug auf das eigene Leben zu profitieren.“ (S. 18–19) Und zum Aufbau seiner Studie heißt es: „Da Jungen im Jugendalter Basis, Kern und Zielgruppe der vorliegenden Forschung darstellen, gilt es allem voran, die Kategorie Junge genauer zu beleuchten. Dies erfordert sowohl die Darstellung sozialwissenschaftlicher Positionen in Bezug auf die soziale Konstruktion und Ausgestaltung von Geschlecht sowie den Miteinbezug diesbezüglich häufig marginalisierter biologischer Erkenntnisse, um hiervon ausgehend eine praktikable und fundierte Definition der Jungenkategorie zu erschließen. Neben der Frage nach Art und Einfluss des Geschlechts gilt es zudem, das Jugendalter und somit die zentrale Lebensphase der Jungen in der Sekundarstufe genauer in Augenschein zu nehmen. Es wird beleuchtet, welche physischen und psychischen Veränderungen Jungen im Rahmen ihrer Pubertät und Adoleszenz durchlaufen, welche Unterschiede hierbei zum Heranwachsen von Mädchen beachtet werden müssen und mit welchen Herausforderungen der innerhalb des Jugendalters zentrale Prozess der Identitätsfindung für Jungen einhergeht. Darüber hinaus ist es notwendig, zentrale Aspekte aus dem Leben von Jungen punktuell zu beleuchten, wobei vor allem auf das für Jungen entwicklungspsychologisch bedingte bedeutsame Verhältnis zu Freunden und der Peergroup genauer eingegangen wird. Nachdem die Jungenkategorie selbst sowie in Anbetracht der Erfordernisse und Veränderungen des Jugendalters erschlossen wurde, gilt es, Jungen in einem schulischen Kontext zu betrachten. Es soll dargestellt werden, inwieweit schulbezogene Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen feststellbar sind und welche Theorien vorliegen, um diese Unterschiede zu erklären. Hierdurch soll der aktuelle Stand der allgemeinen schulischen Jungenförderung dargestellt und kommentiert werden, auf Basis welcher wiederum eine Erschließung der Themen aktiv Jungen in Bezug auf Religion und den Religionsunterricht erfolgen soll. Hierbei gilt es, zum einen auf die geschlechtstypischen Unterschiede in Bezug auf Glaubensentwicklung, Gottesbild und Religiosität zu verweisen, um hiervon ausgehend Jungen im Kontext des Religionsunterrichts betrachten zu können. Ergänzend hierzu werden die verschiedenen, hierbei relevanten feministischen Strömungen skizziert, um Ursprung und Zielsetzung der bereits bestehenden Handlungsempfehlungen in Bezug auf Jungen im Religionsunterricht nachvollziehbar zu gestalten. Innerhalb eines ersten Teils zur Methodologie soll dargestellt werden, auf welche Art und Weise die Daten generiert und ausgewertet werden, die einen authentischen Einblick in das Erleben männlicher Jugendlicher gewähren und einer Ableitung diesbezüglich relevanter Fördermaßnahmen erlauben. Dies beinhaltet Darstellung und Erläuterung der gewählten Erhebungsmethodik, der narrativen Interviews. Ebenso wird die dokumentarische Methode als Instrument der Auswertung dargelegt sowie deren zweckgebundene Ergänzung durch das Kodierparadigma der Grounded Theory vorgestellt. Im Anschluss hieran werden die durch die Auswertung isolierten zentralen Episoden aus den Biografien samt ihrer emotionalen Relevanz für die Jungen skizziert dargestellt. Die ausführlichen Analysen bilden hierbei die Basis der praxeologischen Typenbildung, die Homologien im Denken, Erleben und Handeln der Jugendlichen darstellen und auf Grundlage derer wiederum didaktische Handlungsempfehlungen für den Religionsunterricht abgeleitet werden können. Bedeutsam zu erwähnen scheint an dieser Stelle, dass es nicht darum geht, verschiedene Typen von Jungen im Jugendalter zu formulieren, sondern verschiedene Typen relevanter biografischer Aspekte, die Teil des Lebens der Jugendlichen sind und mit welchen von ihnen auf verschiedenste Art und Weise umgegangen werden kann und muss: Bei diesen Aspekten handelt es sich um die Beziehungen zu Gleichaltrigen, um das Streben nach Autonomie, um das Verhältnis zur eigenen Männlichkeit sowie um Gedanken und Einstellungen zu Glaube und Religion. Die hieraus abgeleiteten didaktischen Handlungsempfehlungen bilden das Ergebnis der Forschung und werden deshalb als Abschluss der Arbeit gemeinsam und unter Berücksichtigung der verschiedenen Synergien dargestellt. Auf diesem Wege soll eine praxisbezogene Möglichkeit geschaffen werden, die Bereitschaft und die Möglichkeiten zu einer aktiven und subjektiv profitablen Partizipation am Religionsunterricht für Jungen zu steigern.“ (S. 19–20) Die wichtigen Überlegungen zu einem jungengerechten Religionsunterricht münden in die Schlussgedanken: „Insgesamt kann am Ende der Forschungsarbeit gesagt werden, dass das Leben und subjektive Erleben der Jungen sowohl vielschichtig als auch komplex ist und dass ein gendersensibler Religionsunterricht für Jungen ebenjener Vielschichtigkeit und Komplexität Rechnung zu tragen hat, um als wichtig und wertvoll erfahren werden zu können. Dies erfordert neben den für einen gendersensiblen Religionsunterricht für Jungen naheliegenden Themenkomplexen Männlichkeit sowie Glaube und Religiosität auch den Miteinbezug der vermeintlich sekundären Aspekte Selbstwirksamkeit und Autonomie sowie Gemeinschaft und soziale Eingebundenheit. In Anbetracht der Synergien der einzelnen bedürfnisbezogenen Handlungsempfehlungen sowie der individuellen biografischen Relevanz verschiedener Bedürfnisse des Jugendalters scheinen Bestrebungen für einen gendersensiblen Religionsunterricht für Jungen ihr Ziel zu verfehlen, wenn sie lediglich einen möglichen Themenkomplex zum Primus erklären und dessen Bearbeitung als allumfassende Problemlösung proklamieren. Eine reine Konzentration auf den Aspekt der Gemeinschaft oder den der Autonomie scheint somit ebenso wenig zielführend zu sein, wie die Vorhaben, allein durch Stärkung, Dekonstruktion oder Transformation von Männlichkeit eine Steigerung der Partizipationsmotivation von Jungen im pädagogischen Kontext erreichen zu wollen. Schlussendlich gilt es, Jungen sowie deren Lebenswelten und -realitäten in ihrer Komplexität wahr- und anzunehmen, denn lediglich auf Basis einer umfassenden Beachtung dieser Aspekte scheint ein ganzheitlicher gendersensibler Religionsunterricht möglich zu sein. Mit den Ergebnissen dieser Forschung ist ein wichtiger Grundstein für die adäquate Beachtung der Genderperspektive im Religionsunterricht gelegt, die durch weitere Forschungen ergänzt und weiter ausdifferenziert werden kann. So ließe sich beispielsweise ergründen, welche methodische Ausgestaltung einzelner Handlungsempfehlungen unter welchen Gegebenheiten die bestmöglichen Resultate erbringen. Interessant wäre außerdem, welchen konkurrierenden Bedürfnissen Jungen in welchen Situationen und Konstellationen den Vorzug geben. So zeigte sich beispielsweise häufig eine Höherbewertung von Bedürfnissen nach sozialer Teilhabe, obgleich diese unter bestimmten Voraussetzungen jedoch auch untergeordnet werden. Ließe sich Relevanz und Intensität einzelner Bedürfnisse im Vergleich zu anderen in Anbetracht vorliegender Gegebenheiten graduieren, so ließe sich auch die Möglichkeit der Binnendifferenzierung innerhalb der einzelnen Geschlechtergruppen steigern. Schlussendlich wäre durch weitere Forschungen zu klären, inwieweit die hier herausgearbeiteten relevanten Aspekte im subjektiven Erleben der Jungen sowie ihre diesbezügliche didaktische Berücksichtigung auch für Mädchen eine Steigerung der Partizipationsmotivation und -möglichkeiten bedeuten. Es ließe sich natürlich annehmen, dass auch für Mädchen die Themenbereiche soziale Teilhabe, Autonomie, Religion und in diesem Falle Weiblichkeit einen zentralen Stellenwert einnehmen, jedoch ist analog zur subjektiven Bedeutungszuschreibung bei Jungen ebenfalls eine gesteigerte Komplexität und Vielschichtigkeit bei Mädchen zu erwarten. Welche Nuancen, Besonderheiten und neuen Zugänge hierbei sichtbar werden und welche der hier ausgearbeiteten Aspekte auch eine Bereicherung für Mädchen bedeuten, kann nur durch weitere Forschung offenbart werden.“ (S. 333–334)
Schließlich soll am Ende dieses Kapitels noch auf den von Friedrich Schweitzer und Eileen Märkle im Waxmann Verlag (8309-4865-0) herausgegebenen Band Ausbildung für den Religionsunterricht im Rückblick bewertet. Eine empirische Untersuchung mit Pfarrer:innen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hingewiesen werden.Zum Hintergrund dieser empirischen Studie heißt es in der Einführung der Herausgebenden: „Im Zentrum dieses Bandes steht eine Untersuchung zur Ausbildung von Pfarrer:innen für den Religionsunterricht. Damit geht es um die Erfahrungen, die diese Zielgruppe in den verschiedenen Phasen ihrer religionspädagogischen Ausbildung (Studium, Vikariat, Probedienst) gemacht hat, und darum, wie diese Ausbildung von ihnen angesichts der Anforderungen der religionsunterrichtlichen Praxis bewertet wird. Die übergreifende Fragestellung bezieht sich dabei auf den komplexen Zusammenhang zwischen Ausbildung und Unterrichtsqualität, der durch diese Untersuchung explorativ erhellt werden soll. In dieser Hinsicht ist die im vorliegenden Band beschriebene Untersuchung zugleich als Teil eines größeren Projekts zu verstehen: Sie stellt ein Teilprojekt des Projekts QUIRU (Qualität und Qualitätsentwicklung im evangelischen Religionsunterricht) dar, das in sechs (Landes-)Kirchen bzw. schwerpunktmäßig in fünf Bundesländern durchgeführt wurde (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die bei diesem Gesamtprojekt gewonnenen Befunde zur Unterrichtsqualität im Religionsunterricht, zum Lernen und zu den Wahrnehmungen der Schüler:innen sowie zur Fortbildung für den Religionsunterricht bilden den Horizont, in den die Befunde der vorliegenden Untersuchung eingeordnet werden müssen. Die Studie zur Ausbildung von Pfarrer:innen für den Religionsunterricht wurde in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) durchgeführt. Einbezogen waren Pfarrer:innen, die sich nach Studium und Vikariat im Probedienst befinden, wie die Zeit der ersten Amtsjahre in dieser Landeskirche bezeichnet wird. Alle Befragten unterrichten das Fach Religion in der Schule. Sie blicken damit aus der Perspektive ihrer eigenen Praxis auf die noch nicht allzu weit zurückliegenden Erfahrungen während ihrer Ausbildung zurück. Aufgabe der Untersuchung war es, diese Erfahrungen möglichst präzise und differenziert zu erfassen, um sie in den Zusammenhang zwischen Ausbildung und Unterrichtsqualität einzeichnen zu können. Die Untersuchung bezieht sich mit der Ausbildung von Pfarrer:innen für den Religionsunterricht auf einen in der religionspädagogischen Forschung bislang nur wenig beachteten Bereich. Dass dieser Bereich in der Wissenschaft nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, dürfte primär daran liegen, dass Pfarrer:innen nicht in allen Landeskirchen in Deutschland neben ihrer Tätigkeit in der Gemeinde auch in der Schule tätig sind. Es sind aber gerade die großen Landeskirchen im Süden, in der Mitte sowie im Westen der Republik, wo dies der Fall ist. Deshalb ist es wenig plausibel, wenn sich Darstellungen, wie sie von der Kirche oder von entsprechenden Kommissionen vorgelegt werden, nur auf die Ausbildung staatlicher Religionslehrkräfte beziehen. Umgekehrt bedingt diese Situation, dass die nunmehr für eine Landeskirche vorliegenden Befunde auch für andere von Interesse sein können.“ (S. 9–10) Zu den zentralen Befunden wird ausgeführt: „Die schriftliche und die mündliche Befragung, die bei dieser Untersuchung als Methoden gewählt wurden, erbringen zunächst Beschreibungen und Einschätzungen der jeweils eigenen Ausbildung für den Religionsunterricht. Die Einschätzungen umfassen ebenso wertschätzende wie kritische Bewertungen. Als solche werden sie im Folgenden sowie im Einzelnen in Teil 2 des Bandes dargestellt. Solche Bewertungen müssen allerdings ihrerseits analysiert und interpretiert werden, ehe sie als Grundlage für etwaige Reformen der Ausbildung genutzt werden. Beispielsweise steht für die Befragten fast durchweg fest, dass das wichtigste Bewertungskriterium für die religionspädagogische Ausbildung in deren Praxisnähe besteht. Diese Überzeugung basiert jedoch erkennbar nicht auf einer weiterreichenden und theoretisch vertieften Klärung des komplexen Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis, das ja eine Grundfrage sowohl der Bildungswissenschaft als auch der Fachdidaktiken darstellt. Vielmehr betreffen die Bewertungen persönliche Erfahrungen und Empfindungen. Wie an diesem Beispiel abzulesen ist, müssen die Aussagen der befragten Pfarrer:innen jeweils zusätzlich in einen weiteren theoretischen Horizont eingezeichnet werden, insbesondere hinsichtlich der fortlaufenden Diskussion zur Pfarrer:innen- und Lehrer:innenausbildung in den verschiedenen Ausbildungsphasen. Umgekehrt unterstreichen die Aussagen der Pfarrer:innen die Notwendigkeit, dieser Diskussion sowohl in den theologischen Fakultäten als auch in den Landeskirchen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, die bisherigen Formen der religionspädagogischen Ausbildung auf den Prüfstand zu stellen und Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln. Die Befunde der Befragung lassen sich am besten jeweils in Bezug auf die verschiedenen Ausbildungsphasen darstellen, wozu dann noch übergreifende Aspekte hinzukommen. Die Befunde aus der schriftlichen und mündlichen Befragung werden dabei zusammenfassend dargestellt.“ (S. 14–15)
2 Praktische Theologie und Religionspädagogik
In aktualisierter und erweiterter Neuauflage ist im W. Kohlhammer Verlag (17-042568-2) das renommierte, von Kristian Fechtner, Jan Hermelink, Martina Kumlehn und Ulrike Wagner-Rau verfasste Lehrbuch Praktische Theologie erschienen. Treffend heißt es dazu in der Einführung: „Praktische Theologie ist auf Zeitgenossenschaft aus. Als Theorie pluraler christlich-religiöser Praxis in der Gegenwart ist sie vielstimmig, nicht selten erscheint sie unübersichtlich. Das Lehrbuch stellt kompakt dar, was heute praktisch-theologisch zu bedenken und zu lernen ist. Konzentriert werden Grundlinien der aktuellen Diskussion im Fach nachgezeichnet. Was vorgestellt wird, ist notwendigerweise eine Auswahl, die mit Bedacht getroffen wurde. Entsprechend sollen die wenigen Literaturhinweise in den Fußnoten weniger den Gedankengang fachwissenschaftlich ausweisen, als vielmehr exemplarisch Titel nennen, in denen das jeweilige Thema weiter entfaltet wird. Auch ein Lehrbuch ist perspektivisch geprägt, es verrät etwas von der Denkweise der Autor:innen, die selbst Anteil haben an den Diskursen, die sie referieren, einordnen und reflektieren. Den umfangreichsten Teil des Buches bilden selbständige Artikel, in denen die verschiedenen Handlungs- und Praxisfelder des zeitgenössischen Christentums erschlossen und die damit verbundenen praktisch-theologischen Debatten problemorientiert erläutert werden. Ihr Zusammenhang wird nicht nur dadurch deutlich, dass Querverweise notiert werden und Theoriereferenzen konvergieren, sondern kommt vor allem durch den Zuschnitt der Beiträge zur Geltung, die jeweils dem gleichen Aufbau folgen: Sie beginnen mit exemplarischen Herausforderungen, die sich aus den Konflikten und Veränderungen gegenwärtiger Praxis ergeben. In einem zweiten Schritt erfolgen Orientierungen im Handlungsfeld, das entlang unterschiedlicher Handlungsgestalten und Praxisaspekte kartographiert wird. Drittens wird die Wahrnehmung anhand empirischer Befunde exemplarisch vertieft und insbesondere um die Perspektive der an den religiösen Praktiken Beteiligten erweitert. In einem vierten Schritt werden historisch-systematische Anschlussstellen markiert und wichtige Stationen und Konstellationen innerhalb der Disziplinengeschichte erläutert. Hier werden insbesondere reformatorische Grundzüge, die theologische Neuausrichtung auf die Moderne im 19. Jahrhundert sowie signifikante Positionen des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet. Dies mündet fünftens in praktisch-theologischen Grundbestimmungen, die zeigen, wie der Gegenstand resp. das Handlungsfeld gegenwärtig in praktisch-theologischer Perspektive erschlossen und reflektiert wird. Ein sechster Schritt skizziert aktuelle Diskurse, welche die fachwissenschaftliche Debatte bestimmen und in ihren Theoriezusammenhängen prägen. Am Ende jedes Beitrages stehen Zukunftsfragen, die nach Ansicht der Autor:innen künftig noch stärker an Gewicht gewinnen werden. Schließlich wird in der Regel auf jeweils zwei Lehrbücher verwiesen, die zur vertiefenden Weiterarbeit ermuntern. Den Beiträgen zu den einzelnen Handlungsfeldern sind vier kürzere Artikel vorangestellt, die Querschnittsthemen der Praktischen Theologie behandeln und grundlegende Perspektiven erarbeiten: In konzeptioneller Weise erörtert der erste Beitrag Praktische Theologie als Theorie der christlichen Religionspraxis und umreißt den Gegenstand, die Zugangsweise und die Aufgabenstellung des Faches. Drei weitere Artikel thematisieren unterschiedliche Kontexte und Bezüge des zeitgenössischen Christentums: zunächst das Christentum in der modernen bzw. spätmodernen Gesellschaft, sodann Religion in der Gegenwartskultur, schließlich Religion im Blick auf das Individuum.“ (S. 15–16) Dieses praktisch-theologische Lehrbuch mit seinen erhellenden Artikeln zu den Handlungsfeldern Frömmigkeit/Spiritualität, Kasualien, Seelsorge, Pastoraltheologie, Liturgik, Homiletik, Kirchentheorie, Religionspädagogik, Diakonik und Publizistik gehört in jede Hand- und Institutsbibliothek!
Christsein. Beiträge zur Morphologie und Topologie einer Lebensform ist der Titel eines von Michael Domsgen, Anna-Katharina Lienau, Marcell Saß und Bernd Schröder in der Reihe „Arbeiten zur Praktischen Theologie“ in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07728-1) herausgegebenen umfangreichen Bandes, in dem Lernorte und Gestalten bzw. Lebensformen des Christseins in der Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland das Thema sind, die als „Bausteine einer Topografie und Morphologie des Christseins verstanden werden sollen. Anders gesagt: Hier wird die in den Arbeiten Christian Grethleins implizite Morphologie und Topografie des Christseins konstruktiv-kritisch reflektiert und durch Fallstudien erweitert, zudem werden verschiedentlich angegangene Ortskunden und Gestaltsuchen gegenwärtiger Praktischer Theologie gebündelt und die praktisch-theologische Reflexion auf Lebensformen unter Inanspruchnahme des Christlichen ins Gespräch zu bringen versucht mit gesellschaftlichen Bedarfen. Dieses Gespräch kann nicht länger korrelativ (also in einem Frage-Antwort-Muster) modelliert werden, sondern – das ist der cantus firmus Grethlein'scher Überlegungen zur Kommunikation des Evangeliums – kommunikativ und damit angelegt auf ergebnisoffene Rezeption. Das heißt: An einem bestimmten Ort und in der Annahme einer bestimmten Gestalt des Christseins verwirklicht sich ggfls. Evangelium; dieser Ort und diese Gestalt können und sollen theologische Dignität gewinnen, d. h. als Ort und Gestalt des Christ-seins identifiziert und beschrieben, theologisch entschlüsselt und womöglich als handlungsleitend für Andere multipliziert werden.“ (S. 29) In ihrem Beitrag „Christ:in-Sein als Lebensform oder als Lebensnorm“ zieht Ulrike Witten folgendes bemerkenswertes Fazit: „Berücksichtigt man problembewusst die herausgearbeiteten Grenzen, dann kann ein vorsichtiges Fazit gezogen werden. Der Begriff Christ:in als Lebensform spiegelt gegenwärtig noch nicht das gesamte Potenzial seiner konzeptionellen Stärke wider, da ein enges, normierendes Verständnis durchaus mitschwingt. Es wäre zu wünschen, dass mit der stetigen theoretischen Ausdifferenzierung die missverständlichen Beiklänge minimiert werden und dass das, was das Konzept leistet – nämlich die Erinnerung an eine notwendige Machtkritik angesichts der »Deformierbarkeit« des Christlichen, der Fokus auf das Individuum, das vor der Aufgabe der Biographizität steht und sich ganzheitlich als Mensch vom Auftritt, Wirken und Geschick Jesu berühren lassen und daraus Impulse für seine Lebensführung generieren kann – stärker in den Blick gerät und weiter an Strahlkraft gewinnt. Das schließt ein, für Inklusionen und Exklusionen weiter sensibel zu sein; zumal Exklusionen kaum zu vermeiden sein werden, gerade weil Christ.in als Lebensform plurale Christentümer hervorbringt, die auch als konträr oder einander ausschließend empfunden werden können. Wenn Lebensform dann nicht normierend verstanden wird, sondern reflektiert genutzt wird, dann erinnert das Konzept Christ:in als Lebensform an die zentrale didaktische Aufgabe der Darstellung und erweist sich in reflektierter Weise – nicht essentialisierend, nicht heteronormativ, sondern ausgerichtet auf die biographische Aufgabe der Identität und Christ:in als Lebensform in seiner Kontextualität, Vielfältigkeit und Individualität darstellend – als weiterführend. Angesichts des Gewinns des Konzepts wäre für die Gestaltung der (kirchlichen) Praxis durchaus zu fragen, inwiefern Christ:in als Lebensform sichtbarer werden kann in evangelischen Kindergärten, in einem mobilen Pflegedienst der Diakonie, an theologischen Instituten und Fakultäten, in evangelischen Krankenhäusern oder als Unterstützungsangebot für behinderte Menschen, in einem Schulkollegium oder für Menschen, die in schwierigen Lebenslagen Gesprächspartner:innen suchen. Diese Anfrage soll nicht dahingehend missverstanden werden, dass nun vom Erzieher im Kindergarten, der Leiterin einer Diakonie-Station oder vom Hausmeister einer evangelischen Schule Bekenntnis-Akte erwartet werden, sondern in dem Sinne, wie Rahel Jaeggi eine »kritische Theorie der Kritik von Lebensformen« versteht: Lebensformen sind nicht engzuführen als »Frage nach dem ›guten Leben‹, sondern »Gelingen« bedeutet gutes Funktionieren«, also deren »Fähigkeit zu rationaler Problembewältigung«. Sie plädiert dafür, Lebensformen als Experimente aufzufassen, mit einem »Pluralismus der Auseinandersetzung um die richtige Lösung des Problems der gelingenden Lebensform«. In diesem Sinne können christliche Lebensformen plurale Experimente sein, die erproben, wie sie sich von Auftritt, Wirken und Geschick Jesu zur Problembewältigung leiten lassen, in ihrer Rolle als Erzieher im Kindergarten, als Leiterin einer Diakonie-Station oder als Hausmeister einer evangelischen Schule.“ (S. 499–500)
Ebenfalls in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07465-5) haben Michael Domsgen und Katharina Höhn-Norden den Sammelband Perspektivverschiebungen im religiösen Feld. Lernprozesse angesichts zunehmender Konfessionslosigkeit herausgegeben, zu dem sie im Vorwort erklären: „Am Anfang stand die Neugier. Wir wollten wissen, wie in einem Kontext, der gelegentlich als einer der am stärksten säkularisierten Gegenden der Welt bezeichnet wird, Menschen Religion lernen, also ihre eigenen Zugänge dazu ausbilden und gestalten. Daten zur Kirchenzugehörigkeit sowie zur Inanspruchnahme kirchlicher Angebote reichen dafür nicht aus. Das war uns von Anfang an klar. Es brauchte vielmehr eine Forschung, die bei den Perspektiven der Menschen selbst ansetzt und versucht, von dort her Theorie zu entwickeln. In die Neugier um dieses Projekt mischte sich bald ein Unbehagen. Wann genau es sich artikulierte, ist gar nicht so leicht zu sagen. Gerade aus der Rückschau neigt man dazu, die Dinge klarer zu sehen, als sie es im Vollzug tatsächlich waren. Aber spätestens seit der Jahrtausendwende war das Unbehagen nicht mehr zu verdrängen. Es resultierte aus Erfahrungen mangelnder Stimmigkeit. Zum einen war da die (schrittweise) Erkenntnis, dass das gesamte Gefüge religiöser Bildung, Erziehung und Sozialisation nicht mehr im Lot ist. Was einst, beispielsweise im Zusammenspiel von Kirche und Familie, (in der Theorie gut und in der Praxis zumindest halbwegs) zu funktionieren schien, erwies sich als zunehmend brüchig. Zum anderen traten Diskrepanzen zwischen der Praxis religiöser Vollzüge und ihrer wissenschaftlichen Reflexion immer deutlicher hervor. Die impliziten und expliziten Annahmen praktisch-theologischer und religionspädagogischer Theorien schienen sich zunehmend von den tatsächlichen Verhältnissen entfernt zu haben, so dass diese Theorien vor allem in unserem Kontext, der nach wie vor als »Ostdeutschland« adressierten »Ausnahmezone«, auf eigentümliche Weise ortlos wurden. Dies betraf nicht nur die konzeptionelle Ebene, sondern auch den empirischen Zugriff. Die Erosionserscheinungen waren unübersehbar und sind es heute umso mehr. Was bereits in der DDR sich forcierte, setzt sich im vereinten Deutschland auf eine eigene Art und Weise fort bzw. zeigt sich in modifizierter Form. Einen zentralen Punkt dabei bildet der Verlust der Selbstverständlichkeit des Christlichen, wie auch des Religiösen überhaupt. Inzwischen zeichnet er sich immer deutlicher ab und ist längst nicht mehr auf den Osten Deutschlands beschränkt, auch wenn sich hier besonders deutlich sehen lässt, was das bedeuten kann. Anfang der 1990er Jahre gab es in den östlichen Kirchen eine ganze Reihe von Aufbruchserfahrungen, aber spätestens seit der Jahrtausendwende war klar ersichtlich, dass die Grundrichtung eine andere ist. Die verfassten Kirchen waren zwar materiell deutlich besser ausgestattet als noch wenige Jahre zuvor, erreichten aber in der Summe immer weniger Menschen mit ihren Angeboten. Dazu kam, dass der (konfessionelle) Religionsunterricht an der Schule zwar große Möglichkeiten in sich trug, sich jedoch in seiner Durchsetzungskraft als beschränkter erwies als erhofft. Zwar besuchen ihn weit mehr Kinder und Jugendliche, als es Kirchenmitglieder gibt, aber in der Summe aller Schulformen blieb der Religionsunterricht das Angebot für eine Minderheit. Weitere Punkte könnten benannt werden (wie z. B. die Abnahme der familialen Prägekraft oder der Einfluss der Medien auf das Kommunikationsverhalten von Menschen), aber das soll hier genügen. In dieser Gemengelage reifte der Gedanke, genauer zu untersuchen, wie Menschen in einem säkularen Kontext religiös lernen, wie sie ihre Positionen in rebus religionis konstruieren und unter welchen Bedingungen sie für sich daraus einen Benefit ziehen. Dabei sollte nicht nur im Defizit-Modus des »nicht mehr so wie früher« vorgegangen werden, sondern gezielt auch Zugänge zu und Annäherungen an Religion gesucht werden, die sich neu auftun. Sie stehen nicht selten in der Gefahr, übersehen zu werden. Schnell wurde klar (und hier meldete sich erneut das Unbehagen), dass darüber nur sehr wenig bekannt ist. Das durfte so nicht bleiben. Zumindest in kleinen Schritten sollten religiöse Kommunikations- und Lernprozesse im Kontext mehrheitlicher Konfessionslosigkeit wissenschaftlich untersucht werden.“ (S. 5–6) Der inhaltliche Fluchtpunkt der Beiträge „wird mit dem Begriff der Perspektivverschiebung markiert. Er steht für Befunde zur Wahrnehmung und Interpretation eines Kontextes, in dem der Bezug auf verfasste Christlichkeit wie Religiosität an sich eher die Ausnahme als die Regel bildet. Zugleich sollen mit ihm Perspektiven zur Handlungsorientierung skizziert werden. Im Blick sind dabei vor allem diejenigen, die nicht religiös sozialisiert wurden und auf ganz unterschiedlichen Wegen ihre Zugänge zu Religion entwickeln.“ (S. 7) Der vorliegende Sammelband bündelt die Beiträge unter zwei Perspektiven: „In einem ersten Teil werden Impulse zur Wahrnehmung und Interpretation von Lernprozessen an unterschiedlichen Lernorten vorgestellt. Hierbei geht es darum, den Blick genau auf die Erfahrungsräume zu richten, in denen Menschen mit unterschiedlichen Sozialisationshintergründen Zugänge zu religiös-weltanschaulichen Fragen konstruieren und Fremdes verständlich werden lassen. Mittelpunkt der verschiedenen Untersuchungen sind dabei die Perspektiven der Akteurinnen und Akteure, ihre Motive und Deutungsmuster im Feld religiöser Kommunikations- und Lernprozesse. Im zweiten Teil rücken die Impulse zur Gestaltung von Lernprozessen in den Fokus und damit Handlungsperspektiven in unterschiedlichen Praxisfeldern. In den ausgewählten Beiträgen wird von den handelnden und den beteiligten Akteurinnen und Akteuren ausgehend danach gefragt, wie christliche Traditionen lebendig und lebensdienlich bleiben bzw. werden. Die Impulse reichen dabei von Orten der Elementar- und Schulbildung über kirchlich etablierte sowie neue Rituale bis hin zur religionspädagogischen Programmformel des Empowerments. Der Bitte um Zusammenstellung ihrer zentralen Erkenntnisse kamen Religionspädagoginnen und Religionspädagogen aus den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und wissenschaftlichen Hintergründen nach. Die vorliegenden Beiträge basieren auf den an der Forschungsstelle für »Religiöse Kommunikations- und Lernprozesse« entstandenen Abschluss- und Qualifikationsarbeiten und folgen alle einer vergleichbaren inhaltlichen Struktur: Nach einer Vorstellung der Forschungsfrage sowie Einbettung in den Forschungsdiskurs folgen die Skizzierung des Forschungsdesigns und die Darstellung der wichtigsten Ergebnisse und deren Bedeutung für das Verständnis religiöser Kommunikations- und Lernprozesse in der religionspädagogischen Theorie und Praxis.“ (S. 21)
Marie Hecke, Katharina Kammeyer und Anna Neumann zeichnen als Herausgeberinnen verantwortlich für den im W. Kohlhammer Verlag (17-044504-8) in der Reihe „Behinderung – Theologie – Kirche“ veröffentlichten Band Andere Geschichten erzählen. Ebenbildlichkeit, Heilung und die Rede von Gott in disabilitysensibler Theologie, der sich in die drei Teilbereiche Ebenbildlichkeit, Heilung und Gottesrede gliedert: „Eröffnet wird er mit einem Beitrag der Rabbinerin Julia Watts Belser (Washington). Darin spricht sie alle drei Teilbereiche an und fragt Dis/Ability insbesondere im Zusammenhang mit Gottebenbildlichkeit aus einer Perspektive an, die außerhalb der Norm liegt, sodass sie auf diese Weise dazu anregt, Behinderung neu zu denken. Sie problematisiert das Konzept der Gottebenbildlichkeit, zeigt ableistische und ökologische Begründungszusammenhänge auf und skizziert als Alternative ein Verwandtschaftsverhältnis, das in einer radikalen Partikularität in der Schöpfung Beispiele für das Heilige erkennen lässt. Anhand der Metapher eines ‚Gottes auf Rädern‘, welche sie mit eigenen Erfahrungen anschaulich verknüpft, exemplifiziert Belser das Potenzial einer Theologie der radikalen Partikularität, welche in der Verkörperung von Identifikation, Repräsentation und Freude ihr volles Potenzial entfaltet. Zum Thema Ebenbildlichkeit stellt Julia Drube (Kassel) in ihrem Beitrag Potenziale der Rede von der leiblichen Auferstehung für einen diversitätssensiblen Umgang mit Dis/Ability dar, indem sie mit ausgewählten Leitlinien der jüdisch-christlichen Anthropologie und Perspektiven der christlichen Hoffnung Konsequenzen für die ganzheitliche Wahrnehmung und Würdigung des Menschen aufzeigt. Mit Fragilität, Angewiesenheit und Endlichkeit als anthropologische Grundbestimmung kann, so Drube, die Rede von der leiblichen Auferstehung zur Akzeptanz, Bejahung und Wertschätzung der menschlichen Konstitution beitragen. Auch Hanna Braun (Freiburg) fragt nach dem Kern der Gottebenbildlichkeit im theologischen Anthropologiediskurs und findet darauf mit Vulnerabilität eine Antwort. Sie zeigt die Ambiguität von Vulnerabilität auf, differenziert zwischen struktureller und situativer, zugeschriebener und wahrgenommener Vulnerabilität und verknüpft zwischenmenschliche Vulnerabilität mit theologischen Deutungen einer Vulnerabilität Gottes. Anschließend schlussfolgert sie, unter welchen Bedingungen die Sprechweise vom vulnerablen Menschen als Ebenbild Gottes inklusiv ist. Dass das Reden von Gott und die Frage nach Gottebenbildlichkeit anthropologische Konsequenzen insbesondere im Kontext von Disability Studies hat, zeigt Anna Neumann (Paderborn) in ihrem Beitrag. Ausgehend von Ulf Liedkes inklusiver theologischer Anthropologie, die sie nach möglichen Synergieeffekten für den Dialog zwischen Disability Studies und Theologie hin untersucht, entwickelt sie einen relationalen und mehrdimensionalen Ableismusbegriff, der sich im Spannungsfeld von Selbst-, Fremd- und Ebenbild auswirkt. Sie zeigt auf, dass alle Beziehungsdimensionen anfällig für Ableismus sind. Abschließend werden Impulse für eine disabilitysensible und ableismuskritische Theologie formuliert. Zum Thema Heilung, das in biblischen Texten und ihrer Rezeption häufig eng mit Dis/Ability verknüpft ist, entwickelt Marie Hecke (Wuppertal) am Beispiel von Joh 9 ein ‚Autokorrekturprogramm‘ für eine intersektionale Homiletik. In ihrem Beitrag nimmt sie die Intersektion zwischen Antisemitismus und Ableismus auf und fragt nach Behinderungsbildern und -narrativen, die im Zusammenhang mit dem Phänomen der ‚Blindheit‘ in der Auslegung von und in Predigten über Joh 9 vermittelt werden. In Anlehnung an Ulrich Bach entwickelt sie Kriterien für die Predigt von Heilungsgeschichten, um Ableismus reflexiv und selbstkritisch erkennen und bekämpfen zu können. Auch Judith Distelrath (Kaiserslautern-Landau) untersucht ausgehend vom Ableismus- und Behinderungsbegriff Auslegung und Rezeption eines biblischen Textes. Mit Hilfe einer dis/abilitykritischen Hermeneutik analysiert sie in ihrem Beitrag sowohl den biblischen Text Mk 10,46-52 selbst als auch seine Nacherzählung in zwei ausgewählten Kinderbibeln in einem ganzheitlichen Zugang über Sprache und Illustration. Auf Grundlage der dis/abilitykritischen Lektüre der kinderbiblischen Heilungserzählungen formuliert sie Impulse für ein disabilitysensibles, empathisches Miteinander auf Augenhöhe, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Katharina Kammeyer (Dortmund) wählt für ihren Beitrag eine bibliodramatische Inszenierung der sogenannten Tempelreinigung (Mt 21,12-17), die sie im Hinblick auf Disability aus einer inklusiven religionspädagogischen Perspektive heraus interpretiert. Dabei legt sie den Fokus auf Ambiguität bzw. Ambiguitätstoleranz auf hermeneutischer und sozialer Ebene, beleuchtet die Bedeutung von Barriereabbau im Zusammenhang mit Heilung und zieht aus der disabilitykritischen Analyse des Bibliodramas Konsequenzen für Ambiguität in religionsunterrichtlichem Handeln sowie hinsichtlich der religionspädagogischen Diskussion des Begriffs. Die religionspädagogische Perspektive findet sich ebenfalls im Beitrag von Georg Bucher (Halle-Wittenberg) wieder, der damit in das Thema Gottesrede einleitet. In seiner religionspädagogischen Relektüre von Nancy L. Eieslands Klassiker ‚The Disabled God‘ kommt er über die Aspekte der First-Person-Theology, der Reflexion von Fremdheitserfahrungen und der Verknüpfung eines behinderten Gottes mit der Symboldidaktik hin zu einer didaktischen Transformation eines ‚doppelten Individuenrekurses‘ in Anlehnung an Karlo Meyer. Sein Beitrag betont den Mehrwert individuell-konkreter Auseinandersetzung mit Inklusions- und Exklusionserfahrungen und mit der Verkörperung von Religionen und Theologien als Chance für religiöses Lernen. Aus der Perspektive der Disability History wählt Meike Rieckmann-Berkenbrock (Gießen) einen intersektionalen Zugang und vereint die Differenzlinien Dis/Ability und Gender, indem sie nach ‚unwertem Leben‘ vor Gott und der Geschichte der Euthanasie und ihrer Aufarbeitung in Deutschland aus einer christlichen Perspektive heraus fragt. Am Beispiel der Wohlfahrtspflegerin Margarete Meusel stellt sie den weiblichen Widerstand gegen eugenische Maßnahmen ab 1933 dar und verknüpft Grundaussagen der Gottesrede mit anthropologischen Grundbestimmungen wie mit der Frage nach Frömmigkeit und der Bewertung menschlichen Lebens. Neben einer ausstehenden Aufarbeitung der christlichen Geschichte beobachtet sie gleichzeitig Anfänge von Safe Spaces in Kirche und Gesellschaft, die Veränderung und Freiräume ermöglichen, und kommt zu dem Schluss einer Notwendigkeit der Dis/ability History innerhalb der Theologie. Auch Eva Bohne (Hamburg) blickt auf die Vergangenheit zurück. Als Zeitzeugin und langjährige Mitstreiterin an der Seite von Ulrich Bach beleuchtet sie jahrzehntelange theologische und aktivistische Arbeit, die das Anliegen verfolgte, den behinderten Menschen in der Theologie zum Querschnittsthema zu machen. In ihrem Beitrag benennt sie Herausforderungen und ableistische Widerstände auf theologischer, zwischenmenschlicher und struktureller Ebene und fordert einen Perspektivwechsel, damit Behinderung nicht länger ein Randthema darstellt, sondern durch alle Disziplinen hindurch disabilitysensibel und antiableistisch in die akademische Theologie aufgenommen wird.“ (S. 10ff) Es gelingt dem Buch gut, dazu beizutragen, „andere Geschichten“ zu erzählen und das Thema Disability als Querschnittsthema in allen theologischen Disziplinen anzustoßen!
Einem ganz anderen Thema widmen sich Thomas Laubach, Konstantin Lindner und Simon Steinberger in dem von ihnen im Herder Verlag (451-39717-2) herausgegebenen Buch Theology for Future. 17 Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung theologisch reflektiert. Es geht darin um „Nachhaltigkeit als Programm. Auf dem Weg zu einer Theology for Future“. Im Vorwort schreiben sie: „Nachhaltigkeit ist gegenwärtig in aller Munde. Das ursprünglich in der Forstwirtschaft etablierte Konzept eines nachhaltig wirtschaftenden Umgangs mit dem Baumbestand ist mittlerweile ein zentraler individueller wie gesellschaftlicher Referenzrahmen. Viele Menschen weltweit orientieren sich in ihrem Leben und Handeln an der Nachhaltigkeit. Sie ist aber auch zu einem wesentlichen Prinzip der Gestaltung von Betrieben, Institutionen und Gesellschaften geworden. Allerdings steht hier meist die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Kein Wunder angesichts der Herausforderungen, die der Raubbau an den natürlichen Ressourcen und die damit in Zusammenhang stehenden Folgen des rapide beschleunigten Klimawandels wie das massive Artensterben oder der Anstieg des Meeresspiegels darstellen. Mehr und mehr werden darüber hinaus lebensweltlich, politisch und gesellschaftlich sowie wissenschaftlich zwei weitere Dimensionen in den Blick genommen: die ökonomische sowie die soziale Nachhaltigkeit. Our Common Future, der Report of the World Commission on Environment and Development (Brundtland-Report), trägt 1987 diese dreifache Dimension in den Nachhaltigkeitsdiskurs ein. In diesem politischen Konzept für nachhaltige Entwicklung werden in prominenter Weise Ökologie, Ökonomie und Soziales als zentrale Dimensionen von Nachhaltigkeit vorgestellt. Bisweilen werden diese ausgehend von unterschiedlichen Interessen in Opposition gebracht. Immer wieder wird etwa das Primat der Ökologie vor wirtschaftlichen Fragen oder das Primat des Sozialen vor Einschränkungen zugunsten des Umweltschutzes eingefordert. Mittlerweile wird – obgleich nach wie vor nicht unhinterfragt – die Forderung breit rezipiert, der zufolge alle drei Dimensionen idealerweise gleichberechtigt zu berücksichtigen sind. Erst wenn das garantiert ist, kann von Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn gesprochen werden: Eine nachhaltige Entwicklung geht also sorgsam mit der Natur um, sichert die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und macht letztgenannte für die Zukunft ‚fit‘; sie ist gerecht und trägt dazu bei, dass alle Menschen friedlich zusammenleben. Diese Konturierung des Begriffs Nachhaltigkeit steht für den Versuch, eine Balance im weltweit vernetzten Handeln zu stellen zwischen den Generationen, zwischen Menschen unterschiedlicher Regionen, zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft, zwischen Arm und Reich. Nachhaltigkeit in diesem Sinne ist zu einer ‚Lebenspraxis‘ geworden. Damit markiert Nachhaltigkeit einen elementaren Auftrag für alle Bereiche menschlichen Reflektierens und Handelns. Es geht darum, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, auch nachfolgenden Generationen ein menschenwürdiges Leben auf einem intakten Planeten Erde zu ermöglichen, der genügend Ressourcen für alle bietet. Diese Maßgabe adressiert folglich alle Wissenschaften: Sie sollen ihren Beitrag zu fachlich schlüssiger Integration der Nachhaltigkeitsthematik und ihrer Realisierung identifizieren. Auch die christlichen Theologien haben sich diesem Anspruch zu stellen. Nicht zuletzt in Auseinandersetzung mit dem biblischen Schöpfungsauftrag (Gen 1,28) führen diese schon seit langem Diskurse, die sich im Sinne der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension von nachhaltiger Welt- und Lebensgestaltung rezipieren lassen. Die Breitenwirksamkeit dieser Erträge scheint bis dato jedoch nur in Teilen gegeben. Nicht zuletzt deshalb stellt sich die Aufgabe, die Potenziale theologischer Beiträge zu den mittlerweile gesellschaftspolitisch hochbrisanten Debatten zu Fragen einer nachhaltigen Weltgestaltung verstärkt sichtbar zu machen. Theologien entfalten – mit Jürgen Habermas gesprochen – religiös-semantische Potenziale, „die eine inspirierende Kraft für die ganze Gesellschaft“ haben, und bringen sie in öffentliche Diskurse ein; und zwar so, dass diese Potenziale auch für nicht-gläubige Menschen verständlich werden. Ein prominentes, nicht-theologisches Referenzfeld, in dem der Nachhaltigkeitsdiskurs seinen öffentlich sichtbaren und (gesellschafts-)politisch programmatischen Niederschlag findet, stellt die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dar, die die Vereinten Nationen 2015 veröffentlicht haben: Darin werden 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) entfaltet, die weltweit in verschiedensten Zusammenhängen als Orientierungsgröße diskutiert werden. Auch für theologische Reflexionen können diese 17 SDGs als Anhaltspunkte dienen, die Beiträge wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Frage des Menschen nach Gott in Bezug auf die Thematik Nachhaltigkeit zu strukturieren und entsprechend auszuloten. Der vorliegende Sammelband widmet sich genau diesem Anliegen.“ (S. 7–8) Das ökumenische Vorhaben ist wie folgt strukturiert: „Die 17 SDGs eröffnen – so die Grundthese des vorliegenden Sammelbandes – prädestinierte Referenzkontexte für solche theologischen Reflexionen und Expertisen. Sie erweisen Theologie als sprachfähig und produktiv nicht nur in Bezug auf gegenwärtige Herausforderungen, sondern auch im Blick auf die Gestaltung einer Zukunft, die kommenden Generationen Chancen eröffnet und Lebensräume bietet. In diesen Nachhaltigkeitsdiskursen zeigt sich überdies, ob bzw. dass das ureigene Anliegen der Theologien eingelöst werden kann, gewinnbringende Potenziale zu bieten und ‚auf der Höhe der Zeit‘ kommunikabel zu sein. Diesem Unterfangen ist der vorliegende Band verschrieben. Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung werden in je einem Beitrag von evangelischen und katholischen Theologinnen untersucht. Im Stil eines Handbuchs sind die Ausführungen folgendermaßen strukturiert: Eine kurze Hinführung skizziert Dimensionen des jeweiligen Nachhaltigkeitsziels beispielhaft und weist die Relevanz seiner Thematisierung theologisch aus. In der grundlegenden Vergewisserung wird das jeweilige SDG vorgestellt. Der Blick auf dessen nähere Entfaltung in den Unterzielen sowie eine Einordnung in die Nachhaltigkeitsagenda der UN bereiten dabei das Fundament für spezifisch theologische Perspektiven. Die theologische Einordnung vernetzt die Anliegen des SDGs mit Anknüpfungspunkten in der jüdisch-christlichen Tradition. Hier wird auf biblische, kirchliche, systematisch-theologische und praktisch-theologische Konzepte rekurriert; auch (christliche) Handlungspraxen und (Hilfs-)Organisationen sowie philosophische und weitere wissenschaftliche Referenzdiskurse werden thematisiert. Anschließend stellen die Autorinnen in exemplarischen Perspektiven Bezüge zwischen dem behandelten SDG und ihrem eigenen Forschungsfeld her: An einem spezifischen Beispiel illustrieren sie so die Relevanz theologischer Wissenschaft für den Nachhaltigkeitsdiskurs im Gefolge der Agenda 2030. Die Bandbreite der Exempel reicht von exegetischen über ethische, fundamentaltheologische und dogmatische bis hin zu religionspädagogischen Entfaltungen. Beachtenswert dabei ist: Aus der Perspektive anderer theologischer Wissenschaften würde sich in Bezug auf das jeweilige SDG freilich eine andere, spezifische Nuancierung ergeben. In einer Schlussbetrachtung findet sich – je nach thematischer Struktur – ein Resümee, das zum Weiterdenken anregt, oder ein Ausblick auf weitere Kontexte, in denen die theologische Beschäftigung mit dem SDG relevant ist. Auch auf Anknüpfungspunkte für die Kooperation mit anderen Wissenschaftsbereichen wird hier verwiesen.“ (S. 16–17)
Ästhetische Phänomene und Erfahrungen allgemein, im Spielfilm sowie in der Pop- und Rockmusik behandeln die folgenden drei Veröffentlichungen: Im transcript Verlag (8376-6824-7) hat Peter Bubmann den reichhaltigen Sammelband Kunst – Raum – Religion. Orte und Wege ästhetischer Bildung herausgegeben, in dessen Einleitung er festhält: „Das Verhältnis von Kunst und Religion versteht sich nicht von selbst. Vorbei sind die Zeiten, als Kirchen die Kunst ganz selbstverständlich für ihre Anliegen in Anspruch nehmen konnten: in der Gestaltung ihrer Kirchengebäude, in der Ausstattung von Repräsentationsräumen, durch die Einbeziehung der Künste in die kirchlichen Rituale. Nicht nur die Tonkunst emanzipierte sich spätestens im 19. Jahrhundert von den Vorgaben der Liturgie, auch die bildenden Künste und die Architektur verfolgen seither eigene Wege. Und doch gibt es Überschneidungen der Felder Religion, Kirche und Kunst, auch und insbesondere dort, wo es um Bildungsprozesse geht. Wie die gesellschaftlichen Bereiche der Kunst und der Religion ‚auf je eigene Weise‘ (Erne) funktionieren und doch in Beziehung zueinander geraten, war Gegenstand eines Symposiums. Dabei wurde diese komplexe Verhältnisbestimmung von Religion und Kunst bzw. religiöser und ästhetischer Erfahrung fokussiert auf Fragen der Raumerfahrung, insbesondere in Kirchenräumen. ‚Kirchen sind Hybridräume der (Selbst-)Transzendenz. Es kann dort ein charmanter Übergang von religionsaffiner Kunst und Religion stattfinden, aber auch ein Grenzkonflikt entstehen, wenn sich Religion und Kunst in ihrer Eigenlogik voneinander absetzen und abgrenzen.‘ (Erne) Den ‚charmanten Übergängen‘ wenden sich in diesem Band Vertreterinnen und Vertreter der Theologie, der (Kultur-)Pädagogik, der Kunstgeschichte, der Musik- und Theaterwissenschaft, der künstlerischen Praxis und der kirchenleitenden Verantwortung für Kunst zu. Zugleich wird auch nach den Differenzen zwischen religiöser und ästhetischer Erfahrung gefragt, einfache Identifizierungen werden hinterfragt. Damit ist selbstverständlich nur ein Ausschnitt möglicher interdisziplinärer Zugänge zum Spannungsfeld Kunst-Raum-Religion aufgerufen. Weitere Zugänge (etwa philosophische, medientheoretische oder soziologische) wären zu ergänzen. Im Blick dieses Bandes stehen vor allem Grundfragen der Räumlichkeit von Religion und des gemeinsamen (Bildungs-)Raumes von Religion und Kunst, also die Frage, wie ästhetische und religiöse Bildung zusammenhängen können.“ (S. 10–11) Der vielfältige Band ist in die fünf Abschnitte gegliedert: Historische Durchblicke: Räume für Religion und Kunst; Religion und Kultur – Systematische Aspekte; Kunst, Kirchenraum, Bildung und Liturgie; Exemplarische Praxisbeispiele sowie Ausblicke und Perspektiven für Forschung und Praxis.
Jörg Herrmann ist der Verfasser des Buches Warum ich? Hiob-Motive im Spielfilm, das in der Reihe „Religion, Film und Medien“ im Schüren Verlag (741-00463-6) erschienen ist. In seiner Einführung schreibt er: „Für den Theologen ist die Frage des unverschuldeten Leidens dabei unmittelbar mit der Theodizee-Thematik verknüpft. Es geht dabei um die Frage, wie ein als gütig und allmächtig vorgestellter Gott das Leiden Unschuldiger zulassen kann und wie diese Dissonanz theologisch reflektiert werden kann. Auch in diesem Kontext und in dieser Perspektive sind Hiobfilme von Interesse, nicht zuletzt im Blick auf die Frage, welche Impulse sie dem theologischen Theodizee-Diskurs möglicherweise zu geben vermögen. Religionshermeneutische Filmanalysen sind aufs Ganze gesehen von transdisziplinärem Interesse: Filmwissenschaftler können sie ein vertieftes Verständnis von Medientexten erschließen, indem sie aufzeigen, wie religiöse Sinnmuster, Traditionen und Ikonografien in Filmen verarbeitet sind und ihr Bedeutungsgewebe mitbestimmen. Theologinnen können in der Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Film Erkenntnisse über Transformationsgestalten und Interpretationen traditioneller Religionskultur gewinnen und darüber hinaus Aufschluss über die Sinndeutungsangebote des Gegenwartskinos und damit über die unsichtbare Religion der Gesellschaft erhalten. Besonders produktiv verspricht dieser Diskurs zwischen Film und Theologie dann zu werden, wenn ein so zentraler Topos traditioneller Religionskultur zur Debatte steht, wie das Buch Hiob und die Verarbeitung von Hiob-Motiven und Hiob-Fragen im Spielfilm. Der Film ist dabei Teil einer außergewöhnlich breiten Rezeption des Hiobbuches in Kultur und Religionskultur seit seiner Entstehung vor etwa 2500 Jahren – in Musik, Malerei, Dichtung, Literatur, Philosophie, Psychologie, Kunst und eben nicht zuletzt im Film. ‚Keine biblische Figur des Alten, des Ersten Testamentes war und ist für die Weltliteratur so bedeutsam, so herausfordernd und literarisch so fruchtbar wie die des Hiob‘, urteilt der Theologe Georg Langenhorst. Auch wenn diese Einschätzung für den Film nicht in gleicher Weise wie für die Literatur zutrifft – hier steht die Jesusfigur im Mittelpunkt des filmischen Interesses an biblischen Stoffen –, lässt sich doch auf eine ganze Reihe von Filmen verweisen, die Motive und Problemstellungen des Buches Hiob aufgreifen und verarbeiten oder deren Hauptfiguren man als Transfigurationen des biblischen Hiob interpretieren kann. Zu einigen dieser Filme liegen bereits differenzierte religionstheologische Analysen und Interpretationen nicht zuletzt aus dem Kreis der internationalen Forschungsgruppe ‚Film und Theologie‘ vor, auf die die vorliegende Studie aufbauen kann. Dabei sollen sowohl explizite Bezugnahmen auf den biblischen Text nachgezeichnet werden - wie man sie u.a. in THE TREE OF LIFE (2011) findet – als auch implizite Parallelen und Sinnmuster untersucht werden – wie sie sich zum Beispiel in A SERIOUS MAN (2009) zeigen, einem Film, dessen Protagonist als eine Transfiguration des biblischen Hiob gelten kann. In einem vorletzten Kapitel soll versucht werden, die Filmanalysen im Blick auf ihre Bezugnahmen auf den biblischen Hiob und nicht zuletzt auch auf die großen existenziellen und theologischen Fragen des Hiobbuches noch einmal zusammenfassend auszuwerten. Ein letztes Kapitel nimmt eine Frage auf, die in den Geschichten Hiobs und der leidgeprüften Protagonisten der untersuchten Filme unwillkürlich aufkommt, die Frage des Trostes. Die Auswahl der Filme ist vorläufig und umfasst einen Zeitraum von gut 40 Jahren. Sie orientiert sich an den folgenden beiden Kriterien: 1. Filme, die explizite Bezüge zum Buch Hiob enthalten (HIOB, HIOBS REVOLTE, ADAMS ÄPFEL, THE TREE OF LIFE, LEVIATHAN, FIRST REFORMED). Der dreiteilige TV-Film HIOB (1978) bildet dabei als TV-Produktion eine gewisse Ausnahme, denn es geht mir vorrangig um Kinofilme. Ich habe diesen Fernsehfilm dennoch aufgenommen, weil er als Literaturverfilmung eine der eindrucksvollsten literarischen Rezeptionen und Fortschreibungen des biblischen Hiob im 20. Jahrhundert, Joseph Roths Roman Hiob von 1930, aufgreift und damit auch so etwas wie einen markanten Übergang von der Literatur zum Film darstellt. 2. Filme, die implizite inhaltliche bzw. thematische (und zum Teil auch strukturelle) Parallelen zum Buch Hiob aufweisen, wovon einige auch schon durch ihre Hiob-Nähe im Diskurs über Film und Religion in den letzten Jahrzehnten aufgefallen sind (KOMM UND SIEH, WOLKEN ZIEHEN VORÜBER, BRUCE ALLMÄCHTIG, A SERIOUS MAN, THE BROKEN CIRCLE).“ (S. 14–16). Die spirituelle Botschaft in Songs von AC/DC bis Led Zeppelin steht im Mittelpunkt des anregenden Buches Highway to Heaven von Uwe Birnstein und Volker Eichener, das im bene! Verlag (96340-297-5) erschienen ist. In ihrem Intro laden die Autoren die Lesenden mit werbenden Worten auf eine Reise ein: „Welche Songs sind im Soundtrack Ihres Lebens zu hören? Viele Menschen wissen noch, welche Musik bei ihrem ersten Tanz spielte, beim ersten Kuss, beim ersten Verlieben. Welche Songs am Lagerfeuer oder bei der Party gesungen wurden. Um die Liebe drehen sich wohl die meisten dieser Songs. Doch Popsongs erzählen nicht nur von der irdischen Liebe. Erstaunlich viele sprechen auch »himmlische« Gefühle an – die einen mehr, die anderen weniger. AC/DC etwa haben die Straße zur Hölle gewählt, während Led Zeppelin die Treppe zum Himmel bevorzugten. Zwei Hard-Rock-Bands, deren Songs sich mit spirituellen Themen befassen – auch wenn Himmel und Hölle die entgegengesetzten Enden des Spektrums markieren. Die meisten Pop- und Rockmusikerinnen und -musiker entsprechen schon von ihrem Outfit und erst recht von ihrem Lebenswandel her nicht gerade dem Bild, das man von frommen Kirchgängern hat. Viele von ihnen weisen Glaubensbiografien auf, die alles andere als geradlinig verliefen. Ihre Gottes- und Jesusbilder sind häufig sehr persönlich geprägt. Oft haben sie damit auch Anstoß erregt – sei es bei Vertretern evangelikaler Glaubensgemeinschaften oder sogar im Vatikan. Andere Musikerinnen und Musiker überraschen dagegen mit erstaunlich konservativen, bisweilen sogar mittelalterlich wirkenden religiösen Botschaften, die man ihnen kaum zugetraut hätte. In einigen Songs gehen sie schwierige Fragen auch mit viel philosophischem Tiefgang an – besonders, wenn es um die Frage geht, warum ein liebender Gott so viel Leid in der Welt duldet. Oft sind es sogar die besten und bekanntesten Stücke der jeweiligen Musiker, die sich mit Glaubensfragen befassen. Sympathie mit Gott kommt in allen Genres der Rock- und Popmusik zum Ausdruck: in Folksongs, in Countrysongs, in Pop- und Dance-Pop-Nummern, in Deutsch-Rock- und Deutsch-Pop-Liedern, in veritablen Rock-, Hard-Rock- und sogar Heavy-Metal-Songs. Das gruselige Auftreten manch einer Band kann durchaus mit frommer Religiosität einhergehen. Die verschiedenen musikalischen Genres sind ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Vielfalt, die auch in der Vielfalt der Musikgeschmäcker Ausdruck finden. Mitunter sind die Zugänge zu Gott unkonventionell: Da wird schon einmal ganz respektlos gefragt, ob er nicht genau so ein Schlunz sei wie du und ich; da erscheint Jesus, wie er sich eine Zigarette anzündet; da erklingt das Halleluja aufgrund des Lebenswandels des Musikers »gebrochen«, da wird sogar von sexueller Vereinigung mit Gott gesungen – ein Thema, das sich übrigens schon seit dem Mittelalter durch das mystische Christentum zieht. Aber war nicht auch Jesus unkonventionell? Hat nicht auch er die Scheinheiligkeit der Pharisäer angegriffen, hat er nicht die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben, hat er sich nicht von einer Prostituierten salben und küssen lassen? Aber so unkonventionell und individuell die Gottesbilder auch sind, die sich in Pop- und Rocksongs finden: Sie sind Ausdruck eines Glaubens. Die Musiker bekennen sich mit ihren Liedern zu ihrem Glauben und erreichen damit ein Publikum von Millionen – einige von ihnen sogar von Milliarden – von Menschen. Die technischen Möglichkeiten haben es noch nie so einfach gemacht wie heute, praktisch jederzeit und überall Musik zu hören. Musik dringt tiefer in die Seele ein als alles andere – das hatte schon der Philosoph Platon erkannt, und das ist auch der Grund, warum die Musik in Gottesdiensten eine so große Rolle spielt. Und die Herzen der Menschen zu erreichen, ist heute wichtiger denn je geworden. Die Welt wird nämlich ungemütlicher. Kaltherzigkeit scheint um sich zu greifen, Egoismus, Intoleranz, Aggressivität, sogar Gewalt. Es werden Kriege geführt – auch an der Grenze zu Europa. Viele Menschen fühlen sich unsicher – das bringt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr, ebenso die freiheitliche Demokratie. Wir müssen dieser Entwicklung Werte der Menschlichkeit entgegensetzen. Jesus von Nazareth hat eine Botschaft voller Toleranz und Nächstenliebe verkündet. Eine Botschaft der Solidarität mit den Schwachen und Ausgestoßenen, der Ehrlichkeit und der Friedfertigkeit. Auf der biblischen Aussage, dass wir alle Gottes Kinder, ja Gottes Ebenbilder sind, gründet das so wichtige Konzept der Würde jedes Menschen, die die Grundlage der Menschenrechte und des Wertekatalogs ist, der unserem Grundgesetz und dem Vertrag über die Europäische Union zugrunde liegt. Allerdings ist von Toleranz und Nächstenliebe in der Öffentlichkeit immer seltener etwas zu hören. Umso wichtiger ist es, dass es bekannte Pop- und Rocksongs gibt, die Jesu Botschaft der Menschlichkeit verbreiten. Denn über die Musik mag sie den Weg in die Herzen der Menschen vielleicht leichter finden als durch eine spröde Predigt. Ein Song ist wie eine Straße, auf der wir reisen. Die Straße mag holperig sein, sie mag gewunden sein, wie es in der alten Legende heißt, aber sie kann zum Himmel führen: Highway to Heaven. Wir laden Sie ein auf eine Reise in verschiedene Genres der Pop- und Rockmusik – eine Reise, die manche Überraschung bereithalten wird. Eine Reise, bei der Sie auch dem Soundtrack Ihres Lebens nachgehen können – und ihm womöglich nach der Lektüre neue Songs hinzufügen.“ (S. 7–10).
Viera Pirker und Paula Paschke haben im Herder Verlag (451-39626-7) den aufschlussreichen Sammelband Religion auf Instagram. Analysen und Perspektiven herausgegeben. In ihrer Hinführung schreiben sie: „Instagram und die dort entstehenden religiösen Praktiken, die auch andere digitale Plattformen tangieren – Stichwort: #digitalreligion, #digitaleKirche – werden inzwischen zunehmend als Forschungsthema und Interessensfeld in Praktischer Theologie, Religionswissenschaft und Religionspädagogik identifiziert. Die hier stattfindenden Entwicklungen haben wir zum Anlass genommen, verschiedene Ansätze in dem Forschungs- und Interessensfeld zusammenzubringen. Im Rahmen des Frankfurter Fachgesprächs kamen Praktiker und Forschende online zusammen, mit dem Ziel, bestehende und entstehende Forschung und Praxis zu dieser spezifischen Plattform sichtbar zu machen und ökumenische Impulse für Ideen und Entwicklungen zu setzen. Der vorliegende Sammelband knüpft an diese Impulse an, führt sie weiter, ergänzt die Perspektiven von weiteren Beitragenden und ermöglicht einen hochaktuellen Einblick in die Landschaft der ‚Religion auf Instagram'. Instagram ermöglicht verschiedene empirische Zugänge, einer davon ist die digitale Ethnographie, die mehrfach zur Anwendung kommt. Doch es begegnen auch andere Zugänge: qualitative Inhaltsanalysen, Nutzer:innenbefragungen und Netzwerkforschung. Unter den in den Beiträgen des Bandes erwähnten und auch tiefer analysierten Accounts ist eine Mehrheit evangelischen und freikirchlichen Denominationen zuzuordnen, während eine deutschsprachige (römisch-)katholische Kommunikation auf Instagram bislang weniger intensiv ins Blickfeld genommen wird, eine Bias, die in der auf das Christentum bezogenen Forschung im Feld Digital Religion insgesamt wahrzunehmen ist und die sich auch zur Berichterstattung zu den sogenannten Christfluencer:innen bestätigt: Gerade Accounts, die nicht für die Großkirchen stehen, halten hier in der Wahrnehmung eine überproportionale Aufmerksamkeit. Dabei sind die evangelischen Kommunikator:innen keineswegs notwendigerweise auch die reichweitenstärkeren, doch sie suchen häufiger mit Techniken der Influencer:innen einen direkteren und wiederkehrenden Kontakt mit ihren Communities und stehen für politische und gesellschaftliche Positionen ein, die in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden und in künftige Entwicklungen hinein extrapoliert werden können. Die Einheit von Botschaft und Person steht auf Plattformen wie Instagram im Vordergrund. Aus der Perspektive der Religionspädagogik und Mediendidaktik heraus verfolgt dieser Band das Interesse, Instagram auch als Bildungsplattform zu denken und zu erkunden, denn eine solche ist sie ohne Zweifel für nicht wenige junge Erwachsene geworden – wir reden hier vor allem von der Generation der 20-40-Jährigen, die den größten Teil der Instagram-User darstellen. Dies entspricht dem Ziel der Frankfurter Fachgespräche, die darauf ausgerichtet sind, Themen und Fragestellungen, die an den Grenzflächen von Theologie, Religionsforschung, Pädagogik und Medien liegen, in die Tiefe hinein auszuloten und zwischen Theorie, Empirie und Praxisperspektiven miteinander ins Gespräch zu kommen. Religiöse Bildungsprozesse zeigen sich heute an so vielen verschiedenen Orten und in so vielen Varianten, dass es unbedingt dazu gehört, sie aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und auch unterschiedliche Stimmen zur Sprache kommen zu lassen. In einem vielfältigen Polylog entsteht auch das online geformte Bild der Religionen und der Religiosität. Zugleich steht die Frage im Raum, ob religiöse Bildung und insbesondere die psychische, emotionale und soziale Entwicklung, die auch grundlegend für eine spirituelle Entwicklung sind, durch Unterhaltungstechniken und Social Media nicht doch mehr gestört als unterstützt werden, dies zumindest befürchten 79 hochrangige religiöse Führungspersönlichkeiten, die im April 2021 in hoher interreligiöser Einmütigkeit öffentlich gegen die Pläne zur Einführung eines Instagram for Kids eingetreten sind. Und im Herbst 2023 haben mehrere US-amerikanische Bundesstaaten Klage gegen den Meta-Konzern eingereicht, da dieser negative Folgen der Plattformnutzung für Jugendliche wissentlich ignoriere, um mehr Gewinn zu erzielen.“ (S. 16–18). Die verdienstvolle Veröffentlichung ist in vier Teile gegliedert: „Der erste Teil Plattform ist grundsätzlichen Perspektiven aus Theologie, Theologischer Ethik, Religionswissenschaft und empirischer Forschung zur Betrachtung von Dynamiken, die auch Religion und Religiöse Praxis auf Instagram betreffen, gewidmet. [...] Im zweiten Teil Content werden die grundlegenden Überlegungen durch Auseinandersetzungen mit Formen, Phänomenen und Themen von Instragram-Content und Content-Creat:orinnen vertieft. [...] Der dritte Teil User nimmt Forschung zu Nutzer:innen und ihre alltäglichen Nutzungspraktiken auf Instagram, aber auch Sonderformen und ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Gestaltung und Wahrnehmung von Kirche(n) und Glauben in den Blick. [...] Im vierten Bereich, der Praxis, kommen Producer:innen und Akteur:innen auf Instagram zu Wort. Sie geben hier Einblick in die Entwicklung von Instagramkanälen und die Arbeit in Netzwerken. Ihre Reflexion und Beteiligung kann denjenigen, die forschend ins Feld schauen, wichtige Impulse dafür geben, was Content Creating im religiösen Kontext heute bedeuten kann.“ (S. 19–21).
In ihrer im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (525-50050-7) in der Reihe „Evangelisch-Katholische Studien zu Gottesdienst und Predigt“ veröffentlichten Bonner Dissertation Stimmung und Resonanz im Schulgottesdienst geht es Henriette Gehse darum, „die Bedeutung der abstrakten und unsichtbaren Phänomene von Stimmung und Resonanz in der Situation des Schulgottesdienstes aufzuzeigen und somit zu dessen Qualitätsentwicklung beizutragen. Damit stellt sie sich in die Tradition der empirischen Theologie. Die in einem qualitativen ethnografischen Forschungsprozess entstandenen Daten sollen nicht nur die Einflussfaktoren zur Entstehung von Stimmung und Resonanz identifizieren, sondern diese darüber hinaus auch gewichten und untereinander in Beziehung setzen. Eine der wichtigsten Fragen lautet, ob und inwiefern diese Aspekte der Steuerung durch die Gottesdienstverantwortlichen zugänglich sind. Die Liturgen bilden damit die Zielgruppe dieser Arbeit. Ihnen soll eine professionalisierte Reflexion der Aspekte Stimmung und Resonanz ermöglicht werden. Viele der im Folgenden erörterten Einflussfaktoren werden unterbewusst schon seit langem berücksichtigt. Ein theoretischer Unterbau mit Vokabular und Argumentation trägt zur bewussten Steuerung der Vorgänge bei und verbessert die Sprach- und Austauschfähigkeit der Liturgen in diesem Feld. Vor allem vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise der Jahre 2020 bis 2022 stellt sich erneut ganz aktuell die Frage nach der Substituierbarkeit realer zwischenmenschlicher Begegnungen auch im (Schul-) Gottesdienst durch medial gestützte Zusammenkünfte. Auch wenn im Falle der Pandemie natürlich keine Wahlsituation diesbezüglich gegeben war, wird sich durch die fortschreitende Digitalisierung auch in Zukunft die Frage stellen, wie viel räumliche und leibliche Nähe gewisse Vorgänge, die uns seelisch affizieren sollen, brauchen werden.“ (S. 14) Die Autorin erklärt zu den beiden Hauptbegriffen Stimmung und Resonanz: „Schüler, die sich in einer gelassenen, friedlichen Grundstimmung befinden, die dankbar sind für eine kleine Auszeit vom leistungsorientierten Schulalltag und die zum Nachdenken über ihr Verhältnis zur Welt und zu Gott angeregt wurden - dies ist der ideale Zielzustand, den die Planenden und Durchführenden von Schulgottesdiensten anstreben. Die Realität sieht jedoch zumeist anders aus. Die Bedingungen des Alltags sind in der Regel nicht optimal. Die Schüler sind früh aufgestanden, eventuell noch eine Weile durch Regen und Kälte gelaufen, sitzen dann neben ihren Klassenkameraden, denen es viel zu erzählen gibt, und wissen gar nicht recht, was sie im Schulgottesdienst sollen. Wenn dann noch die Schüler, die den Gottesdienst mitgestalten, unmotiviert sind oder die Pfarrer an ihnen vorbei sprechen, haben eine Menge Leute kostbare Zeit verschwendet. Die erwünschten positiven Effekte können sich nur einstellen, wenn es gelingt, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen und die Heranwachsenden geistig wie emotional zu berühren. Auch die inhaltlichen Botschaften werden vor allem dann transportiert, wenn sich eine sogenannte Resonanzbeziehung zwischen Liturg und Rezipient öffnet, wenn es gelingt, eine metakommunikative Verbindung zwischen Pfarrer oder Lehrer und den Schülern herzustellen, in der Schwingungen wechselseitig gesendet und empfangen werden können. Dieser Zustand ist also Voraussetzung und gleichzeitig bestes Ergebnis eines gelingenden Schulgottesdienstes und soll daher im Folgenden näher beleuchtet werden. Nicht zuletzt ist dies auch die Basis für das Anbahnen eines religiösen Erlebnisses. Auch wenn es sich nur bei einem Teil der Schüler um christlich sozialisierte Kinder und Jugendliche handelt, so ist doch die Erfahrung der Nähe Gottes keinesfalls an eine solche Voraussetzung gebunden. Sie kann sich auch unvermittelt einstellen, wenn die individuelle Verfasstheit, die stimmungsvolle Umgebung und resonante Beziehungen unter den Teilnehmenden einen fruchtbaren Boden für diese sogenannte vertikale Resonanzbeziehung, das religiöse Erleben, bilden. Die vorliegende Arbeit sieht sich eingebettet in die anthropologische Forschungstradition zur empirischen Untersuchung kultureller Aktivitäten mittels qualitativer Methoden. Durch methodische Triangulation sollen Erkenntnisse über innere Prozesse der Beteiligten an Schulgottesdiensten gewonnen werden, die entscheidende Auswirkungen auf das »Erleben« dieser Veranstaltungen, ihre Erinnerung und somit den Nutzen in religionspädagogischer Hinsicht haben. Das alles geschieht mit dem Zweck, zu qualitätssteigernden Innovationen im Schulgottesdienst beizutragen. Zu beachten ist hier vorab die Diskussion zur Qualität von Gottesdiensten und deren »Zweck« im sehr eingeschränkten Sinne gelungener kirchlicher Sozialisation und positiven persönlichen Erlebens.“ (S. 15–16) Den besonderen Mehrwert des Schulgottesdienst markiert die Verfasserin am Ende ihrer Ausführungen mit den Worten: „Nur hier begegnet man der Symbolsprache, die in Bildern, Filmen, Liedern und anderen Kunsterzeugnissen mannigfaltig rezipiert wurde und wird und daher auch den Jugendlichen geläufig ist, in ihrem originalen Umfeld. Der Schulgottesdienst ist damit auf so viele Weisen hermeneutischer Schlüssel zum Begreifen der Gegenwart, dass Schule und Staat als Institutionen nicht behaupten können, ihrem Bildungsauftrag nachgekommen zu sein, wenn den Schülern diese Perspektive nicht wenigstens eröffnet worden wäre.“ (S. 371)
In der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07404-4) hat Martin Steinhäuser mit Kinderkirche, Christenlehre & Co. Profilentwicklung in der bildungsorientierten Arbeit mit Kindern in Kirchgemeinden. Band 2 Dokumentation und Kommentare zum Forschungsprojekt sein empirisches Forschungsprojekt zur Profilentwicklung in der bildungsorientierten Arbeit mit Kindern in Kirchgemeinden wissenschaftlich grundgelegt. Das Buch ist in drei Teile gegliedert: „Teil A beleuchtet fachliche Grundlagen und Impulse des Forschungsprojektes. Dabei werden zunächst die geschichtlichen und gemeindepädagogisch-fachlichen Diskussionsstände gesichtet und um einige kindheits- und sozialisationstheoretische Impulse ergänzt. Auf dieser Grundlage können Eckpunkte des fachlichen Vorverständnisses der empirischen Forschung zusammengefasst und die Forschungsmethodik plausibilisiert werden. Zu diesem Kapitel hat Tino Schlinzig eine Darstellung der Dokumentarischen Methode als Instrument der Datenauswertung beigesteuert. Teil B enthält die empirischen Ergebnisse des Forschungsprojektes. Zunächst kommen die vier Forschungsfelder zur Darstellung: Wiesenbrunn, Oberstadt, Waldhofen und Meisterfurt. Dabei beginnt jedes Kapitel mit der Skizze einer hospitierten Stunde, gefolgt von Fallbeschreibungen zu den vier interviewten Gruppen: Kinder, Eltern, Kirchvorstehern und Gemeindepädagoginnen. In allen Fallbeschreibungen verlinken QR-Codes auf die zugrunde liegenden Interview-Transkripte. Abgeschlossen wird jedes Kapitel mit einer komparativen Analyse zu dem betreffenden Forschungsfeld; dabei entstehen neue Systematiken für die verschiedenen Sichtweisen der Befragten. Diese Texte sind in stark gekürzter und geglätteter Form auch im Teil I des Arbeitsbuches („Impressionen aus der Praxis“) enthalten. Abgeschlossen wird Teil B mit vier feldübergreifenden komparativen Analysen zu den vier Befragtengruppen: Kinder, Eltern, Kirchenvorsteher und Gemeindepädagoginnen. Diese Texte konnten aus Platzgründen im Arbeitsbuch nicht abgedruckt werden, sind von dort aus aber über QR-Codes erreichbar. Teil C schließlich enthält Reflexionen sowie kollegiale Kommentare und Ergänzungen zum Projekt. Die ersten vier Beiträge knüpfen an die im Arbeitsbuch bereits konzeptionalisierten Ergebnisse an und bieten somit Material für eine weiterführende fachliche Diskussion. Zunächst fasse ich über das Arbeitsbuch hinaus wichtige forschungsmethodische und konzeptionelle Erträge der empirischen Forschung zusammen und erläutere die didaktische Struktur des Arbeitsbuches als ein internationales Instrument der Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis. Christian Kahrs prüft die Relevanz der Forschungsergebnisse in religionspädagogischer Hinsicht und fragt dabei nach möglichen Beiträgen kirchgemeindlicher Bildungspraxis für die Entwicklung einer kirchlichen Katechetik in der Zivilgesellschaft. Jörg Schneider stellt kirchentheoretische Reflexionen zum Forschungsprojekt an. Er diskutiert folgende These: ‚Evangelisches Christentum ist handfest, konkret und lokal; deshalb sind Konzepte wie eine moderne bildungsorientierte Arbeit mit und für Kinder von eminenter Bedeutung für Individuen, die lokale Gemeinde und die regionale (Landes-)Kirche gleichermaßen.' Hans Mendl wirft als katholischer, bayrischer und schulisch orientierter Religionspädagoge Außenperspektiven auf die Erträge des Forschungsprojektes und fragt nach Potentialen für eine Glaubenskommunikation und Gemeindebildung, die auch für andere Regionen Deutschlands bedeutsam sein könnten. Teil C wird abgeschlossen mit dem teilweisen Nachdruck einer ‚Handreichung zur Christenlehre', die 2022 vom Amt für kirchliche Dienste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz unter dem Titel ‚Klärung, Bestätigung und Neuausrichtung' veröffentlicht wurde. Dieser Text bezieht sich nicht auf das hier dokumentierte Forschungsprojekt, sondern bietet einen eigenständigen, konzeptionellen Entwurf zur gleichen Sache, wobei ein besonderer Reiz darin besteht, dass dieser Entwurf auf einem längeren landeskirchlichen Konsultationsprozess, einschließlich einer empirischen Erhebung beruht.“ (S. 11–12)
3 Biblische Theologie und Bibeldidaktik
Stefan Altmeyer, Bernhard Grümme, Helga Kohler-Spiegel, Elisabeth Naurath, Bernd Schröder und Friedrich Schweitzer sind die Herausgebenden des 40. Bandes des Jahrbuchs der Religionspädagogik, das den Titel >>Altes<< Testament unterrichten trägt und im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (525-70010-5) erschienen ist. In seinen „ziemlich subjektiven Beobachtungen aus Sicht politisch-dimensionierter Religionspädagogik“ zum Thema Warum überhaupt noch »›Altes‹ Testament unterrichten«? beschreibt Grümme die herausfordernde Ausgangssituation: „Erstens verschärft sich die didaktische Orientierung an den Subjekten, ohne dabei die kritische Potenz biblischer Texte zu relativieren; zweitens erfolgt eine Ausdifferenzierung in dem Sinne, dass sich die Bibeldidaktik zu einem selbstständigen Bereich innerhalb der Religionsdidaktik profiliert, der dann in unterschiedlicher Weise von verschiedenen religionsdidaktischen Konzepten wie etwa der Performativen Religionsdidaktik oder der Kindertheologie in Anspruch genommen wird; drittens kommt es zu einer Spezialisierung und damit zu einer Intensivierung bereichsspezifischer Expertise innerhalb der Bibeldidaktik und schließlich viertens zu einer Methodenpluralität, die im Vergleich zu anderen Bereichen der Religionsdidaktik »einen wahren Luxus« darstellt, aber doch insofern ein Problem bildet, als es der Lehrkraft in der Fülle methodischer und didaktischer Optionen die Fähigkeit abfordert, eine ausgewogene Balance zu finden. Kurz: Fachdidaktische Ansprüche an die Lehrkräfte steigen, was den Orientierungsbedarf an exegetischen und bibeldidaktischen Einsichten erhöht. Operationalisierbares Professions-, Reflexions- und Handlungswissen ist gefragt. Genau solches versucht nun dieses Jahrbuch der Religionspädagogik anzubieten, wie es dem Prinzip des Jahrbuchs traditionell entspricht. Doch wird es diesen Ansprüchen gerecht? Auf der anderen Seite nun muss sich dieses Jahrbuch Kriterien stellen, die durch die bedrängende Wucht aktueller und auch im historischen Sinn bedeutsamer Ereignisse an schmerzlicher Konkretheit gewonnen haben. Jedes Jahrbuch ist das Ergebnis eines langen, oft zweijährigen Prozesses. Als dieses Jahrbuch geplant und geschrieben wurde, waren die fürchterlichen Ereignisse des 7. Oktober 2023 nicht abzusehen. Die Massaker der Hamas haben eine weltweite Welle an Antisemitismus mobilisiert, aber auch, wenngleich verzögert und zurückhaltend, eine Sensibilität für rassistische und antisemitische Prozesse auch im Bildungsbereich und in der Theologie verstärkt.“ (S. 246–247) Grümme würdigt die Inhalte dieses hervorragenden Jahrbuchs an dessen Ende kongenial im Sinne vier struktureller Beobachtungen und Desiderate: „1. Es gibt eine Tiefenstruktur im Band, die manche Texte in eine Konstellation von Ergänzung, von Akzentverschiebung oder Widerstreit setzt und diese miteinander verbindet. Signifikant ist dies beim Thema der Toradidaktik, die durchaus kontrovers aus unterschiedlicher Richtung diskutiert wird: bei Schröder eher angespielt, bei Lorenzen auf konzeptioneller Ebene differenztheoretisch kritisiert, bei Hecke didaktisch implementiert. Das Jahrbuch kann so auch als methodologisches Gesprächsforum gelesen werden, das selbst den eingangs erhobenen Methodenpluralismus dokumentiert wie kritisch reflektiert. Eine zweite Tiefenstruktur im Band ist eine epistemologische Perspektivierung. In vielen Beiträgen wird rabbinische Auslegungspraxis zum erkenntnisgenerierenden Grundgerüst religions-unterrichtlicher Praktiken. Von ihnen könne Differenzsensibilität gelernt werden, auch Ambiguitätstoleranz, ohne einem Relativismus zu unterliegen. Die derzeit nicht nur in den Fachdidaktiken, sondern in Theologie wie in Philosophie diskutierte Verhältnisbestimmung von Wahrheitsansprüchen und Partikularität gewinnen hier inspirierende Impulse. Die wohl wichtigste Tiefenstruktur liegt in der Würdigung des Alten Testaments. Man kann es als Basso continuo, nachgerade als Prinzip dieses Jahrbuchs erkennen, wie sensibel und sorgsam mit der Benennung des Gegenstandes von den Autor:innen umgegangen wird. Ist es die Hebräische Bibel, das Erste Testament, das Alte Testament oder das »Alte« Testament, von dem religionspädagogisch zu reden und zu handeln ist? Welche Relevanz hat der doppelte Ausgang der Hebräischen Bibel für Bildungsprozesse, welche die Einheit der Schrift? Dieses Ringen ist gespeist aus einer grundsätzlichen, fast überall erkennbaren und häufig explizierten Absage an religionsdidaktische wie theologische Abwertungen des Alten Testaments mit all den Implikationen des Gottesbildes, des Eigenwertes des Alten Testaments, der Kanonizität, aus denen sich traditionell Antijudaismus und Antisemitismus speisen. 2. Nur evoziert eine solche Sensibilität umso mehr die Frage, warum es einem so elaborierten und stark positionalen Diskurs, wie er sich eben auch in diesem Jahrbuch niederschlägt, offensichtlich nicht hinreichend gelingt, die eingangs angedeuteten Tendenzen in Schule und Unterricht zu konterkarieren? Ist es die Lücke zwischen Wissen und Handeln (mind behavior gap), die vor allem im Feld der Nachhaltigkeitspädagogik als Klärungsmodell dafür herangezogen wird, dass das Gewollte nicht realisiert wird? Viele Texte im Jahrbuch erheben einen solch ambitionierten Anspruch, von dem fraglich wird, wie er im konkreten Religionsunterricht, der oft nur zweistündig erteilt wird, überhaupt realisiert werden kann. Sind es Tiefenstrukturen der Praktiken im Unterricht oder in Religionsbüchern, die wirksam werden? Als Mitglied der Schulbuchkommission der Deutschen Bischofskonferenz bekomme ich regelmäßig brandaktuelle Schulbuchmanuskripte auf den Schreibtisch, von denen ich angesichts des erreichten Standes in der Vorurteils- und Schulbuchforschung nicht angenommen hätte, dass es solche (noch) geben könnte. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf. 3. Die eingangs hervorgehobene Subjektorientierung der Bibeldidaktik findet sich ebenfalls in diesem Jahrbuch ausformuliert. Aber sie scheint nicht hinreichend mit der bildenden Kraft von Inhalten vermittelt. Die hohen Standards, die Elementarisierungs- wie Korrelationsdidaktik hinsichtlich der Ausrichtung an den Lernenden und eine schüler:innenorientierte Formatierung von Gegenständen zu Themen aufgerichtet haben, scheinen nicht durchgängiges Prinzip aller Beiträge geworden zu sein. Wie hoch die Ansprüche, wie groß aber durchaus auch die Potenziale sind, wurde zumindest in der Fallstudie im RU einer Gesamtschule eingangs deutlich gemacht. In Anbetracht dessen ergeben sich Möglichkeitsräume, die Vielzahl der alttestamentlichen Texte in ihren unterschiedlichen Gattungen gerade kontextuell, situationsbezogen wie existenziell einzuspielen. Das Hohe Lied, die Klagepsalmen, Texte von Hoffnung, Flucht, Angst und Gewalterfahrungen, all dies sind Texte, die kritisch-produktiven Lebensweltbezug erlauben. Doch das Ringen um eine kritische Subjektorientierung, dem sich auch das Jahrbuch der Religionspädagogik in einer jüngst publizierten Ausgabe widmete, scheint in diesem Band noch nicht seinen durchgreifenden Niederschlag gefunden zu haben. Die Komplexität des Bedeutungsfeldes, die sich eröffnet, wenn man tatsächlich das »Alte« Testament unterrichten will, müsste dabei noch deutlicher die Fremdheit des Alten Testaments markieren, und zwar auf zwei verschiedenen Ebenen: Auf der einen Ebene deutet empirische Forschung zur Bibelrezeption Heranwachsender auf eine ausgeprägte Distanz zur Bibel hin, sowohl was das Wissen über biblische Inhalte als auch was Lesepraktiken oder gar existenzielle Vertrautheit angeht. Ist es angesichts dessen unterkomplex, so stark die durch das Alte Testament offerierten Lernchancen zum Ausgangspunkt zu nehmen und einen Gegenwartsbezug zu postulieren, den es empirisch nicht mehr gibt, den man aber auch nicht ohne Verletzung des Axioms der Subjektorientierung didaktisch einfach implementieren kann? Die derzeitige Bibeldidaktik ringt mit dieser Spannung, die unausgesprochen im Hintergrund vieler Texte dieses Jahrbuchs wirkt, ohne hier eine klare weiterführende Perspektive anbieten zu können. Auf einer anderen, tieferen Ebene lässt sich freilich die Fremdheit der Bibel auch als integrales Element bildungstheoretischer Prozesse lesen. Dann wäre die Fremdheit des Alten Testaments etwas, was im Prozess des Unterrichtens nicht nur residual bleibt, d. h., ein nicht zu eliminierender Rest, etwas, was sich eben nicht gänzlich durch Lehr-Lern-Prozesse einholen lässt, sondern wesentliches Moment der subjektorientierten Bibeldidaktik selbst ist. Anstatt die Alterität des Alten Testaments didaktisch als Ferment einer kritischen Subjektorientierung didaktisch auszuarbeiten, ist es den meisten Beiträgen dieses Bandes nicht selten in (allzu-)sehr bemühter Weise darum zu tun, Zugangsschwellen zu senken und durch anthropologische, existenzielle oder auch politische Dimensionierungen Lebensweltbezug herzustellen. Meine Überlegungen wären missverstanden, würde man sie als Wiederauflage einer religionsdidaktischen Debatte über den fremden Gott verstehen, die in ihrer paradoxalen Wirkung inzwischen im religionspädagogischen Diskurs konstruktiv bearbeitet wurde. Es geht ihnen darum, Alterität als bildungsförderliches Integral subjektorientierter Bibeldidaktik zu markieren, weil es eine recht verstandene, also wiederum subjektbezogene Alterität ist, die erst Freiheit und Autonomie im Feld religiöser Bildung ermöglichen. Wichtig wäre es, diese beiden Ebenen zu unterscheiden wie reflexiv aufeinander zu beziehen. Hier tut auch Unterrichtsforschung not, die die Motive der Heranwachsenden im Umgang mit dem AT exploriert wie jene Praktiken analysiert, in denen die Bibel didaktisiert wird. 4. Die meisten Texte des Jahrbuchs sind auf den Religionsunterricht als Lernort des Alten Testaments konzentriert. Wären noch andere Lernorte stärker ausgearbeitet worden, wären damit auch andere Bildungskonzepte und Methodiken zur Geltung gekommen und hätten das Feld bereichert: Mit der Frage der Elementarpädagogik wäre die Potenz von Kindertheologie im Umgang mit dem Alten Testament zu eruieren, mit der Katechese die Kraft von Jugendtheologie, von Erwachsenenbildung oder auch von Altenbildung. Dies hätte freilich auch die Anlage des Bandes verändert. Entsprechend der in den letzten Jahren intensivierten Ausarbeitung einer politischen Dimension religiöser Bildung findet sich Analoges in diesem Band. Nur wäre bei einer Weitung der Lernorte noch stärker die Möglichkeit eröffnet, jene Prozesse wahrzunehmen, in denen in Pfarrgemeinden, in Lesezirkeln oder in Kirchenasyl-initiativen das Alte Testament als Teil emanzipatorischer wie nachhaltigkeitsorientierter Bewegungen kritisch-produktiv in Anspruch genommen und damit bildend wird. Dies nicht zu berücksichtigen, stellt sicher ein Desiderat dar. Doch unbeschadet dieser Reserven findet sich im Jahrbuch das in reflexiver wie didaktisierender Bearbeitung der Theologie des Alten Testaments wieder, was sich mit Miriam Schambeck als ‚Ringen um das, was wirklich zählt' artikuliert: eine Hoffnung auf Gottes befreiende Gegenwart, die ‚angesichts von Auschwitz und auch dem alltäglich erlebten Nicht-Eingreifen Gottes sonderbar klingen' mag, nämlich die, dass ‚irgendwie und irgendwo und hoffentlich doch das volle Leben das letzte Wort hat'.“ (S. 256ff)
Zur Sprache bringen. Biblische Texte und sexualisierte Gewalt in Pastoral und Schule lautet der Titeldes von Andreas Heek, Aurica Jax, Ilse Müllner und Annegret Reese-Schnitkerim Grünewald Verlag (7867-3346-1) herausgegebenen Sammelbandes. Sie erklären im Vorwort: „Weltweit und seit Jahrzehnten wurde und wird die römisch-katholische Kirche immer wieder von Skandalen um sexualisierte Gewalt geschüttelt. Diese furchtbaren Taten sexualisierter Gewalt werden von konkreten Personen begangen und von einem System getragen und geleugnet. Im Zuge der Aufklärung dieser Verbrechen wird deutlich, wie sehr Systeme des Verschweigens und Verdrängens dazu beitragen, dass Täter*innen Gewalt ausüben können. Trotzdem gerät das Thema immer wieder in Vergessenheit und wird erst wieder mit dem nächsten Skandal, dem nächsten Gutachten, der nächsten medialen Aufregung öffentlich diskutiert. Dieser Sammelband will dazu beitragen, das Thema sexualisierte Gewalt auf der Tagesordnung zu halten, es nachhaltig zur Sprache zu bringen. Wir wählen dazu den Weg über biblische Texte. Weil diese sowohl sexualisierte Gewalt (auch widerständig) thematisieren als auch wiederum selbst dazu eingesetzt werden, Opfer zum Schweigen zu bringen, indem ihre religiöse Autorität spirituell missbraucht wird. Den Umweg über diese uns oft fremden Texte wählen wir auch deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass sexualisierte Gewalt zur Sprache gebracht werden muss, dass das aber mit großer Vorsicht zu geschehen hat. Der fremde Kontext und die altertümliche Sprache können dazu beitragen, dass sexualisierte Gewalt besprechbar gemacht wird, aber das Reden darüber nicht so unmittelbar ist, dass es Wunden neu aufreißt. Für pastorale oder schulische Kontexte werden konkrete Ideen und didaktische Konzepte präsentiert, wie ein Sprechen über die andauernde Realität sexualisierter Gewalt in Kirche und Gesellschaft, ein widerständiges Miteinander-Reden möglich wird. Diese Enttabuisierung verstehen wir als einen ersten notwendigen Schritt der Prävention. Es gilt, sich zu trauen hinzusehen, auszuhalten, Überlebenden Glauben zu schenken, gemeinsam Fragen zu stellen, Ursachen aufzuspüren und (Aus-)Wege zu finden. Hierfür möchte das vorliegende Buch einerseits theologisch kompetent machen und die Gedanken schärfen und andererseits vielfältige konkrete Anregungen geben und den dafür notwendigen Mut zusprechen! Die Autor*innen dieses Bandes entwickeln von biblischen Texten aus ihre Sprache und ihre Einfälle, um Gewalt zum Thema zu machen.“ (S. 7–8) In Reese-Schnitkers Artikel „Der Beitrag des Fachunterrichts Religion zur Enttabuisierung sexualisierter Gewalt als wichtige Präventionsleistung“ münden die Überlegungen der Autorin in die aufrüttelnden Sätze: „Als Theologin und Religionspädagogin ist nach meinem Verständnis ‚die Fähigkeit, sexualisierte Gewalt in ihrer individuellen Gestalt sowie ihren systemischen Ursachen zu sehen und zu entlarven und ihr Widerstand entgegenzusetzen, … ein Aspekt religiöser Kompetenz, den es bei allen Kindern und Jugendlichen auszubilden und zu fördern gilt.' Dabei sind das Wahrnehmen, Benennen und Finden einer Sprache für das Unfassbare ein erster wichtiger Schritt. Über sexualisierte Gewalt sowohl im schulischen Fachunterricht Religion als auch an anderen pastoralen Orten zu sprechen, ist nicht einfach, es ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe und bedarf professioneller Ausbildung, fachlicher Unterstützung und besonderen Mutes! Es wäre zukunftsweisend, wenn Theolog*innen, in Pastoral Tätige und Religionslehrer*innen es als ihre beständige unerlässliche Aufgabe begreifen würden, »das schmerzhafte, unbequeme, skandalöse Thema unermüdlich auf die Tagesordnung zu setzen, den Diskurs darüber wachzuhalten.« Gegen das Verschweigen der Taten sexualisierter Gewalt ist das Sprechen als »gefährliche Vergegenwärtigung« und als befreiender und widerständiger Akt dringlich, notwendig und möglich.“ (S. 25–26) Ein wichtiges Buch!
Elisabeth Birnbaum lädt mit ihrem in der Katholischen Bibelanstalt (460-32632-3) veröffentlichten Schnellkurs Bibel. Eine Einführung in 30 Schritten ein, die Grundlagen zum Bibelverständnis auf leicht verständlichem Niveau zu erschließen: „Viele Menschen, die zum ersten Mal die Bibel aufschlagen, sind zunächst einmal verunsichert: Der Stil ist ungewohnt, manche Passagen sind schwer verständlich oder langatmig, viele unbekannte Namen, Orte, Themen oder Gebräuche erschweren das ungehinderte Fortkommen. So mancher legt die Bibel da entmutigt für alle Zeiten beiseite. Hier soll das folgende Büchlein Abhilfe schaffen. Mit einer kleinen Schritt-für-Schritt-Anleitung möchte es einen einfachen Einstieg ins Bibellesen bieten. In übersichtlichen 30 Etappen enthält es viele wissenswerte Details und Tipps rund um das Bibellesen. Kleine ‚Übungen‘ helfen, die Scheu vor dem ‚ersten Mal‘ zu überwinden. Aber auch für Geübtere kann das Buch immer wieder ein nützlicher Begleiter sein, um in kompakter Form die wichtigsten Informationen parat zu haben.“ (S. 7) Für die Ökumenische Bibelwoche 2024/2025 haben Svenja Neumann und Fabian Vogt in der Neukirchener Verlagsgesellschaft (7615-6997-9) das Arbeitsbuch Wenn es Himmel wird. Sieben Zeichen aus dem Johannesevangelium, das die Themen aus unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet und vielfältiges Material für die Durchführung bietet. Mit folgenden Worten werben sie für die diesjährigen Themen: „Der Evangelist Johannes liebt es zu erzählen, wie Menschen von Gott überrascht werden. Mitten in unserer Welt erleben sie etwas, das man gar nicht anders deuten kann als ein Zeichen Gottes. Deshalb gelten die sogenannten ‚Zeichenhandlungen‘ als besonderes Merkmal des Johannes-Evangeliums. Das Reich Gottes bricht in das Leben verschiedener Frauen und Männer ein und lässt sie etwas von der Fülle und der Herrlichkeit Gottes erahnen. Gerade da, wo die Protagonistinnen und Protagonisten mit ganz menschlichen Herausforderungen konfrontiert sind, geschieht das eben noch Unfassbare: Das Belastende wird überwunden. Durst, Hunger, Krankheit, Lähmung. Angst, Blindheit und Tod sind die sieben Dunkelheiten, in die das Licht Gottes in dieser Bibelwoche hineinstrahlt. Und schon bei dieser Aufzählung wird klar, dass Johannes damit nicht nur einzelne Schicksale der Antike portraitiert, sondern Ursehnsüchte aller Menschen aller Zeiten aufgreift: Wie schön wäre es, wenn wir auch heute und hier die genannten Belastungen überwinden könnten. Oder, in der Sprache des Glaubens ausgedrückt: Wenn das geschieht, dann wird es Himmel. Letztlich erleben alle Beteiligten ihre jeweiligen Zeichenhandlungen als ein Stück Auferstehung: Selbst die Feiernden in Kana, denen die Peinlichkeit eines misslungenen Hochzeitsfestes (das damals als böses Omen verstanden wurde) erspart bleibt – oder die Tausenden von Menschen, die Jesus bei der ‚Speisung der 5000' in der Wüste sättigt. Ein Mangel wird überwunden und ein neuer Hoffnungshorizont sichtbar. Gott zeigt, dass unsere vermeintlichen Grenzen für ihn nicht gelten. Und genau darin spiegeln sich seine Macht und seine Größe. Dabei folgen die Zeichenhandlungen im Johannesevangelium einem erstaunlich klaren Muster: Wir sehen Menschen, die Jesus begegnen und dabei entweder von ihm auf ein Bedürfnis angesprochen werden oder ihm ein wichtiges Anliegen vortragen. Dabei kommt es fast immer zu einem Missverständnis – auch ein markantes erzählerisches Motiv des Johannes. Der Kranke am Teich Betesda, der da seit 38 Jahren dahinvegetiert, wird von Jesus gefragt, ob er überhaupt gesund werden will. Wie bitte? Maria und Marta kapieren überhaupt nicht, was Jesus ihnen da so vollmundig von einer Auferstehung erzählt. Ha? Und die Jünger haben so gar keine Ahnung, wie sie all die Menschen sattkriegen sollen, die sich da um sie versammelt haben. Was soll das denn? Doch dann passiert jedes Mal etwas Erstaunliches: Die Betroffenen fangen nämlich an zu glauben. Und weil sie das tun, fängt Gott an, an ihnen zu wirken. Plötzlich geschehen Heilung, Sturmstillung, Weinwandel und vieles mehr. Wie gesagt: Auferstehung im weitesten Sinne, Gottes Kraft, die etwas tot Geglaubtes mit neuem Leben erfüllt. Und diejenigen, die dieses Handeln Gottes erfahren, fangen selbst an zu handeln. Sie folgen Jesus nach oder erzählen von den Zeichen, die ihnen widerfahren sind – und die Johannes ganz bewusst nicht ‚Wunder' nennt, weil es ihm eben darum geht, worauf diese wundervollen Zeichen verweisen: nämlich auf den Gott, der es Himmel werden lässt. Und weil es in allen Zeichenhandlungen um existentielle Veränderungen geht, die Menschen erleben, haben die Autorinnen und Autoren in dieser Bibelwoche entschieden, diese emotional dichten Prozesse als Überschriften ihrer Texte zu nehmen. Weil es darum geht, wie wir auch heute ‚Fröhlich werden', ‚Glücklich werden', ‚Beweglich werden', ‚Satt werden', ‚Bewahrt werden', ‚Hellsichtig werden' und ‚Lebendig werden'. In diesem Sinne dürfen wir die Zeichenhandlungen gerne als Beispielgeschichten verstehen, die uns in einen der großen Wesenszüge Gottes mit hineinnehmen: Er will und er kann uns neue Perspektiven schenken und vermeintliche Grenzen unseres Lebens sprengen. Besonders relevant wird all das, wenn wir uns fragen, an welchen Stellen wir Gott heutzutage möglicherweise missverstehen, an welchen Stellen wir einen neuen vertrauensvollen Glauben wagen können und an welchen Stellen es in unserem Leben ‚Himmel werden' kann. Denn dann haben wir die Zeichen-Geschichten des Johannes richtig verstanden - als Geschichten, die nicht nur von den Wirkungen Gottes erzählen, sondern selbst etwas bewirken wollen: einen Glauben, der in unserem Leben Zeichen geschehen lässt. Dazu passt es wunderbar, dass das Vorbereitungsteam Psalm 23 als Bibelwochen-Psalm ausgewählt hat, denn dieser erzählt ja gerade von einem tiefen und starken Vertrauen auf Gottes gute Begleitung, einem Vertrauen, das selbst ‚im finsteren Tal' keine Furcht kennt. Einem Vertrauen auf Gottes Tun, das – wie die Zeichenhandlungen – bewusst mit sehr sinnlichen Bildern umschrieben wird: Da wird ‚voll eingeschenkt', ‚das Haupt mit Öl gesalbt', ‚der Tisch gedeckt' und von einem ‚nicht vorhandenen Mangel' geschwärmt. Lauter Vorstellungen, die das anfängliche Verhältnis eines Hirten zu seinen Schafen längst hinter sich gelassen haben und uns auf verlockende Weise Gottes Güte vor Augen malen. Mit seinen oft lustvollen und hoch emotionalen Erzählungen macht Johannes deshalb auch deutlich, dass der ‚Himmel auf Erden' ein Genuss ist. Ein Fest. Eine wahre Freude. Man könnte sagen: Da, wo Menschen Heil erfahren, ist Gott mitten unter ihnen. Gegenwärtig. Da, wo Menschen Auferstehung erleben, ist der Himmel schon da; das Himmelreich, von dem Jesus so leidenschaftlich schwärmt und das sich doch so schwer in Worte fassen lässt. Obwohl: Vielleicht zeigt uns Johannes ja gerade, dass es gar nicht so schwer ist, wie wir meinen. Vielleicht reicht es manchmal schon, achtsam wahrzunehmen, wo und wie um uns und bei uns Gutes geschieht. Womöglich ist genau da Gott am Wirken. Dafür schärfen uns die Zeichenhandlungen des Johannesevangeliums den Blick.“ (S. 8–9) Im Gütersloher Verlagshaus (579-06148-1) ist mit Illustrationen von Friederike Rave das hochwertige Kartenset samt umfangreichem Booklet Starke Frauen der Bibel. Mit 12 weisen Begleiterinnen zu mehr Klarheit und Inspiration. Eine Entdeckungsreise von Thomas Lardon erschienen, das sich auf zwölf Frauen beschränkt, „die in der Bibel einen besonderen Platz einnehmen und in ihrem Leben etwas erfahren oder gelernt haben, was auch für moderne Frauen relevant ist. Natürlich sind die äußeren Umstände nicht vergleichbar – aber kommt es darauf wirklich an?“ (S. 10) Folgende starke biblische Frauengestalten werden mit je vier Karten vorgestellt: Sara – Rebekka – Tamar – Mirjam – Rut – Michal – Hanna – Maria – Marta – Maria Magdalena – Lydia und Priska. Es wird empfohlen, alle Karten gut durchzumischen und sie gefächert in einer Reihe vor sich hinzulegen. „Du legst sie mit der Rückseite nach oben – du siehst jetzt also nicht mehr, was sich auf der Vorderseite befindet. Nun geht es los: Wenn du eine Frage hast, die dir gerade jetzt in den Sinn kommt, reicht es, wenn du eine Karte umdrehst und dann in diesem Booklet die Erklärung oder Deutung des Zitats, das du auf der Kartenvorderseite findest, nachliest. Beschäftigt dich eine komplexere Frage, wie zum Beispiel die nach dem Potenzial einer bestimmten Situation, wirst du wohl drei Karten ziehen wollen: je eine für das Vergangene, das Gegenwärtige und das mögliche Kommende. Und vergiss bitte nicht, dass alles, was du möglicherweise erfahren wirst, Empfehlungen sind, keine Rezepte.“ (S. 12)
Insbesondere für die Erstbegegnung mit der Bibel und für die vielfältigen gemeinde- und religionspädagogischen Handlungsfelder ist in der Deutschen Bibelgesellschaft (438-00910-4) mit annähernd 2000 Seiten die BasisBibel. Die Kompakte. Altes und Neues Testament erarbeitet worden. Diese hervorragende Bibelausgabe beinhaltet folgendes Übersetzungsprofil: „Die Bibel ist das am häufigsten übersetzte Buch der Welt. Dabei gibt es nicht nur Übersetzungen in verschiedene Sprachen, sondern auch unterschiedliche Fassungen innerhalb einer Sprache. Seit Martin Luther (1483-1546) hat die Übersetzung der Bibel in Deutschland einen besonderen Stellenwert. Heute gibt es zahlreiche Bibelübersetzungen in die deutsche Sprache. Und noch immer kommen neue hinzu – so auch die BasisBibel. Jede Übersetzung steht vor der Herausforderung, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Ausgangstext und den heutigen Leserinnen und Lesern. Daraus ergeben sich zwei Arten von Bibelübersetzungen. Die erste Art, die wörtliche Übersetzung, bleibt möglichst nah am Ausgangstext. Gleiche Vokabeln werden möglichst gleich übersetzt. Der Aufbau der Sätze folgt, wenn möglich, der Struktur der Ausgangssprache. Das, was den Leserinnen und Lesern der Bibel vor 2000 Jahren bekannt war, wird auch heute als bekannt vorausgesetzt. Erklärende Zusätze im Text gibt es deshalb nicht. Die zweite Art, die kommunikative Übersetzung, legt dagegen besonderen Wert darauf, für Leserinnen und Leser heute verständlich zu sein. Sie orientiert sich stärker am Sinn des Ausgangstextes und versucht, diesen Sinn heute verständlich zu vermitteln. Hintergrundwissen zu bestimmten Sachverhalten kann hier als Teil der Übersetzung in den Text einbezogen werden. Das können Informationen zum Alltagsleben der damaligen Zeit sein, aber auch zu religiös oder theologisch komplexen Sachverhalten. Kommunikative Übersetzungen sind deshalb in der Regel etwas umfangreicher als wörtliche Übersetzungen. Für nicht so mit der Bibel vertraute Leserinnen und Leser sind sie oft leichter zu verstehen. Zwischen diesen beiden Arten von Übersetzungen schlägt die BasisBibel einen neuen Weg ein. Sie findet innovative Lösungen, um die Treue zum Ausgangstext mit einer möglichst guten Verständlichkeit zu verbinden. In ihrer Wortwahl bleibt sie dichter beim Ausgangstext als andere kommunikative Übersetzungen. Theologische Grundbegriffe bleiben damit besser erkennbar. Sie verzichtet auch auf breite Erläuterungen direkt im Text. Stattdessen hat sie viele Anmerkungen am Rand oder in den digitalen Ausgaben als Link. Unbekannte Sachverhalte oder schwierige Begriffe werden so erklärt. Besonders wichtig ist der BasisBibel der einfache und leicht verständliche Aufbau der Sätze. Ein Satz in der BasisBibel hat in der Regel nicht mehr als 16 Wörter und höchstens einen Nebensatz. Darüber hinaus sind die Sätze in Sinneinheiten gegliedert, die das Lesen zusätzlich erleichtern. In manchen Druckausgaben und in den digitalen Fassungen werden diese Sinneinheiten jeweils in einer eigenen Zeile wiedergegeben. Die BasisBibel ist also eine neue Übersetzung aus den biblischen Ursprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch, die gut zu lesen und leicht zu verstehen ist.“ (S. 1949) Zur Verwendung des Gottesnamen in der BasisBibel wird erklärt: „Im Alten Testament fällt ein Wort beim Lesen besonders auf: Herr. Schon die Schreibweise soll deutlich machen, dass es sich hier um ein ungewöhnliches Wort handelt. Aus dem unmittelbaren Zusammenhang geht meist klar hervor, dass mit ‚Herr‘ niemand anderes als Gott selbst gemeint ist. Im Hebräischen steht an diesen Stellen der Name Gottes: JHWH. Da in den ältesten hebräischen Texten nur Konsonanten überliefert sind, weiß man nicht mehr, wie der Name ausgesprochen wurde. Vieles spricht dafür, dass er Jahwe gelautet hat. Für das hebräische Denken ist ein Name nicht nur irgendein Wort unter vielen. Er sagt etwas über den Namensträger bzw. die Namensträgerin aus und ist aufs Engste mit seinem bzw. ihrem Wesen und Wirken verbunden. Durch das Aussprechen des Gottesnamens wird Gott selbst gegenwärtig. Wenn Wünsche oder Segensworte mit seinem Namen verbunden werden, wirkt Gottes ganze Macht in diesen Worten. In der Bibel gibt es eine Erzählung, in der dieser Gottesname eingeführt und gedeutet wird: 2. Mose/Exodus 3,1-14. Gott beruft Mose dazu, zu den Israeliten zu gehen und sie in seinem Auftrag aus der Sklaverei in Ägypten zu befreien. In den Zehn Geboten gibt es die Warnung davor, den Namen Gottes zu missbrauchen. Aus Respekt vor Gott und aus der Sorge, Gottes Namen in einem falschen Zusammenhang zu verwenden, hat man deshalb schon vor über 2000 Jahren den Namen Gottes nicht mehr ausgesprochen. Stattdessen verwendete man andere Bezeichnungen, am häufigsten „Herr“. Dieser Titel bzw. diese Anrede wird auch an anderen Stellen in der Bibel für Gott verwendet und wurde zum Ersatzwort für den Gottesnamen. Schon die ersten Übersetzungen des Alten Testaments haben diesen Brauch übernommen. Wie der Gottesname selbst verweist das Ersatzwort darauf, dass der Gott Israels nur in Beziehung zu seinem Volk gesehen werden kann. Auch das Neue Testament folgt dieser Tradition. Deshalb heißt es in Apostelgeschichte 2,21: ‚Jeder, der dann den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden!‘ Das ist ein Zitat aus Joel 3,5. Im hebräischen Original steht in Joel 3,5 der Gottesname JHWH. Im Neuen Testament wird außerdem auch Jesus als ‚Herr‘ angeredet bzw. bezeichnet. Auf dem Hintergrund des Alten Testaments und dem dort verwendeten Ersatzwort für den Gottesnamen bekommt diese Anrede eine besondere Bedeutung: Wenn Jesus Christus der Herr ist, dann begegnet in ihm Gott selbst den Menschen. Wenn Übersetzungen heute im Alten Testament diese Wiedergabe des Gottesnamens verwenden, folgen sie also einer schon im Neuen Testament und in den ältesten Übersetzungen des Alten Testaments belegten Tradition. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass HERR nicht der eigentliche Name Gottes ist, sondern nur ein Ersatzwort. Deshalb ist das Wort im Alten Testament im Druckbild gekennzeichnet. Das erinnert daran: Hier geht es um den Gott, der in Beziehung zu seinem Volk und den Menschen insgesamt ist.“ (S. 1950) In der Tat ist die BasisBibel. Die Kompakte eine perfekte Bibel für das 21. Jahrhundert: aktuell, einfach zu lesen und gut zu verstehen!
Ebenfalls als Einsteigerbibel sehr gut geeignet ist Die Bibel für Neugierige, die Georg Langenhorst mit Illustrationen des Bilderbuchkünstlers Tobias Krejtschi im Katholischen Bibelwerk (460-25556-2) verlegt hat und die folgende Intention hat: „Ein Buch, das Ihnen den Zugang zur Bibel vereinfachen will. Das Ihnen die wesentlichen Erzählungen der Bibel und die schönsten poetischen Texte nahebringen will. Ein Buch, das Sie mit dem ‚roten Faden' vertraut machen wird, der sich hinter allen Einzelbüchern finden lässt. Das Sie hineinnimmt in den Sog dieser 3000 Jahre alten Tradition, aus der heraus Milliarden von Menschen ihr Leben gestaltet haben – und gestalten, bis heute. Ein ganzer Kosmos von Lebensperspektiven wird sich uns erschließen: tragfähige Antworten auf menschliche Urfragen und Stiftung von Beziehung; moralische Orientierung und Trost; Hoffnung und die Bewältigung von Angst; die Annäherung an das Geheimnis Gottes und das Kennenlernen von Jesus. Damit erfüllen wir einen Auftrag, den die Bibel selbst formuliert. Im ‚Ersten Petrusbrief' lesen wir: ‚Seid stets dazu bereit, jedem, der fragt, über euren Glauben Rede und Antwort zu stehen. Gebt Zeugnis über die Hoffnung, die euch erfüllt.‘ (1 Petr 3,15) Diese Einsteigerbibel will Ihnen genau dazu verhelfen.“ (S. 6) Der Autor verfolgt dazu dieses Konzept: „Erste Entscheidung: Eine Einsteigerbibel muss auswählen. Die 73 Bücher, die sich katholischer Zählung zufolge in der Bibel zusammenfinden, sind für einen Erstzugang viel zu umfangreich, zum Teil auch zu sperrig. Wir wählen aus: die wichtigsten Geschichten, die grundlegenden Texte, die schönsten Gedichte und Gebete. Zweite Entscheidung: Die biblischen Originaltexte wurden in Hebräisch und Griechisch verfasst. Seit mehr als 500 Jahren liegen ungezählte deutsche Übersetzungen vor. Und jede Übersetzung kann gar nicht anders als zu deuten. Wir bieten eine eigene Textversion an: mal vereinfachend, mal zusammenfassend, mal sanft kommentierend, oft notwendigerweise stark kürzend. Das Ziel liegt einerseits darin, der Bibel selbst gerecht zu werden, andererseits so zu formulieren, dass die uralten Texte heute verständlich sind. Leitgebend ist eine enge Orientierung an der neuen ‚Einheitsübersetzung' (2016), auf deren Originaltexte wir hinweisen werden. Oftmals gibt es viel mehr biblische Bezüge als angegeben. Wir beschränken uns auf die grundlegenden. Wer mag, kann die Originaltexte dort nachlesen. Dritte Entscheidung: Bibelausgaben sind immer schon illustriert worden. Bilder regen unsere Fantasie und unser Gefühl an. Sie helfen uns, das Gelesene besser und tiefer zu verstehen und zu behalten. Der vielfach ausgezeichnete Künstler und Buchillustrator Tobias Krejtschi hat für die ‚Kinderbibel‘ ganz eigenartige, wunderbare Bilder entworfen – schwebend, faszinierend, einladend, deutungsoffen. Stets verbinden sie die Welt des Alten Testaments oder der Zeit Jesu mit unserer Gegenwart. Witzig, gewitzt, aber voller Respekt. Sie machen deutlich: Wir erzählen von DAMALS, weil es unser HEUTE betrifft. Diese Bilder werden hier erneut aufgenommen. Vierte Entscheidung: Eine Einsteigerbibel benötigt Erklärungen und Hintergrundinformationen. Wir werden sie einspielen, ohne dass sie die biblischen Texte selbst beschweren oder belasten. Und wir werden sie auf ein Mindestmaß beschränken. Unsere Einsteigerbibel soll die biblischen Texte selbst ins Zentrum stellen. Am Ende des Buches finden Sie ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit den gebündelten Hinweisen auf die Bezugsstellen in der ‚Vollbibel'. Im Nachwort können Sie schließlich einige grundlegende Erläuterungen zur Entstehung und zum Verständnis der Bibel sowie zur Text-und-Bild-Konzeption dieser Einsteigerbibel nachlesen. Was sollten Sie vorab wissen? Die Texte der Bibel sind über einen Zeitraum von 1000 Jahren entstanden. Fast nie stammen sie von Augenzeugen der erzählten Ereignisse. Sie wurden später verfasst, als Erinnerung, als Zeugnis. Die Autoren wollten und konnten nicht schreiben wie heutige Historiker. Sie erzählen die Geschichte ihres Volkes, des Volkes Israels. Des ‚Gottesvolkes', in dem sich Gott in besonderer Weise zeigt. Und dann die Geschichte des Jesus von Nazaret, der mitten in sein jüdisches Volk hineingeboren wurde und ohne diesen Hintergrund gar nicht zu verstehen ist. In den Erzählungen, hinter ihnen, durch sie hindurch haben wir Lesenden die Möglichkeit, Gott zu begegnen. Nie direkt. Nie unmittelbar. ER lässt sich nicht beweisen, ER zeigt sich. ER lässt sich nicht ergreifen, ER lässt sich erspüren. Wir, die Lesenden, werden dabei von Anfang an ernst genommen: Die Geschichten geben Zeugnis ab. Wir sollen sie deuten können für unser eigenes Leben. Nein, sie stimmen häufig nicht ,wortwörtlich'. Denn so funktionieren Erzählungen aus dem ‚Nahen Osten' nicht. Sie umkreisen, sie deuten an, sie verlocken. Ja, sie stimmen, auf ihre Weise. Ja, sie enthalten und vermitteln ‚Wahrheit'. Aber eben auf ihre eigene Art. Als Einladung, als Angebot. Für ganz unterschiedliche Menschen: Die Bibel ist und bleibt ein Buch für Gläubige, Suchende, Zweifelnde, für Anders-Gläubige, ja selbst für Ungläubige. Ihr Reiz erschöpft sich nicht. Probieren Sie es aus!“ (S. 7–8)
Die folgenden sechs Neuerscheinungen von Kinder- und Jugendbibeln sind anzuzeigen: Judith Vonderau hat mit Illustrationen von Katrina Lange für Kinder ab vier Jahren im Camino Verlag (96157-193-29) die Kinder-Jahreskreis-Bibel veröffentlicht, die entlang der Feste durch den Jahreskreis führt. Die Autorin stellt den Lesenden dieses Buch so vor: „Gott ist immer bei uns. Jeden Tag begleitet er uns bei allem, was wir tun. Schon vor vielen, vielen Jahren haben Menschen genau das erlebt: Gott ist bei mir und begleitet mich durch mein Leben! In der Bibel haben einige Menschen ihre Erlebnisse mit Gott aufgeschrieben. Hast du Lust ein paar spannende Geschichten aus der Bibel kennenzulernen? Dieses Buch begleitet dich durch das ganze Jahr. Du hast also immer was zu lesen. Und es gibt noch viel mehr zu entdecken! Denn die Bibelgeschichten haben mit den Festen und Feiertagen zu tun, die wir heute feiern. Bestimmt kennst du einige davon und hast selbst schon Ostern, Weihnachten, St. Martin oder Erntedank gefeiert. Das Buch ist so aufgebaut: Zu Beginn jeden Abschnitts gibt es eine Bibelgeschichte oder eine Heiligenlegende. Danach erfährst du mehr über eines der vielen Feste im Jahreskreis, die mit dieser Geschichte zu tun haben. Du kannst darüber lesen, warum diese Feste gefeiert werden, wie sie entstanden sind, was das Besondere an ihnen ist und welche unterschiedlichen Bräuche und Traditionen es dazu gibt. Und oft findest Du auch etwas, das du selbst ausprobieren kannst. Bestimmt kennst du schon einige Geschichten, Feste und Bräuche. Vielleicht ist aber auch das eine oder andere Neue für dich dabei. Schau mal, was es alles zu entdecken gibt.“ (S. 7) In der Deutschen Bibelgesellschaft sind fünf neue Bibelausgaben erschienen. Den Beginn macht Meine Such- und Wimmelbibel (438-04770-0) von Andrew Norton in der deutschen Übersetzung von Ramona Dobler mit Illustrationen von Mario Gushiken, in der zwölf farbenfrohe Such- und Wimmelbilder aus dem Alten und dem Neuen Testament Kinder dazu einladen, die bekanntesten Menschen und Geschichten aus der Bibel kennenzulernen. Jede Geschichte wird aus der Sicht einer Person erzählt, die eigentlich in eine ganz andere biblische Geschichte gehört. Sie versucht herauszufinden, in welche Geschichte sie geraten ist und vergleicht diese Geschichte dann mit ihrer eigenen. Es geht von der Schöpfung und Noahs Arche über Daniel in der Löwengrube sowie Jona und der große Fisch bis zu Jesus und die Kinder, Zachäus trifft Jesus und die erste Gemeinde. Christiane Herrlinger hat mit Illustrationen von Mathias Weber Die bunte Kinderbibel für dich (438-04732-8) angefertigt, die neun Geschichten enthält: Gott macht die Welt – Noah und die Arche – Mose und der Pharao – David und Goliat – Jona und der große Fisch – Die Weihnachtsgeschichte – Jesus macht Menschen gesund – Der verlorene Sohn – Die Ostergeschichte. Mathias Weber hat ebenfalls Meine 14 Bibelgeschichten zu den großen Gefühlen (438-04742-7) von Susanne Ospelkaus illustriert, ein Buch für Kinder zum Vorlesen oder Selberlesen mit kundigen Hilfen zum Verständnis für Erwachsene. Es geht der Frage nach, wie und wo Gefühle in biblischen Erzählungen, aber auch in poetischen Texten – etwa dem Schöpfungspsalm 104 und dem Hohenlied – in der Bibel vorkommen: Staunen – Hoffnungslosigkeit – Wut – Neid – Hass – Liebe – Trost – Freude – Neugier – Angst – Dankbarkeit – Trauer – Scham – Begeisterung. Eine Auswahl an 15 Bibelgeschichten, die für das Aufwachsen und Größerwerden von Kindern besonders wertvoll sind und die wichtige Werte für ein gelingendes Leben auf sensible Weise erzählerisch in den Vordergrund rücken, enthält Meine 15 wertvollsten Bibelgeschichten (438-04767-0) von Hannah Oblau mit Illustrationen von Marijke ten Cate samt einem hilfreichen Anhang für Erwachsene. Es geht um folgende Geschichten: Gottes wertvolle Welt – Gott hält sein Versprechen – Gott geht mit Josef – Gott rettet sein Volk – Rut hilft Noomi – David wird ausgewählt – Daniel ist mutig – Macht euch keine Sorgen – Zachäus macht es wieder gut – Jesus hilft im Sturm – Die Hoffnung nicht verlieren – Ein Kind teilt, was es hat – Ein Fremder hilft sofort – Immer bei Gott willkommen – Thomas kann es nicht glauben. Das Megabuch. Bibelgeschichten. Das Neue Testament (438-04663-5) wird von einem zwölfköpfigen Redaktionsteam verantwortet und enthält 15 überraschend gestaltete Geschichten: Das Geheimnis um Jo – Jesus kommt zur Welt – Jesus wird getauft – Sprungbrett: Aller Anfang ist schwer – Das J-Team – Jesus spricht zu den Menschen – Jesus tut Wunder – Jesus erzählt Gleichnisse – Jesus begegnet Menschen – Jesus stirbt – Jesus steht vom Tod auf – Himmel, Feuer und Flamme – Gefangen in Rom – Timotheus ist unterwegs – Gottes Himmel auf Erden. Das Team verspricht nicht zuviel: „In diesem Megabuch findest du Geschichten aus dem Neuen Testament der Bibel. Darin geht es vor allem um Jesus und die Menschen, denen er begegnet ist. Mit dem Megabuch kannst du die Geschichten aus der Bibel anders und neu entdecken. Blättere einfach durch das Buch und fang da an, wo du hängenbleibst. Im Megabuch werden diese Bibelgeschichten nicht nacherzählt, sondern anders erzählt. Stell dir vor, es hätte zur Zeit von Jesus bereits Handys gegeben. Welche Selfies hätten die Menschen gemacht, die Jesus begegnet sind? Was wäre, wenn es ein Stickeralbum mit den Freundinnen und Freunden von Jesus gegeben hätte? Welche Sticker müssen eingeklebt werden? Wie sähe es aus, wenn du an einem Escape Game teilnehmen könntest und dabei Paulus aus seinem Arrest in Rom befreist? Oder das Reisetagebuch von Timotheus liest? Was hätte damals in Jerusalem in der Zeitung gestanden?“ (S. 5)
Das Bilderbuch Gottes. Wie die Gleichnisse Jesu uns das Leben vor Augen malen lautet der Titel eines Buches, das von Fabian Vogt mit Illustrationen von Joy Katzmarzik in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (438-04848-6) erschienen ist und zwölf der bekanntesten Gleichnisse nachspürt. Der Autor ist überzeugt: „Darin geht es um das pralle Leben. Um Lachen und Weinen, um Ärgern und Feiern, um Hoffen und Bangen, um Angst und Vertrauen – einfach um alles, was ein Leben herausfordernd und lebenswert macht. Denn damals wie heute wollten und wollen die Leute vor allem eines gerne wissen: Wie funktioniert das mit dem Dasein? Das Erzählen von Gleichnissen war, so scheint es, eine der großen Leidenschaften von Jesus. Im Neuen Testament heißt es wörtlich: ‚Ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen.‘ (Markus 4,34) Starker Satz! Offensichtlich waren diese kurzen, knackigen Stories, die mit Sprachwitz, fesselnden Spannungsbögen und lebensnahen Details daherkommen, genau seine Sache. Natürlich wurden und werden in vielen (gerade orientalischen) Kulturen regelmäßig Gleichnisse erzählt, aber für Jesus entwickelten sie sich zu einem Erkennungsmerkmal: Das ist der, der so gerne anschauliche Geschichten erzählt. Das ist seine Art, den Menschen zu zeigen, wie sie sich selbst, ihren Nächsten näherkommen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind deshalb überzeugt: Wer sich mit den Gleichnissen beschäftigt, der ist besonders nah am historischen Jesus dran. Die Gleichnisse sind wirklich spektakulär. Schauen wir uns das doch mal an: Einem absoluten Loser wird alles verziehen. – Ein geschmückter Festsaal wird mit irgendwelchen Dahergelaufenen gefüllt. – Ein gesellschaftlicher Außenseiter avanciert zum Helden der Straße. – Ein verachteter Zollbeamter kann cooler beten als ein studierter Geistlicher. – Und einer, der 12 Stunden lang hart gearbeitet hat, kriegt genauso viel Lohn wie der, der nur eine gechillte Stunde am Arbeitsplatz war: Das ist richtig gutes Storytelling. Netflix fürs Lagerfeuer! Was zum Anregen ... und zum Aufregen. Bei all diesen Geschichten gilt: Gleichnisse heißen die smarten Erzählungen, weil sich das, was sie beschreiben, mit unserem Leben vergleichen lässt. Weil bei ihnen in eine äußere Erzählebene eine tiefergehende Sinnebene eingewoben ist, die den Hörerinnen und Hörern einen unerwarteten Verstehenshorizont anbietet und ihnen Lust macht, sich mit den geschilderten Erfahrungen auseinanderzusetzen. So, dass sie ihren eigenen Fragen auf die Spur kommen. Das Faszinierendste an den Gleichnissen Jesu bleibt aber: Die Settings, in denen sie spielen, mögen antik sein, die damit verbundenen Themen sind es nicht. Die sind zeitlos. Mehr noch: Wir werden sehen, dass sie viele brandaktuelle Diskussionen unserer Gesellschaft schon vor 2000 Jahren bedacht haben. Insofern geht es in diesem Buch weniger darum, die Gleichnisse Jesu zu erklären – gute Geschichten muss man nicht erklären – als darum, sie in ihrem Kontext zugänglich zu machen. Weil die Menschen vor 2000 Jahren manches anders gehört haben, als wir es heute tun.“ (S. 7–8)
In der Neukirchener Verlagsgesellschaft sind zwei Bücher zum aktuellen Umgang mit biblischen Geschichten erschienen: Zum einen Von Freundschaft, Freaks und Fragezeichen. Überraschend Aktuelles aus der Bibel (7615-7010-4) von Hauke Burgarth, in dem der Verfasser 20 Bibeltexte Geschichten bleiben lässt und sie samt ihrer Personen in unsere alltägliche Erlebniswelt holt: „Da ist einiges ausgeschmückt und manches weggelassen. Geschenkt. Aber die Männer und Frauen der Bibel fangen wieder an zu atmen, wenn sie ihren alten Herausforderungen in unserer heutigen Zeit begegnen – genauso wie du. Die kurzen Begegnungen mit bekannten und weniger bekannten Personen aus der Bibel sind kein Ersatz fürs Original. Sie können maximal eine Brücke dorthin bauen. Deshalb sind sie auch nie „auserzählt“ und am Ende jedes Abschnitts steht ein Textverweis auf die ursprüngliche und vollständige Geschichte zum Weiterlesen, Überlegen und Diskutieren. Du kannst die Kapitel allein für dich betrachten, dich darüber freuen, ärgern und nachdenken. Noch besser ist es, wenn du sie mit Freunden und Bekannten zusammen besprichst, vielleicht in einer Kleingruppe deiner Kirche oder Gemeinde. So entfalten die Storys eine ganz eigene Dynamik. Am Ende jedes Kapitels stehen ein paar Fragen, die dir oder euch als Gruppe dabei helfen können, tiefer einzusteigen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Im Anhang kannst du außerdem nachschauen, wo welche Person oder ein bestimmtes Thema vorkommt. Und jetzt lass dich überraschen von den Normalos und Held:innen der Bibel, wenn sie in deiner Nachbarschaft unterwegs sind. Höre ihnen zu, wenn sie von Freundschaft, Freaks und Fragezeichen erzählen.“ (S. 11) Zum anderen Janina Crocoll und ihr Buch Begegnet. Biblische Geschichten und dein Platz darin (7615-6961-0), dessen 12 besondere Geschichten alle ihren Ursprung und ihre Inspiration in der Bibel haben: „Alle Gefühle und Gedanken der einzelnen Personen sind frei erfunden und spiegeln keine historische Korrektheit wider. Der Zugang zu den biblischen Erzählungen erfolgt nicht durch eine historisch-kritische Exegese, sondern rein meditativ-theologisch.“ (S. 21) Dieses Buch versucht dabei zu helfen, sich selbst auf die Spur zu kommen. Dafür lässt es die Lesenden in jedem Kapitel in eine biblische Inspiration eintauchen und möchte sie gestärkt für den eigenen Alltag wieder auftauchen lassen. Die Reflexionsfragen helfen, die Begegnungen in das eigene Leben einzubetten, den eigenen Gefühlen auf die Schliche zu kommen und so auch möglicherweise einen neuen Weg zur eigenen Gottbeziehung und zu sich selbst zu gewinnen.
Schließlich sei noch auf den Bergedorfer Führerschein Der Bibel-Führerschein - 3./4. Klasse von Nicole Weber im Persen Verlag (403-21172-3) hingewiesen, der folgendes Ziel verfolgt: „Viele Kinder kommen ohne biblische Vorerfahrungen in den Religionsunterricht. Mithilfe dieses Führerscheins werden die Schülerinnen und Schüler an den Aufbau und die Inhalte der Bibel herangeführt. Ziel ist unter anderem, dass sich die Kinder besser in der Bibel zurechtfinden und etwas über die Entstehung des Buches lernen. Auch zum Thema Bibelfunde gibt dieser Führerschein Auskunft. Ebenfalls thematisiert werden Besonderheit der Bibel, der Aufbau des Alten und des Neuen Testaments sowie die Evangelisten. Dieser Bibel-Führerschein soll die Kinder darin fördern, neugierig auf die Bibel und auf biblische Geschichten zu werden, sodass die Schülerinnen und Schüler Freude entwickeln, in der Bibel zu lesen.“
4 Interreligiöse Bildung
Wolfgang Reinbold hat im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (525-60036-8) das Taschenbuch Warum ist der Buddha so dick? 101 Fragen und Antworten aus der Welt der Religionen veröffentlicht, in dessen Vorwort der Verfasser erklärt: „Als wir zur Schule gingen, fiel die religiöse Orientierung in Deutschland nicht schwer. Wenn Religion zum Thema wurde, genügte es meist, zu fragen: ‚Bist du evangelisch oder katholisch?‘ Heute ist diese Frage immer noch wichtig. Aber zur Orientierung reicht sie längst nicht mehr aus. Denn die Kirchen haben mittlerweile Gesellschaft bekommen. Muslimische Moscheen, jüdische Synagogen, buddhistische Tempel, hinduistische Tempel, alevitische Cem-Häuser, ezidische Zentren und die Gebetsräume vieler anderer Gemeinschaften sind hinzugekommen. Es fällt nicht ganz leicht, sich in dieser bunten und oft komplizierten Welt der Religionen zurechtzufinden. Eine erste Orientierung bietet dieses Buch. Es geht auf eine Radiosendung und einen YouTube-Kanal zurück, die der Evangelische Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen (EKN) 2020 ins Leben gerufen hat: Religion in 60 Sekunden. Mittlerweile wurden mehr als 150 Folgen gesendet. Jede Woche eine Frage, die in der Redaktion eingegangen ist oder die bei der täglichen journalistischen Arbeit aufkam. Jede Woche der Versuch einer Antwort in 60 Sekunden.“ (S. 9) Ein sehr gelungenes erstes Paket von Fragen und Antworten! Zum Gebet einladen. Impulse aus der Praxis des evangelischen, islamischen und katholischen Religionsunterrichts lautet das von Clauß Peter Sajakebenfalls im Vandenhoeck&Ruprecht Verlag (525-70007-5) herausgegebene Praxisbuch mit Ideen für die Einübung und Reflexion von Gebeten im Religionsunterricht: „Wir haben in dieser Publikation die Bausteine aus den drei Religionsdidaktiken bewusst nach Konfessionen ‚sortiert‘, sodass die ersten drei Beiträge von evangelischen Religionspädagoginnen, die nächsten drei von katholischen Kolleginnen und Kollegen und die letzten drei von muslimischen Autorinnen verfasst worden sind. Somit kann der oder die nach einem konfessionellen Baustein suchende Leser einfach Orientierung finden. Zugleich konnten Bausteine für den Religionsunterricht in der Grundschule im ersten Teil des Buches zusammengestellt und Bausteine für den Religionsunterricht in den Sekundarstufen im zweiten Teil gesammelt werden. Eine solche ‚Matrix-Struktur‘ war auch deshalb möglich, weil die evangelischen Autorinnen alle an Grundschulen tätig sind, während die muslimischen Kolleginnen sich auf den Religionsunterricht im Jugendalter in der Sekundarstufe I und II beziehen. Da die katholischen Beiträge sowohl aus der Grundschule als auch aus der Sekundarstufe I stammen, ließen sich diese problemlos dazwischen einordnen. Am Ende jedes Beitrags finden Sie einen Abschnitt mit Informationen zu den entsprechenden Materialien und deren Auffindbarkeit im Downloadmaterial zur weiteren Bearbeitung. Wichtig: Alle Bausteine sind nicht für den interreligiösen Unterricht, sondern als Beiträge für den bekenntnisbezogenen Religionsunterricht konzipiert worden. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Ideen in gemischtreligiösen Lerngruppen, wie sie ja gerade im Religionsunterricht der Grundschule und des Berufskollegs üblich sind, mit entsprechender Achtsamkeit und Sensibilität eingesetzt und weiterentwickelt werden können. Interreligiös lernen wird aber jede Leserin beziehungsweise jeder Nutzer allein schon durch die Lektüre der Beiträge aus der nicht-eigenen Tradition.“ (S. 7–8) Ein wichtiges Buch zum Beten als religiösem Grundvollzug! In der Reihe „Religion und Kommunikation in Bildung und Gesellschaft“ ist im W. Kohlhammer Verlag (17-044708-0) der von Sandra Anusiewicz-Baer, Christian Hild und Abualwafa Mohammed herausgegebene interessante Band Religiöse Bildung im Transfer. Vermittlung zwischen Religionen, Sprachen und Kulturen veröffentlicht worden. Sie schreiben in ihrer Hinführung: „Im Kontext Schule sind interreligiöse Bildung und interreligiöse Projekte wichtige Elemente einer dialogischen und ganzheitlichen Bildung. Öffentliche Theologie kann nicht nur durch den Religionsunterricht bedient werden, vielmehr sind hierfür Transdisziplinarität und fächerübergreifender Unterricht Voraussetzungen. RKGB widmet sich mit dem vorliegenden Band dem Zielhorizont, die Pluralität kultureller Einflüsse auf die religiöse Erfahrung sichtbar zu machen und den Dialog sowie die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen kulturellen und religiösen Gemeinschaften zu fördern. Entsprechende Bildungskonzepte und -kompetenzen stellen die Autor*innen in diesem Zusammenhang in unserem Band vor. Die öffentliche Kommunikation und die öffentlich verwendete Sprache beeinflussen die Art, wie Schüler*innen sowohl ihre eigene Religion als auch andere Religionen wahrnehmen. Um diese Wahrnehmung positiv und friedensbetont zu gestalten, ist es sinnvoll, das ‚Transformations‘-Dreieck im schulischen Kontext bzw. in der schulischen Kommunikation und in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen einzusetzen. So lässt sich ein theoriegeneratives und praxisreflexives Koordinatensystem aus einer religionspädagogischen und -didaktischen Perspektive und aus dem Präfix trans- konstituieren, das unterschiedliche Handlungsfelder generiert, die in den unterschiedlichen Beiträgen aufgegriffen und auf die Interrelation von Religion, Kommunikation, Bildungsprozessen und Gesellschaftssystemen zugeschnitten werden.“ (S. 18) Alle zwölf Beiträge arbeiten sowohl die Grenzen und Limitierungen von Translationen heraus als auch die unterschiedlichen Versuche, neue Ansätze zu deren Flexibilisierung und interpretativen Ausdehnung zu formulieren. „Der Akt des Übersetzens ist immer auch eine Art, sich mit der Fremdheit der Sprachen – dem Nicht-Übersetzbaren – sowohl von Fremdsprachen als auch von Sprachkontexten – religiös versus profan – auseinanderzusetzen. Gleichzeitig offenbart sich in der gelungenen Übersetzung die ‚Verwandtschaft der Sprachen‘, dem gleich einer Familienkonstellation, Begriffe, Wörter, Satzkonstruktionen, mithin die Grammatik und Lexikalität verwandelt werden und verwandtschaftlich fortbestehen und fortleben, ja weiter tradiert werden können, um so lebendig zu bleiben.“ (S. 21) Friedrich Schweitzer, Evelyn Schnaufer, Eva Dubronner und Hanne Schnabel-Henke haben im Waxmann Verlag (8309-4877-3) die Ergebnisse einer Interventionsstudie an Evangelischen Fachschulen in Baden-Württemberg Interreligiöse Kompetenz für pädagogische Fachkräfte im Elementarbereich herausgegeben, zu deren Anlass und Fragestellung sie im Vorwort schreiben: „Dieser Band nimmt mehrere aktuelle Desiderate auf, die sich ebenso auf schulische Zusammenhänge und die religionspädagogische Ausbildung für den Elementarbereich beziehen wie auf die elementarpädagogische Praxis in einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft. Er rückt zugleich eine Grundaufgabe des Berufsschulreligionsunterrichts (BRU) in den Vordergrund – insbesondere an Fachschulen für Sozialpädagogik, wo dieser Unterricht vermehrt eine berufsbezogene interreligiöse Kompetenz unterstützen soll. Im Anschluss an frühere Untersuchungen steht weithin vor Augen, dass die herkömmlichen Formen der Ausbildung und der Fortbildung für den Elementarbereich in dieser Hinsicht das Ziel, Fachkräfte auf die sich heute mit den gewandelten religiösen Voraussetzungen in den Kindertageseinrichtungen verbundenen Aufgaben vorzubereiten, nicht oder nicht mehr in ausreichendem Maße realisieren können. Kindertagesstätten arbeiten inzwischen fast überall, wenn auch nicht in gleicher Ausprägung, mit Kindern und Eltern, die verschiedenen Kulturen und Religionen angehören oder keine formelle Religionszugehörigkeit haben. Insbesondere muslimische Kinder finden sich in den allermeisten Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Auf deren pädagogische und religionspädagogische Begleitung muss daher auch die Ausbildung für den Elementarbereich eingestellt sein. Von früh auf geht es um die Ermöglichung eines Zusammenlebens in Frieden und Toleranz, wechselseitiger Anerkennung und Respekt sowie um eine umfassende Förderung der Kinder, auch in religiöser Hinsicht. Deshalb wird interreligiöse Kompetenz in diesem Handlungsfeld immer wichtiger. Doch kann interreligiöse Kompetenz tatsächlich in der Ausbildung für den Elementarbereich gefördert werden? Über welche Möglichkeiten verfügt der Religionsunterricht, der im Rahmen dieser Ausbildung auch für die Ausbildung religionspädagogischer Kompetenzen zuständig ist? Diese Fragen betreffen nicht zuletzt die empirische Unterrichtsforschung, da heute im Horizont der Kompetenzorientierung empirisch nachweisbare Zuwächse der gewünschten Kompetenzen als erforderlich angesehen werden. Im Zentrum des vorliegenden Bandes steht eine Interventionsstudie, die sich auf genau diese Frage bezieht. Damit trägt der vorliegende Band zugleich zur religionspädagogischen Forschung insgesamt bei, da es in der Religionspädagogik noch weithin an entsprechenden empirischen Untersuchungen mangelt. Die im vorliegenden Band dargestellten Befunde zeigen exemplarisch, dass aus solchen Untersuchungen wichtige Anregungen und Impulse für die Praxis erwachsen können. Die Studie bezieht sich mit den Evangelischen Fachschulen für Sozialpädagogik in Baden-Württemberg auf einen begrenzten Teil der Fachschulen. Ziel sind insofern nicht etwa Erkenntnisse, die sich auf alle Fachschulen verallgemeinern lassen. Vielmehr soll exemplarisch geprüft werden, über welche Möglichkeiten der BRU im Hinblick auf den Erwerb interreligiöser Kompetenz verfügt. In diesem Sinne kann auch von einer Pilotstudie gesprochen werden, die durch weitere Untersuchungen vor allem in Fachschulen für Sozialpädagogik in staatlicher Trägerschaft weitergeführt werden sollte. Die an der vorliegenden Untersuchung beteiligten Schulen verstehen sich aber nicht als nur kirchlich relevante Einrichtungen. Die Gründungsgeschichte dieser Schulen reicht in der Regel ins 19. Jahrhundert zurück und folgt der Intention, allen Menschen in der Gesellschaft zu dienen. Darin waren diese Schulen vielfach frühe Impulsgeber für erst viel später in Gang gekommene gesellschaftliche Reformen. Heute ist nicht zuletzt ihr Schwerpunkt beim Zusammenhang zwischen Sozialpädagogik und Religionspädagogik innovativ.“ (S. 9–10) Als wichtigstes Ergebnis der im vorliegenden Band beschriebenen Studie wird festgehalten, „dass die Möglichkeit der Stärkung interreligiöser Kompetenz pädagogischer Fachkräfte für den Elementarbereich im Rahmen ihrer Ausbildung theoretisch und empirisch überprüft wurde und dass demzufolge das sich aus der Praxis der Elementarpädagogik kommende Desiderat interreligiöser Kompetenz in der Ausbildung tatsächlich aufnehmen lässt. Demnach kann ein Unterricht, der gezielt auf entsprechende Kompetenzzuwächse bezogen ist, sinnvoll und stimmig in den Ausbildungsgang für pädagogische Fachkräfte im Elementarbereich integriert werden. Die im vorliegenden Falle getestete Unterrichtseinheit erwies sich zumindest teilweise als wirksam – insbesondere im Blick auf den Erwerb religionsbezogenen Wissens und, wenigstens hinsichtlich einer bislang nur deskriptiv fassbaren Tendenz, auch hinsichtlich der Perspektivenübernahmefähigkeit im Sinne der interkulturellen oder interreligiösen Sensibilität im Anschluss an Bennett. Auf jeden Fall kann auch damit gerechnet werden, dass entsprechende Unterrichtseinheiten das Interesse der Studierenden finden, auch wenn die Ausprägung und Verstärkung dieses Interesses durch den Unterricht noch weiter untersucht und didaktisch weiterentwickelt werden muss. Ebenso ist die bei der vorliegenden Interventionsstudie eingesetzte Unterrichtseinheit zugleich verbesserungsbedürftig wie verbesserungsfähig. Sie stellt nun einen geprüften Ausgangspunkt für die gezielte Weiterentwicklung eines solchen Unterrichts dar.“ (S. 28) Mit seiner im Waxmann Verlag (8309-4858-2) veröffentlichten Erlangen-Nürnberger Dissertation Selbstbestimmung als Ziel islamisch-religiöser Bildung. Religionspädagogische Grundlegung und didaktische Umsetzung im Rahmen des kompetenzorientierten Bildungsparadigmas schließt Said Topalovic eine Forschungslücke innerhalb der Islamischen Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum. Der Autor führt in seiner Einleitung aus: „Im Kontext der modernen und an säkularen Vorstellungen orientierten Wandlungsprozesse erfolgte außerdem eine Veränderung der Verantwortungsperspektiven: So sind die einzelnen Individuen für ihre Lebensgestaltung selbst verantwortlich und genießen dabei die Freiheit, ihr Leben selbstbestimmt und ohne manipulative Beeinflussung durch andere gestalten zu können. Gerade infolge der Säkularisierungsprozesse gewann das Selbstbestimmungskonzept an Bedeutung, die moderne Pädagogik erklärte demnach die Bildung zur Selbstbestimmung zu ihrem primären Ziel. Dieser Idee steht gegenwärtig sowohl die christliche Religionspädagogik positiv gegenüber wie auch die Islamische Religionspädagogik. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage der religiösen Bildung in einer säkularen und – mittlerweile in vielerlei Hinsicht – pluralistischen Gesellschaft und damit einhergehend mit dem Selbstbestimmungskonzept als einem Kennzeichen dieser Gesellschaft – und dies aus einer theologischen und religionspädagogischen Perspektive heraus. Fernerhin wird die Frage diskutiert, wie und ob die Selbstbestimmung bei jungen Musliminnen und Muslimen im Rahmen der religiösen Bildung im öffentlichen Raum didaktisch gefördert werden kann. Die vorliegende Arbeit ist in acht Kapitel gegliedert, wobei das erste Kapitel dieser Einleitung dient und das letzte den Schlussworten. Nach der Problemanalyse, der Darstellung der Forschungsfrage und der methodischen Vorgehensweise (Kapitel 2) schließt in Kapitel 3 die Reflexion des Begriffs bzw. des pädagogischen Konzepts der Selbstbestimmung an. Im bildungswissenschaftlichen Diskurs ist dieser Begriff kaum mehr wegzudenken und hat infolge der Aufklärung die Funktion einer Leitidee in der modernen Bildung übernommen. In Kapitel 4 folgt die Diskussion bzw. Analyse des Selbstbestimmungskonzepts – ausschließlich – aus einer islamischen Perspektive heraus. Für dessen Bestimmung wird zunächst die koranische Version des Schöpfungsberichts in bildungsanthropologischer Hinsicht reflektiert, im zweiten Schritt werden ausgewählte Verse des Korans einer näheren Analyse unterzogen, um schließlich den kalāmwissenschaftlichen Ansatz von Abù Mansûr al-Mäturidi (893-941) zu diskutieren, der für die Schwerpunktsetzung dieser Arbeit, vor allem aufgrund seines rationalen Zugangs in der Auslegung islamischer Quellen, eine besondere Relevanz besitzt. Im Anschluss folgt eine definitionstheoretische Bestimmung des Selbstbestimmungskonzepts aus islamischer Perspektive und in religionspädagogischer Absicht, welche als Grundlage für die Entwicklung von Bildungskonzepten und didaktischen Strukturen gilt. Die Frage nach religiöser Bildung in säkularen und pluralen Gesellschaften ist prinzipiell mit weiteren Fragen verbunden, die rechtlicher, bildungstheoretischer und schließlich theologischer Natur sind. Die fehlende und nicht rechtlich verankerte Institution der islamischen Religionsgemeinschaft in Deutschland erschwert nicht nur die Etablierung eines religiösen Bildungsangebots im öffentlichen Raum, sondern es entstehen darüber hinaus Spannungs- und Konfliktpotenziale in Bezug auf die Gestaltung islamischer Theologie als wissenschaftlicher Disziplin, die wiederum die Aufgabe der wissenschaftlichen Reflexion der Glaubenslehre und der Lehrerbildung innehat. Im politischen und im wissenschaftlichen Diskurs wird in diesem Zusammenhang Bosnien-Herzegowina als mögliches Modell des institutionalisierten Islams auch für Westeuropa diskutiert. Damit verbunden wird vor dem Hintergrund mangelnder Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen im westeuropäischen Raum in Kapitel 5 das bosnische Modell in der Deutung, Praktizierung und Organisation des Islams reflektiert, neben der Betrachtung anderer Felder vor allem mit dem Hauptschwerpunkt auf religiöse Bildung. Die Reflexion umfasst somit die historischen Entwicklungen in Bosnien ab dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts, die Institutionalisierung des Islams, die theologischen Diskurse sowie die Gestaltung religiöser Bildung. Kapitel 6 und 7 beschäftigen sich ausschließlich mit der konkreten Frage der Bildung und der Didaktik: In Kapitel 6 erfolgt eine theoretische Bestimmung zentraler religionspädagogischer Grundlagen. Dieser Bestimmung geht allerdings die Diskussion der Bildungskonzepte in der islamischen Tradition sowie der religiösen Bildung in der Moderne bzw. in einer säkularen und pluralen Gesellschaft voraus. Kapitel 7 beschäftigt sich – darauf aufbauend – mit der Fachdidaktik des schulischen Islamunterrichts und stellt dabei theoretische und praktische Grundlagen für die Planung und Gestaltung eines kompetenzorientierten Islamunterrichts bereit. Das übergeordnete Ziel dieser theoretischen und praktischen Überlegungen ist die Förderung der Selbstbestimmung bei jungen Musliminnen und Muslimen. In Kapitel 8 finden sich schließlich die Schlussworte sowie ein Ausblick und Perspektiven. Die vorliegende Arbeit greift somit eine aktuelle Thematik auf und möchte dabei einen Beitrag zur Entwicklung zeitgemäßer und moderner religiöser Bildungsgedanken wie auch religionsdidaktischer Konzepte leisten. Denn gerade in diesem Bereich ist im deutschsprachigen Raum ein weiterhin bestehendes Defizit festzustellen.“ (S. 13–14)
Christian Frevel und Rene W. Dausner haben im W. Kohlhammer Verlag (17-043124-9) den wertvollen Band Schulter an Schulter. Ein Studienbuch zur Rolle des Judentums in christlicher Theologie herausgegeben, in dessen Vorwort sie schreiben: „Die Planungen zu dem vorliegenden Studienbuch waren bereits abgeschlossen, als zu den historischen Zäsuren ein weiteres Datum hinzukam, der 7. Oktober 2023. Durch den terroristischen Anschlag der Hamas gegen Israel wurde dieser Tag, an dem Jüdinnen und Juden das Fest der Freude über die Gabe der Tora (Simchat Tora) begingen, zum Sinnbild menschenverachtenden Hasses. Die Nachwirkungen des Massakers und seiner Folgen spüren wir bis heute schmerzlich. Vor allem zeigt sich, dass Antisemitismus längst nicht überwunden ist – weder im Nahen und Mittleren Osten noch in Europa oder den USA und auch nicht in anderen Ländern. Notwendig ist daher antisemitismuskritische Bildungsarbeit, zu der christliche Theologien ihren Beitrag leisten müssen. Die Zusammenhänge zwischen antijüdischen Positionen in der Theologie und deren Verschränkung mit unterschiedlichen Dimensionen des Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart sind lange nicht aufgearbeitet. Antisemitismus aufzudecken, zu benennen und zu überwinden, ist ein zentrales theologisches Lernziel. Das Grundanliegen des vorliegenden Bandes, das die Herausgeber mit allen Autorinnen und Autoren teilen, besteht darin, einen Beitrag zu antisemitismuskritischer Bildung in der Theologie und aus der Theologie heraus zu leisten. Das Studienbuch will dabei keine weitere ‚Einführung in das Judentum‘ sein, sondern stellt vielmehr den Versuch dar, die Bedeutung jüdischer Geschichte, jüdischer Traditionen und jüdischen Denkens in der Theologie sichtbarer zu machen. Studierenden christlicher Theologie soll ein vertiefter Einblick in ein lebendiges und authentisches Judentum in Geschichte und Gegenwart gegeben werden. Das Studienbuch wird daher sein Ziel erreicht haben, wenn die Lektüre dazu führt, konkreten Formen des Antisemitismus theologisch fundiert entgegentreten zu können.“ (S. 9) Intendiert werden notwendende Horizontverschiebungen und Perspektivenerweiterungen: „Das vornehmliche Ziel des Studienbuches besteht darin, den nach der Schoa einsetzenden Perspektivwechsel zu erfassen und sowohl in den Kirchen wie in den Disziplinen der Theologie zu verorten. Mit dieser Zielsetzung ist klar, dass das Buch weder eine Geschichte des Judentums noch eine Einführung in das Judentum ersetzen kann. Vielmehr entfaltet es bewusst einen perspektivischen Bezug zur christlichen Theologie, deren Geschichte und Traditionen die Referenzgröße darstellt, auf die hin die Darstellung im Gesamt erfolgt. Die Grundüberlegung geht von der Einsicht aus, dass ‚die jüdische Religion [...] für uns nicht etwas ›Äußerliches‹ [ist], sondern [...] in gewisser Weise zum ›Inneren‹ unserer Religion [gehört].‘ (Johannes Paul Il, beim Besuch in der Synagoge in Rom am 13. April 1986). Diese bahnbrechende Erkenntnis hat eine weitreichende hermeneutische Bedeutung, indem sie das Judentum, seine Traditionen und sein Denken, zu einem locus theologicus macht. Christliche Theologie kann nur und ausschließlich im Resonanzraum des Judentums tragfähig entwickelt werden. Wir sind davon überzeugt, dass der genannte Perspektivwechsel einem Paradigmenwechsel in der Theologie gleichkommt, der christliche Theologie von innen heraus methodisch und inhaltlich radikal verändert. Vor diesem Hintergrund ist das Besondere dieses Studienbuches (1) der transdisziplinäre ebenso problem- wie lösungsorientierte Ansatz der Darstellung, (2) die Beteiligung von Fachvertreterinnen und Fachvertretern aus verschiedenen theologischen Disziplinen (Alt- und Neutestamentliche Exegese, Patristik, Historische Theologie, Liturgiewissenschaft, Systematische Theologie, Fundamentaltheologie, Religionspädagogik etc.), (3) die Beteiligung von jüdischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.“ (S. 17–18) Das Studienbuch ist in sieben Abschnitte eingeteilt, „in denen die einzelnen Beiträge jeweils eine ähnliche Perspektive einnehmen. Die Einleitung stellt als ‚doorstep‘ ganz basale Grundlagen vorweg und das abschließende Kapitel spricht praktische Konsequenzen aus einem veränderten Umgang mit dem Judentum an. Dazwischen stehen sieben inhaltliche Blöcke: Der erste Abschnitt thematisiert die verflochtene Entstehung von Judentum und Christentum und versucht eine Neuorientierung jenseits des klassischen ‚parting of the ways‘. Dass die Schrifthermeneutik und das christlich-jüdische Verhältnis in einem wechselseitigen Dependenzverhältnis zueinanderstehen, ist seit langem bekannt. Daher fragt der zweite Abschnitt nach der Rolle der Heiligen Schriften für die Verhältnisbestimmung von Judentum und Christentum. Hier werden Schlaglichter auf die Kirchenväterhermeneutik, die Spätantike, das Mittelalter und die frühe Neuzeit geworfen, bevor grundlegend auf Modelle des Verhältnisses von Altem und Neuem Testament in der Gegenwart eingegangen wird, Im nächsten Schritt wird jüdisches Denken aus unterschiedlichen Epochen vorgestellt. Damit soll deutlich werden, dass sich im Judentum eigenständige Formen des Philosophierens gebildet haben, die zugleich mit christlichen Denkformen interagiert haben. Das gilt für die jüdische Aufklärung, das 19. Jh. Und die Verarbeitung der Schoa in der jüdischen Philosophie. Dass es gerade in der Entwicklung liturgischer Formen vielfältige Parallelen zwischen Judentum und Christentum gibt, entfaltet der folgende Abschnitt. Er fragt zugleich danach, wie eine nicht-antijüdische christliche Liturgie aussehen könnte bzw. wie Antijudaismen in der liturgischen Praxis verhindert werden können. Am stärksten der systematisch-theologischen Reflexion verpflichtet ist der Abschnitt ‚Glauben und Wissen aus den Quellen des Judentums // Judentum in der theologischen Reflexion‘. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Neubestimmung des christlich-jüdischen Verhältnisses für die Gotteslehre, die Christologie, die Soteriologie sowie die Ekklesiologie. Wie kann sich christliche Theologie zum Land Israel und der Notwendigkeit des Staates Israel verhalten? Schon oben wurde herausgestellt, dass Kenntnisse über jüdische Philosophie, jüdische Kultur und auch jüdische Theologie bei Studierenden ausgesprochen dünn sind, Daher stellt das nächste Kapitel neben den Meilensteinen für den christlich-jüdischen Dialog und dem Verhältnis von christlich-jüdischen Dialog und christlich-muslimischen Dialog einige Beispiele aus diesem Bereich vor. Der letzte große inhaltsbezogene Abschnitt versucht praktisch- theologische Konsequenzen zu ziehen. Wie kann die christliche Lernbereitschaft gegenüber dem Judentum gestaltet werden und wie kann es gelingen theologischen Antijudaismus aufzudecken und sich aus theologischen Gründen jeder Form des Antisemitismus entgegenzustellen?“ (S. 18–19) Wertvolle Impulse und Anregungen für eine judentumssensible christliche Theologie und Existenz!
5 Bilder-, Kinder- und Jugendbücher
Für Kinder ab vier Jahren sind folgende sechs Bilderbücher geeignet: Im Gütersloher Verlagshaus sind zwei von Kerstin Hau sehr feinfühlig erzählte und von Sonja Wimmer mit poetischen Illustrationen versehene wundervolle Veröffentlichungen erschienen. Zum einen Behütet (579-06216-7) und zum anderen Getröstet (579-06281-5). Beiden Büchern gelingt es, den kleinen wie großen Lesenden und Zuhörenden die Gewissheit zu vermitteln, dass unsere Wege und unser Schicksal immer getragen sind von einem großen DU des Lebens – auch in den Wechselfällen des Lebens! Fran Pindera hat in der Übersetzung aus dem Spanischen von Ilse Layer und mit eindrucksvollen Illustrationen von Ana Sender im Gabriel Verlag (522-30651-5) das Buch Was uns Angst macht herausgebracht. Mitten in einem Gewitter erlischt im ganzen Haus das Licht und Max fragt seinen Vater, ob er schon mal Angst gehabt habe. „Ja, Max“, sagte dieser schließlich. „Wir alle haben manchmal Angst. Selbst wenn die Angst klein ist oder nur in unserem Kopf existiert, kann sie sich riesengroß machen und überall sein.“ Und dann erklärt der Vater Max eine Vielfalt verschiedener Ängste. Sehr hilfreich sind am Ende des Buches zwei Seiten mit Erklärungen von und Anregungen zum Umgang mit Angst. Nil, Nil, ich komme lautet der Titel des im Hanser Verlag (446-26219-5) erschienenen Bilderbuchs von Jutta Richter mit Illustrationen der Buchgestalterin, Zeichnerin und Künstlerin Petra Rappo. Voller Heimweh nach Himmel und Sonne, Herde und Erde und nach einem breiten Fluss träumt das sehr dicke und sehr kleine Nilpferd täglich vom Nil: „Nil, Nil, ich komme.“ Als der Herbst kommt und alle Singvögel sich zum Flug in den Süden sammeln, rennt es ebenfalls los, durchbricht alle Gitterstäbe des Zoos, gelangt bis ins Meer und eines Tages zur großen Nilpferdherde im fernen Land: „Nil, Nil, ich bin da“, flüsterte das Nilpferd und tauchte die Schnauze in den Fluss. Ein zauberhaftes Buch über Sehnsucht und Heimweh und Mut. Olivier Tallec hat im Gerstenberg Verlag (8369-6238-4) in der Übersetzung aus dem Französischen von Ina Kronenberger das Bilderbuch Nichts für den König veröffentlicht, in dem ein König alles sammelt, was es gibt, und dem fast nichts fehlt bis auf das Nichts! Deshalb macht er sich überall auf die mühsame Suche nach dem Nichts: in der Bibliothek, in der Tierwelt, im Mikroskop, in der Wüste, im Nachthimmel. Schließlich fordert er alle Menschen in seiner Umgebung auf, ihm das Nichts zu bringen, und räumt alles aus, um Platz für das Nichts zu haben. Ein hintersinnig-witziges Buch über Sammelleidenschaft, Neugierde und Nicht-Zufrieden-Sein-Können mit kraftvoll leuchtenden Bildern! In dem Buch Morgen bestimme ich! von Jörg Mühle, das im Moritz Verlag (89565-457-2) erschienen ist, geht es um die drei Tiere Bär, Wiesel und Dachs und darum, wer mit wem nach welchen Spielregeln spielen darf und wie man lernt, zu verlieren und sich nicht zu streiten. Da Wiesel und Bär immer bestimmen wollen, verabredet sich der Dachs für den nächsten Tag mit dem Fuchs. Ein Buch mit alltagsnahem Inhalt und anregenden Impulsen zum Nachdenken!
Für Kinder ab acht Jahren sind folgende drei Neuerscheinungen anzuzeigen: Im Gerstenberg Verlag (8369-6256-8) hat Joke van Leeuwen in der Übersetzung aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers das Kinderbuch Ich bin hier! veröffentlicht, in dem sich das mutige und kluge Mädchen Jona voller Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen auf eine Heldinnenreise begibt, nachdem sie sich inmitten einer Existenzkrise auf dem Dach eines riesigen Hochhauses am bedauernswertesten von der ganzen Welt gefühlt hat. Sie gibt nicht auf, glaubt immer an die Rettung und bestätigt die Einschätzung ihres Vaters: „Ich dachte die ganze Zeit: Jona weiß sich schon zu helfen.“ Ein tiefsinniges Buch über Mut, Nichtaufgeben und Gesehenwerdenwollen! Das einfühlsame Buch Omas Haare sind krank von Astrid Hamm mit Illustrationen von Katie Armstrong ist im MMKoehn Verlag (944903-70-5) erschienen und eignet sich für alle, die schon einmal Abschied von lieben Menschen nehmen mussten. Aus der Sicht der Enkelin werden warmherzig innige Bindung an und Beziehung zu ihrer Oma sowie Abschied, Trauer und Hoffnung nach ihrem Tode beschrieben: „Aber Oma sagt, sie wird immer bei mir sein. Wenn ich Rosen rieche, wenn ich eine Katze sehe, wenn ich meine Haare kämme. Auch, wenn der Wind weht in den Bäumen und in meinen Träumen. Und falls ich mal ganz traurig bin, dann auch, wenn ich Gummibärchen esse.“ Am Ende finden sich zwei noch zwei Seiten zum Selbstgestalten mit Platz für Erinnerungen, Bilder, Fotos, Zeichnungen für einen Lieblingsmenschen. Willi Gmehling ist der Autor des im Peter Hammer Verlag (7795-0732-1) mit Illustrationen von Anna Schilling veröffentlichten Buches Molly Blume, in dem sich die neunjährige Heldin Molly gegen die Smartphone Abhängigkeit ihrer Eltern auflehnt: „Ihr Handy ist der Stoff, den sie brauchen. … Sie sind Neuigkeiten-Junkies. … Sie können nicht anders. Ein Leben ohne Instagram und Tik-Tok macht keinen Sinn mehr für sie. … Plötzlich holen sie ihre kleinen schwarzen Platten aus der Tasche und starren auf sie. Ich hasse es!“ Molly ergreift „harte Erziehungsmaßnahmen“ und schließt ihre Eltern im Kellerabteil zur „Entgiftung“ drei Tage ohne die schwarzen Platten ein. Sie versorgt sie mit Essen und Trinken und verbringt selbst die Zeit mit Bibellesen, Wolkengucken, Träumen und Nachdenken über Gott und die Welt. Ob die „Auswilderung“ wohl erfolgreich verlaufen wird?
Für Kinder ab zehn Jahren hat Alfred Bodenheimer mit Illustrationen von Noa Chawa Bodenheimer im Atlantis Verlag (7152-3004-7) das Buch Krapfen und Kringel geschrieben, in dem die junge Bäckerin Sunny in der neu übernommenen Bäckerei in Hügelhausen nicht nur die beliebten Hügelhausener Krapfen, sondern auch neu die Kringel aus dem Nachbarort Talheim anbietet, da sie nicht weiß, dass die beiden Dörfer seit vielen Jahren verfeindet sind und die Hügelhausener alles meiden, was aus Talheim kommt und umgekehrt. Als die Menschen die „feindlichen“ Kringel bemerken, rotten sie sich vor dem Schaufenster zusammen und werfen es mit Backsteinen ein. Einzig drei Hügelhausener Kinder bleiben bei ihr, trösten sie und lassen sich überreden, die Kringel zu kosten. Als genau diese Kinder kurz darauf verschwunden sind, hat Sunny eine Ahnung, wo diese stecken könnten. Eine leicht verständliche und ruhig erzählte Parabel über die unheilsame Wirkung von Vorurteilen und die heilsame Notwendigkeit von Versöhnung!
Für Jugendliche ab 14 Jahren hat Abdi Nazemian im Arctis Verlag (03880-087-3) in der Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Isabel Abedi und Meritxell Piel den Jugendroman Nur dieser eine Augenblick geschrieben, einen aus drei Perspektiven erzählten bewegenden Own-Voice-Roman über Liebe, Familie und Identität – und über all die besonderen Momente, die uns zu der Person machen, die wir sind. Moud ist siebzehn, queer und lebt in Los Angeles bei seinem Vater Saeed, dem er sich nie besonders nahe gefühlt hat. Als sie gemeinsam den kranken Großvater im Iran besuchen – einem Land, in dem Homosexualität illegal ist –, gerät Mouds Welt ins Wanken. Warum hat sein Vater Saeed 1978, in der Zeit der Proteste gegen das herrschende Regime, Teheran so plötzlich verlassen? Und welches Geheimnis verbirgt sein Großvater Bobby, der 1939 einer vermeintlich glamourösen Hollywoodkarriere den Rücken gekehrt hat? Moud ist gezwungen, seine Wurzeln, seine Kultur und sein eigenes Ich mit neuen Augen zu betrachten. (Werbetext) Im Nachwort erklärt der Autor unter anderem: „In diesem Buch geht es unter anderem um die Resilienz des menschlichen Geistes. Insbesondere des Geistes der iranischen und der queeren iranischen Menschen. … Außerdem ist dieses Buch eine Ode an das Band der Familie und an die Kraft, den Menschen, die wir lieben, zu vergeben, ebenso wie uns selbst. … Ich hoffe, dass diejenigen, die sich von diesem Buch berührt fühlen, inspiriert werden, in ihrer eigenen Vergangenheit und unsichtbaren Geschichte zu graben.“ (S. 440–441)
Für ältere Jugendliche, die die Auseinandersetzung mit Religion, Glaube und Spiritualität suchen, ist das im Pano Verlag (290-22071-6) veröffentlichte Buch Ich glaube, mir fehlt der Glaube von Michelle de Oliviera gut geeignet. Es enthält 14 interessante Interviews und persönliche Gespräche über Leben, Glauben, Zweifeln und Wege zu oder weg von Gott. Im Nachwort resümiert die Verfasserin: „Ich lernte, wie unglaublich bereichernd es ist, sich zu öffnen und über so etwas Persönliches wie den Glauben und die Spiritualität zu reden. Wie viel Reichtum, Wissen und Verständnis darin liegen, selbst wenn man sich nicht einig ist. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse für mich: Wir brauchen mehr Verständnis füreinander, für die verschiedensten Ausprägungen des Glaubens und Nicht-Glaubens. Konsens muss nicht das Ziel sein, aber Akzeptanz und Respekt verschiedenster Glaubens- und damit auch unterschiedlichster Lebensformen. Dass wir offener und weniger verurteilend miteinander leben und über unsere Verhältnisse zum Glauben und zur Spiritualität reden können.“ (S. 222–223)
6 Schulbücher und Unterrichtsmaterialien
Im Calwer Verlag hat Petra Freudenberger-Lötz das hervorragende Kombi-Paket Spuren lesen 1 / 2 in einer Neuausgabe herausgegeben, das sich zusammensetzt aus dem Religionsbuch 1 / 2 (7668-4581-8), dem Arbeitsheft 1 / 2 (7668-4582-5), der Handreichung für Lehrkräfte 1 / 2 (7668-4583-2) und den Bildkarten 1 / 2 (7668-4584-9). Das Religionsbuch enthält folgende zwölf Kapitel: 1 Das machen wir im Religionsunterricht 2 Wir sind achtsam miteinander 3 Wir freuen uns an der Schöpfung 4 Gott, wer bist du? 5 Abraham und Sara 6 Josef 7 Angst und Mut gehören zusammen 8 Wer ist Jesus? 9 Unsere Kirche 10 Wir feiern viele Feste 11 Juden, Christen und Muslime 12 Die Bibel begleitet uns. Ebenfalls im Calwer Verlag ist die von Wolfram Eilerts und Hans-Günter Kübler herausgegebene Ausgabe von Kursbuch Religion Elementar. Ein Arbeitsbuch für den evangelischen Religionsunterricht im 9. Schuljahr an Mittelschulen in Bayern (7668-4471-2) erschienen, das sich in die vier großen Bereiche gliedert: 1 Jesus Christus. Leben, Wirken und Botschaft 2 Sterben, Tod … und was dann? 3 Verantwortung übernehmen für Gerechtigkeit und Frieden 4. Selbstbestimmt. Abhängig und frei – ergänzt um vier Seiten Methoden-Kiste und drei Seiten Reli-Lexikon.
Zuletzt gilt es zwei interessante Unterrichtseinheiten aus der Reihe „calwer materialien. Anregungen und Kopiervorlagen“ im Calwer Verlag anzuzeigen: Zum einen die von Henrike Frey-Anthes erarbeiteten zwanzig niveaudifferenzierten Unterrichtsbausteine für die Sekundarstufe I mit dem Titel Die Bibel erzählt. Biblische Geschichten im Unterricht: einleiten – erzählen – weiterführen (7668-4611-2). Die Einleitung enthält ein Plädoyer für das Erzählen: „1. Biblische Erzählungen sind herausfordernd. Israel hat erzählt, Jesus hat erzählt. Die Bibel ist ein riesiger Schatz von Geschichten. Entstanden in einer Erzählgemeinschaft, wurden die Erzählungen immer weiter tradiert, verschriftlicht und gesammelt. Unsere Aufgabe ist es, diesen Weg in die andere Richtung zu beschreiten und die Erzählungen der Bibel für unsere Zeit lebendig werden zu lassen, um so den Schülerinnen und Schülern die Welt der Bibel zu erschließen. Beim Erzählen biblischer Geschichten geht es grundsätzlich um die Frage, wovon die Geschichte erzählen soll: Was ist mit den Worten der Bibel gemeint? Welche Wahrheit steht dahinter? In welcher Weise kann davon erzählt werden? Um das herauszuarbeiten, muss man den Bibeltext sehr genau wahrnehmen und danach fragen, was zwischen den Zeilen steht. Um eine biblische Geschichte zu erzählen, ist darum zunächst eine intensive Auseinandersetzung mit dem biblischen Text und dem eigenen hermeneutischen Vorverständnis nötig. 2. Biblische Erzählungen sind hintergründig. Die Erzählungen der Bibel sind wahre Geschichten. Das bedeutet nicht, dass sie historisch genauso oder überhaupt geschehen sind, wie sie erzählt werden, sondern, dass sie von der Wahrheit über Gott und Mensch erzählen. Verschiedene Geschichten können dieselbe Wahrheit zum Inhalt haben. Ein klassisches Beispiel dafür sind die Erzählungen von der Schöpfung in Gen 1 und Gen 2; Psalm 8 oder 104 und in weiteren Stellen der Bibel. Die Bibel erzählt vielfältig und mit unterschiedlichen Akzenten davon, dass und wie Gott die Welt erschaffen hat und dass Gott die Schöpfung erhält und bewahrt. Gott hat die Welt also nicht in sechs Tagen erschaffen. Wer das behauptet, vernachlässigt nicht nur die Vielfalt der Schöpfungstexte der Bibel, sondern verwechselt zudem die Erzählung mit der hinter ihr liegenden Wahrheit. Diese Wahrheit lautet: Die Welt ist Gottes Schöpfung, die wir Menschen als Geschenk annehmen und mit der wir verantwortlich umgehen sollen. 3. Biblische Geschichten sind vielschichtig. Gleichzeitig hat eine Geschichte nie nur eine Botschaft. Darin besteht die Kraft von Erzählungen. Sie sind immer mehrschichtig. Eine Geschichte transportiert auf unterschiedlichen Ebenen vielschichtige Möglichkeiten der Interpretation. Je nachdem, wie die Leerstellen zwischen den Zeilen gefüllt werden, kann der Fokus auf unterschiedliche Aspekte der Erzählung gelegt werden. Für den Einsatz biblischer Geschichten im Unterricht bedeutet das eine große Freiheit. Man kann dasselbe Thema durch verschiedene Erzählungen beleuchten und diese jeweils entsprechend ausdeuten. So kann die Geschichte vom Manna in der Wüste z.B. mit dem Thema „Gerechtigkeit" verbunden werden, ebenso mit der Entstehung der Bibel („Überlieferung“; „Gattungen“) oder auch mit „Feiertag / Schabbat“, mit „Gebet“ oder mit der Frage nach Gott („Biblische Gottesbilder“) - und anderen Themen mehr. Es lohnt sich, in jeder biblischen Erzählung gründlich zwischen den Zeilen zu lesen und sie für unterschiedliche Themen fruchtbar zu machen.“ (S. 5) Eine wertvolle Erweiterung des Fundus an Erzählungen für den Religionsunterricht! Zum anderen die von York Breidt, Wilhelm Schwendemann und Anna Sophie Verständig erarbeitete lebensnahe Unterrichtseinheit ab Klasse 10 und berufliche Schulen Bittere Ernte – Die Apfellieferkette in der globalen Landwirtschaft (7668-4610-5). Darin wird am Beispiel der Apfelproduktion und des Konsums von Lebensmitteln an einem allen Lernenden zugänglichen Beispiel aufgezeigt, wie Gerechtigkeit und Verantwortung ineinandergreifen und auf der Ebene des Rezeptionsvermögens von Lernenden im Oberstufenbereich des beruflichen Gymnasiums alltagspraktisch umgesetzt werden kann: „Die SuS sollen anhand der vorbereiteten Unterrichtsentwürfe umfassende Kenntnisse erwerben, um ethisch und theologisch verantwortungsbewusst Produktionsketten von Lebensmitteln zu analysieren, zu argumentieren und reflektieren, damit sie befähigt sind, darüber Auskunft zu geben und diese zu bewerten. Diese Fähigkeit schließt inhaltlich nahtlos an die fünf prozessbezogenen Kompetenzen an. Aufgrund der erworbenen Sachkenntnisse und Reflexionsmöglichkeiten hinsichtlich dieses Themas sind die Lernenden nach der Unterrichtseinheit befähigt, subjektiv für sich im Horizont ethischer und religiöser Maßstäbe zu urteilen, ob sie für sich in Beziehung der Gesellschaft und deren Ernährungssysteme richtig und sozial gerecht leben.“ (S. 9)