1 Hinführung
Professor:innen für Religionspädagogik bzw. Didaktik des Religionsunterrichts und deren Mitarbeiter:innen sind alle Expert:innen in Bezug auf Wissenschaftskommunikation – ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Denn ihre Tätigkeit besteht weitgehend daraus,
a) in Forschung und der Erarbeitung der Lehre innerhalb der Wissenschaft zu kommunizieren,1
b) die Ergebnisse eigener oder anderer Forschungen hinein in breitere Öffentlichkeiten zu kommunizieren,2 wobei nicht klar ist, ob die Weitergabe an schulische und gemeindliche Akteure zu a) oder b) gehört, weil Religionspädagogische Institute und auch Schule sich durchaus als Teil des Wissenschaftssystems verstehen (s.u.), und
c) über Wissenschaft3 zu kommunizieren, wie jetzt gerade im aktuellen Beitrag. Das ist sicherlich der Teil, über den sich Religionspädagog:innen bisher explizit am wenigsten Gedanken gemacht haben.
In der Forschungsliteratur über Wissenschaftskommunikation gibt es begrifflich diese drei verschiedenen Grundmuster, um das zu umschreiben, was Wissenschaftskommunikation umfasst. Daneben finden sich d) zunehmend Positionen,4 die sich für eine bewusst breite Begriffsverwendung aussprechen, die alle drei genannten Bedeutungen vereint.
Wichtig ist an dieser Stelle, dass mit diesen drei Aufgabenfeldern ein großer Teil der Tätigkeiten beschrieben wird, die den Alltag von Wissenschaftler:innen ausmachen: Zentrale Aufgabenfelder wie systematische Recherche, Analyse und Auswertung von Daten, Erstellung von Publikationen, Organisation und Durchführung der Lehre, Akquisition von Fördergeldern durch Antragstellungen, Beratung und Abstimmung mit verschiedenen internen und externen Stakeholdern, selbst Personalführung, die in unserem Bereich stark inhaltlich bestimmt ist, betrifft im weiteren Sinn Wissenschaftskommunikation, ohne dass viele sich vielleicht jemals mit der Reflexion der Frage nach dem Modell von Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik explizit auseinandergesetzt haben. So erscheint zu Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik in einer Internetrecherche zuerst der Verweis auf die Jahrestagung der Gesellschaft für Religionspädagogik, in deren Dokumentationsband dieser Beitrag nun erscheint. Bezieht man allerdings die verschiedenen Bedeutungsspektren des Begriffs von Wissenschaftskommunikation ein, überschneidet sich dieser z.T. mit den Begriffen Wissenschaftsdidaktik, Wissenschafts-PR, Wissenstransfer, Forschungstransfer, Transferforschung und Third Mission. Dabei gilt Wissenschaftsdidaktik als pädagogisch verfasste diskursive und kritische Wissenschaftskommunikation (Balzer & Bellmann, 2023, S. 74).
Unser explorativer Zugang war, jede:n im universitären System, der/die sich als Lehrstuhlinhaber:in oder als Mitarbeiter:in im Kontext der Religionspädgogik bewegt, als Expert:in über Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik zu betrachten. Deshalb ist es unserer Meinung nach lohnenswert, über qualitativ auszuwertende Expert:inneninterviews eine Bestandsaufnahme über diese Personengruppe zu erheben und daraus Perspektiven für eine gute5 Praxis von Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik zu entwickeln.
2 Zur Methode
Das Expert:inneninterview ist eine im wissenschaftlichen Kontext häufig angewendete Erhebungsmethode, die zu den qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung zählt (Gläser & Laudel, 2010). Es rekurriert auf Expert:innenwissen, das an seine Träger:innen, die Expert:innen, gebunden ist. Bei Expert:inneninterviews handelt es sich um eine besondere Form des Leitfadeninterviews, das in der methodologischen und methodischen Debatte eher randständig behandelt wird (Metag, 2017). Dies liegt auch daran, dass der Begriff selbst in hohem Maße unpräzise ist (Liebold & Triczek, 2009, S. 32–56), da die Frage, wer (ab) wann wirklich zu den Expert:innen für eine Frage bzw. ein Thema wird/ist, nicht eindeutig bzw. präzise beantwortet werden kann und immer auf eigene Setzungen angewiesen ist.
Für unsere Fragestellung waren Expert:innen in Bezug auf das Themenfeld Religionspädagogik
Personen, die eine Professur an einer deutschen Universität für Praktische Theologie/Religionspädagogik oder Didaktik des Religionsunterrichts innehaben,
Personen, die sich an einer solchen Institution/an einem Lehrstuhl habilitieren, und
Personen, die in leitender Tätigkeit an einem Religionspädagogischen Institut tätig sind und deshalb auch eng mit den Universitäten zusammenarbeiten.
Natürlich hätten wir den Rahmen auf Promovierende, auf Fachleiter:innen, Schulleitungen etc. erweitern können, wollten aber für diesen ersten explorativen Blick die Berufsfelder der Befragten eher klein halten.
Wir haben von Mai 2024 bis Juli 2024 acht Professor:innen, vier habilitierende Mitarbeiter:innen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, aus beiden Konfessionen, von verschiedenen Universitäten bzw. Fachbereichen (Fakultäten, Instituten) und zwei leitende Personen aus zwei unterschiedlichen religionspädagogischen Instituten befragt.
Inhaltlich lagen den halbstandardisierten Leitfadeninterviews, die die Autorinnen des Beitrags selbst durchgeführt haben, folgende Themenbereiche zu Grunde, die wir aber nicht abgearbeitet, sondern im Sinne der Methode ‚locker‘ ins Gespräch eingespielt haben. Die Gespräche dauerten jeweils ca. 25–35 Minuten.
Zuerst ging es um die Bedeutung des Themas in der Existenz des bzw. der Befragten möglichst am Beispiel eines eigenen Forschungsprojekts. An diesem Beispiel sollte das eigene Verständnis von Wissenschaftskommunikation deutlich werden. In diesem Zusammenhang oder auch in anderen Gesprächskontexten wurden Orte, Formate und Medien genannt. Auch die Frage nach dem Transfer wurde gestellt und auf Nachfrage vertieft. Ob bzw. in welcher Weise sich die Person als Bindeglied bei der Vermittlung zwischen den Fachwissenschaften Neues Testament, Altes Testament, Kirchengeschichte und Systematischer Theologie auf der einen und Schule/Gemeinde/Gesellschaft auf der anderen Seite sieht, wurde besprochen und der persönliche Umgang mit Wissenschaftskommunikation/Rezeption (Zeitrahmen, persönliche Entwicklung in den letzten 10–20 Jahren) eingebracht. Anschließend wurde die Frage nach den Kriterien gelingender Wissenschaftskommunikation, der Bedeutung von Wissenschaftskommunikation im Geltungsdiskurs in der Community (z.B. Berufungsverfahren) gestellt und abgefragt, ob z.B. das Positionspapier der Gesellschaft für Fachdidaktik bzw. irgendwelche andere zentrale Publikationen dazu bekannt seien, die die Metafrage nach Wissenschaftskommunikation reflektieren.
Weil wir intendierten, dass nicht durch Einarbeitung und Vorbereitung ein aus der Literatur rezipiertes Verständnis, sondern das eigene Verständnis im Vordergrund steht, wussten die Interviewten vor dem Interview nicht, über welches Thema sie ca. 30 Minuten sprechen würden. Auf Nachfrage hatten wir bei der Anfrage nur mitgeteilt, dass es ein Thema sei, dass ihre Tätigkeit zentral bestimmt.
Wir haben also auf „die institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit“ (Titel von Hitzler, Honer & Maeder, 1994) zurückgegriffen, um eine erste Bestandsaufnahme und mögliche Perspektiven/Leitlinien zu entwickeln. Die Interviews wurden transkribiert und mit MAXQDA codiert und ausgewertet. Sie sind über die Interviewnummer und den Absatz entsprechend zuzuordnen und so belegt. Weitere Marker wie Geschlecht, Konfession, Alter o.Ä. werden nicht angegeben, weil eine persönliche Zuordnung sonst zu leicht möglich wäre. Bei der Verwendung möglicher Ausschnitte wurde sorgfältig darauf geachtet, diese auch hinsichtlich möglicher Sachaspekte zu anonymisieren, selbst wenn einzelne Beispiele damit an Konkretion verlieren.
3 Ergebnisse
3.1 „es geht um Wissenschaftsimagination“ – Verständnisweisen von Wissenschaftskommunikation
Nehmen wir die oben aus der Literatur vorgestellten drei Definitionsmöglichkeiten von Wissenschaftskommunikation als Ausgangspunkt, finden sich diese auch in den Interviews. Forschung als Kommunikation innerhalb der Wissenschaftssociety wird dabei nicht immer genannt, möglicherweise weil das zu selbstverständlich ist. Klassisch ist hier folgende Aussage:
„Wissenschaftskommunikation bedeutet [in Publikationen] Perspektiven zusammenzubringen aus der Wissenschaft, die unter Umständen unterschiedlich sind“ (6/2), „weil wir haben ja immer, wenn wir Wissenschaft treiben, den Forschungsstand im Blick und schauen, was gibt es schon auch zu dem Thema, was ist veröffentlicht worden, wo liegen da auch die Schwerpunkte, welche Fäden sind dort zusammengekommen, und wo knüpfen wir jetzt an.“ (6/6)
Ob und in welcher Weise nach dem fertigen Werk die Kommunikation gesteuert oder unterstützt werden darf (z.B. durch eigene Anfrage von Rezensionen (vgl.6/16)), ist allerdings z.B. bei einer/einem Befragten schon umstritten: Wenn dann das Buch auf dem Markt ist, habe es selbst zu kommunizieren, die Autorin/der Autor tritt dann in den Hintergrund und erst wieder bei der 2. Auflage in Erscheinung (6).
Weil die Publikationen sowohl durch Fragen aus der Lehre gespeist werden als auch wieder in der Lehre Verwendung finden, gehört nach Einschätzung vieler Befragter auch die Lehre selbstverständlich zum Bereich Wissenschaftskommunikation. Zu dieser fachinternen Weitergabe zählt für die meisten der Befragten auch die Weitergabe an schulische und gemeindliche Akteure z.B. durch Fortbildung (6/10; 13/3).
Den über Lehre und Forschung hinausgehenden weiteren Rahmen der Kommunikation in die Gesellschaft haben auch fast alle Befragten im Blick. Hieran knüpfen sie vor allem bei ihrer Einschätzung adäquater (digitaler) Medien an (z.B. 1/5) und ebenso bei der Frage, wie man erfolgreich (welche) religionspädagogischen Inhalte mit einer mehr oder weniger interessierten Öffentlichkeit kommuniziert (s.u. Probleme).
Von keinem einzigen wird die dritte Perspektive/Definition Wissenschaftskommunikation als Metareflexion, wie gerade im aktuellen Beitrag als Teil einer wissenschaftlichen Tagung, thematisiert. Das ist sicherlich der Teil, über den sich die befragten Religionspädagog:innen bisher am wenigsten Gedanken gemacht haben.
Spezifisch im Hinblick auf die Religionspädagogik stellt sich die Frage, ob es die spezifische Aufgabe der Religionspädagogik im Reigen der theologischen Fächer ist, eine Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und z.B. Schule und Gesellschaft auch für andere theologischen Disziplinen auszufüllen. Hier sind die Stimmen zu dieser Frage durchaus geteilt zwischen einer Ablehnung einer „Sonderrolle“ der Religionspädagogik (10/18) bzw. dem Hinweis, dass die Religionspädagogik nicht „der Kellner“ ist für die „systematische“ oder die „exegetische“ Küche (11/16.17) und einer Befürwortung der Brückenfunktion der Religionspädagogik – zumindest im Hinblick auf die Schule (z.B. 9/14).
Im Zusammenhang mit den verschiedenen Definitionsversuchen wird an unterschiedlichen Stellen deutlich gemacht, dass gerade Wissenschaftskommunikation sich fundamental in den letzten Jahrzehnten geändert habe, nicht nur im Blick auf die Medienfrage, sondern auch auf die Inhalte, weil
„wir nämlich gute Ergebnisse an den Unis haben, aber dass sie untergehen in der schieren Menge von dem allem, was in unserer Gesellschaft auch kommerziell kommuniziert wird, sodass man sich also ganz neu fragen muss: Was heißt denn Wissenschaftskommunikation in einer völlig anderen Kultursituation als noch vor sagen wir mal rund 50 Jahren? [Damals hatte] die universitäre Theologie dazu etwas beizutragen (...)6, das verschwindet [heute] in dem großen allgemeinen Mediengeplappere“ (2/25). Durch diese Veränderungen gehe es „nicht nur um Wissenschaftskommunikation, sondern um Wissenschaftsdarstellung oder wie ich es halt in meiner Fachsprache sagen würde, es geht um Wissenschaftsimagination.“ (2/25) „Ich komme nicht erst von meinem Ganzen, was ich rüberbringen will jetzt, sondern ich frage mich, nach einzelnen Bedürfnissen, theologischen Fragen im Lande, und versuche auf die zu reagieren und dahinter dann zu symbolisieren oder Imaginationsräume aufzumachen (2/31). Fakt sei, „dass sich tatsächlich standardisierte Kommunikation zur singularisierten Immersion und Imagination ändert.“ (2/37)
Deutlich wird besonders in diesem Statement, dass durch die Auflösung des Gesprächspartners/der Gesprächspartnerin in den digitalen Medien a) das Gegenüber imaginiert werden müsse und b) es nicht mehr inhaltlich um das Ganze gehen könne wie die Vermittlung zentraler Forschungsergebnisse, sondern diese seien von uns Theolog:innen an gesellschaftlichen Bedürfnissen ausgerichtet zu kommunizieren. Fraglich ist allerdings, welche religionspädagogischen Themen den Fragen bzw. Bedürfnissen welcher Gesprächspartner:innen entsprechen. Wer sind die Adressat:innen von Wissenschaftskommunikation?
3.2 „und betrifft alle, alle, alle“ – Adressat:innen von Wissenschaftskommunikation
Insgesamt zeigt sich in den Interviews eine große Bandbreite der in den Blick genommenen Adressat:innen religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation. Wenig überraschend kommen insbesondere in den Interviews von Personen, die von einem weiten Verständnis von Wissenschaftskommunikation ausgehen, sehr viele unterschiedliche mögliche Adressat:innen in den Blick:
„Also das ist fast nicht einzuschränken, sage ich jetzt mal. Weil wenn wir religiöse Bildung als lebensgeschichtliche Bildung verstehen, dann geht das wirklich los in der Kita. (…) Also es beginnt bei den ganz Kleinen, geht weiter über den Religionsunterricht, geht weiter über die Lehrkräfte, geht weiter über Fortbildung von Erwachsenenbildner:innen, also das ist lebenslanges Lernen und betrifft alle, alle, alle. Also, das kann ich gar nicht einschränken, das ist uferlos.“ (12/10)
Als konkrete potentielle Adressat:innen religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation werden in den Gesprächen im Sinne wissenschaftsinterner Kommunikation u.a. Forschende genannt: das „Fachpublikum“ (4/12; 7/12) bzw. Fachkolleg:innen innerhalb der Religionspädagogik (12/26; 14/11), der Theologie (5/113) sowie auch in den außertheologischen Nachbardisziplinen (9/12). Gesondert erwähnt werden von einer Person auch die Nachwuchswissenschaftler:innen (14/9).
Daneben werden Personengruppen genannt, die im Kontext ihres professionellen Handelns in ihrem Beruf auf wissenschaftlich-religionspädagogische Fachexpertise zurückgreifen. Auffallend häufig werden dabei Lehrkräfte erwähnt (z.B. 1/22.25.27.29; 3/4–6; 4/10; 5/16.32) sowie auch Referendar:innen (1/13.18), in jeweils einem Interview kommen auch Lehrer:innenverbände (14/8) und Schulreferate (1/25) in den Blick. Daneben werden in einzelnen Interviews aber auch Bildungsexpert:innen an unterschiedlichen formalen und non-formalen Lernorten genannt: Gemeindepädagog:innen (8/10; 13/3), Erzieher:innen (13/3; 8/10; 14/11; Erwachsenenbildner:innen (8/10; 12/10), Religionspädagogische Multiplikator:innen (12/10), Mitarbeitende in der Jugendarbeit (10/10), Sozialarbeiter:innen (10/10) und Pfarrer:innen (8/50).
Neben den Gruppen von Personen, für die Bildung zum Kerngeschäft gehört, finden sich auch solche, die lediglich in einzelnen Fragen auf religionspädagogische Fachexpertise angewiesen sind: zum einen „Kirchenverantwortliche“ (14/10) bzw. der „innerkirchliche Diskurs“ bzw. „Menschen, die im weitesten Umfeld auch in Kirche arbeiten“ (10/10), zum anderen Politiker:innen (11/8; 12/8).
Nicht allein Menschen, die für die Gestaltung von Bildungsangeboten zuständig sind, sondern auch die Adressat:innen solcher Bildungsangebote werden als Zielgruppe von Wissenschaftskommunikation angesprochen. Die Spannweite reicht dabei von Kita-Kindern (12/10) über Schüler:innen (z.B. 2/32; 5/106.112; 6/27–28; 7/8. 22.24; 9/31; 14/16–17) bis hin zu Studierenden (z.B. 1/13.18; 6/4.10; 3/4.6).
Wird in den Interviews die „Öffentlichkeit“ als Adressatin religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation genannt, wird diese häufig näher spezifiziert. Gemeint ist damit etwa eine „wissenschaftliche“ Öffentlichkeit, zu der auch die Studierenden gezählt werden (6/10), eine schulische (6/49–52) oder eine „allgemeine“ Öffentlichkeit (1/19; vgl. 1/52), eine „interessierte“ (10/6) Öffentlichkeit (die auch als „bildungsbürgerlich Interessierte“ bezeichnet werden kann: 7/18) oder aber auch eine „breitere“ (7/16.22) bzw. eine „breite“ Öffentlichkeit (9/12), die dann z.T. als bedeutungsgleich mit der „Gesellschaft“ erscheint (8/10; ähnlich: 6/47–48; 12/5), in die hinein ein Wissenstransfer zu leisten ist (4/24).
Wiederholt kommen in den Gesprächen auch mediale Öffentlichkeiten in den Blick, u.a. Menschen, die gerne Podcasts hören (1/5.19) oder Interessierte an „theologische[n] Livestreams“ in sozialen Medien „zu allen essentiellen Fragen“ (2/25) oder Personen, die „Freude an der ästhetischen Darbietung“ etwa auf TikTok haben (2/29).
In einem Interview werden insbesondere Frauen als Adressatinnen von Wissenschaftskommunikation hervorgehoben:
„Frauen sind Sozialisationsagentinnen, (…), die oft marginalisiert sind, auch in der Forschung, aber auch im Wissenschaftstransfer und das, das geht gar nicht, weil sie so eine Bedeutung haben und auch noch mal besondere Potenziale haben, denke ich. Und insofern ist mir auch besonders wichtig, sozusagen auch Frauen konkret auch anzusprechen.“ (12/11)
Insgesamt zeigt sich, dass die Befragten Adressat:innen religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation nennen, die sich den Kernaufgaben von Wissenschaftler:innen zuordnen lassen: Forschung, Lehre und ‚Third Mission‘. Als Transfelder kommen in den Expert:inneninterviews die Bildungspraxis, Kirche und Politik sowie die Öffentlichkeit in den Blick; bezüglich der Bildungspraxis wird sowohl die Ebene der Praxisakteur:innen als auch die Ebene der Lernenden angesprochen.
Abbildung1
Abb.1: Adressat:innen religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation aus der Perspektive der Befragten
3.3 „Ich glaube das Buch hat in dem Sinne eigentlich ausgedient.“ – Formate von Wissenschaftskommunikation
In den Interviews wird eine ganze Reihe von Formaten der Wissenschaftskommunikation angesprochen, die von den Interviewten auf unterschiedliche Weise strukturiert werden:
So wird z.B. unterschieden zwischen ‚klassischen‘ textlichen Formaten wissenschaftlicher Kommunikation sowie „neueren“ digitalen Formaten (z.B. 7/4.26.28) bzw. zwischen „typischen Sachen“ wie z.B. Tagungen und „Social Media“ (10/8). Mehrere Wissenschaftler:innen gliedern ihre Darstellung u.a. danach, ob eine bestimmte Zielgruppe oder eine „unspezifische Öffentlichkeit“ primär im Blick ist (z.B. 9/4.10) oder ob es sich um wissenschaftliche Formate handelt oder ob diese eher „niedrigschwellig“ sind (z.B. 5/32; 7/4).
Im Folgenden werden die erwähnten Formate geordnet nach erkennbaren Adressat:innenkreisen und innerhalb dieser nach schriftlichen und mündlichen Formen sortiert.
3.3.1 Formate für die wissenschaftsinterne Kommunikation
Genannt wurden als ‚klassische‘ schriftliche wissenschaftliche Formate der Wissenschaftskommunikation, die sich primär an Forschende in der eigenen Disziplin oder benachbarter Wissenschaften richten, Monografien (z.B. 1/15; 2/37; 4/33) und Tagungs- bzw. Sammelbände (z.B. 2/49; 8/24), Zeitschriften wie z.B. auch die Theologische Literaturzeitung (2/39; 6/32) und Zeitschriftenbeiträge (z.B. 3/14), Aufsätze in Online-Zeitschriften (z.B. 1/5.9.14), und anschauliche Visualisierungen in wissenschaftlichen Publikationen (7/12) und Rezensionen (6/15).
Es fällt auf, dass gerade die klassischen, umfangreichen schriftlichen Formate der Wissenschaftskommunikation in ihrer Bedeutung sehr unterschiedlich wahrgenommen werden:
„Und eigentlich wäre mir als primäre Antwort für Sie an dieser Stelle schon wichtig, dass ich natürlich die klassischen Formen des wissenschaftlichen Diskursarbeitens weiterhin für notwendig und für wichtig halte, also sprich das Lesen der Publikationen der anderen, das Reagieren auf Fragen, die darin aufgeworfen werden, das klassische wissenschaftliche Geschäft.“ (2/37)
„Ich glaube das Buch hat in dem Sinne eigentlich ausgedient. Man muss ja auch die jüngeren Nachwuchsforscher, -forscherinnen im Blick behalten. Ich weiß nicht, ob die sich wirklich noch hinsetzen – das klingt jetzt hart – aber wirklich Monografien wälzen. Ich glaube, das hat ausgedient.“ (1/69)
Als mündliche „klassische“ Formate wurde Tagungen und Konferenzen genannt (z.B. 2/47; 3/4.6; 4/22, 5/16). Ferner kamen auch eher informelle Formen mündlichen Austausches unter Wissenschaftler:innen, bei denen „unterschiedliche Perspektiven zu einem Thema“ zusammengeführt werden, in den Blick (6/2).
3.3.2 Formate für die Wissenschaftskommunikation im Hinblick auf (angehende) Bildungsexpert:innen
An schriftlich-medialen Formaten, die sich primär an Personen richten, die in ihrer Berufspraxis mit Religionspädagogik befasst sind, wurden bezüglich des Wirkungsfeldes Schule folgende erwähnt: Unterrichtshilfen und Materialhefte (z.B. 3/14; 4/10; 8.6.30; 10/16; 13/8), Schulbücher und Begleitmaterial für Schüler:innen hierzu (z.B. 7/6.8.24.26; 11/6.16), Lehrkräftebände für Schulbücher (7/6), praxisorientierte Zeitschriften als niedrigschwellige Angebote in der „Mitte (…) zwischen Wissenschaft und Praxis“ wie z.B. Katechetische Blätter, Zeitschriften der Bistümer (5/32; ähnlich: 7/6.16.20), Lexika wie das WiReLex (8/6; 11/6) und Studienbücher (11/33). Auch ein bewusstes Zusammenstellen von Fach- und Studienliteratur wurde als wichtiges Mittel der Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik identifiziert, etwa durch die Ausstattung der Bibliotheken religionspädagogischer Zentren mit neuester wissenschaftlicher Literatur (13/4) sowie mit Schulbüchern und Unterrichtseinheiten, um „den Bildungsplan zu entfalten“ und „Innovationen zu setzen“ (13/6), Buchpräsentationen auf Bildungsmessen (z.B. 6/14) oder durch Büchertische:
„[Es] gibt ja noch die Möglichkeit der sogenannten Büchertische auf Tagungen unserer Science Community (…) Da waren ja diese Bücher eigentlich immer sehr schön, weil man die direkt in die Hand nehmen konnte und ich auch umgekehrt so auf andere Bücher aufmerksam wurde, noch stärker als vielleicht (...) durch die Kataloge und ich hab‘ dann auch kräftig zugegriffen.“ (6/22)
Als weitere Medien, die zur Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik verwendet werden, wurden genannt: Apps (7/6), Hörbücher (1/35), Videografien von Unterricht (8/7) und Spiele (z.B. Escape-Room) (5/6.8.110).
In Bezug auf (mündliche) Begegnungs-Formate wurden auffallend häufig die Lehrkräftefortbildungen (z.B. 5/6.8; 7/6; 9/4; 11/41) erwähnt sowie daneben auch die Mitarbeit in Lehrplan-Kommissionen durch Vertreter:innen universitärer Religionspädagogik (8/7), Hospitationen von Unterricht durch Wissenschaftler:innen (8/7), Unterrichtswerkstätten an Universitäten (11/6) sowie Berichte über Aktuelles durch Mitarbeitende an Universitäten bei Treffen mit Vertreter:innen von Schulen (1/25) oder der Austausch zwischen Vertreter:innen von Universitäten und religionspädagogischen Zentren (13/4). Im Bereich religionspädagogischer Institutionen spielen sog. „Café-Formate“ eine wichtige Rolle, bei denen sich alle paar Wochen ca. 20–30 Personen, die in unterschiedlichen Wirkungsfeldern in Theorie und Praxis mit religionspädagogischen Fragestellungen befasst sind, zu aktuellen Themen austauschen wie z.B. Inklusion, Rassismuskritik, Queer Theology (14/11.13.31).
Bezüglich angehender Religionslehrkräfte oder angehender Bildungsexpert:innen in anderen Wirkungsbereichen kommen als Formate religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation auch Vorlesungen (6/6), Seminare (9/4) wie allgemein die Lehrer:innenbildung (10/34) bzw. die Lehre an Universitäten, die auch „wissenschaftspropädeutische Maßnahmen enthalten“ (12/4), in den Blick.
3.3.3 Formate die Wissenschaftskommunikation im Hinblick auf Öffentlichkeit(en)
Bezüglich einer öffentlichkeitsbezogenen Wissenschaftskommunikation wurden für das Feld der Kommunikation von Ergebnissen religionspädagogischer Forschung im Rahmen von Angeboten zur Wissenschaftskommunikation der Universitäten als schriftliche Formate u.a. theologische Zeitschriften genannt, die sich an eine breitere Öffentlichkeit richten:
„Auch so etwas wie Zeitzeichen oder so lese ich quasi, glaube ich, einfach nur, weil ich weiß, beim nächsten Kolleg:innen-Gespräch, gerade auch so fachübergreifend, ist das im Grunde schon immer auch so ein bisschen der wissenschaftliche Smalltalk, der sich darauf bezieht.“ (8/35)
Daneben kommen Zeitungen wie die Süddeutsche oder die ZEIT in den Blick:
„… eine Möglichkeit sind ja zum Beispiel Artikel in größeren Zeitungen, (…) darüber erreicht man natürlich, ja so, ich sag mal bildungsbürgerlich Interessierte, die sich vielleicht auch irgendwie für Fragen des RUs in zukünftigen Zeiten interessieren.“ (7/18.22)
Ferner werden als schriftliches Format Pressemitteilungen erwähnt (4/14.16; 9/6) sowie als Medium, das sich an eine „unspezifische Öffentlichkeit“ richtet (9/4; vgl. 9/6), die Homepage – „das Schaufenster nach außen“ (8/7):
„Also bei uns ist die Webseite ständig ein Thema. Also es muss immer alles auf die Webseite, also, was aktuell jetzt läuft usw. Die muss gut aussehen. Die muss übersichtlich sein. Die muss leicht gefunden werden und so.“ (9/25)
Als mündliche Formate für eine Wissenschaftskommunikation hinein in eine breitere Öffentlichkeit wurden Fernsehformate (8/20) und Radiobeiträge genannt (9/27). Auch Podiumsdiskussionen gelten als klassische Formate der Wissenschaftskommunikation an eine interessierte Öffentlichkeit (10/8; 12/9). Daneben wurden Universitätsveranstaltungen mit Eventcharakter erwähnt, die z.T. auch dem Universitätsmarketing dienen, wie z.B. die „Lange Nacht der Wissenschaften“ oder Hochschulinformationstage (8/12) sowie Science Slams und ähnliche Bühnenformate (7/26–27). Für die Arbeit universitärer Gruppen wie z.B. zum Klimadiskurs werden auch z.T. ungewöhnliche Orte genannt, die für die Wissenschaftskommunikation genutzt werden, u.a. Theater, Kaufhäuser und Landesgartenschau (10/6).
Im Hinblick auf kirchliche Teilöffentlichkeiten werden in den Gesprächen als Formate von Wissenschaftskommunikation die Predigt (8/30) und Kirchentage (11/41.43) genannt.
Als eher praxisorientierte oder niedrigschwellige Formate, die sich an eine breitere Öffentlichkeit richten, sind insbesondere digitale Formate im Blick. Dabei wird in einer Reihe von Interviews darauf hingewiesen, wie stark die Bedeutung solche Angebote in der letzten Zeit angestiegen ist:
„Das Digitale hat extrem zugenommen, also exponentiell. Also das kann ich definitiv sagen.“ (1/55)
3.3.4 Zielgruppenspezifische und -übergreifende digitale Formate
In den Äußerungen zu digitalen Formaten der Wissenschaftskommunikation wird z.T. nach Art der Wissenschaftskommunikation bzw. nach Zielgruppe unterschieden. So wird in einem Interview darauf hingewiesen, wie wichtig kurze digitale Formate für die wissenschaftliche Verständigung unter Forschenden in der Religionspädagogik sind (1/69). In anderen Gesprächen wird das Potential von Kommunikationsformen jenseits des Publizierens von Büchern und Aufsätzen sowohl für eine breitere Öffentlichkeit als auch z.B. für Studierende betont. Dabei gelten v.a. Podcasts als Mittel, um diese Zielgruppen anzusprechen (z.B. 1/5; 7/4; 10/24; 14/32):
„Was ich mir vorstellen kann und was ich auch schon oft wirklich durchgespielt habe, war wirklich eine Art Podcast zu machen für Religionspädagogik-Studenten. Das heißt klar, auch für Referendare zum Beispiel, die in den Vorbereitungsdienst gehen – aber halt primär für Anfänger, um da sozusagen die Religionspädagogik wissenschaftlich auf so einer Ebene besser kommunizieren zu können.“ (1/13)
„Podcast wird aber zunehmend vielleicht auch was für die Lehre werden, da bin ich auch gerade am Überlegen, ob wir nicht kurz knackige Erkenntnisse im Podcast zusammenfassen, weil Podcast das Format ist, dass Studierende auch interessiert und (…) weil im Gegensatz zu Videos das die Chance hat: Du kannst es immer überall hören und bewegst dich dabei noch.“ (4/12)
Von Podcasts berichten die Gesprächspartner:innen, dass sie diese auch für die Rezeption von Forschungsergebnissen nutzen (z.B. 2/54).
Genannt werden als soziale Netzwerke Angebote wie Twitter bzw. X (8/36) sowie auch spezifische christliche Angebote wie ruach.jetzt (10/24) oder auch spezifisch religionspädagogische Angebote wie #relichat bzw. relilab (5/44).
(Audio-)visuelle Formate für die Wissenschaftskommunikation, die entweder selbst betrieben oder rezipiert wird, sind u.a. YouTube (z.B. 2/54; 8/24; 9/20), TikTok (z.B. 8/20) oder Instagram (2/25; 4/12; 7/4; 9/4.20.23; 10/21):
„Ein (…) Kollege (…) ist auch recht aktiv auf Instagram und postet immer, wenn er auf irgendwelchen Tagungen ist und so. Das macht natürlich etwas mit einem, man denkt dann: ‚Wieso bin ich nicht da?‘ Keine Ahnung, also es kann einen schon zum Fragen anregen oder irgendwie natürlich auch einfach Informationen geben, was ja auch echt ein wichtiger Punkt ist. So, und das fördert natürlich schon Vernetzung auch. Genau. Und natürlich wird diese Kommunikation viel persönlicher. Also das finde ich auch auffällig, also jetzt gerade jetzt mit Instagram, die Grenze zwischen privat und beruflich (…) wird da wirklich oft vermischt.“ (9/23)
In welcher Weise gerade in den digitalen Medien Beruflich-Wissenschaftliches mit Privatem vermischt wird bzw. werden soll, ist eine wichtige Frage, die an dieser Stelle angeregt wird.
Abbildung 2
Abb. 2: Formate religionspädagogischer Wissenschaftskommunikation in der Wahrnehmung und der Proxis der Befragten
3.3.5 Erste Einordnung
Insgesamt sind die in den Interviews erwähnten Formate sehr vielfältig und decken eine große Bandbreite an möglichen Kommunikationsformen ab. Auffallend ist, dass von den einzelnen Gesprächspartner:innen z.T. recht unterschiedliche Aspekte eingebracht wurden und selten von einer Person eine größere Bandbreite. Vergleicht man die Antworten mit umfangreichen Zusammenstellungen möglicher Formate von Wissenschaftskommunikation, wie z.B. die Liste auf der Internetseite https://www.wissenschaftskommunikation.de, fällt auf, dass insbesondere solche Formate von den religionspädagogischen Expert:innen nicht genannt werden, für die besonders viel Geld und/oder Zeit benötigt wird (z.B. Wissenschaftstheater) und/oder die sich eher für Naturwissenschaften eigenen (wie z.B. Science Center, Science Fair). Andere Formate der Wissenschaftskommunikation sind in Theologie und Religionspädagogik aber durchaus denkbar bzw. werden auch im Einzelfall genutzt, nicht aber von den Befragten (wie z.B. Bilder- und Kinderbuch, Schüler*innenlabore und -wettbewerbe) oder werden tatsächlich auch häufig in der Religionspädagogik verwendet, wurden aber nicht genannt (wie z.B. Flyer und Newsletter). Wieder andere denkbare Formate sind vornehmlich verbunden mit anderen Orten religionsbezogener Bildung jenseits von Universität und religionspädagogischen Zentren und Instituten (wie z.B. Ausstellungen).
3.4 Problemanzeige/Herausforderungen
Bewusst haben wir in den Interviews nicht nach Problemen bei der Wissenschaftskommunikation gefragt, weil Schwierigkeiten eigentlich immer von selbst angesprochen werden, wenn sie die Befragten wirklich bewegen. Bei der Auswertung wurde deutlich, dass genau dies der Fall war, und es finden sich unterschiedliche Problembereiche, die an dieser Stelle kurz ausgeführt und durch Beispiele belegt werden sollen. Dabei können als Kategorien genannt werden: Ressourcenprobleme, Probleme durch die Organisation im weiteren Sinne, Probleme durch gesellschaftliche Wert- bzw. Zielkonflikte, Probleme mit der Auswahl der Inhalte, die beforscht oder kommuniziert werden, und mit Verständlichkeit im weiteren Sinne.
3.4.1 „ich würde es eher als das enzyklopädische Problem beschreiben“ – Ressourcenprobleme
Im Blick auf die eigene Rezeption anderer Fächer (enzyklopädisches Problem)
Das Problem, gerade in der Religionspädagogik in der Wahrnehmung der aktuellen Themen und Forschungsfelder der anderen theologischen Fächer überfordert zu sein, wird an verschiedenen Stellen betont.
„Also wir haben ja, also in der Praktischen Theologie, oder zumindest ich empfinde das immer als Anspruch und leider scheitere ich oft an der Wirklichkeit, dass wir eigentlich die anderen Fächer wahrnehmen sollen.“ (2/36)
Es sei angesichts der Hochspezialisierung und der Aktualität nicht möglich, alles im Blick zu behalten. Ausgeführt wird das bei einer/einem der Befragten in einem Beispiel anhand der Themen der medizinischen Ethik, die ja religionspädagogisch im Blick auf den Religionsunterricht relevant sind, und in einem zweiten Beispiel durch die hoch ausdifferenzierte Wissenschaft, in der schon im eigenen Fach Religionspädagogik über das eigene Spezialgebiet hinaus die Entwicklungen nicht verfolgt werden können.
„(...) was sich da alles geändert hat (...) darüber dann im Überblick zu behalten, ist ja dann fast unmöglich, weil es ja zum Beispiel bei der, nehmen wir noch mal die Systematische Theologie, wenn man sich da auf der ethischen Seite doch mal allein in der Medizinischen Ethik tut, wie das allein im Blick zu behalten, ist sehr sportlich.“ (6/40)
„(…) de facto sind wir jetzt ein Bündel von völlig hoch ausdifferenzierten Wissenschaften, wo schon innerhalb der einzelnen Disziplin keiner mehr so richtig die Spezialgebiete des anderen verfolgen kann. Und wir haben dann aber sowas wie so ein Format wie einen Unterrichtsentwurf oder eine Predigt oder Gottesdienstarbeit, wo dann im Grunde alles zusammenfließen soll, und ich, ich würde sagen (...) dann murkst du da auch so ein bisschen vor sich hin, aber ich sehe es wirklich nicht als gelöstes Problem. Und ich würde es eher als das enzyklopädische Problem beschreiben und das hat dann indirekt sicher auch was mit Wissenschaftskommunikation zu tun.“ (8/30)
Im Blick auf das Kommunizieren von Inhalten in unterschiedlichen Medien
An verschiedenen Stellen wird ein Ressourcenproblem vor allem beim Umgang mit sozialen Medien angesprochen. Obwohl die Notwendigkeit bewusst ist, sich sozialer Medien zu bedienen, um zentrale religionspädagogische Inhalte zu kommunizieren, sind keine entsprechenden medialen Kompetenzen verfügbar, weil sie nicht Bestandteil des Studiums sind (Statement eins) bzw. weil das Zeitbudget dafür nicht ausreicht, wie aus Statement zwei deutlich wird.
„Vielleicht ist sozusagen die große Herausforderung eher, dass wir es eben nicht gewohnt sind, dass man es auch nicht lernt. (...) Also, wann hat man im Studium mal einen Podcast produziert oder einen YouTube-Clip gemacht, ja? Man schreibt halt Hausarbeiten, also im Grunde, und ich glaube, wenn man das implementieren würde, wenn man jetzt als Community beschließt (...), dass das immer wichtiger wird, dann wird es, glaube ich, auch viel generischer.“ (8/24)
„Bei sozialen Medien haben wir ein Defizit, das ist ganz klar, das ist nicht vorhanden, weil dafür einfach keine Ressourcen zur Verfügung stehen, denn soziale Netzwerke müssen regelmäßig von jungen Leuten bedient werden, die müssen mit Inhalten gefüttert werden, die müssen betreut werden, und wer das mal gemacht hat, weiß, wovon ich spreche. Das ist ein Schwachpunkt, wir haben einfach keine Ressourcen dafür, wir sind auch dafür vielleicht ein bisschen zu phlegmatisch an der Stelle.“ (13/18)
Die Lösung des Problems wird im Statement aber gleich mit angesprochen: indem „Koalitionen gebildet werden“ mit „anderen, die das besser können“. Dieser Verweis macht deutlich, dass es nicht nur um die Ressource Zeit, sondern auch um die Ressource Kompetenz geht. Wie eine solche „Koalitionenbildung“ universitär aussehen könnte, gilt es im Diskussionsteil anzureißen.
Im Blick auf die zukünftig notwendige Einsparung von Mitarbeiter:innen
Digitale Medien werden aber nicht nur als Ursache eines Ressourcenproblems angesehen, sondern auch als Teil der Lösung, wenn etwa auf die Möglichkeit einer digitalen Zusammenarbeit auch über Institutsgrenzen hinweg verwiesen wird:
„In den nächsten Jahren werden wir 30% unserer Mitarbeiter:innen verlieren. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und wir können uns nur noch Gedanken darüber machen, wie wir die Grundversorgung sichern. Wir versuchen mit sehr kleinen Ressourcen eine flächendeckende Versorgung aufrechtzuerhalten. Ein Lösungsansatz ist es, dass wir digital und gemeinsam stärker sind.“ (13/19)
3.4.2 Nur „Lobbylogik der Selbsterhaltung“? – Begründung der Auswahl der Forschungs- und Kommunikationsinhalte
Die Auswahl von Forschungs- und Kommunikationsinhalten wird von verschiedenen Personen problematisiert. Als Konsequenz der unter 3.4.1 beschriebenen Ressourcenknappheit wird angemerkt, dass eine Auswahl der Inhalte, mit denen man sich in Wissenschaftsalltag beschäftigt, stark anlassgebunden stattfindet:
„wenn ich jetzt also einem Projekt bin, wo ich etwas brauche, zum Beispiel auch in Beratung der Studierenden (...) dann guck ich selber mal, was haben die denn da aufgeführt, wer ist denn da grad im Diskurs, also ich hab eigentlich immer nur anlassbezogen also jetzt nicht konstant und regelmäßig [eine Information über die Inhalte und Entwicklungen gesucht] des Faches, das muss ich zugeben.“ (6/36)
Auch wird zur Frage, warum und wann ein Thema bzw. eine Publikation in der Society wahrgenommen wird, weil ein Interesse besteht, u.a. darauf verwiesen, dass das zufällig bzw. vom „Zeitgeist abhängig“ sei:
„Ich weiß auch gar nicht, wer es wirklich liest. Es wird so viel veröffentlicht. Also ich habe wirklich ehrlich gesagt keine Idee, was ich machen könnte, damit es breiter rezipiert wird. Ich glaube, da kommt es allein auf den Zeitgeist drauf was an, trifft es halt gerade ein aktuelles Problem, wo Leute interessiert sind, also gerade Kollegen und Kolleginnen aus der Religionspädagogik, wollen die das halt wirklich gerade lesen, wissen, es ist halt aktuell, ich glaub das ist das Einzige.“ (1/61)
Die gleiche Person präzisiert allerdings an anderer Stelle des Gesprächs in der Hinsicht, dass auch die Quantität der Publikationen zu einer Sichtbarkeit führt:
„Also wer am lautesten schreit, der wird auch gehört, also wer die größte Bandbreite hat, die meisten Klicks. Das gilt, glaube ich, auch dafür, wenn ich so gucke.“ (1/45)
Auch die Wahl der Forschungs- und Publikationsthemen durch die Wissenschaftler:innen selbst, die dann wissenschaftlich kommuniziert werden, ist begründungspflichtig. Während einige der Befragten sagen, dass Inhalte nach Interesse, Notwendigkeit oder Anfragen von außen (s.o.) bearbeitet werden, wird an einer Stelle in Frage gestellt, ob die Themenwahl nicht einer „Lobbylogik der Selbsterhaltung“ entspricht, was wiederum dann entsprechend kritisiert wird.
„Ich würde mal sagen, es gibt, es gibt ja schon so Tendenzen aufgrund sozusagen des Drucks, unter dem wir alle… Rechtfertigungsdruck und wir sind ja institutionell immer noch überproportional ausgestattet und das soll alles erhalten werden…, bekommt ja manchmal die Religionspädagogik, wenn sie sich sozusagen im weitesten Sinne Richtung Öffentlichkeit wendet, so eine Art Lobbylogik, ja. Also für das Fach, für Artikel 7,3, für den Erhalt aller möglichen Infrastrukturen und so. Und ich würde sagen, das ist natürlich auch ein… wie soll ich sagen… heikler Punkt für die Wissenschaftskommunikation also, wenn wir zu sehr in den Geruch kommen, dass wir das alles betreiben, um letztlich uns selbst und irgendwelche, eben den konfessionellen RU oder irgendwas zu erhalten, und das alles sozusagen unter so einen Lobbyismusverdacht gerät, dann würde ich sagen (...) das im Grunde der Tod im Topf für Wissenschaftskommunikation, die den fachlichen Ansprüchen genügt und die auch so was wie ein Transparenzgebot und so weiter… Also, wie soll ich sagen, also eigentlich, dass die Wissenschaftlichkeit und der Lobbyismus, würde ich sagen, stehen sich erstmal diametral entgegen.“ (8/45)
3.4.3 „Also Sichtbarkeit bedeutet ja auch immer, sich zu exponieren und sich angreifbar zu machen …“ – zur Einschätzung der Geltung von Wissenschaftskommunikation
Gefragt nach ihrer Einschätzung der Geltung von Wissenschaftskommunikation innerhalb der wissenschaftlichen Religionspädagogik äußern sich die Gesprächspartner:innen unterschiedlich. Nur zum Teil wird davon ausgegangen, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen durchaus wertgeschätzt wird:
„Also, geschickte Wissenschaftskommunikation, die (…) sich nicht zu weit jetzt engagiert nach draußen, aber die jeweiligen Zielgruppen – und das sind eben oft Lehrkräfte – gut adressiert und leicht und gut verständlich adressiert, wird schon honoriert.“ (9/29)
„(…) ich denke mal, dass inzwischen schon der Wunsch da ist, dass man auch einige eher praxisorientierte Sachen verfasst hat (…). Und ich sag mal, jetzt bei eher noch neueren Formaten – Instagram, gut, da gibt es jetzt wahrscheinlich noch wenig Sichtbarkeit dann für Berufungskommissionen oder so, wo man so was mit aufführen könnte oder ich weiß nicht, ob so was dann vielleicht eher belächelt werden würde, keine Ahnung.“ (7/24)
Bezüglich der Erfahrungen mit Berufungsverfahren wird z.B. geäußert, dass hier die Wissenschaftskommunikation „keine Rolle gespielt“ habe (8/14.18), dass das „eigentlich wenig wertgeschätzt“ wird (9/29) oder dass die Person „das jetzt nicht erlebt [hat], dass das irgendwie ein relevanter Faktor wäre“ (10/26). Insbesondere die Kommissionsmitglieder aus anderen theologischen Disziplinen würden ein entsprechendes Engagement eher nicht honorieren (vgl. 12/27). In einem Interview wird geäußert, es sei mit der Wissenschaftskommunikation so wie
„bei allen Berufungskriterien. Man schreibt das dann drauf und wenn man die Person haben will, ist das wichtig, wenn man sie nicht haben will, wird das so ein bisschen (…) das wird ja immer so ein bisschen dann so gedreht“ (11/29)
Eine Person teilt ihre Wahrnehmung, dass Professor:innen
„immer erst nach der Berufung dann auch anfangen, zum Beispiel Social-Media-Kanäle zu bespielen und da würde ich sagen, sich da zu öffnen und sich da damit im Grunde auch angreifbar zu machen. Also Sichtbarkeit bedeutet ja auch immer, sich zu exponieren und sich angreifbar zu machen (…). Aber ich kann mir das schlechter vorstellen bei Leuten, die noch auf dem Weg sind. Wenn man dann aber sozusagen etabliert ist, dann fällt es wahrscheinlich leichter… Ja, (…) weil die Vulnerabilität im Hinblick auf die Berufsbiografie sozusagen abnimmt.“ (8/20; vgl. 8/22.37)
Auch andere Befragte äußern insbesondere im Hinblick auf niedrigschwellige digitale Formate der Wissenschaftskommunikation den Gedanken, dass Kolleg:innen Sorge haben könnten, dies könnte zu Imageproblemen bezüglich des Faches oder auch der eigenen Person führen (2/58).
3.4.4 Es „muss zwischen den Paradiesgärtlein und den Ackerflächen eine Beziehung bestehen“ – Probleme durch die Organisation/fehlende Zusammenarbeit
Kritisch benannt werden einerseits Herausforderungen in Bezug auf Strukturen, die die Zusammenarbeit bzw. Innovationen nicht unterstützen, und andererseits im Blick auf die Zusammenarbeit der universitären theologischen Disziplinen, aber auch auf unterschiedlicher Akteursebene, z.B. die Zusammenarbeit zwischen Universität und Religionspädagogischen Instituten.
Dass universitäre oder kirchliche Strukturen die (innovative) Kommunikation nicht fördern, wird profiliert an einer Stelle als Problem formuliert, wie z.B.
„[Der] Apparat [ist] nicht auf Innovation (ein)gestellt (...) und immer enger [angebunden] an die Administration, dadurch geht auch Kreativität, Beweglichkeit und so weiter alles verloren. (...) Wir versuchen das dann umzusetzen (...) und dann scheitert das schon daran, dass die IT sagt, das dürft ihr hier im Haus nicht verwenden, das gibt es hier nicht und so, also dann ist das rasch gestrandet.“ (13/21)
Fehlende Zusammenarbeit wird sowohl in Bezug auf die Kooperation mit den anderen universitären theologischen Disziplinen, aber auch im Blick auf unterschiedliche religionspädagogische Akteur:innen beklagt.
„dass quasi die theologischen Disziplinen mehr miteinander zusammenarbeiten im Blick auf Bedarf, also dass beispielsweise die Bibliker halt eben mit uns zusammenarbeiten und überlegen, wie könnten wir jetzt die Inhalte, die sie wiederum erforscht haben, didaktisch aufbereiten. Also, (dass,) dass wir da Synergien, was sozusagen die Frage ist, welche Inhalte sind heute überhaupt noch relevant und wie können, (wie können) wir da eigentlich voneinander profitieren? Weil wir ja eben dann im Verhältnis zu den (zu den) anderen Fächern eben nicht so viele fachtheologische Inhalte rezipieren können, weil wir halt andere Dinge einfach [lesen] und eben zum Beispiel in andere Fächer reingucken, also (in andere) in andere Schulfächer beispielsweise.“ (5/85)
Bei der Kommunikation beide Richtungen und beide Interessen im Blick zu haben, würde allerdings gerade von den Universitäten nicht durchgängig befolgt, weil die Universitäten die Praxis zu wenig im Blick hätten.
„Wir machen als Handwerker für die religionspädagogische [Bildung] unser Ding und an der Universität machen sie ihr Ding, der eine geht ins Flachland, der andere ins Gebirge. Aber bei aller Freiheit für Forschung und Lehre muss zwischen den Paradiesgärtlein und den Ackerflächen eine Beziehung bestehen.“ (13/16)
3.4.5 „Es werden viele Hunderter verteilt, aber wir brauchen die Fünferchen und die Ein-Euro-Stücke, um in kleiner Münze auszuzahlen“ – Verständlichkeit der Inhalte
Als Problemanzeige wird vor allem von den nicht-professoralen Expert:innen die Verständlichkeit der Inhalte angemerkt und auf sprachlicher, aber auch elementarisierter inhaltliche Ebene eingeklagt:
„Daneben gestaltet sich manchmal der Transfer schwierig, weil man so den Eindruck hat, dass das universitäre Geschehen mit dem, was wir so im Alltag an kleiner Münze ausgeben müssen, wenig zu tun hat. Da werden viele Hunderter verteilt, aber wir brauchen die Fünferchen und die Ein-Euro-Stücke, um in kleiner Münze auszuzahlen. Wir sind in den Niederungen des Daseins unterwegs. Wir müssen Schülerinnen und Schülern mit lauterer Milch versorgen, um das biblisch zu sagen, und das ist bisweilen etwas schwierig, weil die wird als Trockenmilch bei uns an[geliefert] und bis wir sie mundgerecht gemacht haben, braucht es ein Weilchen. Die Universität ist für uns weit, weit weg. Also wir haben mehrfach versucht, [dass] Professoren für uns verständliche Artikel schreiben, die Religionslehrkraft XY auf den neuesten Stand der Wissenschaft bringen. Das ist teilweise geglückt und teilweise nicht. Also manchmal haben die Artikel so einen hohen Überarbeitungsbedarf, dass wir es am besten selbst geschrieben hätten, das ist sehr betrüblich. Man muss das Wesentliche auch einfach sagen können.“ (13/11)
Auf Seiten der Wissenschaftler:innen wird im Umkehrschluss beklagt, dass es durch ein Bemühen um Einfachheit und Verständlichkeit zu einer schmerzhaften Reduktion der inhaltlichen Komplexität komme, die dazu führen kann, dass Sachverhalte falsch verstanden werden. Das zeigt das folgende Beispiel, bei dem nach einem Interview für ein Printmedium eine verfälschte Sicht medial in dieser Zeitung präsentiert wurde. Aus dieser Erfahrung erwächst bei der Person die Erkenntnis, dass man quasi wie Politiker:innen auch bei Presseinterviews, deren Ergebnisse man nicht vor Abdruck gegenprüfen kann, im Vorhinein gut überlegen muss, welche (einfachen) Botschaften man transportieren möchte.
„Dadurch habe ich für mich gelernt, okay, ich muss permanent aufpassen, was ich sage, sobald ich sozusagen nicht selber derjenige bin, der am Schluss den Text in der Hand hat, (...) die wollen keine Freigabesachen machen, das machen die nicht.“ (4/39) „Das bedeutet für mich also, seit es mir da passiert ist, nachjustieren. Ich schreib mir dann auch vorher auf so ein bisschen die Stichpunkte, die ich auf jeden Fall adressieren will, und ich muss bei vielen Dingen mir auf die Zunge beißen, so blöd es klingt, weil ich eben weiß, das ist vielleicht das Interessantere oder das würden sie nehmen, beziehungsweise ich weiß, was ich mit dargestellt haben will, und ich glaub, das ist das, was man lernen muss, weil für mich ist auch durch solche Fälle klar geworden, Politiker sind permanent dabei, ihre Position nur wiederzugeben.“ (4/41)
Als Problem wird hier deutlich, dass die Prozesshaftigkeit der Kommunikation in einem Interview als Basis für einen Zeitungsartikel Perspektiven stark vereinfachen oder verfälschen kann, indem Informationen selektiv aufgenommen, angebotene Mehrstimmigkeiten reduziert und von Seiten der Empfänger:innen anders zugespitzt werden. Diese verantworten dann aber das Produkt der Wissenschaftskommunikation in seinem Sinn, obwohl der:die Autor:in damit inhaltlich nicht einverstanden ist und die Möglichkeit der Korrektur aber nicht mehr besteht. Kriterien guter Wissenschaftskommunikation sind hier nicht erfüllt, wobei die im Interview befragte Person verdeutlicht, dass das Problem in solchen Fällen auf beiden Seiten der Kommunikation verortet werden kann. Deshalb macht die Person schon entsprechende Vorschläge zur Verbesserung wie: eigene Position im Vorhinein festlegen, stetig wiederholen, Inanspruchnahme einer Schulung/Coaching zum Umgang mit Journalist:innen etc. (4).
3.4.6 „manche Leute haben einfach keine Lust, mit dir zu sprechen“ – (gesellschaftliche) Vorbehalte bezüglich (theologischer) Wissenschaft
Es wird an verschiedener Stelle festgehalten, dass das Interesse am Fach Religionspädagogik und der Theologie generell nicht mehr besonders groß ist, u.a. weil Theologie in ihren Disziplinen teilweise nicht mehr als ordentliche Wissenschaft gesehen wird. Wenn aber keine interessierten Empfänger:innen zur Verfügung stehen, wird Wissenschaftskommunikation besonders schwierig. Dies zeigt sich auf personaler, auf repräsentativer und struktureller Ebene (hierzu je ein Beispiel):
„die Vorbehalte der Theologie gegenüber hast du natürlich, selbst wenn du eine Professur hast, immer noch. Also du merkst, manche Leute haben einfach keine Lust, mit dir zu sprechen, weil sie der Meinung sind, Theologie ist einfach keine ordentliche Wissenschaft. Das gibt es immer noch, leider.“ (5/96)
„Und dann fällt mir natürlich auf, es gibt natürlich sowas wie prominente Figuren, die sozusagen als Public Intellectuals fungieren, und da würde ich sagen, in meiner Wahrnehmung sind die Theolog:innen da nicht mehr in der ersten Reihe.“ (8/12)
„Und ich selber würde sagen, habe für mich dabei auch noch beobachtet, dass die theologische Wissenschaftskommunikation noch mal natürlich auch mit den Prozessen Säkularisierung und Entchristlichung zu kämpfen hat und mit der Entfremdung und Enttraditionalisierung insbesondere der jungen Generation gegenüber unserem Fach, gegenüber unserer Disziplin.“ (2/25)
Auch können Inhalte selbst innerhalb der Religionspädagogik z.T. nicht kommuniziert werden, weil, wie im zitierten Beispiel, ausgewählte Lehrkräfte als Empfänger:innen völlig andere Bedürfnisse und Erwartungen an religionspädagogische Wissenschaftskommunikation haben als über neueste Forschungen unterrichtet zu werden: Sei es, dass sie andere individuelle Bedürfnisse haben, sei es, dass anderes z.B. im Schulalltag vordringlicher ist, wie im zweiten Beispiel:
„[Ich weiß], dass da relativ viele auch zu diesen seelsorgerlichen Angeboten kommen, also diese Formate, die dann eben so quasi 30 Minuten für mich versprechen. Da sind viele da, aber wenn es um die Inhalte geht, dann... da ist keine Zeit mehr dafür da und deshalb weiß ich nicht, ob es jetzt noch gelingt, die Sachen so zu kommunizieren, dass sie jetzt noch überall ankommen.“ (14/31)
„wenn es um Forschungsprojekte bei den Studenten geht, oder Studierenden, da kriegen die Lehrenden [an den Schulen] natürlich auch ein bisschen was mit, was auch Forschung religionspädagogisch betrifft. Aber ich glaube, das interessiert die nicht wirklich.“ (1/27)
Als Konsequenz einer solchen Problemanzeige, dass Inhalte außerhalb der wissenschaftlich religionspädagogischen bzw. wissenschaftlich-theologischen Öffentlichkeit nicht nachgefragt werden und so Kommunikationsvoraussetzungen nicht gegeben sind, wird in einem Gespräch formuliert, dass die religionspädagogisch Forschenden (deshalb) lieber „in ihrer Blase bleiben“ statt die Öffentlichkeit zu suchen:
„Also manchmal habe ich auch das Gefühl, man ist ein bisschen inzestuös unterwegs, man bleibt halt in seiner Blase und es wird halt nicht wirklich kommuniziert, da wo es intendiert ist. Also dass man wirklich eigentlich eine weite Reichweite haben möchte. Aber das klappt halt gar nicht und man bleibt dann doch in seinem Feld.“ (1/51)
3.4.7 Zusammenfassung
Aus der Liste der in den Interviews genannten Problembereiche wird deutlich, dass Probleme in Bezug auf die unterschiedlichen Ebenen der Wissenschaftskommunikation, die Mikro-, Meso- und Makroebene, formuliert werden:
A Auf der Mikroebene der kommunizierenden Person werden Ressourcenprobleme gerade in Bezug auf digitale Wissenschaftskommunikation, Probleme der Wahl von adäquaten Themen, aber auch die Angst, sich angreifbar zu machen genannt.
B Auf der Mesoebene des Systems Wissenschaft vor Ort an der eigenen Universität, aber auch in Bezug auf das System der Religionspädagogik werden das enzyklopädische Problem, die fehlende Zusammenarbeit aller Beteiligten, Probleme der inhaltlichen und sprachlichen Verständigung thematisiert.
C Auf der Makroebene der Gesellschaft werden der Bedeutungsverlust von Theologie im Geltungsdiskurs der Wissenschaften und damit fehlende (interessierte) Kommunikationspartner:innen und unterschiedliche Erwartungen an die (Themen der) Religionspädagogik problematisiert.
3.5 Kriterien guter Wissenschaftskommunikation und deren Voraussetzungen
Gefragt nach den Kriterien einer guten bzw. einer gelingenden Wissenschaftskommunikation im Kontext der wissenschaftlichen Religionspädagogik wird von den Befragten eine Vielzahl von Aspekten genannt, die von Interview zu Interview auch recht unterschiedlich ausfallen. Werden die Gesichtspunkte explizit gegliedert, wird besonders darauf abgehoben, dass eine doppelte Orientierung an den fachlichen Inhalten auf der einen Seite und an den Adressat:innen auf der anderen Seite anzustreben sei (z.B. 5/62; 8/24). Obgleich nicht explizit danach gefragt wurde, werden in einigen Gesprächen auch Voraussetzungen gelingender Wissenschaftskommunikation angesprochen.
Mit diesen Voraussetzungen beginnt die folgende Darstellung der genannten Qualitätskriterien gelingender Wissenschaftskommunikation in der Religionspädagogik. Danach wird bezüglich des Spannungsfeldes der beiden Wortbestandteile von Wissenschaftskommunikation zunächst die Zielgruppenorientierung beleuchtet, bevor der Aspekt der fachlichen Qualität in den Blick genommen wird. Die weiteren in den Interviews genannten Kriterien beziehen sich auf die empirische Ebene des tatsächlichen Erreichens der Zielgruppen sowie auf zwei grundsätzliche Herausforderungen von Wissenschaftskommunikation: zum einen auf die Transparenz bezüglich Eigeninteressen, zum anderen auf das Verhältnis der Kommunikationspartner:innen im Rahmen der Wissenschaftskommunikation.
Wenig überraschend, stehen die von den Befragten wahrgenommenen Herausforderungen und die jeweils genannten Qualitätskriterien für religionspädagogische Wissenschaftskommunikation in engem Zusammenhang; hierauf wird im Rahmen der Diskussion der Ergebnisse unter 4.1. eingegangen.
3.5.1 Voraussetzungen guter Wissenschaftskommunikation
„Also, Selbstbewusstsein ist wichtig, Mut ist wichtig“ – Persönlichkeitsmerkmale
Wiederholt werden Voraussetzungen genannt, die Persönlichkeitsmerkmale darstellen. So wird in mehreren Interviews erwähnt, dass Wissenschaftskommunikation Mut bzw. Selbstverstrauen erfordert:
„Also, Selbstbewusstsein ist wichtig, Mut ist wichtig.“ (12/29)
„Und es braucht Leute, die sich eben trauen, gerade zum Caféformat hineinzugehen und auch zu beraten. Ne also, die damit da Interesse daran zeigen. Jetzt sehe ich, dass viel auf dieser mittleren Ebene passiert, aber Professor:innen sehe ich da fast gar nicht und das ist schade, weil das sind ja eigentlich Orte, um eben auch das, was man erforscht hat, weiterzugeben. So das ja, da fehlt dann oft so ein Mut dafür.“ (14/34)
In einem weiteren Gespräch wird erwähnt, dass sich Mut darin zeigt, dass man überzeugt ist, dass „die Wissensbestände der universitären Theologien (…) es wert sind, in andere Kommunikationsformate übersetzt zu werden“ (2/25). In anderen Interviews wird gesagt, dass es Mut erfordere, sich als Wissenschaftler:in an bestimmten, ggf. erst einmal ungewohnten digitalen Formaten wie TikTok zu beteiligen, auf denen man sich auch als Person zeige:
„Ja, und man muss ein bisschen cringe-bereit sein bei diesem Medium, aber das ist die Chance daran, dass man eben etwas zur Darbietung bringt und auf ein Bedürfnis gezielt hat, und jetzt die Menschen aber auch selber entscheiden, was sie mit dieser Darbietung machen wollen.“ (2/29)
Ferner wird darauf verwiesen, dass das Betreiben von Wissenschaftskommunikation Neugierde bzw. Innovationsbereitschaft erfordere. Hierfür wird in einem Interview eine eher extrinsische Motivation angenommen:
„Es muss von beiden Seiten aus Interesse da sein. Ich glaube, die Fakultäten rühren sich jetzt, weil sie entdecken, dass sie auch mit dem Rücken auch zur Wand stehen. Die rückläufige Studienzahl ist eine Wirklichkeit, vor der wir stehen und die wir gemeinsam bewältigen müssen. Es geht nicht darum, Schuldige für die Lage auszumachen, aber die Bereitschaft zu einer ernst zu nehmenden Veränderung von beiden Seiten aus muss da sein. (…) Mein Kriterium bei der Auswahl ist Neugierde. Wenn jemand keine Innovationsbereitschaft mitbringt und keine Lust wirklich, also einen Eros am Neuen oder zum Neuen. Also das muss nicht neuerungssüchtig sein, aber man muss eine Freude daran haben, etwas Neues zu denken. Das ist eine Grundvoraussetzung, man braucht Menschen, die das wollen.“ (13/23)
Eine Person betont besonders, dass eine gelingende Wissenschaftskommunikation es erfordert, dass Religionspädagog:innen einen guten Überblick nicht nur über ihr Fach, sondern auch über die Nachbardisziplinen haben. So müsse man z.B. in der Psychologie und in der Pädagogik „gut beheimatet“ sein und stets „up to date“ (12/31) bleiben:
„Theologie sowieso: also, gutes theologisches Fundament braucht man – sowohl in der Biblischen wie auch in der Systematischen Theologie, in der Ethik; vielleicht weniger in der Kirchengeschichte, aber es schadet natürlich auch nichts – also, da und natürlich der Praktischen Theologie sowieso, also, man muss eigentlich so ein Allrounder sein. Und dann irgendwie natürlich auf eine ziemlich geniale Art und Weise auch die Fäden zusammenbinden können, sodass überzeugende Ergebnisse dabei rauskommen.“ (12/31)
„Ja, also wenn mehr Menschen mitdenken, dann wird die Sache einfach besser, Punkt.“ – Zusammenarbeit
Fener wird insbesondere in einem Interview auf die Bedeutung und die Potentiale interdisziplinärer und auch ökumenischer Zusammenarbeit wie überhaupt von Kooperationen hingewiesen. Denn wenn man im Team zusammenarbeite, habe man dadurch
„ja diese intersubjektive Verständigung schon abgeklärt (…), das ist, glaube ich, ein ganz, ganz toller Schritt und der wird ja auch eben eher im Ausland praktiziert, bei uns ja nicht so sehr. Und das finde ich ganz schlecht. Und deswegen versuche ich immer auch ökumenisch oder auch, ja, einfach im Team zusammenzuarbeiten, weil man dann einfach gleich diese Kontrollgruppe hat.“ (5/66)
„Ja, also wenn mehr Menschen mitdenken, dann wird die Sache einfach besser, Punkt. Ja, also, und in der Regel ist es nicht so, dass ein Mensch besonders alleine genial ist, sondern er hat immer ein Netzwerk hinter sich und entweder er legt es halt offen oder nicht (…)“ (5/75); vgl. auch 5/87.108.112).
„Also Gullivers Reisen haben ihn weit geführt, aber am Ende waren die Ameisen […] doch erfolgreicher und haben ihn festgenagelt.“ – Rahmenbedingungen
Nicht zuletzt finden auch Voraussetzungen guter Wissenschaftskommunikation Erwähnung, die auf die Notwendigkeit guter institutioneller Rahmenbedingungen hinweisen:
„Man braucht Rahmenbedingungen, die so gesetzt sind, dass man nicht permanent, wenn man was Neues entdeckt hat, Fesseln angelegt bekommt. Also Gullivers Reisen haben ihn weit geführt, aber am Ende waren die Ameisen sozusagen, die da Menschen hießen, doch erfolgreicher und haben ihn festgenagelt. Und so ähnlich ist es bei uns auch, das ist also auch: Wir haben keine Rahmenbedingungen. Die Rahmenbedingungen müssen gesetzt werden in Form von Geld, Ressourcen und natürlich Freiheit und Vertrauen, dass die Freiheit nicht missbraucht wird, sondern genutzt wird, um das Beste für alle zu erzählen. Und das ist, wie es in Behörden so ist, überschaubar.“ (13/23)
3.5.2 „Also man muss sich den Kunden imaginieren und den Bedarf“ – Zielgruppenorientierung
Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Zielgruppenorientierung der Wissenschaftskommunikation bzw. die Orientierung an den Kund:innen:
„Also man muss sich den Kunden imaginieren und den Bedarf, auf den unsere universitären Erkenntnisse und Forschungsleistungen reagieren.“ (2/27).
Bezüglich dieser Adressat:innen-Orientierung betonen die einzelnen Wissenschaftler:innen unterschiedliche Aspekte.
„dass man nicht so in einer abgehobenen Sprache oder in verklausulierten Texten spricht“ – Verständlichkeit der Sprache
In den Gesprächen spielt der Gesichtspunkt der Verständlichkeit eine besondere Rolle. Konkret benannt werden eine zielgruppengerechte, verständliche, klar strukturierte Darstellung der Inhalte (5/58–60) sowie eine einfache, zugängliche Sprache. Idealerweise komme diese ohne Nominalstil aus, ohne zu komplexen Satzstrukturen (5/58–60) und mit wenigen Fachbegriffen (5/58–60) bzw. mit Fachbegriffen, die erläutert (10/29) und verortet werden:
„Ja gut, das Allgemeine ist natürlich so was wie Verständlichkeit, also dass man da nicht so in einer abgehobenen Sprache oder in verklausulierten Texten da spricht, sondern es soll ja dann im Prinzip auch für jemand verständlich sein, der jetzt sich gar nicht in der Wissenschaft so vertieft auskennt, sondern (...) Also das, das wäre sicherlich ein wichtiger Punkt.“ (11/25)
„Dann würde ich eigentlich den Punkt gerade noch mal stark machen, mit dem ich gerade auch biografisch sozusagen geendet habe, nämlich sozusagen bildungsfernere Schichten stärker in den Blick zu nehmen, ja, und das beginnt bei der Sprache.“ (12/42)
„Und vielleicht tatsächlich auch so eine gewisse Barrierefreiheit…“ – Zugänglichkeit
In einem Interview wird dezidiert ein Bezug zwischen gelingender Wissenschaftskommunikation und dem Ziel der Barrierefreiheit hergestellt:
„Und vielleicht tatsächlich auch so eine gewisse Barrierefreiheit, also dass so ein bisschen die Art und Weise, wie ich es präsentiere, auch so ein bisschen der Botschaft entspricht, also, das klingt jetzt sehr pathetisch, aber… das wäre vielleicht auch was, dass ich darauf achte, dass, weiß ich nicht, ist auf eine Art und Weise, ja, die eben recht oder möglichst barrierefrei ist. Das kann man ja zum Beispiel auf Social Media auch gut machen, dass dann, weiß ich nicht, Bilder auch Bildunterschriften haben für Leute mit Sehbeeinträchtigung oder was auch immer.“ (10/30)
Auf einer anderen Ebene erscheint auch die leichte Zugänglichkeit über kostenlose Online-Formate als ein Kriterium für gute Wissenschaftskommunikation; exemplarisch wird dabei auf das WiReLex verwiesen:
„Open Access Systeme ja, also die sind für mich natürlich viel leichter zugänglich als wenn das jetzt irgendwo versteckt in irgendeinem Aufsatz ist, den ich gar nicht kriegen kann.“ (4/29)
„Naja, ich würde schon sagen, dass man im Vorhinein bedenken muss, wie Sachen rezipiert werden vielleicht.“ – Bedenken möglicher Missverständnisse und Vorurteile
Einige der Gesprächspartner:innen weisen darauf hin, dass mögliche Missverständnisse bei der Wissenschaftskommunikation mitbedacht werden sollen, hierunter insbesondere auch Vorurteile, die gegenüber Kirche und Religion bestehen.
„Naja, ich würde schon sagen, dass man im Vorhinein bedenken muss, wie Sachen rezipiert werden vielleicht.“ (9/27; vgl. 4/39)
„Also ich habe zum Beispiel den Eindruck auf Instagram oder so, wenn irgendwelche Pfarrer:innen oder Professor:innen oder so theologische Inhalte teilen, dass egal worum es geht, dann immer erstmal Resonanzen kommen in Bezug auf Kirche, Missbrauchsskandale, Kirchensteuer, was auch immer. Also ich glaube, das ist wirklich ein Faktor, den man mitbedenken müsste, zumindest wenn man in so einem virtuellen Raum unterwegs ist.“ (10/32, vgl. 12/42)
„ich frage mich nach einzelnen Bedürfnissen, theologischen Fragen im Lande“ – Relevanz
Insbesondere der Bezug auf selbst erhobene oder angenommene Bedürfnisse und Fragen von Personengruppen bzw. die inhaltliche Relevanz gilt als ein Kriterium guter Wissenschaftskommunikation, wie in einer bereits unter Punkt 3.1 zitierten Aussage deutlich wird:
„Ich komme nicht erst von meinem Ganzen, das ich rüberbringen will, sondern ich frage mich nach einzelnen Bedürfnissen, theologischen Fragen im Lande und versuche auf sie zu reagieren und dahinter dann zu symbolisieren oder Imaginationsräume aufzumachen.“ (2/31; ähnlich: 2/27.45.49)
Das Kriterium der Relevanz wird z.T. auch in einen Zusammenhang mit dem Kriterium der Verständlichkeit gebracht: Wenn deutlich werde, warum etwas für die eigene Person wichtig ist, werde es auch verständlich (14/39). Das Kriterium der Relevanz wird aber auch im Hinblick auf bestimmte Adressat:innengruppen angeführt:
„Manches ist so weit von der Wirklichkeit, dass man sich fragt: Spielt das im Alltag meiner Schülerinnen und Schüler eine Rolle? Das ist für mich ein Hauptkriterium, es darf nicht in den Elfenbeinturm führen, sondern es muss so ein, dass ich es auch anwenden kann und gute Gründe dafür habe dafür, warum ich es anwende. Dann kann ich von mir aus jede Theorie der Welt zugrunde legen, die mir die Welt erschließt.“ (13/25)
Die Relevanz wird in einem Statement auch als Gesellschaftsrelevanz gefasst, die die Religionspädagogik immer wieder auch nicht nur für ihr eigenes Forschungsfeld, sondern auch allgemein für die Theologie aufweisen muss:
„Ja, und dann sehe ich die Aufgabe der Religionspädagogik sehr stark darin, mehr so…, ja, übergreifend auch aktiv zu werden und synthetisierend auch zu fragen: Was bringt uns das Ganze? Wem dient es auch?“ (12/20)
Eine besondere Herausforderung wird hier darin gesehen, dass empirische Forschung „viel, viel stärker auch in den letzten Jahren vorangetrieben“ werde:
„Da müsste man aber auch schauen, dass man empirische Forschung so einbindet, dass sie trotzdem noch zu gesellschaftsrelevanten Ergebnissen auch synthetisiert werden kann, ja, und nicht so Einzelblicke dann nur so freigibt, das wäre für mich auch noch ein wichtiger Punkt, also auch kombiniert sozusagen mit grundlegenderen Hermeneutiken“. (12/32)
3.5.3 „… so dass es jetzt nicht zu platt wirkt“ – fachliche Qualität
In einzelnen Interviews wird als Qualitätskriterium von Wissenschaftskommunikation explizit die fachliche Qualität genannt bzw. darauf hingewiesen, dass es eine „Balance“ geben müsse „zwischen fachlich angemessen, aber trotzdem verständlich und genau…“ (5/62) bzw. eine „doppelte Kriteriologie“ (8/24) angelegt werden solle:
„Es dürfen keine Kompromisse gemacht werden im Hinblick auf die fachliche Qualität. Die Kommunikation darf das Fachliche nicht so weit überformen, dass die Fachlichkeit gefährdet ist.“ (8/24)
„Die Ergebnisse müssen für die Zielgruppe verständlich sein, müssen sie irgendwie gut erreichen können, so dass es jetzt nicht zu platt wirkt, also dass ja, wesentliche Inhalte trotzdem gut vermittelt werden können, aber eben auf eine Art, dass es dann verstanden ist und trotzdem irgendwie vielleicht motiviert zum Anschauen des Ergebnisses, was auch immer es ist.“ (7/22)
Dass sich in dieser doppelten Ausrichtung an den Sachen und den Personen auch Bezüge zum Elementarisierungsmodell erkennen lassen, wird in einem Interview expliziert:
„…Dinge, die man in Bezug auf Elementarisierung und so weiter auch eh schon weiß. (…) Also, dassich vielleicht wirklich mich kritisch darauf befrage, was ist an diesem Gegenstand relevant, herausfordernd, interessant, vielleicht auch für die Zielgruppe, die ich dann ansprechen möchte, relevant, welches Vorwissen hat diese Zielgruppe und so weiter…“ (10/28)
Als ein wichtiger Aspekt der fachlichen Qualität wird auch die Einordnung in den wissenschaftlichen Diskurs und eine Auseinandersetzung mit den Positionen anderer Autor:innen hervorgehoben.
„Es gehört immer ein Überblick dazu: Wo befindet sich diese Position, die jetzt vertreten wird, die kommuniziert wird? Was sagen andere dazu?“ (14/40; vgl. auch: 6/6)
In zwei Interviews wird das Einhalten fachlicher Standards und wissenschaftlicher Tiefe als Kriterium guter Wissenschaftskommunikation vor allem im Kontext niedrigschwelliger und digitaler Angebote betont:
„Ich habe wahrgenommen, dass über die Lehrer:innenverbände zum Teil Texte geschrieben werden, also so kleine Artikel geschrieben werden, und dass die auch relativ viel gelesen werden. Aber da ist Wissenschaft schon so klein, das reicht oft nicht, um da noch mal anzuregen, ja, da sehe ich eher so die Schwierigkeiten.“ (14/32)
„Ja, also ich würde schon sagen: Seriosität. Und das ist natürlich so die Frage in diesem ganzen Grenzbereich der Instagram-Social Media-Geschichte. Da muss ja nicht alles seriös sein. (…) Deswegen würde ich sagen: klare Kennzeichnung seriöser … – ich will noch nicht sagen und unseriöser – und informeller Wissenschaftskommunikation. Also den Leuten muss klar sein, das da ist jetzt bloß, ja, so ein bisschen Unterhaltung sozusagen und das da ist jetzt aber wirklich das, worauf es ankommt.“ (9/27)
3.5.4 „Also quantitativ, würde ich sagen, eine große Weitreiche zu haben, ist auf jeden Fall sinnvoll.“ – tatsächliches Erreichen der Zielgruppe und der Ziele
Als zielorientierte Kommunikation ist Wissenschaftskommunikation in den Augen einzelner befragter Personen auch daran zu messen, ob sie in nennenswerter Zahl die Adressat:innen und dabei auch die selbst gesteckten Kommunikationsziele tatsächlich erreicht:
„Kommunikation ist grundsätzlich dann geglückt, wenn ich das Gefühl ab, dass der Akteur, auf den ich das versucht habe hin zu adressieren, das erstens hört und zweitens so versteht, wie ich einigermaßen denke, dass er das verstehen sollte.“ (4/37)
Entsprechend zufrieden oder auch enttäuscht äußern sich Befragte, wenn z.B. Formate digitaler Wissenschaftskommunikation „echt angeklickt und angeschaut worden“ sind (2/25) oder eben auch bei bestimmten Themen, die gerade keine Konjunktur haben, Resonanz ausbleibt, weil es gerade „markttechnisch nicht funktioniert“ (3/41). In einem Interview wird die Frage aufgeworfen, ob es sinnvoll ist, sich an Fragen abzukämpfen, die aktuell offensichtlich keinen wirklich interessieren:
„Dann könnte ich mich jetzt als einzelner Vorkämpfer da fünf Jahre mit beschäftigen, aber ja, muss ich auch nicht. Dann müsste ich es für so essenziell halten und glauben, dass da was bei rauskommt, dass ich mich da eben fünf Jahre isoliere, bis dass dann der Durchbruch kommt.“ (3/44)
Noch weitergehender ist das Kriterium erfolgreicher Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik, wenn nicht allein die Rezeption der Publikationen oder Medienformate in den Blick genommen wird, sondern ebenso die tatsächliche Wirkung:
„also wie die Kommunikation sich quasi in Praxis übersetzt (...), also ich weiß nicht, ob man das und wie man das dann erforschen kann, welche Wirkung Wissenschaftskommunikation dann eben hat, (…) ob sie ne Wirkung hat?“ (11/25)
3.5.5 „Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Sprecherposition“ – Transparenz bezüglich der eigenen Kommunikationsinteressen und der eigenen Positionalität
Als ein Kriterium guter Wissenschaftskommunikation im Kontext von Religionspädagogik und Theologie wird die Transparenz bezüglich der eigenen Kommunikationsinteressen und der eigenen Positionalität genannt. Dabei wird zum einen darauf abgehoben, dass reflektiert werden solle, inwiefern die eigenen Angebote der Wissenschaftskommunikation von dem Bemühen um Legitimation bestehender Strukturen und entsprechender Bedarfe an Ressourcen geprägt sind:
„[Es geht] auch um die Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Sprecherposition. Man spricht eben immer schon von einem… zum Beispiel einem Lehrstuhl einer konfessionell verfassten Fakultät aus, und die hängt auch an 7,3 [GG], und wenn man dann für den RU nach diesem Modell plädiert, dann kann man gar nicht anders als zu sagen, ich muss. Es ist natürlich immer auch eine Selbsterhaltungslogik, und es ist an sich, wie gesagt, nicht fatal; es geht anderen genauso.“ (8/49)
Zum anderen wird Rollenklarheit und das Reflektieren der eigenen Sprecher:innen-Position als wichtig angesehen für den Bereich der interdisziplinären Zusammenarbeit, insbesondere in die Erziehungswissenschaften hinein (14/53–54) sowie für den Bereich der Lehrer:innenbildung:
„Also das wäre wahrscheinlich auch ein Punkt, dass vielleicht auch Raum bleibt, erstmal selber zu reflektieren, in welcher Sprecher:innen-Rolle bin ich hier eigentlich unterwegs, also bin ich hier jetzt gerade Reli-Lehrerin, bin ich Vertreterin der Institution Kirche, stehe ich da mit meinen eigenen Glaubensinhalten hinter?“ (10/34)
3.5.6 „… dass man sich auf Augenhöhe begegnet“ – Dialog gleichberechtigter Partner:innen
In einzelnen Äußerungen werden Aspekte genannt, die sich darauf beziehen, dass Wissenschaftskommunikation nicht als Einbahnstraße von der Wissenschaft zu den ‚Praktiker:innen‘ zu verstehen ist, sondern als kommunikativer Austausch zwischen gleichberechtigten Partner:innen. Hierzu gehört nach einer interviewten Person eine Begegnung auf „Augenhöhe“ (11/27):
„[Denn] wenn man das nicht tut, (…) kann es schnell übergriffig werden. So also, die Schlauen aus dem Elfenbeinturm sagen dir, wie wir Praktiker das so machen sollen oder so (…). Das ist das eine Kriterium, dass also im Grunde ja so ne Begegnung auf Augenhöhe, dass man also das Gegenüber, mit dem man kommuniziert, als gleichberechtigt anerkennt und dessen Erfahrungen und Beiträge eben auch entsprechend ernst nimmt und nicht direkt in irgendwelche Schubladen steckt und sagt, naja, gut, der der macht jetzt irgendwie, was weiß ich, Gebets- /Frömmigkeitspraxis im Religionsunterricht, das wollen wir nicht oder so.“ (11/27)
In einem Interview wird das Kriterium einer gelungenen Anschlusskommunikation stark gemacht und dass es wichtig ist, kontinuierlich miteinander im Gespräch zu bleiben:
„Und dann fehlt es oft an: Wo geht es weiter? Also wie geht es jetzt weiter mit diesem Gedanken? Es sind ja oft Arbeitsergebnisse oder sind Momentaufnahmen. Und was passiert dann weiter und wie kann man eigentlich im Gespräch bleiben? Das sind, würde ich sagen, unmittelbar wichtige Punkte, um etwas wirklich so zu kommunizieren, dass das Gegenüber sich auch irgendwie mitgenommen fühlt. Und weiß, also, das hat was mit mir zu tun.“ (14/41)
3.5.7 Zusammenfassung
In den vorliegenden Interviews wird auf unterschiedliche Voraussetzungen für eine gelingende Wissenschaftskommunikation hingewiesen, und zwar auf einzelne (hilfreiche) Persönlichkeitsmerkmale für Forschende, auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und auf günstige oder zumindest nicht limitierende Rahmenbedingungen. Viel Raum nehmen in den Gesprächen Gesichtspunkte ein, die sich zum übergeordneten Kriterium der Zielgruppenorientierung bündeln lassen. Hierzu gehören die Verständlichkeit der Sprache, die Zugänglichkeit, das Bedenken von möglichen Missverständnissen und Vorurteilen in einer zunehmend säkularen Gesellschaft und der Aufweis von Relevanz. In einzelnen Interviews werden die fachliche Qualität, das tatsächliche Erreichen der Zielgruppe und der Ziele, die Transparenz bezüglich der Kommunikationsinteressen und die Positionalität sowie der Dialog gleichberechtigter Partner:innen als Kriterien erwähnt.
4 Diskussion im Theoriekontext – Kriterien guter Wissenschaftskommunikation und deren Voraussetzungen
Eben weil Wissenschaftskommunikation so umfassend beschrieben werden kann, bergen das vorgestellte Material und seine Analyse vielfältige Anschlussmöglichkeiten für eine Diskussion und praktische Perspektiven wie z.B. die Frage, wie sich die Ergebnisse der Interviewstudie in die theoretischen Überlegungen zu den vier ‚Transferfeldern‘ fachdidaktischer Forschung nach dem Positionspapier von GFD und ÖGFD (2023) verhalten bzw. die Frage nach den nicht genannten Adressat:innen und Akteur:innen, den aus welchen Gründen priorisierten Medien, den oben dargestellten Problembereichen, der Frage, warum Wissenschaftskommunikation als Metadiskurs bisher so wenig in der Religionspädagogik angekommen ist, die Frage, wie sich Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik zur Öffentlichen Religionspädagogik bzw. zur Öffentlichen Theologie verhält, usw.
Aus pragmatischen Gründen und im Blick auf die Fragestellungen der Fachsociety auf dieser Tagung haben wir zur Diskussion die Frage nach den Kriterien guter Wissenschaftskommunikation und deren Voraussetzungen ausgewählt, die auch im Zentrum der Anfrage stand, und zwei praktische Fragen in den Ausblick gestellt, die an dieser Stelle aus der Fülle der Möglichkeiten fokussiert werden sollen.
4.1 Interdependenz von wahrgenommenen Herausforderungen und Qualitätskriterien
Die wahrgenommenen Herausforderungen und die Qualitätskriterien der Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik sind eng miteinander verflochten.
Bezüglich der Voraussetzungen von Wissenschaftskommunikation spiegelt die Wahrnehmung, dass Wissenschaftskommunikation u.a. Mut und Selbstvertrauen erfordert, einerseits die wahrgenommenen Herausforderungen, dass die Geltung von Wissenschaftskommunikation allgemein oder aber bestimmter Formate innerhalb der Scientific Community als unsicher oder sogar als problematisch eingeschätzt wird – und andererseits die Wahrnehmung, dass Wissenschaftskommunikation aus dem Bereich der Theologie durch Vorurteile und/oder fehlende Relevanzzuschreibung doppelt herausfordert ist. Das genannte Kriterium der Zusammenarbeit steht in Beziehung zu Herausforderungen, die sich bezüglich der Organisationsstrukturen und bestehender Kooperationsbemühungen zeigen, lässt sich aber auch nicht trennen von der Wahrnehmung, dass für die wissenschaftliche Karriere Einzelleistungen eher zuträglich erscheinen als die Arbeit im Team. Der Ruf nach für Wissenschaftskommunikation günstigen strukturellen Rahmenbedingungen korrespondiert mit entsprechenden Problemwahrnehmungen. Dass dabei auch die Interessen von Publizierenden und Rezipierenden in Spannung zueinanderstehen können, zeigt das Beispiel Open Access. Denn dadurch wird auf der einen Seite die Zugänglichkeit für an Wissenschaft Interessierten erhöht, durch den hohen Zuschussbedarf auf Seiten der Forschenden werden aber gleichzeitig aber auch Barrieren aufgebaut, wodurch ein gerechter Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (vgl. 1/61).
Auch bei den einzelnen Aspekten, die einer angestrebten Zielgruppenorientierung von Wissenschaftskommunikation zugeordnet werden können, spiegeln sich mehr oder weniger direkt entsprechende Problemwahrnehmungen, etwa bezüglich der Kriterien einer verständlichen Sprache, des antizipierenden Mitbedenkens möglicher Missverständnisse und Vorurteile sowie der Herstellung von Relevanz im Kontext einer zunehmend säkularen Gesellschaft.
Das Kriterium fachlicher Qualität und Seriosität von Wissenschaftskommunikation bezieht sich insbesondere auf die Herausforderungen einer niedrigschwellig-praxisorientierten und/oder digitalen Kommunikation.
Mit dem Kriterium des tatsächlichen Erreichens der angestrebten Ziele und Zielgruppen korrespondiert die wahrgenommene Herausforderung, dass Angebote der Wissenschaftskommunikation aus dem wissenschaftlich-religionspädagogischen sowie allgemein dem theologischen Bereich aus unterschiedlichen Gründen nicht automatisch mit Interesse rechnen können.
Einer von einzelnen Interviewpartner:innen wahrgenommenen Gefahr einer „Lobbylogik“ der Selbsterhaltung korrespondiert die Forderung nach Transparenz bezüglich des Kommunikationsinteresses und der eigenen Positionalität.
Von den in einzelnen Gesprächen genannten Herausforderungen eines gewinnbringenden Dialogs zwischen Akteur:innen aus der universitären Religionspädagogik und Expert:innen für religiöse Bildung in anderen religionspädagogischen Zusammenhängen gibt es Bezüge zu dem genannten Qualitätskriterium eines Dialogs auf Augenhöhe.
4.2 Ergebnis-, Prozess-, Struktur- und Konzeptqualität von Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik
Die in den Interviews vorgeschlagenen Kriterien für eine gute bzw. gelingende Wissenschaftskommunikation lassen sich einzeichnen in breit rezipierte Qualitätsmodelle, die verschiedene Ebenen unterscheiden, etwa eine Konzept-, Struktur-, Ergebnis- und Prozess-Qualität (vgl. für den Bereich Praktischer Theologie und Religionspädagogik exemplarisch: Adam & Rothgangel, 2012, S. 418–419 und S. 430–431; Fendler & Binder, 2016; Gojny, 2021, S. 307–546).
Die meisten der in den Interviews genannten Aspekte gehören zur Ergebnisqualität, insofern sie beschreiben, wie im Ergebnis eine gute Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik aussehen könnte bzw. sollte, vor allem in Bezug auf die Zielgruppenorientierung (mit den Unterkriterien der Verständlichkeit der Sprache, der Zugänglichkeit, dem Bedenken möglicher Missverständnisse und der Relevanz), die fachliche Qualität sowie die Transparenz bezüglich der eigenen Interessen und Positionalität. Auch die Überprüfung der gesteckten Kommunikationsziele kann dieser Dimension zugerechnet werden.
Zur Prozessqualität gehört das Kriterium eines gleichberechtigen Dialogs „auf Augenhöhe“ und die Möglichkeit einer angemessenen Anschlusskommunikation.
Solche Kriterien, die eher als Voraussetzungen für eine gelingende Wissenschaftskommunikation in den Expert:innengesprächen angesprochen wurden, wie Mut und Selbstvertrauen, Neugierde und Innovationsbereitschaft, Wahrnehmen von Forschungsergebnissen der eigenen Disziplin sowie von Nachbardisziplin sowie Interesse und Veränderungsbereitschaft der jeweiligen Institutionen können der Dimension der Strukturqualität zugeordnet werden. Denn diese bezieht sich auf die Frage nach den notwendigen personellen – auch ausbildungs- und kompetenzbezogen Ressourcen für Wissenschaftskommunikation (z.B. im Hinblick auf Medienkompetenz im Kontext von Digitalität, Kompetenzen bezüglich ‚einfacher‘ Sprache und ‚einfacher‘ Bilder). Auch die Frage nach geeigneten Strukturen in den Institutionen, die den einzelnen Akteur:innen genug persönliche Freiräume lassen, gehört zur Strukturqualität.
Kaum explizit angesprochen als Kriterien guter Wissenschaftskommunikation wurden Aspekte, die sich der Konzeptqualität zuordnen lassen. Gleichwohl können etliche der genannten Herausforderungen und Spannungen gewendet werden zu konzeptionellen Fragen. Diese müssen erst noch näher ausdifferenziert und diskutiert werden. Dass Gesprächsbedarf besteht, zeigen nicht zuletzt die Äußerungen in der hier vorgestellten Studie, die davon zeugen, dass es keineswegs einen Konsens darüber gibt, von welchem Wissenschaftsverständnis der Religionspädagogik und von welchem Verständnis von Wissenschaftskommunikation auszugehen ist und welche Bedeutung der Wissenschaftskommunikation insbesondere im Hinblick auf die Zielgruppen von Bildungsexpert:innen und einer ‚breiteren‘ Öffentlichkeit zukommen soll. Bezüglich dieser und anderer der in den Gesprächen genannten Qualitätskriterien für eine gelingende Wissenschaftskommunikation liegt es nahe, noch einmal genauer zu fragen, durch welche normativen Annahmen diese jeweils bestimmt sind.
4.3 Zu normativen Implikationen der Kriterien für gute Wissenschaftskommunikation – und zu offenen Fragen
4.3.1 Wissenschaftsverständnis
Mit Bonfadelli lassen sich im Wesentlichen drei Verständnisweisen von Wissenschaft unterscheiden: Wissenschaft als Elfenbeinturm, bei der es in erster Linie um wissenschaftsinterne Kommunikation geht und höchstens einmal um eine Kommunikation nach außen in persuativer bzw. erziehender Absicht, als Glashaus, bei der Top-Down Ergebnisse der Wissenschaft an Zielgruppen außerhalb der Wissenschaft kommuniziert werden, oder als Marktplatz. Diese Verständnisweisen implizieren jeweils unterschiedliche Konzeptionen des Publikums, das in einer Defizit-Perspektive entweder als nicht relevant (Elfenbeinturm) erscheinen kann oder als von den Wissenschaftler:innen in einer Einbahn-Kommunikation zu beeinflussende Zielgruppe (Glashaus). Das Publikum kann aber auch „als (gleich)berechtigter Partner“ gesehen werden, das mittels einer „zweiseitig-asymmetrisch[en]“ Kommunikation angesprochen wird (Markplatz) (Bonfadelli, 2017, S. 85). In den geführten Experten-Gesprächen begegnen Aussagen, die sich diesen unterschiedlichen Verständnisweisen von Wissenschaftskommunikation zuordnen lassen bzw. sich zu diesen (kritisch) verhalten – etwa in der Forderung nach einer Kommunikation auf Augenhöhe oder in der Betonung der Mündigkeit, Selbstständigkeit und Freiheit aktiver Rezipient:innen digitaler Formate von Wissenschaftskommunikation.
Spezifisch im Hinblick auf die Religionspädagogik kommt noch die Frage hinzu, ob sich diese Wissenschaft so versteht, dass es ihre Aufgabe ist, eine Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und z.B. Schule und Gesellschaft auch für andere theologischen Disziplinen auszufüllen. Wie bereits gezeigt, sind die Stimmen zu dieser Frage durchaus geteilt.
4.3.2 Frage der Verantwortlichkeit
Die benannten Herausforderungen sowie Kriterien für gute Wissenschaftskommunikation berühren auf unterschiedliche Weise auch immer wieder die normativ zu beantwortende Frage, welche Individuen und auch welche Organisationen, Verbände und Institutionen eigentlich genau für welchen Bereich der Wissenschaftskommunikation zuständig sind. Hier ist eine noch zu entwickelnde bzw. noch auszudifferenzierende Theorie religionspädagogischer Institutionen und Akteure (Professor:innen, Wissenschaftliche Mitarbeitende an Universitäten/Hochschulen, Mitarbeitende an Religionspädagogische Zentren der Landeskirchen und am Comenius-Institut, Vertreter:innen von Professionen wie Wissenschaftsjournalist:innen, Mitarbeitende in den Bereichen universitärer und kirchlicher Kommunikation und Public Relation usw.) gefragt. Und auch innerhalb einzelner Institutionen stellt sich diese Frage der Verantwortlichkeit (etwa an einem Lehrstuhl) und berührt damit sowohl Machtfragen (Wer darf/muss das übernehmen?) als auch Ressourcenfragen (Wer ist kompetent? Welche Ressourcen sind vorhanden? Welche ‚alte‘ Aufgaben fallen weg, wenn Neues hinzukommt?). Auch ganz konkret stellen sich immer wieder Zuständigkeitsfragen, z.B. wenn in den Medien falsche oder zumindest schiefe Informationen zu religionspädagogisch relevanten Fragen auftauchen: Sind einzelne Wissenschaftler:innen nun aufgerufen, hier einen Leserbrief zu schreiben? Oder soll die GwR (Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik) sich äußern oder die KIET (Konferenz der Institute für Evangelische Theologie)? Usw.
4.3.3 Frage der Herkunft der Kriterien für eine gute Wissenschaftskommunikation
Allgemeine Vorschläge für eine „gute Wissenschafts-PR“ gibt es bereits; exemplarisch genannt sei z.B. das Kriterium „Gute Wissenschafts-PR wirkt darauf hin, aus der Fülle der Informationen diejenigen herauszuarbeiten, die relevant für die Gesellschaft sind. Dies erfolgt nicht allein aufgrund von Eigeninteressen“ (Wissenschaft im Dialog, 2016, o.S.). Ebenso wurden Listen „grundlegender Werte der Wissenschaftskommunikation“ erarbeitet: „Nutzen für die Gesellschaft, Transparenz, Offenheit der Wissenschaft für den aktiven Dialog mit der Gesellschaft, Selbstkritik und Veränderungsbereitschaft, Unabhängigkeit, Kooperationsbereitschaft aller Akteure, die Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis“ (ebd.). Daneben finden sich eine Reihe von praxisorientierten Vorschlägen zum Know-how handwerklich gut gemachter Wissenschaftskommunikation (z.B. „https://www.wissenschaftskommunikation.de/; Bonfadelli, 2017). Ferner wurden Qualitätskriterien für eine allgemeine Wissenschaftskommunikation entwickelt, nachzulesen sind sie in den Ausführungen zu den „Anforderungen an Akteure“ in dem Positionspapier „Wissenschaftskommunikation“ (2021) des Deutschen Wissenschaftsrates. Für eine Auseinandersetzung mit der Frage nach Gütekriterien von Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik sind diese Publikationen sicherlich hilfreich.
Je nach Fragestellung werden sie zu ergänzen sein u.a. durch medienethische Reflexionen insbesondere für den Bereich digitaler Kommunikation durch Fragen nach dem ‚Agenda-Setting‘, nach legitimen und nicht legitimen Möglichkeiten des Weckens und Lenkens von Aufmerksamkeit und Interesse (wie z.B. pointierte Zuspitzungen und Kontrastierungen, starke Vereinfachungen, starke Personalisierung, Emotionalisierung), nach Inklusion und Exklusion bezüglich der Möglichkeiten, sich medial mitzuteilen und Gehör zu finden, nach impliziten und expliziten Strategien der Auf- und Abwertung der wissenschaftlichen Leistungen Anderer sowie nach der Transparenz bezüglich möglicher persönlicher und auf die eigene Disziplin bezogener Interessen. Für eine journalistische Ethik liegen hier viele Überlegungen vor, die sich – wie z.B. auch Teile des Pressekodexes – zumindest zum Teil auf den Bereich der Wissenschaftskommunikation übertragen lassen. Darüber hinaus stellt sich letztlich im Schnittfeld von Medienethik und Umweltethik auch die Frage, welche Formate von Wissenschaftskommunikation umweltethisch für welchen Zweck aus Gründen des Klimaschutzes und des Schonens von Ressourcen zu bevorzugen bzw. abzulehnen sind. Zu denken ist beim letztgenannten Gesichtspunkt z.B. an Abwägungsprozesse zwischen gedruckten Büchern und E-Books (bei denen keineswegs immer die digitale Variante die ressourcenschonendere ist), zwischen digitalen ‚Treffen‘ oder Austauschformaten in Präsenz insbesondere bei internationalen Formaten oder an die auf die Rezipient:innen bezogene Frage, ob man einen Beitrag eher im Radio hören oder streamen sollte. Auch die Frage, ob und wenn ja inwiefern KI in Gegenwart und Zukunft bestimmte Aufgaben einer Wissenschaftskommunikation in unterschiedliche Öffentlichkeiten hinein im Bereich der Religionspädagogik übernehmen kann (z.B. ‚Übersetzung‘ in unterschiedliche, u.a. auch milieubedingte Sprach- und Bildwelten), hat auch eine medienethisch zu reflektierende Dimension.
5 Praktischer Ausblick
Expert:innen sind in der Lage, Dinge auf den Punkt zu bringen. In der Vielzahl der Stimmen tun sich aber auch gerade neue Perspektiven und Themen auf, aus denen hier im Sinne eines praktischen Ausblicks zwei ausgeführt werden sollen: erstens die Möglichkeiten, Wissenschaftskommunikation durch Kooperationen zu verbessern; zweitens die Frage nach der Wahrnehmung wichtiger Themen durch Positionspapiere der eigenen und anderer Fachgesellschaften, die religionspädagogisch relevant sind.
5.1 „wir versuchen das zu lösen, dass wir (...) Koalitionen bilden mit anderen“ – Kooperation bei der Wissenschaftskommunikation
Jede:r Wissenschaftler:in ist herausgefordert, im Blick auf die Kommunikation seiner Themen verschiedenste Kanäle zu bespielen. Die Kompetenzen sind hier allerdings unterschiedlich vorhanden. Es gibt Personen, die fühlen sich bei TikTok zu Hause, andere bedienen Instagram, wieder andere sind sehr gut vernetzt in der Presselandschaft, so dass sie sofort wissen, welche:r Redakteur:in eines Leitmedium Interesse an welchem (religionspädagogischen) Thema haben könnte. Wichtig für unser Fach im Kontext der Theologie ist aber das gemeinsame Interesse, zu zeigen, dass die Theologie und die Religionspädagogik etwas Konstruktives beizutragen haben im Reigen politisch- und gesellschaftliche relevanter Themen. Die vorgetragene Lösung „wir versuchen das zu lösen, dass wir (...) Koalitionen bilden mit anderen, die das viel besser können, und das muss man können, oder man blamiert sich“ (13/18) mag hier einen Horizont eröffnen.
Vielleicht könnte man auf einer zentralen Seite für Journalist:innen auf der Homepage der GwR ausweisen, welche Themen und Formate die GwR-Mitglieder bedienen, um in der Öffentlichkeit gerade im journalistischen Bereich besser wahrgenommen zu werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit dem Themenverzeichnis der Dissertationen und Habilitationen sehr erfolgreich gegangen worden. Vielleicht könnten hier sogar (digitale, öffentlich wirksame) Beispiele für Wissenschaftskommunikation eingebunden werden, die Kolleg:innen erstellt, bzw. an denen sie beteiligt waren und die sie selbst als gut gelungen betrachten. Wenn dann Journalist:innen jemanden suchen und dort jemanden finden, der:die zum Thema xy aussagefähig ist und sich im Mediengeschäft z.B. bei Podiumsdiskussionen gut behaupten und unsere Sache überzeugend ‚verkaufen‘ kann, ist allen damit gedient. Koalitionen, auch im Blick auf Auffindbarkeit und schnelle Ansprechbarkeit, sind in diesem Sinne im Kontext der Wissenschaftskommunikation nach außen wie nach innen in vieler Hinsicht nötig und entlastend.
5.2 „vielleicht hab‘ ich es ja auch mal gelesen, wieder vergessen“ – Zur Rezeption von Positions- bzw. Orientierungspapieren der Fachsociety
Interessant ist in den 14 Interviews, dass keine:r der Interviewten im Gespräch selbstständig auf das Papier zur Wissenschaftskommunikation der Gesellschaft für Fachdidaktik Bezug genommen hat, nur eine Person hat auf Nachfrage gesagt, sie wüsste, dass es ein solches Papier gibt, hat Inhalte aber nicht näher benannt. Alle anderen mussten bei der Frage nach Kenntnis der Publikation passen:
„Ich hab‘ es noch nicht gelesen (...); aber vielleicht hab‘ ich es ja auch mal gelesen, wieder vergessen. Ich weiß…, im Moment wüsste ich nicht. Was steht denn da drin bei der GFD?“ (11/35)
Die Frage am Zitatende „Was steht denn das drin bei der GFD?“ zeigt, dass in dem Moment der Auseinandersetzung mit einem Thema solche Dokumente Interesse hervorbringen, was bedeutet, dass das Interesse eigentlich im Zusammenhang mit der Publikation situations- oder themengebunden geweckt werden müsste. Das kann in Form einer Rundmail oder eines Posts sein, in dem/der deutlich wird, wie bedeutsam das Thema für die Existenz als Wissenschaftler:in ist. Nur dann werden solche Dokumente wahrgenommen, gelesen und, was eigentlich am wichtigsten ist, erinnert, denn „vielleicht hat man es (...) überflogen und dann ist es dann irgendwie direkt wieder vergessen.“ (11/39)
Vergessen werden solche Papiere, „weil das so allgemein ist. (...) es sind oft so Selbstverständlichkeiten… so Banalitäten, ja so klar, dass man es dann nicht kennt.“ (11/39)
Für uns stellt sich die Frage, ob es im Rahmen unseres Faches oder im Blick auf Fächer, mit denen wir als Religionspädagog:innen kooperieren, nicht Inhalte gibt, die sozusagen verbindlich sind, die man einfach wahrnehmen muss, so wie Religionslehrer:innen die Kerncurricula oder die Vorgaben für die Abiturprüfung.
Bei der Abfrage im Auftrag der Gemischten Kommission II der EKD z.B. bezüglich der Rezeption der grundlegenden Papiere der FK II/jetzt GK II in der Umsetzung der Module in den fächerverbindlichen Richtlinien (Zimmermann u.a., 2020) wurde deutlich, dass deren Kenntnis und damit die Verwendung selbst bei den Studiendekanaten nicht durchgängig der Fall war.
Hilfreich könnte auch hier als Problemlösung z.B. eine verlinkte Überblicksliste auf der Website der GwR sein, die zu zentralen Themen, die für Religionspädagogig:innen relevant sind, Dokumente der Fachgesellschaften, der Kirchen, der Nachbardisziplinen etc. zusammenträgt. Gleiches könnte im Sinne der Modulerstellung oder -überarbeitung zu Papieren der GK II oder der KMK der Fall sein. Damit könnte im Sinne der Wissenschaftskommunikation eine Entlastung für alle Beteiligten einerseits erreicht, andererseits inhaltlich eine Verstärkung der Wahrnehmung gefördert werden. Denn es „ist natürlich auch irgendwie ein ironischer Witz, (...) dass die Papiere zu Wissenschaftskommunikation so schlecht kommuniziert sind.“ (8/41)
Literaturverzeichnis
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Dr. Tanja Gojny, Professorin für Religionspädagogik und Didaktik der Evangelischen Religionslehre, Bergische Universität Wuppertal.
Dr. Mirjam Zimmermann, Professorin für Religionspädagogik und Fachdidaktik der Evangelischen Theologie, Universität Siegen.
Die Wissenschaftskommunikation innerhalb der Wissenschaft entspricht dem englischen Begriff der academic bzw. der scholarly communication und wird von der sogenannten science communication abgegrenzt, der Übertragung wissenschaftlicher Inhalte in allgemeinverständliche Beiträge, die z.T. auch als Wissenschaftsjournalismus bezeichnet wird (Ball, 2020, S. V). Wissenschaftsinterne Wissenschaftskommunikation geschieht keineswegs nur mittels formaler Kommunikation, etwa über wissenschaftliche Beiträge in Fachorganen, sondern auch mittels informeller Kommunikation zwischen Wissenschaftler:innen, die keineswegs weniger regelgeleitet ist als die formale Wissenschaftskommunikation (Lüthje, 2017). In manchen Darstellungen zur Wissenschaftskommunikation ist allein diese wissenschaftsinterne Kommunikation im Blick (Ball, 2020), bei der die Akteure die Forschenden selbst sind.
Die Wissenskommunikation aus der Wissenschaft heraus steht im Fokus der deutschsprachigen Kommunikationsforschung der letzten 35 Jahre. Dabei wurde „vornehmlich die öffentliche, massenmedial vermittelte Kommunikation über naturwissenschaftliche Themen an ein Publikum außerhalb der Scientific Community in den Blick genommen“ (Bonfadelli, Fähnrich, Lüthje, Milde, Rhomberg & Schäfer, 2017, S. 4); viel beachtete Themen sind dabei z.B. Klimaforschung, Umweltrisiken, technologische Entwicklung und medizinische Innovationen (ebd). Gleichwohl betonen Publikationen zur Wissenschaftskommunikation in diesem genannten Sinne, dass dieser Begriff „grundsätzlich auch auf die Kommunikation über die Geistes- und Sozialwissenschaften angewendet werden sollte“ (ebd., S. 4). Seit einiger Zeit rückt ins Bewusstsein, dass zur Wissens- und Wissenschaftskommunikation zentral auch das Kommunizieren von Nicht-Wissen gehört (Nordmann, 2012). Dem Positionspapier zur Wissenschaftskommunikation des Wissenschaftsrates (2021) liegt ein solches an externer Wissenschaftskommunikation orientiertes Begriffsverständnis zugrunde (Wissenschaftsrat, 2021, S. 7). Bezüglich der Wissenschaftskommunikation aus den wissenschaftlichen Disziplinen hinein in unterschiedliche Öffentlichkeiten gibt es eine Vielzahl von möglichen Akteuren: Neben den Wissenschaftler:innen sind dies u.a. Wissenschaftsjournalist:innen, Beschäftigte in PR-Abteilungen wissenschaftlicher Institutionen, Bildungsexpert:innen in unterschiedlichen Einrichtungen von der Kita bis zur Erwachsenenbildung oder Mitarbeiter:innen einer NGO. Zudem betreiben auch viele Personen in dem genannten Sinne Wissenschaftskommunikation außerhalb ihres eigenen Berufsfeld, z.B. als bloggende Laien oder Mitglieder von Patienten-/Selbsthilfegruppen (Wormer, 2017, S. 447).
Die „intentionale, nach innen und nach außen gerichtete Kommunikation von Wissenschaftsorganisationen (Hochschulen und Forschungseinrichtungen), die dem Erhalt und dem Ausbau organisationaler Legitimität dient“, wird als „strategische Wissenschaftskommunikation“ bezeichnet (Raupp, 2017, S. 149). Diesbezügliche Modelle lassen sich grundsätzlich danach voneinander unterscheiden, ob sie primär der „Vermittlung“ von Wissenschaft an eine Öffentlichkeit dienen und damit eine hierarchische Überordnung der Wissenschaft implizieren, oder ob sie „primär der „Verständigung“ über Wissenschaft dienen und dabei „die Perspektive um[kehren]“ und „öffentliche Ansprüche an die Wissenschaft“ fokussieren, wobei die letztgenannten historisch auf die erstgenannten folgten (Raupp, 2017, S. 147–149).
Z.T. wird der Begriff der Wissenschaftskommunikation dann verwendet, wenn im spezifischen Sinne des Wortes nicht die Wissens-Kommunikation thematisiert bzw. erforscht werden soll, sondern die Kommunikation über Wissenschaft. Diese kann sich gezielt und strategisch an unterschiedlichen Zielen orientieren, etwa an intendierten „Wirkungen auf Wissen über Wissenschaft“ („Scientific Literacy“), an „Wirkungen auf Einstellungen zu Wissenschaft“ („Public Understandig of Science“) oder an „Wirkungen auf Einstellungen, Interesse, Beliefs, Vertrauen in Wissenschaft“ („Public Engagement with Science“) (Metag, 2017, S. 254).
So fassen z.B. Schäfer, Kristiansen und Bonfadelli unter Wissenschaftskommunikation „alle Formen von auf wissenschaftliches Wissen oder wissenschaftliche Arbeit fokussierter Kommunikation, sowohl innerhalb als auch außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft, inklusive ihrer Produktion, Inhalte, Nutzung und Wirkungen“ (Schäfer et al. 2015, S. 13; vgl. auch Bonfadelli et al., 2017, S. 5; Horst & Michael, 2017).
Es scheint sich etabliert zu haben, bezüglich Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation drei Ebenen zu unterscheiden: Dabei werden auf der Makroebene „Funktionen und Leistungen des Gesamtsystems für die Gesellschaft kommuniziert“; auf der Mesoebene konkreter wissenschaftlicher Einrichtungen werden „Leistungen und Aufgaben konkret mit Blick auf die Anwendungsorientierung politischer und wirtschaftlicher Prozesse und Entscheidungen kommuniziert“ und schließlich auf der Mikroebene der bzw. des einzelnen Forschenden werden die jeweiligen Ergebnisse einzelner Forschungsprojekte publik gemacht (Dernbach, Kleinert & Münder, 2012, S. 3).
Der Begriff schließt an den auch in den Bildungswissenschaften sowie in der Praktischen Theologie und Religionspädagogik rezipierten Qualitätsdiskurs an (vgl. Abschnitt 4.3.3).
In Abweichung zu den gängigen Transkriptionsrichtlinien verwenden wir die Klammer mit drei Punkten (...) nicht für längere Pausen, sondern um Auslassungen deutlich zu machen. Die eckige Klammer steht für Ergänzungen bei unverständlichen Passagen.