Einleitung

Das Selbstverständnis von Universität als abgeschiedenem Elfenbeinturm, einer exklusiven und schöngeistigen Stätte, die ihr Wissen nur auserwählten Bildungsbürger:innen zur Verfügung stellt, ist längt überholt. Mit offenen Vorlesungsreihen auf YouTube, Podcasts, Blogs, Podiumsdiskussionen und der Beteiligung an Wikipedia-Einträgen versuchen Hochschulen, Wissenschaft und Forschung zunehmend zu öffnen, sich transparent zu zeigen und die Kommunikation mit einer breiteren, fachlich interessierten Öffentlichkeit zu gestalten. Die Open-Science-Bewegung zielt auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit und fordert Wissenschaftler:innen sowie Akteur:innen aus Politik, Wirtschaft und Kultur dazu auf, zum Austausch beizutragen und den wissenschaftlichen Dialog im Sinne einer Demokratisierung des Wissens mitzugestalten (Siegfried, Scherp, Linek, Flieger, 2024, S. 13). Neben der Vermittlung und dem Transfer von Expert:innenwissen gehören dazu die Beteiligung am gesellschaftlichen Dialog und Legitimation des wissenschaftlichen Tuns. Wissenschaftskommunikation richtet sich an diverse Zielgruppen, die aus wissenschaftsinternen wie auch externen fachinteressierten Personenkreisen bestehen können.  Die Beteiligung an offenen Bildungspraktiken kann in diesem Interessensfeld als strategisches Kommunikationsinstrument etabliert werden, mit dem in Forschung gegründete Erkenntnisse und Reflexionsniveaus in die Breite getragen werden können.

Vereinzelt arbeiten Akteur:innen der Religionspädagogik an Hochschulen mit Open-Educational-Strategies, allerdings bislang noch zurückhaltend. Zwar sind Open-Access-Publikationsformate etabliert, aber insgesamt ist in der religionspädagogisch-wissenschaftlichen Community im deutschsprachigen Raum bislang eine divergierende, individuelle Praxis offener Bildungspraktiken zu beobachten. Im Austausch mit Akteur:innen der wissenschaftlichen Religionspädagogik verschiedener Konfessionen wird deutlich, dass viele grundsätzlich der Beteiligung an offenen Bildungspraktiken interessiert gegenüberstehen, jedoch strukturelle Hürden und mangelndes Wissen eine aktive Beteiligung erschweren.

In diesem Artikel untersuchen wir daher, wie offene Bildungspraktiken dazu beitragen können, den Wissenstransfer in der religionspädagogischen Hochschullandschaft über lokale und fachliche Grenzen hinweg zu fördern.

1 Begriffliche Konturierungen offener Bildungspraktiken

Sowohl OER als auch OEP können als wichtige Bausteine für offene Bildungsvorhaben gelten, da sie dazu beitragen, Forschungsergebnisse breit zu publizieren und im Sinne der Wissenschaftskommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit in Berührung zu bringen. Unter OER sind Bildungsmaterialien jeglicher Art zu verstehen, die unter offener Lizenz veröffentlicht werden. Offene Lizenzen schaffen die Möglichkeit, Bildungsmaterialien rechtssicher kostenlos zu nutzen, zu bearbeiten und durch Dritte weiterzuverarbeiten, ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen. Die verschiedenen offenen Lizenzierungsmöglichkeiten wahren die geistigen Eigentumsrechte der Urheberrechtsinhaber:innen und gewähren der Öffentlichkeit Zugang, aber auch ein Recht auf Weiterverwendung, Wiederverwertung, Anpassung und Verbreitung der Materialien (UNESCO, 2019).

Der umfassendere Begriff ist OEP, da dieser die dazugehörigen offenen Bildungspraktiken miteinschließt. Nach Cronin sind OEP

„kollaborative Praktiken, die die Produktion, den Gebrauch und die Weiterentwicklung von OER umfassen, sowie pädagogische Praktiken, die partizipative Technologie und soziale Netzwerke der Interaktion, des Peer-Learning, der Wissensproduktion und ein Empowerment der Lernenden betreffen“ (Cronin, 2017, S. 4, eigene Übersetzung).

Demnach bedeutet open in OER und OEP, dass die Bildungsmaterialien mit Urheberrechtslizenzen, den sogenannten Creative-Commons-Lizenzen (kurz: CC-Lizenzen) ausgestattet werden. Diese erlauben es den Nutzer:innen, die Materialien in der Nachnutzung entlang der sog. 5V-Freiheiten (engl.: 5R activities), nämlich Verwahren, Verwenden, Verarbeiten, Vermischen und Verbreiten zu gebrauchen (Wiley, Hilton, 2018, S. 134f). Dies schafft neben der rechtlichen Sicherheit eine insgesamt höhere Nutzungs- und Verbreitungsfreiheit sowohl für Lehrende als auch Lernende über lokale und fachliche Grenzen hinweg und kann zu einer Demokratisierung des Wissens, also an einer an Teilhabe orientierten und auf Transparenz hin geöffneten Wissenschaftskultur beitragen.

2 Potenziale von OER und OEP in der religionspädagogischen Fachcommunity an Hochschulen

2.1 OER und OEP an Hochschulen

Das Potenzial der Verbreitung von OEP und der damit verbundenen Produktion von OER wird in zentralen internationalen Strategiepapieren der UNESCO, der OECD und der EU hervorgehoben, in denen OER eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Bildung im Sinne der UN-Agenda 2030 zugeschrieben wird (BMBF, 2022, S. 5f). Das Strategiepapier des BMBF betont die wichtige Funktion der Hochschulen, die als Forschungs- und Bildungsinstitutionen „Innovationen im Bereich OER zum einen in die eigene OEP der Hochschullehre überführen“ und zum anderen „mit OEP verbundene Handlungspraktiken in der Aus- und Weiterbildung zukünftiger Lehrkräfte und deren pädagogischer Praxis“ etablieren können (BMBF, 2022, S. 11).

Obwohl OEP und OER nach Braßler und Schönig zu den „Trendthemen dieser Zeit“ gehören (2024, S. 111), ist die Thematik an deutschen Hochschulen vielerorts eher wenig etabliert. Im Vergleich zu internationalen Standorten stehen OER und OEP an Hochschulen im deutschsprachigen Raum erst seit wenigen Jahren im Fokus (Kopp et al., 2021, S. 179). Zu dieser Entwicklung haben Whitepaper wie das von Deimann et al. (2015), Empfehlungen wie die der UNESCO (Deutsche UNESCO-Kommission, 2015) sowie Strategiepapiere wie das von Zawacki-Richter und Mayrberger (2017) wesentlich beigetragen. Auch geförderte Projekte wie OERinfo, ebenso wie hochschuldidaktische Portale, bspw. ORCA.nrw, die Virtuelle Hochschule Bayern und der HessenHub, auf denen OER für die Anwendung in der Hochschullehre bereitgestellt werden, tragen bei zu der Verzahnung von OER und OEP-Strategien mit der Open-Science-Bewegung und der Open Access-Strategie öffentlicher Forschungsförderungen.

Diese insgesamt wachsende Aufmerksamkeit veranlasst mehr und mehr Hochschulen, OER-Policies und OER-Strategien an ihren Standorten zu entwickeln. Neben der strategischen Verankerung von OER in den Hochschulen ist auch die Bereitstellung einer technischen Infrastruktur sowie „die Einbindung von OER in Qualitätssicherungsprozesse“ für den Erfolg offener Bildungspraktiken von zentraler Bedeutung (Kopp et al., 2021, S. 179). Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die deutschen Hochschulen im Sinne der Open-Science-Strategie verstärkt Zweitveröffentlichungsangebote für wissenschaftliche Arbeiten nutzen. Dabei können Publikationen nach dem Ablaufen einer Embargofrist an anderer Stelle publiziert und damit anderen frei zugänglich gemacht werden. Diese Praktiken sind Teil der Open-Access-Bewegung, da sie die Möglichkeit schaffen, Publikationen nach der Generierung von Verlagseinnahmen anderen frei zugänglich zu machen (Siegfried, Scherp, Linek, Flieger, 2024, S. 44).

2.2 OER und OEP in der religionspädagogischen Fachcommunity an Hochschulen

OEP sind in der wissenschaftlich arbeitenden religionspädagogischen Community an Hochschulen und universitären Netzwerken bislang nicht fest verankert. Am stärksten hat sich in der Community bislang das Publizieren im Open-Access-Format etabliert. Die wichtigen religionspädagogischen Fachzeitschriften des deutschsprachigen Diskursraums wie Theo-Web, Religionspädagogische Beiträge (RpB), Österreichisches Religionspädagogisches Forum (ÖRF) sowie das praxisorientierte Wissenschaftliche Lexikon für Religionspädagogik (WiReLex) stehen offen zugänglich zur Verfügung. Darüber hinaus nutzen Wissenschaftler:innen an einzelnen Standorten die Open-Access-Strategien ihrer Universitätsbibliotheken und beteiligen sich am Digitalisierungsprojekt des Index Theologicus der Universitätsbibliothek Tübingen. Die Open-Access-Strategien stehen zumindest teilweise bereits in unmittelbarer Verbindung mit der breiteren Rezeption der OER-Standards. Von besonderer Bedeutung für die Religionspädagogik sind darüber hinaus das Angebot des erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Repositoriums peDOCS sowie die Zeitschrift Research in Subject-matter Teaching and Learning (RISTAL), die unter einer CC-BY-NC Lizenz erscheint. Die Zeitschriften ÖRF und RpB veröffentlichen Beiträge mit einer CC-BY-Lizenz, die Online-Zeitschrift Theo-Web erscheint unter einer CC-BY-NC-Lizenz, für die interkonfessionell verantwortete Zeitschrift Religion unterrichten wird, von einem kirchlichen Kooperationspartner unterstützt, eine Open-Access-Publikation ermöglicht. Sie regt explizit zur Nachnutzung und eigenständigen Verarbeitung der Impulse an, erscheint jedoch unter der am stärksten eingrenzenden CC-BY-NC-SA-Lizenz. Bei den jeweiligen Lizenzangaben handelt es sich insgesamt um offene Lizenzierungen, die unterschiedliche Nutzungsrechte vorsehen. Buchpublikationen erscheinen in der religionspädagogischen Fachwissenschaft in der Regel verlagsgebunden, Open-Access und offene Lizenzen sind hier eher selten.

Für den Hochschulbereich sind bislang nur vereinzelte Beteiligungen von religionspädagogisch Arbeitenden an den genannten OER-Portalen im Rahmen der Hochschuldidaktik wahrzunehmen, die sich bislang vorrangig auf die Bereitstellung von Impuls- und Vortragsvideos beschränken. An einzelnen Professuren und Standorten bestanden oder bestehen Projekte, in denen Materialpools für andere zur Weiternutzung erarbeitet und angeboten werden – für den schulischen ebenso wie für den hochschulischen Gebrauch. Exemplarisch seien einige Projekte näher skizziert:

  • Die von David Käbisch (†) und seinem Team an der Universität Frankfurt in Kooperation mit dem RPI der EKKW und EKHN entwickelte Relithek (https://relithek.de) bietet Erklärfilme zu religiösen Gegenständen und Themen, die von Vertreter:innen verschiedener Religionen selbst näher erläutert werden. Zu den Videos steht kostenloses Unterrichtsmaterial zur Verfügung. Im Folge-Projekt SANE (https://sane-digital.de), einem digitalen Selbstlerntool zur Analyse von Erklärfilmen, lernen Studierende erzähltheoretische, medienpädagogische und fachdidaktische Konzepte, analysieren Filme und erstellen eigene Filme, die dann über relithek.de und vimeo.com frei verfügbar sind.

  • Die Projekte TiRU – Tablets im Religionsunterricht und M@PS – Medienkompetenz erweitern, Persönlichkeit stärken (https://fr-agil.uni-frankfurt.de), die bei Viera Pirker und ihrem Team an der Universität Frankfurt angesiedelt sind und sich derzeit im Aufbau befinden, erarbeiten ebenfalls offene Bildungsmaterialien. Im Projekt TiRU werden hybride Lehr-Lernsettings für Tablet-Klassen im Religionsunterricht entwickelt, in denen Studierende individualisierte Lernumgebungen gestalten (Paschke, Pirker, 2024). Die Lehrmaterialien des Seminars werden als hochschuldidaktische OER zur Verfügung gestellt. Das Projekt M@PS stärkt die Medien- und Sozialkompetenz von Schüler:innen der Sekundarstufe I durch Workshops zu Themen wie Privatsphäre, Identität im Netz und Mediennutzung. Die didaktisch reflektierten Module, die ein verantwortungsvolles Handeln in der digitalen Welt fördern, stehen ebenfalls zum offenen Gebrauch bereit.

  • Als offene Bildungsressource lässt sich die von Hans Mendl und seinem Team an der Universität Passau bereitgestellte Datenbank Local Heroes (https://www.uni-passau.de/local-heroes/datenbank-local-heroes/) begreifen. Die frei zugängliche Datenbank präsentiert Personen und Einrichtungen, die sich in der Gesellschaft engagieren, um Nutzer:innen zu gesellschaftlichem und religiösem Engagement zu inspirieren. Viele Einträge bieten zudem didaktisches Material, das eine kritische Auseinandersetzung mit den Local Heroes ermöglicht.

  • Auch die von Manfred Pirner geleitete RUPRE – Research Unit for Public Religion and Education/ Forschungsstelle für Öffentliche Religionspädagogik an der Universität Erlangen-Nürnberg und der dort betriebene YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/@rupre7828) können als Beispiel offener Bildungspraktiken genannt werden. Ziel des YouTube-Kanals ist es, durch die Bereitstellung von frei zugänglichen Videos den öffentlichen Diskurs an der Schnittstelle von Theologie und Bildung zu fördern und Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (Pirner, 2024, https://oer.community/sind-youtube-videos-oer-faehig/).

  • Darüber hinaus ist die von Reinhold Boschki und Team an der Universität Tübingen angesiedelte Website Nostra Aetate zum christlich-jüdischen Dialog zu nennen, die in einer offenen Struktur angelegt ist (https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/katholisch-theologische-fakultaet/lehrstuehle/religionspaedagogik/dialog-und-erinnerung/). Hier stehen wissenschaftliche Artikel, praxisnahe Konzepte und historische Quellen frei für die Arbeit zum christlich-jüdischen Dialog zur Verfügung.

  • Das ebenfalls in Tübingen ansässige Katholische Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR) bietet eine Website mit Materialien für den schulischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen und für die frühkindliche Bildung an. Auch ein Band für Religionsunterricht mit Vorbereitungsklassen ohne Deutschkenntnisse steht kostenlos zum Download zur Verfügung. Interaktive eMaterialien zu den Themen Tod und Trauer sowie Jesus Christus befinden sich bislang ohne ausgewiesene Lizenz ebenfalls zum freien Gebrauch auf der Seite (https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/katholisch-theologische-fakultaet/lehrstuehle/kibor/publikationen/unterrichtsmaterialien/).

Diese Projekte religionspädagogisch Forschender an Hochschulen verschiedener Standorte gelten exemplarisch für geöffnete Bildungspraktiken und bieten ein gewisses Potenzial für Wissenschaftskommunikation. Die freie Verfügbarkeit der Materialien, Quellen, wissenschaftlichen Erkenntnisse und Werkzeuge fördert die Sichtbarkeit und die Zugänglichkeit hochwertiger (inter-)religiös und fachwissenschaftlich fundierter Medien von der frühen Bildung, über Grundschule, weiterführende Schule, berufsbildende Schule bis hin zu universitärer Lehre. Studierende, Lehrende, Praktiker:innen und allgemein Interessierte können von den digitalen Angeboten profitieren und aktiv an der Weiterentwicklung und Verbreitung der frei zugänglichen Bildungsressourcen teilhaben. In allen Bereichen ermöglicht das Sichtbarmachen, Nutzen, Teilen und Weiterentwickeln von Bildungsmedien, Wissen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Beitrag zur Wissenschaftskommunikation ließe sich noch um ein Vielfaches steigern, wenn die Medien in der Breite bekannt und auf relevanten OER-Plattformen zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise könnten Akteur:innen aus verschiedenen Ebenen über lokale und fachliche Grenzen hinweg an wissenschaftlichen Erkenntnissen und didaktischen Innovationen partizipieren.

2.3 OEP und OER als religionspädagogische Wissenschaftskommunikation: Der Versuch einer Systematisierung

Die Bedeutung von OEP und OER für die religionspädagogische Wissenschaftskommunikation lässt sich vereinfacht in einem dynamischen Netzwerkmodell aus drei größeren, wechselseitig miteinander verbundenen Knotenpunkten mit verschiedenen Akteur:innen systematisieren: Die wissenschaftliche Religionspädagogik an Hochschulen, Multiplikator:innen an religionspädagogischen Fort- und Weiterbildungsinstituten sowie Lehrpersonen und Praktiker:innen.

  • Den ersten Knotenpunkt bildet die wissenschaftliche Religionspädagogik an Hochschulen. Die Wissenschaftskommunikation umfasst hier sowohl den Peer-to-Peer-Austausch zwischen Wissenschaftler:innen als auch die Verbreitung von Forschungsergebnissen und didaktischen Innovationen an Studierende. Sie richtet sich zudem an ein interessiertes Fachpublikum und Akteur:innen aus Politik und Kultur (science-to-public) sowie institutionelle Bildungs- und Kooperationspartner (science-to-policy). Je nach Themen und Inhalten können OEP dazu dienen, diese Kommunikationswege zielgruppengerecht über lokale und fachliche Grenzen hinweg offen zu gestalten und neue Erkenntnisse der Forschung unmittelbar ‚in die Fläche‘ zu bringen. Über inhaltliche Qualitäts- und technische Metadatenstandards können die hier entwickelten Materialien für die Praxis geteilt werden. Wird das Bewusstsein für offene Bildungspraktiken im Rahmen der Hochschullehre in den Lehramtsstudiengängen implementiert, erreichen die vom BMBF geforderten offenen Handlungspraktiken in der Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen eine große Reichweite und bereichern die spätere pädagogische Praxis.

  • Der zweite größere Knotenpunkt fokussiert sich auf Multiplikator:innen an religionspädagogischen Fort- und Weiterbildungsinstituten, an denen OER und OEP entwickelt und in offene Fortbildungen, Netzwerke und Workshops integriert werden. Er umfasst zudem staatliche Akteur:innen der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung. Ihnen kommt eine Scharnierfunktion zwischen den hochschulischen, schulischen und außerschulischen Akteur:innen zu. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden im Sinne von science-to-public an verschiedene Zielgruppen vermittelt. Hier können OEP aktiv praktiziert und im Sinne einer Kultur des Teilens etabliert werden. Dabei dienen offene Bildungspraktiken der transparenten und partizipativen Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte und didaktischer Innovationen an die Fachöffentlichkeit, fördern die Akzeptanz von OER und OEP und unterstützen deren Integration in die Bildungspraxis.

  • Der dritte Knotenpunkt umfasst die Netzwerke aus Lehrpersonen und Praktiker:innen, die OER im Unterricht oder an außerschulischen Orten einsetzen, entwickeln und damit den Lernenden Zugang zu aktuellen Themen, wissenschaftlichen Inhalten und didaktischen Konzepten ermöglichen. Lehrpersonen und Praktiker:innen passen OER zielgruppengerecht auf ihre eigenen Bedürfnisse hin an, erweitern sie, entwickeln sie anhand didaktischer Erfahrungen und Impulse aus der Praxis weiter und teilen sie in ihrer Fachcommunity, was eine mehrdimensionale Wissenschaftskommunikation fördert.

Wissenschaftskommunikation verbindet Hochschulen, Multiplikator:innen, Lehrpersonen und Praktiker:innen durch einen lebendigen Austausch zwischen Forschung und Praxis. OER und OEP können dabei zentrale Instrumente darstellen, um Wissen an allen Schnittstellen transparent und offen verfügbar zu machen und einen kontinuierlichen Dialog zwischen Wissenschaft, Weiterbildung und Unterricht bzw. Praxis zu ermöglichen. Um praxisrelevant zu bleiben, braucht die religionspädagogische Forschung auch künftig und unter schwächer werdenden institutionellen Rahmenbedingungen eine kontinuierliche Vernetzung mit der praktischen Bildungslandschaft.

3 OER und OEP in religionsbezogenen Communities: Das Projekt FOERBICO

Das vom BMBF bis April 2027 im Rahmen der OER-Strategie des Bundes geförderte Projekt FOERBICO – Förderung offener Bildungspraktiken in religionsbezogenen Communities durch die Entwicklung eines koordinierten OER-Ökosystems (https://oer.community), ist ein Verbundprojekt des Comenius-Instituts Münster (Leitung: Jens Dechow), der Goethe-Universität Frankfurt (Leitung: Viera Pirker) und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Leitung: Manfred Pirner). Das Projekt zielt darauf ab, OER-Communities of Practice im Bereich der religiösen Bildung zu etablieren, stärker zu vernetzen, ihre Zusammenarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen zu intensivieren und offene Bildungsressourcen insgesamt bekannter zu machen. Dadurch soll die Qualität und Sichtbarkeit von religionsbezogenen Lehr- und Unterrichtsmaterialien nachhaltig verbessert werden.

In diesem Zusammenhang sollen bereits bestehende OER-Infrastrukturen ausgebaut, ein Redaktionssystem und Qualitätsstandards entwickelt sowie Bedarfe bei der Erstellung von OER durch empirische Begleitforschung ermittelt werden. FOERBICO verbindet OER-erfahrene Gemeinschaften, die im engeren Umfeld von rpi-virtuell (https://rpi-virtuell.de) angesiedelt sind, mit weiteren institutionellen, universitären und kirchlichen Akteur:innen. Besonders ist dabei, dass alle drei genannten Ebenen – Wissenschaftler:innen, Multiplikator:innen, Lehrpersonen und Praktiker:innen – miteinander vernetzt werden. Wie bereits benannt ist der OER-Gedanke in der universitären Fachcommunity bislang nicht fest etabliert. Aus diesem Grund besteht ein eigenes Ziel des Projekts darin, offene Bildungspraktiken in der wissenschaftlichen Religionspädagogik und Theologie bekannt zu machen, stetig zu fördern, einen OEP-Communityaufbau zu initiieren und strukturell konfessionsübergreifend zu verankern.

Um diesen Anliegen nachzukommen, ist die Bereitstellung einer technischen Infrastruktur zentral. Das Projekt wird dezentral organisiert, sodass etablierte Strukturen gestärkt und durch Metadaten-Standards miteinander verknüpft werden sollen. Dies verlangt jedoch nach einem Ort, an dem Zusammenarbeit, Verabredungen und wechselseitig nutzbare Ressourcen sichtbar und zugänglich werden. Zu diesem Zweck arbeitet das Projekt daran, einen Community-Hub zu entwickeln, der als Unterstützungsinstrument fungiert und zur Erfassung religionsbezogener Communities, Akteur:innen, Aktivitäten, Kooperationen, Kompetenzen und Repositorien sowie deren Verknüpfung mit fachübergreifenden Communities dient. Dieser Hub wird als eine online zugängliche Verbundstelle fungieren, die die Verknüpfung der Akteur:innen und Communities sichtbar werden lässt, Ressourcen wechselseitig zugänglich macht, technische Tools wie z.B. ein Redaktionssystem sowie Tutorials abrufbar zur Verfügung stellt, Öffentlichkeitsarbeit Community-übergreifend verknüpft und Prozesse und Ergebnisse des Projektes nachhaltig dokumentiert.

Auf diese Weise erhalten institutionelle, universitäre und religionspädagogische Akteur:innen die Möglichkeit, sich mit anderen Expert:innen und OER-Communities zu vernetzen, z.B. durch die Zusammenarbeit mit wirlernenonline.de und OER.info.

4 Bedingungen, Potenziale und Grenzen von OEP als Wissenstransfer

Um OEP und die Bereitstellung von Materialien als OER innerhalb der wissenschaftlich arbeitenden Religionspädagogik bekannter zu machen und strukturell zu verankern, gilt es verschiedene Bedingungen, Potenziale und Grenzen hinreichend zu reflektieren.

Ein wichtiger Aspekt ist die Entwicklung didaktischer Konzepte, wie OEP und OER sinnvoll in die Curricula der universitären Lehre integriert und weiterentwickelt werden können. Hier liegt es nahe, die Diskussion um OER-orientierte Pädagogik (Wiley, Hilton, 2018) mit Blick auf religionsdidaktische Konzepte weiter zu vertiefen, um Lehrende darin zu schulen, wie sie offene Lernumgebungen in ihren Lehrveranstaltungen schaffen können.

Darüber hinaus sollten Lehrende die rechtlichen Hintergründe kennen und einschätzen können, um die Potenziale von OEP realisieren und nutzen zu können. Studien belegen, dass unzureichendes Wissen in rechtlichen Belangen Wissenschaftler:innen daran hindern, offenen Bildungspraktiken nachzugehen (Siegfried, Scherp, Linek, Flieger, 2024, S. 47).

Zudem ist die Entwicklung von Qualitätsstandards unabdingbar, um den Zugang zu qualitativ hochwertigen Bildungsressourcen und eine entsprechend hochwertige Wissenschaftskommunikation zu entwickeln. Die Frage nach der Qualität von OER ist ein zentrales und unabdingbares Element, um sie langfristig und strategisch in der Wissenschaftskultur zu etablieren (Zawacki-Richter, Mayrberger, 2017, S. 6f). Insbesondere für die religionspädagogische Wissenschaftskommunikation, die sich an Adressat:innen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft wendet, bleibt es Ziel und Aufgabe, die Qualität und Tiefe wissenschaftlicher Inhalte in offenen Formaten sicherzustellen. Darüber hinaus sollten dezidierte Vermittlungskompetenzen für wissenschaftskommunikative Praktiken an Hochschulen entsprechend unterstützt und langfristig gefördert werden.

Auch die technische Infrastruktur muss neben organisatorischen Rahmenbedingungen an Hochschulen gegeben sein, um OEP strukturell zu verankern. Hier sind insbesondere Open-Strategien an Hochschulen zentral, die Wissenschaftler:innen bei der Überwindung bürokratischer Hürden unterstützen und darüber hinaus Anreize setzen, sich z.B. durch die Entwicklung offener Lehrangebote an OEP zu beteiligen und diese entsprechend zu honorieren.

Gleichzeitig gilt es kritisch zu reflektieren, dass offene Bildungspraktiken nicht nur eine technische Infrastruktur, sondern auch digitale Kompetenzen voraussetzen, die nicht überall ausreichend vorhanden sind. Bleibende Aufgabe der OEP-Bewegung innerhalb der Religionspädagogik sollte es daher sein, Konzepte zu entwickeln, die sicherstellen, dass offene Bildungsmedien keine Barrieren darstellen und einen wirklichen Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit und einer an Teilhabe orientierten Wissenschaftskommunikation leisten.

Das Projekt FOERBICO wird vom BMBF unter dem Förderkennzeichen 01PO23012C gefördert.

Literaturverzeichnis

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Paschke, P., Pirker, V. (2024). Das Potenzial von OER für eine diversitätssensible Hochschullehre. Modellprojekt TiRU. In: T. Witt, C. Herrmann, L. Mrohs, H. Brodel, K. Lindner, I. Maidanjuk (Hg.): Diversität und Digitalität in der Hochschullehre. Innovative Formate in digitalen Bildungskulturen, Bielefeld, S. 217–226.

Pirner, M. (2024). Sind YouTube-Videos OER-fähig? URL: https://oer.community/sind-youtube-videos-oer-faehig/ [Zugriff: 29.10.24].

Siegfried, D., Scherp, G., Linek, S., Flieger, E. (2024). Die Bedeutung von Open Science in den Wirtschaftswissenschaften. Eine empirische Untersuchung der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, Kiel/ Hamburg, URL: https://hdl.handle.net/10419/303026 [Zugriff: 29.10.24].

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Wiley, D., Hilton, J. (2018). Defining OER-Enabled Pedagogy. In: The International Review of Research in Open and Distributed Leaning 19 (4), S. 134–147, doi:http://dx.doi.org/10.19173/irrodl.v18i4.3022.

Zawacki-Richter, O., Mayrberger, K. (2017). Qualität von OER. Internationale Bestandsaufnahme von Instrumenten zur Qualitätssicherung von Open Educational Resources (OER) – Schritte zu einem deutschen Modell am Beispiel der Hamburg Open Online University Bd. 85. Hamburg, URL:

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Prof. Dr. Viera Pirker, Professorin für Religionspädagogik und Mediendidaktik, Goethe Universität Frankfurt.

Dr. Laura Mößle, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Religionspädagogik Mediendidaktik, Goethe Universität Frankfurt.