1 Wissenschaft auf YouTube

Längst hat sich YouTube mit seinen aktuell über 67 Millionen Nutzer:innen in Deutschland1 nicht nur als Portal für Unterhaltungsvideos, sondern auch als Plattform für Wissensvermittlung etabliert. Nach Umfragen verwenden rund 50 % der Nutzer:innen YouTube, um sich Wissen anzueignen.2 Tutorials, Produkttests und Videos mit wissenschaftlichen Inhalten von sogenannten „Science Influencern“ oder „Sciencetubern“ zählen mit zu den beliebtesten Kategorien. Aus meiner Sicht ist YouTube damit ein sehr wesentlicher Beitrag zu einer Kultur des Teilens und zur Bildungsgerechtigkeit. „Wer hat es nicht schon einmal geschätzt, dass How-To-Anleitungen zu allen möglichen Problemen, Vortragsvideos zu unzähligen Themen bis hin zu kompletten Vorlesungen renommierter Universitäten frei verfügbar online stehen?“ (Pirner, 2024). Trotz aller Kommerzialisierung, die zum Geschäftsmodell von YouTube gehört, und die den Nutzer:innen v.a. durch die oftmals nervig langen und häufigen Werbeeinblendungen begegnet, bleibt eine Stärke der Plattform: Die Videos sind weltweit kostenfrei zugänglich.

Die hohen Abonnent:innen- und Aufrufzahlen der Top 10 der beliebtesten Wissenskanäle bei YouTube lassen das große Potential von YouTube für die Wissensvermittlung deutlich werden, wie Abbildung 1 zeigt.

Abb. 1: Die beliebtesten deutschen Wissenskanäle auf YouTube; Quelle: Statista 2024 (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1005950/umfrage/deutsche-wissenskanaele-bei-youtube-nach-anzahl-der-abonnenten/). Anmerkung: „Kurzgesagt – in a Nutshell“ ist englischsprachig; hier sind die internationalen Abonnentenzahlen angegeben; die deutsche Version ist „Dinge Erklärt – Kurz gesagt“.

Seit einiger Zeit ist die Wissenschaftskommunikation via YouTube selbst zum Thema von wissenschaftlicher Forschung geworden. So hat eine umfangreiche Studie aus dem Jahr 2022 neben den Nutzungszahlen auch die Nutzungsweisen der Rezipient:innen von Wissenschaftsvideos untersucht. Ihre systematische Auswertung von Wissenschaftsvideos führte zunächst zu einer Typologie mit vier Videotypen:

  • a) der Expert:innenfilm,

  • b) der narrative Erklärfilm,

  • c) der Präsentationsfilm und

  • d) der Animationsfilm (Bucher, Boy & Christ, 2022, S. 237).

Festgestellt wurde, dass Universitäten und andere Forschungseinrichtungen ihren Schwerpunkt auf Expert:innenfilme legen und damit allerdings nicht sehr hohe Reichweiten erzielen, sodass der eher nüchterne Befund lautet: „Gemessen an den Abrufzahlen haben Wissenschaftsvideos, die von Nicht-Wissenschaftlern verantwortet werden, eine deutlich höhere Reichweite als Videos von Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Einrichtungen.“ (Bucher, Boy & Christ, 2022, S. 238). Von der Kommunikationslogik sozialer Medien her gesehen würden wissenschaftliche Einrichtungen gewissermaßen auf das „falsche Pferd“ setzen. Das wird auch deutlich in dem Befund, dass Fakten aus Animationsfilmen und narrativen Erklärfilmen deutlich besser erinnert werden als Fakten aus Expert:innenfilmen. Allerdings wird der Expert:innenfilm als signifikant vertrauenswürdiger eingeschätzt als die anderen Videotypen (Bucher, Boy & Christ, 2022, S. 243). Interessant ist, dass die Unterhaltsamkeit eines Videos nicht nur zu einer besseren Gesamtbewertung führt, sondern auch zu einer höheren Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit, allerdings auch negative Nebeneffekte haben kann, wenn sie mit starken Vereinfachungen der Inhalte einhergeht (Bucher, Boy & Christ, 2022, S. 244). Charakteristisch für die wissenschaftsbezogene Kommunikation auf YouTube sind die Partizipationsmöglichkeiten, also v.a. die Videos zu bewerten oder zu kommentieren bzw. Fragen zu stellen, Anregungen zu geben und auch mit anderen Usern in die Diskussion zu kommen. Die Studie empfiehlt abschließend, dass sich Wissenschaftler:innen hinsichtlich der Formate und der Gestaltung an den erfolgreichen Laien-Videos orientieren – u.a. wird der Kanal „maiLab“ als vorbildlich genannt.

Nun ist die Initiatorin von „maiLab“, Mai Thi Nguyen-Kim, kein wissenschaftlicher „Laie“, sondern promovierte Chemikerin. Um noch ein anderes Beispiel zu nennen: Der Kanal „Terra X Lesch & Co“ stützt sich wesentlich auf die Popularität des Universitätsprofessors für Astrophysik Harald Lesch und bringt es, wie in der obigen Grafik zu sehen, auf über eine Million Abonnent:innen. Wissenschaftler:in zu sein, scheint insofern zumindest – glücklicherweise – kein Ausschlusskriterium für erfolgreiche Wissenschaftskommunikation auf YouTube darzustellen. Einige Chancen und Grenzen dieser Art von Wissenschaftskommunikation sollen im Folgenden am Beispiel des YouTube-Kanals „mailab“ etwas genauer betrachtet werden.

2 Der YouTube-Kanal „maiLab“ als ambivalentes Beispiel

„maiLab“ ist wohl der bekannteste YouTube-Kanal über Wissenschaftsthemen. Er wurde 2016 von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim gegründet und von dem öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerk „Funk“ produziert, das von ARD und ZDF gemeinsam verantwortet wird. Im April 2023 wurde der Kanal eingestellt; das Format ist aber seit 2024 auf ZDFneo zu sehen. Und im Frühjahr 2024 gab es eine Art Neustart des Kanals unter dem Namen „Maithink X“, der bereits so viele Abonnenten hat wie der ‚alte‘ „maiLab“-Kanal hatte, nämlich 1,47 Millionen. Wie sich „Maithink X“ entwickeln wird, bleibt noch abzuwarten. Ich konzentriere mich im Folgenden auf einige analytische Anmerkungen zu „maiLab“. Gerade in der Corona-Zeit waren die um Aufklärung und verlässliche Information bemühten Videos dieses Kanals sehr gefragt: Das Video „Corona geht gerade erst los“ vom 2.4.2020 erzielte 6,7 Millionen Aufrufe, über 260.000 Likes und über 46.000 Kommentare.3 Nguyen-Kim hat inzwischen nicht nur zahlreiche Preise für ihren Wissenschaftsjournalismus erhalten, sondern sogar eine Ehrenprofessur an der Universität Duisburg-Essen und das Bundesverdienstkreuz. Exemplarisch sei aus der Begründung für die Verleihung der Goldenen Kamera in der Kategorie „Best of Information“ an Nguyen-Kim im Herbst 2020 zitiert:

„Wie keine andere schafft es Mai Thi Nguyen Kim, wissenschaftliche Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen und so zu erklären, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer verstehen, worum es geht … Dabei will die 33‑Jährige niemals beeinflussen, niemals Meinung lenken – für sie zählen Fakten und Haltung.“ (zit. nach Weitze, 2023, S. 186).

Im Rahmen seines Buches zur Wissenschaftskommunikation nach Corona hat sich der ebenfalls promovierte Chemiker und Privatdozent Marc-Denis Weitze auch mit dem Kanal „maiLab“ genauer beschäftigt. Weitze kommt hier zu einer anderen, überwiegend kritischen Einschätzung:

„Der YouTube-Kanal ‚maiLab‘ wollte in regelmäßigen Folgen aufklären, verlässliche und differenzierte Informationen zu Corona liefern. Inwieweit funktioniert das? Handelt es sich um Aufklärung, um Journalismus oder um eine einseitige Informationskampagne? Tatsächlich war die Perspektive sehr eingeschränkt. Informationen wurden einseitig dargestellt, Fakten und Meinung nicht immer getrennt. Soll diese Art der Wissenschaftskommunikation Maßstäbe setzen?“ (Weitze, 2023, S. 179)

Nguyen-Kim falle zurück in überwunden geglaubte Spielarten der Kommunikation, in eine Zeit, als Wissenschaftler:innen ihre Aufgabe darin sahen, die Öffentlichkeit im ausschließlich positiven Duktus zu informieren, welche Vorteile der „wissenschaftliche Fortschritt“ habe. Es handele sich um eine „Wissenschaftskommunikation von oben herab“ (Weitze, 2023, S. 182), die u.a. zum einseitigen Propagieren des Impfens in der Corona-Pandemie führte, ohne den Versuch, auch entgegenstehende Bedenken zu verstehen. Weitzes Kritik trifft sich so mit jener allgemeineren Kritik an einem „autoritären Szientismus“, wie sie Peter Strohschneider jüngst vorgetragen hat (Strohschneider, 2024). Immerhin hat Nguyen-Kim im Rückblick einige Selbstkritik gezeigt. In einem Interview hat sie etwa eingeräumt, sie und ihr Team hätten noch genauer auf die Unterscheidung zwischen unumstößlichen Fakten und Ermessensspielräumen achten sollen (Kupferschmidt, 2021).

So macht das Beispiel „maiLab“ nicht nur die enormen Chancen der Wissenschaftskommunikation über digitale Plattformen wie YouTube deutlich, sondern auch die Probleme und Herausforderungen, die damit verbunden sind – auch wenn man die Kritik von Weitze wiederum als etwas überzogen empfinden kann. Offen bleibt jedenfalls die Frage, ob populäre Wissens- und Wissenschafts-Vermittlungsformate wie YouTube-Videos dazu neigen, ein zu enges und letztlich unangemessenes Verständnis von Wissenschaft zu verfestigen. Und offen bleibt auch die Frage, wer die Qualität von wissenschaftlichen Darstellungen in populären YouTube-Formaten beurteilen kann, gerade wenn es sich um hochspezielle und gesellschaftlich hochumstrittene Themen handelt – was auch für viele theologische und religionspädagogische Themen gilt.

3 Entstehung und theoretischer Hintergrund des YouTube-Kanals der Forschungsstelle für Öffentliche Religionspädagogik

Sieht man sich die beliebtesten Wissenskanäle an, so geht es überwiegend um naturwissenschaftliches Wissen; aber auch zu philosophischen, theologischen oder religionspädagogischen Fragen stößt man immer wieder auf interessante Vortrags-, Interview- oder Doku-Videos – allerdings bislang kaum auf eigenständige YouTube-Kanäle. Wenn ich recht sehe, war unser YouTube-Kanal, der im Jahr 2016 gegründet wurde, seinerzeit ein Pionier-Projekt im Bereich der Religionspädagogik. Weil seine Entstehungsgeschichte auch einen systematischen Hintergrund hat, möchte ich sie kurz zusammen mit diesem Hintergrund vorstellen.

Im Jahr 2016 haben wir das 12. Internationale Nürnberger Forum durchgeführt, also die 12. Konferenz in der von meinem Vorgänger, Prof. Dr. Johannes Lähnemann, gemeinsam mit Dr. Werner Haußmann begründeten Reihe von Tagungen zur interkulturellen und interreligiösen Verständigung und Bildung. Diesmal ging es um Public Theology / Öffentliche Theologie, mit dem Titel „Public Theology – Religion – Education“.4 Mir war in den Jahren zuvor zunehmend deutlich geworden, dass der Ansatz der Öffentlichen Theologie eine geradezu ideale theologische Basis für öffentliche religiöse Bildung, insbesondere auch für den schulischen Religionsunterricht darstellte.

Deshalb hat sich nicht nur diese Konferenz, das Nürnberger Forum, mit der Beziehung zwischen Öffentlicher Theologie und Bildung und interreligiösem Lernen beschäftigt, sondern wir haben auch die Forschungsstelle für Öffentliche Religionspädagogik / Research Unit for Public Religion and Education gegründet.5 Durch diese Forschungsstelle sollten und sollen Bezüge zwischen Öffentlicher Theologie und Bildungsfragen erforscht und bearbeitet werden, mit internationalen Perspektiven (vgl. u.a. Pirner, 2017; 2018; Pirner et al., 2018; 2019; Grümme & Pirner, 2023).

Dazu gehört ein Bereich, den wir als Defizit der bisherigen Öffentlichen Theologie wahrgenommen haben: Das Verständnis von Öffentlichkeit war weitgehend eingeengt auf die Öffentlichkeit der akademisch gebildeten Intellektuellen. Zur Bearbeitung dieses Defizits schien mir die Gründung eines YouTube-Kanals ein erster sinnvoller Schritt zu sein. Es ging mir und geht mir darum, im Sinne der Öffentlichen Theologie und einer Öffentlichen Religionspädagogik Öffentlichkeiten auch jenseits der theologisch und akademisch gebildeten Öffentlichkeiten zu erreichen. Wie Heinrich Bedford-Strohm (z.B. Bedford-Strohm, 2019) und andere vertrete ich den Grundansatz, dass Öffentliche Theologie zweisprachig, bilingual, sein muss: Sie muss die Sprache der christlichen Tradition und die Sprache der säkularen Welt sprechen. Öffentliche Theologie muss aber darüber hinaus eine Sprache sprechen, die auch nicht theologisch oder akademisch gebildete Menschen verstehen können.

Dies war von Anfang an ein Anliegen von Öffentlicher Theologie, wie sie in ihren deutschen Wurzeln entstanden war. Bereits in den 1960er Jahren gab es in Deutschland eine Schriftenreihe, die sich „theologia publica“ nannte – und sich damit bereits vor dem in den 1970er Jahren dann erst eigentlich beginnenden Diskurs um Öffentliche Theologie an eine breitere Öffentlichkeit richtete. In dieser Buchreihe wurden Rundfunkbeiträge zu theologischen Themen veröffentlicht, z.T. von akademischen Theolog:innen, z.T. von kirchlichen Rundfunkjournalist:innen, um diese Themen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen (vgl. Herrmann & Schlette, 1966). Und bereits Anfang der 1970er Jahre hat der Systematische Theologe Sigurd Daecke hellsichtig darauf hingewiesen, dass mit dieser kommunikativen Aufgabe Öffentliche Theologie immer auch eine didaktische und religionspädagogische Dimension hat (Daecke, 1970). Es geht darum, adressatengemäß zu kommunizieren, die christlichen Perspektiven in immer wieder neuer Weise und in die verschiedenen Kontexte hinein zu übersetzen. Seit der Jahrtausendwende hat sich dann zunehmend die Einsicht durchgesetzt, dass ein immer wichtiger werdendes Handlungsfeld der Religionspädagogik das der öffentlichen Medien ist (vgl. z.B. Grethlein, 1998); ich selbst habe bereits früh dafür plädiert, dieses Handlungsfeld in den Kontext der Öffentlichen Theologie bzw. einer öffentlich verantworteten Religionspädagogik zu stellen (Pirner, 2001, S. 24).

Wenn Öffentliche Theologie und Öffentliche Religionspädagogik heute eine breitere Öffentlichkeit erreichen wollen, müssen sie in den digitalen Öffentlichkeiten präsent sein, in denen sich die Mehrzahl der heutigen Menschen bewegt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Analysen zum – in Anklang an Jürgen Habermas‘ Grundlagenschrift – „Digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (z.B. Bedford‑Strohm, Höhne & Zayher-Quattlender, 2019), jüngst auch von Habermas selbst (Habermas, 2022), die als theoretische Unterstützung für Bemühungen verstanden werden können, Öffentliche Theologie und Öffentliche Religionspädagogik nicht nur, und zwar durchaus kritisch, auf die digitalen Medien zu beziehen – das auch –, sondern ihre Anliegen auch über die digitalen Medien und ihre Plattformen zu kommunizieren.

Das Motiv, theologische und religionspädagogische Inhalte auf diese Weise für eine breitere Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher zu machen, impliziert dabei aus meiner Sicht – wie eingangs bereits angeklungen – auch den Aspekt der Bildungsgerechtigkeit: Es geht sowohl darum, solche Inhalte für nicht in theologisch-akademischen Kontexten Verortete zu erschließen als auch darum, theologische und religiöse Bildung kostenfrei zugänglich zu machen. Damit lässt sich das Unternehmen „religionspädagogischer YouTube-Kanal“ auch einordnen in die Bestrebungen um Open Educational Resources (OER) und Open Educational Practices (OEP) – zu denen unser aktuelles BMBF-gefördertes konfessionsübergreifend-religionspädagogisches Verbundprojekt FOERBICO Beiträge erarbeiten will (vgl. dazu auch den Workshop-Beitrag meiner Kooperationspartnerin Viera Pirker).6 Auf die Frage, ob bzw. inwiefern YouTube-Videos OER-fähig sind, werde ich unten im Abschnitt „Rechtliches“ zurückkommen (vgl. auch meinen Blog-Beitrag: Pirner, 2024).

Inhalte und Charakteristika des YouTube-Kanals der Forschungsstelle für Öffentliche Religionspädagogik / Research Unit for Public Religion and Education (RUPRE)

Der Kanal https://www.youtube.com/@rupre7828 startete mit der Videodokumentation des oben beschriebenen 12. Nürnberger Forums. Dazu wurde ein professionelles, fernseherfahrendes Kamerateam engagiert, der Film in deutscher7 und in englischer Sprache8 publiziert. Meinen Anspruch, möglichst alle Videos des Kanals zweisprachig zu publizieren, konnte ich leider nicht durchhalten. Immerhin sind aber etliche englischsprachige Videos vorhanden, u.a. die Vortragsvideos der Forums-Tagung. Im Laufe der Zeit sind dann weitere Kategorien von Videos entstanden – die sich mit den oben vorgestellten Typen nur schlecht erfassen lassen. Sie sollen im Folgenden kurz erläutert werden.

Tagungsdokus

Neben der erwähnten Public Theology-Tagung wurde auch die Tagung zu Kinderrechten von 2019 und das 13. Nürnberger Forum „Education for Sustainable Development – Spiritual Dimensions” in eigenen Video-Dokus festgehalten. Außerdem wurden zentrale Vorträge zu diesen und weiteren Tagungen dokumentiert („Digitality and Normativity“, 2022; „DiSo-RE: Digitalitätsethische Souveränität“, 2024; Studientage „bilingualer Religionsunterricht“).

Vortrags-Videos

Auch außerhalb von Tagungen entstandene Vorträge wurden dokumentiert, z.B. zum Thema „Antisemitismus im Netz“ oder zum EKD-Orientierungsrahmen „Ev. Religionsunterricht in der digitalen Welt“.

Interview-Videos

Interview-Videos finden sich bislang u.a. zu den Themenfeldern Bildung für nachhaltige Entwicklung (mit Jörg Alt, Katrin Bederna, Claudia Gärtner, Hans Mendl und Wolfgang Schoberth), Kinderrechte (mit Heiner Bielefeldt, Stephan Gerbig, Lothar Krappmann, Jörg Maywald und Manfred Pirner) und Influencer bzw. digitalitätsethische Bildung (mit der Influencerin Carina Schätz).

Studentische Erklärvideos

Diese beschränken sich bislang auf einige, die im Rahmen der Kinderrechtstagung 2019 erstellt wurden.

Zwei besondere Formate wurden in den letzten zwei Jahren entwickelt, mit dem ausdrücklichen Ziel, religionspädagogische Forschung bekannter, zugänglicher und für die Praxis relevanter zu machen. 

„Research Snacks Religion & Education“

Wie in den Video-Beschreibungen erläutert, will diese Videoreihe kurze, ca. 7-minütige Einblicke in aktuelle Forschungen zum Themenfeld Religion und Bildung geben. In den Beschreibungen werden jeweils weiterführende Informationen über Websites, Literatur usw. gegeben. Bislang sind vier „Snacks“ veröffentlicht worden, der erste davon auch auf Englisch.

„Reli Topics. Top Themen für den Religionsunterricht“

Beide für diesen Bereich produzierten Videos beschäftigen sich mit dem Thema Influencer – einmal allgemeiner und einmal speziell fokussiert auf das Unterthema „Virtuelle Influencer“. Beide Videos verorten sich im Kontext des BMBF-geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Digitalitätsethische Souveränität“ und versuchen bewusst, praktische Anregungen für den Religionsunterricht zu geben, die aus der Projektarbeit entstanden sind.9

Schaut man sich die Aufrufzahlen der Videos an, so lässt sich feststellen, dass sich an der Spitze englischsprachige Videos finden, die international zugänglich sind, dass zum anderen aktuelle, über den Religionsunterricht hinausgehende Themen interessieren, aber eben auch auf die Praxis des Religionsunterrichts bezogene Themen. Aufschlussreich ist, dass sich auch drei Interviews unter den Top-7 befinden.

Tab. 1: Aufrufzahlen der sieben am häufigsten geklickten Videos auf dem Kanal (Stand: 2.9.2024)

 

Natürlich bleiben die Aufrufzahlen weit hinter den Zahlen der eingangs vorgestellten populären YouTube-Kanäle zurück. Auffällig ist zudem die im Vergleich zu anderen YouTube-Kanälen ausgesprochene Zurückhaltung, was Likes und v.a. Kommentare betrifft. Eine digitale Kommunikationskultur scheint – zumindest auf YouTube – im Bereich der Religionspädagogik noch nicht etabliert, was vielleicht auch an tendenziell Social-Media-kritischen oder -unerfahrenen Wissenschaftler:innen wie Religionslehrkräften liegen kann.

Seit 2023 bin ich dazu übergegangen, für die Videos des RUPRE-Kanals auch auf anderen Social-Media-Plattformen zu werben. Dafür habe ich jeweils kurze Teaser-Videos (Reels) erstellt und diese über Instagram, TikTok, X und LinkedIn verbreitet. Auf dem RUPRE-Kanal sind sie als „Shorts“ eingestellt. Dass solche Kurzvideos Aufmerksamkeit finden, zeigt sich an den Aufrufzahlen, v.a. auf TikTok, z.B. 1.802 Aufrufe des Videos zu „Antisemitismus im Netz“, 891 Aufrufe des Kurzvideos zu Research Snack 4 (Kinderrechte). Dass sich dies nicht gleich in höheren Aufrufzahlen des beworbenen YouTube-Videos niederschlägt, ist allerdings auch festzuhalten.

Abschließend sollen einige praktische Tipps für Kolleginnen und Kollegen gegeben werden, die selbst YouTube-Videos erstellen (wollen); da ich in dieser Hinsicht Autodidakt auf Hobby-Ebene bin, kann ich lediglich aus der eigenen Erfahrung heraus einige Hinweise geben.

Praktische Tipps für die Erstellung und Verbreitung von YouTube-Videos

Die folgenden Infos und Tipps finden sich auch mit den entsprechenden Links und einigen weiteren Ergänzungen auf einem Padlet, mit dem im Workshop gearbeitet wurde: https://kurzlinks.de/q0dj

Hardware

Für qualitätsvolle Videoaufnahmen reichen heutzutage in der Regel die Kameras von Smartphones aus. Zentral – und häufig unterschätzt – ist aber sowohl eine ausreichende Beleuchtung als auch ein guter Ton. Viele YouTuber verwenden zur Beleuchtung ein sogenanntes Ringlicht, in dessen Zentrum dann das Smartphone positioniert wird; es hat den Vorteil, dass das Gesicht oder die Körperkonturen gleichmäßig ausgeleuchtet werden. Es gibt aber auch eine ganze Reihe weiterer sinnvoller Videolicht-Installationen, die nicht teuer sein müssen.

Eine gute Tonqualität ist entscheidend wichtig. Ich habe gute Erfahrungen sowohl mit dem Blue Yeti USB-Mikrophon als auch mit dem NT-USB-Mikrophon von RODE gemacht. Sie sind sehr leicht zu bedienen (plug-and-play), und beide lassen sich auch über einen USB-auf-USB-C-Adapter problemlos mit dem Smartphone verbinden. Für unterwegs und größere Distanz vom Handy gibt es die Möglichkeit, mit dem Wireless Microphone von OSA zu arbeiten; es ist sowohl für Android-Smartphones als auch für i-Phones erhältlich (man muss aber das richtige wählen!). Die Tonqualität kann allerdings nicht mit Blue Yeti oder NT-RODE mithalten.

Software

Für die Aufnahmetechnik habe ich gute Erfahrungen mit OBS Studio (= Open Broadcaster Software) gemacht. Es handelt sich um eine kostenlose, frei verfügbare und open source Software, die v.a. erlaubt, alles, was auf dem Computerbildschirm passiert, als Video aufzunehmen. Dabei können auch verschiedene Soundquellen, z.B. die eigene Stimme für Präsentationen und der System-Ton bei eingespielten Videoelementen, gemischt werden.

Zum Schneiden der Videos kann ich die ebenfalls frei zugängliche, kostenlose Software Shotcut empfehlen. Sowohl für OBS Studio als auch für Shotcut gibt es auf YouTube zahlreiche Tutorials und Videos zu Einzelfragen, sodass man sich schnell und selbstbestimmt einarbeiten kann.

Auf pixabay.com gibt es nicht nur kostenlose, lizenzfreie Bilder, sondern auch Musik und Videoschnipsel, die man in die eigenen Videos einbinden kann.

Rechtliches10

Zur Nutzung von YouTube-Videos

Für den privaten Gebrauch (und dann auch für die Verwendung in den meisten Bildungskontexten) ist auch das Herunterladen von YouTube-Videos nach §53 Urhebergesetz erlaubt. Auf der Website „Internet-abc“ findet man dazu nähere, durch Rechtsexpertise abgesicherte Infos:

  • Wie bei den Bildern […] gilt auch bei Filmen, dass sie gezeigt werden dürfen, um Unterrichtsinhalte zu veranschaulichen. Da Filme mit einer Länge von bis zu 5 Minuten als „Werke geringen Umfangs“ einzustufen sind, dürfen sie vollständig vorgeführt werden. Für alle längeren Filme gilt, dass maximal 15 % davon gezeigt werden dürfen.

  • Im jeweils selben Umfang dürfen die Filme auch zunächst heruntergeladen werden. Zudem ist es erlaubt, sie anschließend (nur) den Teilnehmern der Veranstaltung über eine geschlossene Online-Plattform wie z.B. "Moodle" passwortgeschützt zur Verfügung zu stellen.

  • Abgesehen davon ist die Wiedergabe von ganzen Werken egal welcher Länge (nicht aber deren Kopieren und Verteilen) immer dann ohne Erlaubnis zulässig, wenn sie nicht-öffentlich erfolgt.11

Der normale Schulunterricht oder ein Seminar an einer Hochschule gelten als nicht-öffentlich.

In einem Blog-Beitrag von Clipchamp finden sich konkrete Hinweise, wie YouTube-Videos heruntergeladen werden können.12 So kann man sich bei „YouTube Premium“ registrieren und dann ganz legal über die Funktion „Offline speichern“ ein Video herunterladen. Allerdings kostet das gegenwärtig (September 2024) 12,99 € pro Monat. Ein weiterer Haken ist, dass die Videos zwar offline angeschaut werden können, aber nicht mit einer Videosoftware bearbeitet werden können. Dagegen bieten kostenlose Programme wie der 4k Video-Downloader oder der bekannte VLC-Mediaplayer die Möglichkeit, Videos in einem Format herunterzuladen, das dann auch bearbeitbar ist. Rechtlich scheint eine YouTube-Premium-Mitgliedschaft die beste Variante, sich der Legalität des Downloads sicher zu sein. Allerdings gibt es noch zwei weitere Optionen einer legalen Verwendung von heruntergeladenen Videos.

Creative Commons auf YouTube

Es ist nach meinem Eindruck nur wenig bekannt, dass die YouTube-Standardlizenz nicht OER-konform ist, da sie keine uneingeschränkte Weiterverwendung und -bearbeitung garantiert, dass es aber die Möglichkeit gibt, dass Content Creators hochgeladene Videos mit einer CC-Lizenz versehen. Für Nutzer:innen kann es sich lohnen, nach solchen CC-lizenzierten Videos auf YouTube Ausschau zu halten. Creative Commons-Lizenz wird in der Beschreibung des Videos ausgewiesen. Für Video-Teilende ist die Einstellung der CC-Lizenzierung nicht ganz leicht zu finden. Beim Hochladen von Videos oder auch bei bereits veröffentlichten eigenen Videos kann die CC-Lizenz im Bearbeitungsmodus unter „Videodetails“ (ganz unten) -> „Mehr anzeigen“ -> „Lizenz“ eingestellt werden; angeboten wird: „Creative Commons mit Namensnennung“, also die CC-BY-Lizenz. Man kann auch generell für alle künftig hochzuladenden Videos die CC-Lizenz in den Standardeinstellungen fixieren: Dazu geht man in den Kanaleinstellungen auf „Standardeinstellungen für Uploads“ -> „Erweiterte Einstellungen“ und kann hier die Lizenz „Creative Commons-Lizenz ‚Namensnennung‘“ auswählen.

Mein Plädoyer: Möglichst viele Content Creators, die Videos auf YouTube hochladen, sollten diese Creativ-Commons-Einstellung nutzen, um dann auch das Herunterladen und kreative Weiterverwenden der Videos auf eine rechtlich sichere Basis zu stellen. Allerdings: Diese Lizenz kann nur dann für YouTube-Videos vergeben werden, wenn diese keine urheberrechtlich relevanten Inhalte von anderen Autor:innen enthalten (womit sie dann eine sogenannte Content-ID erhalten würden, welche eine OER-Lizenzierung verhindert). Solche urheberrechtlich relevanten Inhalte können Bilder, Sequenzen aus anderen Videos oder Musikstücke sein. Kanalbetreiber:innen können Videos mit Content-ID in ihrer Kanalübersicht („Mein Kanal“ à „Meine Videos“) in der Spalte „Einschränkungen“ anhand des Eintrags „Urheberrecht“ identifizieren.

YouTube-Videos in eigene Videos einbinden

Eine rechtlich legale Möglichkeit, Videoausschnitte auch aus urheberrechtlich geschützten Videos in eigene Videos oder Präsentationen zu integrieren, ist die Verwendung im Rahmen des Zitatrechts nach § 51 Urheberrechtsgesetz.13 Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln von 2013 ist dieses Zitatrecht so zu verstehen, dass ein Videozitat dann (vergütungsfrei und ohne Zustimmung des jeweiligen Urhebers) eingebunden werden darf, wenn „es als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden erscheint“. Es reiche nicht aus, „dass die Zitate in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt werden; vielmehr muss eine innere Verbindung mit den eigenen Gedanken hergestellt werden.“ Eine genaue Umfangsbeschränkung von Video-Zitaten gibt es nicht; das Zitat sollte in einem „sachgerechten und vernünftigen Umfang“ liegen (vgl. z.B. die Website „Internet-Law“). Bekannt und beliebt sind in letzter Zeit die zunehmend auf YouTube publizierten „Reaction-Videos“, in denen YouTuber die Videos anderer YouTuber oder TikToker kommentieren – auf der Basis des Zitatrechts. 

Didaktische Gestaltungsprinzipien

Neben der oben genannten Literatur ist dazu das YouTube-Video „Alles zu Erklärvideos (#5): Gestaltungsprinzipien“ des Medienzentrums Frankfurt hilfreich; die meisten der dort genannten Prinzipien sind auch über reine Erklärvideos hinaus relevant.14 In Stichworten lassen sich folgende wichtige Aspekte nennen:

  • Spannender Anfang (erste 15 Sek.!)

  • gute Strukturierung

  • Klarheit / Anschaulichkeit

  • Verständlichkeit (adressatengerecht)

  • Glaubwürdigkeit

  • Story-Telling

  • Personalisierung

  • Sympathisches Auftreten

  • Humor / Unterhaltsamkeit

  • Kürze / Kompaktheit

  • Aussagekräftiger, Neugierde weckende Titel und gute Beschreibung (Suchmaschinenoptimierung beachten: https://www.youtube.com/watch?v=iMEhJ_0YTuw)

  • Ansprechendes, aussagekräftiges Titelbild (Thumbnail)

  • Die Analysemöglichkeiten von YouTube Analytics nutzen

Literaturverzeichnis

 

Prof. Dr. Manfred L. Pirner ist Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts sowie Direktor der Forschungsstelle für Öffentliche Religionspädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.