1 Orientierung an Nachhaltigkeitskompetenzen?

Angesichts der normativen Implikationen von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) werden zunehmend Fragen laut, die das Verständnis des Religionsunterrichtes selbst betreffen. Gibt es eine Möglichkeit, für Nachhaltigkeit einzutreten ohne der Gefahr einer vereinnahmenden Suggestivpädagogik (Mendl, 2023, S. 59) zu erliegen und dennoch die Dramatik der ökologischen Situation (Bederna & Gärtner, 2023, S. 200) ernst zu nehmen? Im Folgenden wird der Versuch unternommen, den einseitigen Bezug auf Natur didaktisch so zu ergänzen, dass nachhaltige Entwicklung aus verantwortungsethischen Gründen die Gestaltung der Technosphäre im Anthropozän einbezieht. Ethische Nachhaltigkeitsbildung wird als Anleitung zur reflektierten Beziehungsaufnahme zum Nichtmenschlichen, das Natur und Technik umfasst, und somit als Einüben einer eigenen Stellungnahme zu unserer technisch verfassten Kultur des Klimawandels beschrieben. Viele aktuelle Beiträge zur Rolle des Religionsunterrichtes in der Klima- und Umweltkrise zielen auf die Vermittlung fest stehender Nachhaltigkeitskompetenzen. Das Unterrichten von Kompetenzen (Lersch, 2010) wird in einen Bezug zum Bildungsbegriff gesetzt (Lederer, 2014) und auf Handlungsorientierung hin zugespitzt. Katrin Bederna perspektiviert den Religionsunterricht als Befähigung zum Handeln in der Klimakrise (Bederna, 2020). Annika Krahn und Alexander Schimmel wollen Widerstände beim Umgang mit dem Thema brechen und „nicht nur die Realisierbarkeit eines nachhaltigen Lebensstils im Sinne von Selbstwirksamkeit, sondern auch das mit dem solidarischen und sinnschaffenden Tun häufig verbundene positive Gefühl erfahrbar“ machen (Krahn & Schimmel, 2021, S. 92).[1] Michaela Rissing stellt die Behandlung des Themas Klimawandel unter die Maßgabe der Dringlichkeit und Hinwendung zum nachhaltigen Handeln, die eine Beziehungsaufnahme zu nicht-anthropischen Wesenheiten nötig machen (Rissing, 2023).

Den Ansätzen entspricht das Konzept einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, in dem transformative „Skills“ für Nachhaltigkeit vermittelt werden. Dieses Konzept wirft aber schon in der Erwachsenenbildung Fragen auf. Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre greift auf die Kernkompetenzen nach Brundiers et al. (2021) zurück. Die curriculare Verankerung von BNE adressiert demnach Systemkompetenz, strategische Kompetenz, normatives Denken und Antizipationskompetenz. Hinzu kommen befähigende Kompetenzen: integrierte Problemlösekompetenz, inter- und intrapersonale Kompetenz (vgl. Molitor, Krah, Reimann, Bellina & Bruns, 2022). Dem übergeordnet ist eine Wertekompetenz, also z.B. die Fähigkeit zwischen intrinsischen Werten und extrinsischer Motivation zu unterscheiden. Genau an dieser Stelle stellt sich die grundlegende Frage, ob eine solche ethische Wertekompetenz als normativ gerichtete Fähigkeit oder als Befähigung zur Reflexion eigenen und fremden Handelns auszubilden ist? Geht es bei der Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation nur um den Ort, an dem die entsprechenden Werte angesiedelt sind oder muss hier nicht vielmehr die nicht-systemische Differenzierung zwischen autonomen und heteronomen Wertebindungen reflektiert werden? Ist bei bestehenden Modulen nur zu prüfen, ob diese Raum bieten, die bereits gegebenen Werte zu stärken oder bekommen die Studierenden die Möglichkeit, Nachhaltigkeit auch in Konkurrenz zu anderen Werten zu verhandeln, z.B. in Dilemmasituationen?

Derartige Fragen stellen sich bei der Überführung von BNE auf die Ebene der Schule in verschärfter Form. Kompetenzorientierung zielt auf die Vermittlung evaluierbarer Befähigungen. Sicher ist es möglich, den Kompetenzbegriff auch anders zu akzentuieren, aber da es im nachhaltigen Handeln um messbare Tatbestände wie den CO2-Ausstoss, den ökologischen Fußabdruck oder den Wasserhaushalt geht, können wir davon ausgehen, dass auch Kompetenzen in diesem Umfeld zu messbaren Ergebnissen führen sollen. Tatsächlich sind wir zwar in der Lage, eine Reihe von Einzelereignissen mit dem Klimawandel zu identifizieren, aber die Auslegung selektiver Erfahrungen ist von der Beschreibung eines globalen Wandels zu unterscheiden. Daher ersetzt unser Messen die vielfach (noch?) fehlende Erfahrung und umso mehr kommen Standardisierung und Evaluierbarkeit in den Fokus. Mess- und Steuerbarkeit von Handlungen wird aber – im Gegensatz zum Messen von Naturereignissen – nur erreicht, wenn Regeln vermittelt werden, die bestimmte Handlungsweisen zeitigen. Sicher haben Lehrende immer die Möglichkeit, die Anforderungen, die durch Konzepte wie BNE in den Unterricht eingetragen werden, individuell auszugestalten. Ich möchte aber doch auf die Tendenz hinweisen, dass die Orientierung an fixen Kompetenzen die Ausrichtung auf ein regelgerichtetes Verhalten nahelegt (vgl. Anselm, 2022, S. 115 118).

Selbstverständlich sind Widerstände gegen die Thematisierung von Nachhaltigkeit zu adressieren (Krahn & Schimmel, 2021) bzw. Hürden und Gelingensbedingungen für Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (Gärtner, 2020) auszuloten. (Umwelt-)Ethisches Handeln ist jedoch nicht von einer Abfolge messbarer Handlungsschritte, sondern von der Freiheit, auch anders handeln zu können, bestimmt. Es würde einer eigenen Reflexion bedürfen, darzulegen, warum die Orientierung an einer so bestimmten moralischen Freiheit gerade auch angesichts des Kollektivgutes Nachhaltigkeit sinnvoll ist. Hier sei nur festgehalten, dass ethisches Handeln im Sinne frei-verantwortlicher und damit immer auch potenziell fehlbarer Entscheidungen dem Wesen des Religionsunterrichts im demokratischen Schulsystem eher gerecht wird als eine Übernahme fremder Handlungsroutinen (vgl. Anselm, 2022, S. 115). Umweltverantwortung gibt es nur unter diesem Vorzeichen. Betrachtet man das Projekt BNE aus einer solch ethischen Position heraus, dann ergibt sich für den Religionsunterricht eine andere Zielrichtung. Er müsste das mit BNE verknüpfte Wirklichkeitsverständnis thematisieren, das unserer (angestrebten) Kultur des Klimawandels zugrunde liegt. Es geht konkret um die beiden Dimensionen Natur und Technik als Einbettungs- und Zielfaktoren von Nachhaltigkeit. Erst auf dieser Grundlage wird es möglich, das individuelle Handeln als freies und verantwortliches Entscheiden zu konzipieren. Ich benenne im Folgenden die Orientierung an der Natur (2.) und die Analyse der technischen Wirklichkeit des Anthropozän (3.) als Beiträge zu einer solchen ethischen Nachhaltigkeitsbildung (4.).

2 Orientierung an der Natur?

Markus Vogt bezeichnet im Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaft das Verhältnis zur Natur als „blinden Fleck des Projekts der Moderne, auf den die Sozialethik in den gegenwärtigen bio- und umweltethischen Diskursen verweisen kann.“ (Vogt, 2022, S. 139) Dies ist kein verdeckter Hinweis auf eine mögliche Rückkehr natürlicher Theologie; es geht ausschließlich um die Frage, ob eine Theologie der Natur ethisch anschlussfähig wäre.

Der Tendenz, das Nichtmenschliche gegenüber dem Menschlichen aufzuwerten, entsprechen eine ganze Reihe aktueller ethischer Ansätze, die auch religionspädagogisch rezipiert werden. Catherine Keller spricht in ihrer Politischen Theologie der Erde in kritischer Beschäftigung mit Carl Schmitt von einer säkularen Apokalypse (Keller, 2018, S. 110). Im Gegensatz zu den „apocalyptic geopolitics“ (ebd., S. 21) der USA charakterisiert sie die „operative political theology“ von Papst Franziskus als „counterapocalyptic and ecogeopolitical“, das heißt als eine „alternative to a politics of fear and enmity, of colonization and capitalization“ (ebd.), die das Politische als ein erdsensibles „gathering for the common good“ (ebd., S. 22) beschreibt. Sie schließt an die Botschaft von Bruno Latours Terrestrischem Manifest an (Latour, 2018). Nachdem „Mutter Erde“ bis in die lehramtliche Theologie aufgestiegen ist (Franziskus, 2015), wird Gaia eine eigene Agency zugesprochen und für die Kanadierin Heather Eaton ist selbst der Begriff stewardship noch zu menschenlastig (Eaton, 2017). In die gleiche Richtung, jedoch eher systematisch-theologisch als politisch argumentiert die Dresdner Systematikerin Julia Enxing mit der schlichten Feststellung: „Und Gott sah, dass es schlecht war.“ Krisenkommunikation findet in all diesen Fällen in Form einer Beziehungsaufnahme mit nicht-anthropischen Wesen (vgl. Liefländer, 2010) statt.

Dabei ist die Wiederentdeckung der Natur Ergebnis einer defensiven Ausgangssituation. Im Zuge des konziliaren Prozesses kam es zu einer Renaissance des Topos „Bewahrung der Schöpfung“ (Graf, 1990) als Antwort auf die These, dass es die jüdisch-christliche Tradition gewesen sei, die die Welt in die Naturvergessenheit hinein getrieben hätte (White, 1967). Diese Annahme wurde in der Zwischenzeit vielfach widerlegt (Irrgang, 1990), so dass wir heute davon ausgehen können, dass die Religion an der Verkürzung neuzeitlicher Anthropozentrik zwar beteiligt, aber nicht treibende Kraft war. Die Beziehungsaufnahme zum Nichtmenschlichen kann dennoch als gemeinsames Datum von Religionspädagogik und Ethik und als Korrektur individualistisch-anthropozentrischer Verengungen gelten. Katrin Bederna fragt daher, ob „eine Sicht der Natur als Schöpfung helfen könnte, das nichtmenschliche Sein als Selbstzweck zu betrachten.“ (Bederna, 2020a, Abs. 2.) Aus ethischer Perspektive ist es wichtig, einen solchen Schöpfungsbezug didaktisch und inhaltlich so zu akzentuieren, dass er der eigenen Stellungnahme der Schülerinnen und Schüler zu ihrem In-der-Welt-sein entspricht. Das bedeutet insbesondere, dass mit dem Aufruf von „Schöpfung“ nicht alle Fragen im Umgang mit der Natur als bereits geklärt gelten.

Einerseits sind Schöpfung und Natur nicht identisch, andererseits sind menschliche Artefakte von ihr nicht getrennt zu betrachten. Wir können vielmehr die nichtmenschliche Natur, Artefakte wie Handwerksprodukte und technische Bauwerke und selbst die uns zur Seite gestellten Mitmenschen im Sinne der creatio continua unter den Schöpfungsbegriff subsummieren.

Damit erfüllt der Mensch den Schöpfungsauftrag aber nicht, indem er sich von der Schöpfung fernhält, sondern indem er sie gestaltet. Unsere technischen Handlungsformen machen eine Beziehungsaufnahme zur Natur inklusive ihrer Aneignung erst möglich. Dem entspricht auch der ökumenische Bezug zur Schöpfung, die wir dem Zeugnis aller christlichen Kirchen entsprechend bewahren sollen. Wie aber sollten wir diese Bewahrung bewerkstelligen, wenn nicht handelnd?

Der ehemalige Erzbischof von Guwahati/Assam, Thomas Menamparampil, schlägt vor, dass wir den Menschen als Mitschöpfer im Universum verstehen (Menamparampil, 2016). Demnach ist der Mensch von Gott geschaffen, um Mitschöpfer der Schöpfung zu sein. Dabei tritt der als imago dei verstandene Mensch durch die Befähigung zur Erfüllung des Schöpfungsauftrages aus der Reihe der Schöpfungswerke hervor. Im Begriff created co-creator (Hefner, 1989) spiegelt sich die Freiheit des Menschen, an der Erfüllung von Gottes Absichten mitwirken zu können. In Jesus Christus als dem Paradigma des geschaffenen Mitschöpfers wird offenbar, dass die wesentliche Realität des Menschseins immer auf Gott bezogen ist. Menamparampil verbindet diesen Gedanken mit der Idee eines unvollendeten Universums, in dem das Mitschöpfersein des Menschen genau jene Aufgabe darstellt, die Gott dem Menschen gegeben hat. Damit – und auch schon mit Luthers Auslegung des Schöpfungsbegriffs – wird es unmöglich, eine ökologische Schöpfungsspiritualität von technischem Handlungsformen zu trennen. Wenn Schülerinnen und Schülern deutlich wird, dass sich die Größe Gottes nicht nur im Anblick des Sternenhimmels, sondern auch im Staunen über die geschöpfliche Befähigung, Satelliten und Hubschrauber über diesen Himmel kreisen zu lassen, zeigt, dann ergeben sich andere Anknüpfungspunkte an die je eigene Lebenswelt. Dies tangiert natürlich auch das Verständnis von Nachhaltigkeit, denn auch in Zukunft werden wir nachhaltige Städte nur mit Hilfe von (Umwelt-)Technologien erschaffen. Die Bewahrung der Natur geschieht nicht als Natur, sondern im Rahmen des Natur-Kultur-Prozesses (Charbonnier, 2003).

Der Religionsunterricht befasst sich mit dem ersten Glaubensartikel in Verbindung mit jugendlichen Selbstentwürfen. Hier ist das Verhältnis zwischen der naturwissenschaftlichen Deutung des Klimawandels, der theologischen Perspektive und dem Alltag der Jugendlichen zu rekonstruieren. Eine Integration der Schöpfungstheologie in die Klimawissenschaft trägt aber weder zu dieser noch zum Gottesverständnis etwas Entscheidendes bei (Askani, 2005, S. 5354). Wenn die naturwissenschaftliche Perspektive und die theologische aber unabhängig voneinander bestehen, dann ist Schöpfung eine unhintergehbare Symbolisierung der Wirklichkeit. Schöpfung und Natur bestehen zugleich miteinander, ohne ineinander auflösbar zu sein. Die Brücke, die in der Religionspädagogik zu gehen ist, ist der praktische Weltumgang, denn hier – d.h. im Alltagshandeln – folgen wir weder der naturwissenschaftlichen Modellierung und Abstraktion noch der religiösen Symbolisierung. Nachhaltiges Handeln kommt als menschlich-autonome Aufgabe ohne Gott aus. Aber aus Sicht des Glaubens benötigt Gott die menschliche Sorge zur Erhaltung seiner Schöpfung. Er ist ein Gott, der uns braucht (Ruhstorfer, 2015, S. 3147).

Zu dieser menschlichen Sorge gehört unsere Befähigung, die Natur in den Natur-Kultur-Prozess einzufügen und sie somit als Kultur zu bewahren. Nicht nur unsere Artefakte und Prozesse, sondern auch alle Naturbelassenheit verdanken sich im Anthropozän menschlicher Zwecksetzung und haben daher ihren primären Ort in der Kultur, wenngleich sie gewöhnlich Kultur und Natur vermitteln. Eine Perspektive, unter der die Gestaltbarkeit der Welt schöpfungstheologisch beschrieben werden kann, bietet die Gottebenbildlichkeit, wenn damit die altorientalische Königstradition gemeint ist. Wie kann der Mensch seine Rolle als Stellvertreter Gottes so ausfüllen, dass er das Ganze der Wirklichkeit wahrnimmt? Schöpfung wird zu einer Aufgabe, bei der Handeln und Nichthandeln gleichermaßen verantwortet werden müssen. Eine einseitige Verknüpfung von Schöpfung mit Unterlassen führt hingegen dazu, dass letztlich jedes Handeln auf eine „säkulare Apokalypse“ (C. Keller) hinauslaufen muss.

Der Schöpfungsbegriff kann also weder einen Eigenwert der Natur begründen noch lassen sich aus ihm Handlungsnormen jenseits ihrer Manipulation ableiten. Das gleiche gilt für die Natur selbst. Wenn Natur handlungsleitend wirkt, dann haben wir es immer mit konkreten Naturzuständen und kontextuellen Beziehungsaufnahmen zu tun. Der Schöpfungsbegriff kann aber sehr wohl darauf hinweisen, dass unser Handeln nicht voraussetzungslos ist. Zugleich markiert er die grundsätzliche Unverfügbarkeit des Natur-Kultur-Prozesses, verweist also auf die Notwendigkeit, jede Form der Weltgestaltung auf von uns im Letzten nicht selbst konstruierte Perspektiven zu beziehen. Dieser Aspekt ist besonders bei der Suche nach technischen Lösungen der Klimafrage zu beachten; somit geht es nun um die Technik als einer möglichen orientierenden Instanz.

3 Orientierung an der Technik?

Je mehr die Klimakrise voranschreitet, desto mehr werden wir vor die Frage gestellt, wie stark wir unsere Strategien der Mitigation auf technische Verfahren hin auslegen wollen. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, dass die Technik eine gemeinsame Aussparung vieler ethischer und religionspädagogischer Ansätze zur Nachhaltigkeit darstellt. Technik muss in unserer Zivilisation immerhin als Grundbedingung des Zusammenlebens auch mit dem Nichtmenschlichen gelten. Es ist möglich, dass die Technik gerade deshalb nicht in den Blick rückt, weil sie als zu menschlich gilt. Dann aber wäre sie ausgespart mit der Unterstellung, Gegennatur zu sein. Haben wir es also mit einer Technikvergessenheit (Hubig, 2017) zu tun, die programmatisch darin besteht, eine Gegenkultur zu der unsrigen zu entwickeln? Da ich dieses Ansinnen weder für angestrebt noch für anstrebenswert halte, ergründe ich nur, warum es zu einer solchen Aussparung kommt.

Wenn Krahn und Schimmel zu bedenken geben, „dass die Bewerkstelligung von Mitigation eine primär kulturell-transformative Aufgabe ist, die unmöglich allein durch Wissenschaft und Technik zu leisten ist, sondern vielmehr normativer Reflexion und sinnstiftender Kommunikation bedarf“ (Krahn & Schimmel, 2021, S. 93) dann stellt sich unweigerlich die Frage, was normativ zu reflektieren ist, wenn nicht unser von Wissenschaft und Technik geprägtes Handeln? Und wenn Katrin Bederna schreibt, dass „technischer Fortschritt“ die „kulturelle Transformation […] flankieren“ muss (Bederna, 2020, S. 33), dann ist angesichts der Allgegenwärtigkeit der Kulturform Technik zu fragen, ob wir nicht viel eher vor einer kulturellen Transformation als technischer Transformation stehen? Ist Natur der „blinde Fleck des Projekts der Moderne“ (Vogt, 2022, S. 139), dann ist Technik der blinde Fleck der Theologie. Um das Wirklichkeitsverständnis der Kultur des Klimawandels erfassen zu können, sollten wir uns bemühen, beide zu erhellen.

Im Anthropozän (Crutzen, 2002) bestimmt das Handlungsgefüge zwischen Menschen, Landschaften und Ressourcen, was Nachhaltigkeitsfragen sind und wie sie diskutiert werden. Wenn aber im Zentrum unserer Stellungnahmen planetarische Prozesse stehen, dann wäre es Weltflucht, eben diese Welt als Gegennatur und die Religion als Refugium des Natürlichen zu konzipieren. Der Begriff Anthropozän beschreibt nicht nur, dass menschliche Spuren in allen planetarischen Sphären nachweisbar sind, er beschreibt vor allem, dass sich diese Tendenz weiter verstärken wird. Sämtliche geologisch relevanten Ablagerungen der Zukunft werden in Verbindung zu unseren technischen Handlungsformen stehen. Daraus erwächst die ethische Aufgabe, unsere Denkformen von dieser technischen Grundstruktur der Existenz zu unterscheiden, ohne sie davon zu trennen.

In der Theologie ist die Technik traditionell der Ort, an dem die Missbrauchsanfälligkeit der Autonomie verhandelt wird (Schwarke, 2005, S. 8991). Die Theologie gesteht dem modernen Menschen zwar das Potential zu, autonom handeln zu können, hält aber die Realisierung entweder für einen Missbrauch dieser Autonomie oder für ihre Gefährdung. So behandelt der Sammelband „Leben im Anthropozän“ die Technik bei insgesamt 29 Nennungen vor allem im Zusammenhang mit Subjektverlust, Zerstörung, Unfällen, Kontrollverlust, Ohnmacht und Dominanz, um den Ausweg in „Christliche[n] Perspektiven für eine Kultur der Nachhaltigkeit“ zu weisen (Bertelmann & Heidel, 2018). Wird eine solche Kultur jedoch theologisch beschrieben, wie das Thorsten Meireis (ebd., S. 211228) und Eilert Herms (ebd., S. 229246) sehr passend tun, dann müsste in der Folge das Nachhaltigkeitsprogramm in die Grundfesten dieser Kultur einbeschrieben werden. Stattdessen steht die Frage „[w]elche Aufgabe käme [beim Rütteln an den Grundfesten des Modells Neuzeit] den Religionen und Kirchengemeinschaften zu?“ (Heintel, 2018, S. 104) im Raum.

Diese Aufgabenbeschreibung hat Tradition. Nachdem Paul Tillich festgestellt hatte, dass der Mythos in die Technik gewandert sei (Tillich, 1927), wurde in der Folge die technische Kultur zum Anlass eines Subjektverlustes (Thielicke, 1964) oder moderner Idolatrie. Michael Trowitzsch diagnostiziert im Anschluss an Martin Heidegger einen technokratischen Geist der Zeit (Trowitzsch, 1990). Die gegenwärtige Diskussion um den Homo Deus wird in der Theologie mit Attributen wie Selbstvergottung in Verbindung gebracht (Seidel & Kleinschmidt, 2021), während das Aufkommen neuartiger Technologien regelmäßig zu der Frage führt, ob hier nicht Gott gespielt wird (Drees, 2002).

Die Distanzierung der Religion von der Technik trifft auf eine Kultur, die sich ihrerseits von der Religion distanziert. Die Kultur des Klimawandels stellt insofern eine Weiterführung der Geschichte der Entzauberung (Weber, 1919, S. 488) dar, als dass wir sie in erster Linie mit weltlichen Mitteln gestalten. Dem entspricht, dass sich die Macht des Heiligen in die Abhängigkeit unserer Autonomie begeben hat (Joas, 2017). Die Sinnhorizonte technischen Handelns bringen wir konsequenterweise als konstruierte Transzendenz zur Geltung (Siegemund, 2022). Die Religion spielt daher im säkularen Westen jenseits ihrer Selbstthematisierung bei der Befassung mit der Klimakrise keine Rolle. Sie zeigt sich erst, wenn sie sich im Gegenüber zur säkularen Norm selbst zur Sprache bringt. Religion wird so als Deutung sichtbar; sie entsteigt den Prozessen der Entmagisierung und Entsakralisierung (Joas) als nichtsäkulare Option. In der westlichen Welt kann es als anerkannt gelten, dass wir zur Bewältigung von Umwelt- und Klimakrise keine Religion benötigen.

Im Blick auf die Behandlung des Klimawandels im Religionsunterricht wurde bislang festgestellt, dass eine direkte Orientierung an der Natur kaum möglich erscheint. Vielmehr verweist der Schöpfungsbegriff auf die Aufgabe, Natur in der Form des Natur-Kultur-Prozesses zu erhalten und dabei technische Handlungsformen einer umfassenden Theologisierung zu unterziehen. Eine mögliche Erklärung für das Aussparen der Technik in der religionspädagogischen Thematisierung von Nachhaltigkeit könnte sein, dass Technik als Motor der Säkularisierung gilt – um ein technisches Bild zu verwenden. Natur wäre demgegenüber das Reservat des Religiös-Spirituellen. Eine solche Diagnose beträfe jedoch nicht nur die Religionspädagogik, sondern die Religion als Ganzes. Sie müsste sich nämlich fragen, wie sie in der technischen Zivilisation überhaupt bestehen will, wenn sie sich auf eine Präsenz an dieser entscheidenden Stelle unserer Kultur nicht einlassen will? Nun ist zu klären, was eine ethische Nachhaltigkeitsbildung von der Vermittlung von Nachhaltigkeitskompetenzen unterscheidet.

4 Ethische Nachhaltigkeitsbildung

Wird die Religion außerhalb der Schulen nur wahrgenommen, wenn sie sich selbst zum Thema macht, scheint es folgerichtig, dass sie innerhalb der Schulen ihre Bedeutung für Natur- und Umweltschutz besonders heraus stellt. Gerade von einem evangelischen Religionsunterricht kann aber erwartet werden, dass er die skizzierte Problematik unserer Kultur des Klimawandels umfassend in den Blick nimmt und sie auf grundsätzliche Fragen hin erweitert.

Das Problem der Zuordnung von Pädagogik und Ethik besteht ja in der Frage, wie sich die Theologie zur positiven Sittlichkeit verhält, d.h. ob sie sich als Moralagentur oder als Reflexionsgestalt der immer schon vorgefundenen und den Einzelnen im historischen Prozess bestimmenden Zwecksetzungen versteht. Für Friedrich Schleiermacher war das zweite der Weg, den eine moderne Theologie zu gehen hat. Wenn er fragt, wie sich individuelle Zielbestimmungen zum gemeinsamen Gut verhalten, dann stehen Zielkonflikte und Güterabwägungen im Mittelpunkt. Allerdings war Schleiermachers Morallehre insofern „positivistisch“ als dass er von einer Vernunft ausging, die im historischen Prozess so auf die Welt einwirkt, dass sich das gemeinsame Gut als das dann höchste Gut aus der Natur heraus schält (Schleiermacher, 1911). Dieser Weg steht einer Theologie nach Auschwitz nicht mehr offen; er ist aber auch angesichts der postkolonialen Anfragen an die Konzeption der Vernunft nicht mehr so einfach gangbar.

Der Religionsunterricht wäre aber immer noch in einem derartigen Vernunft-Positivismus gefangen, wenn er sich der simplen Leitvorgabe eines Zukunftsbildes als Idealvorstellung dessen, was Jugendliche aus der Welt, in der sie leben, machen sollen, verpflichtete. Solche Idealvorstellungen fallen, wie Marco Hofheinz unter Berufung auf Hans G. Ulrich feststellt, „unter das Bilderverbot“ (Hofheinz, 2013, S. 223).

„Mit dieser Bildung geht es um das Woraufhin der Menschwerdung, die davor schützt, dass Menschen diesen oder jenen Bildungsidealen, Menschenbildern, Zwecken oder Zielen ausgesetzt werden. Der Gegenstand ‚Bildung‘ geht verloren, wenn die Frage nach der Bestimmung ausgeblendet wird, oder ausgeblendet werden muss, weil dazu nichts gesagt werden kann, was nicht in einem Menschenbild endet. Das Woraufhin der Bildung ist das kritische Jenseits der Menschenbilder, die Berufung zu Gottes Geschöpfen und Kindern“ (Ulrich, 2005, S. 325).

Eine kritische Analyse fixierter Menschen- und Weltbilder kann natürlich erst geleistet werden, wenn erkannt wurde, dass es sich bei der Deutung des Klimawandels als ebenso dringliches wie globales und ebenso gegenwärtiges wie zukünftiges Thema um eine solche handelt. Die Dekonstruktion dieser Deutung kommt ihrerseits wiederum nicht ohne neue Bilder aus. Ich schlage vor, die Unhintergehbarkeit von Bildern als Operationalisierung der menschlichen Transzendenzfähigkeit anzusehen und darüber hinaus, diese Transzendenzen mit der Immanenz der gelebten Moral zu verbinden. Anders als beim Blick auf ein ideales Mensch-Natur-Verhältnis wird durch diese Immanenz-Transzendenz-Kommunikation der technische Weltzugang nicht ausgeblendet.

Steht den Jugendlichen beispielsweise die Erfahrung konkreten Naturverlustes in Form des Waldsterbens bildlich (!) und real vor Augen, dann wird erst die Einbeziehung unserer technischen Handlungsformen darüber aufklären, ob es sich dabei um den Verlust eines Urwaldes, eines Forstes oder eines künstlich geschaffenen Nationalparks handelt. Die Frage, was eigentlich verloren geht und inwiefern dies als Verlust qualifiziert werden kann, ist also schon sehr komplex. Diese Differenzierungen dürfen in der Reflexion des Handelns nicht unbeachtet bleiben, denn Schülerinnen und Schüler sollen ja unter anderem erkennen, dass wir die Krise nicht – wie es ein mechanistisches Verständnis von Wissenschaft voraussetzen würde – von außen bearbeiten können. Wir können nur um einen Wald trauern, der uns nicht einfach gegenüber steht. Erst einen solchen können wir aber auch nachhaltig bewirtschaften. Leitbilder der Nachhaltigkeit (gesunder Wald) sollten somit immer unter der Maßgabe ihrer Dekonstruierbarkeit (verlorene Fichtenplantagen) stehen, um den Jugendlichen damit eine je eigene Rekonstruktion (Trauer/ nachhaltige Bewirtschaftung) zu ermöglichen.

In diesem Sinne sollte die Beziehungsaufnahme zum Nichtmenschlichen als eine Form forcierter Stellungnahmen verstanden werden. Insbesondere sind ökologische Probleme untrennbar mit uns als Beobachter und Gestalter des Nichtmenschlichen verbunden. Schauen wir uns aber beispielsweise die Ikone des blauen Planeten an, die häufig als Sinnbild unserer Verantwortung genutzt wird, dann verdeckt ihr Anblick, dass die Binnenperspektive unentrinnbar ist. Hier stellt es sich so dar, als wären wir Menschen extraterrestrische Wesen, die sich nun zwar nicht mehr machtvoll und gebietend, so doch achtsam und feinfühlig um den Planeten sorgen könnten. Wer im Sinne von „blue marble“ zur Solidarität mit diesem Planeten aufruft, der schöpft jedoch aus der verdeckten Wirkmächtigkeit von Raumfahrt und Bildbearbeitung, die diese Perspektive erst möglich machen (Siegemund, 2023). So war es ein Kosmonaut, nämlich Alexander Gerst, der, bevor er am 20. Dezember 2018 auf die Erde zurück kam, fragte, ob die nächste Generation die Erde noch so wie er von der ISS aus erleben kann. Unterschlagen wird in dieser Erzählung, dass es auch die heutige Generation nicht kann, denn seine „Entschuldigung bei den Enkeln“ setzte eben jene Außenperspektive voraus, die wir nicht haben.

Zugleich nivelliert diese Perspektive wichtige Unterschiede zwischen uns Menschen. Wir bedrohen den Planeten ja nicht in gleicher Weise und wir sind auch nicht alle gleichermaßen bedroht. Diese Überlegungen sind wichtig, weil erst so klar wird, dass die Kultur des Klimawandels bestimmte Wahrnehmungsperspektiven zur Voraussetzung hat und dass diese aus unserem technischen Weltzugriff resultieren. Wenn BNE auf Verhaltensänderung abzielt, dann geht es im Resultat immer um die Auswahl und den Umgang mit sehr konkreten Technologien. Erst in der konkreten Abwägung mit möglichen Entwicklungspfaden wird deutlich, wie sich Jugendliche überhaupt in Antizipation oder in kritischer Distanz zu bestehenden Gütern verhalten können. Insbesondere stellt die Möglichkeit, den eigenen Selbstentwurf der gegenwärtigen Situation entgegen zu stellen, eine notwendige Weise des Im-Anthropozän-Seins dar. Erst wenn sich das eigene Interesse im Gegenüber zu vorliegenden Praktiken schärft, dann erfährt es jene Kraft, die die Pädagogik als Selbstwirksamkeit forcieren möchte. Eine ethische Befassung muss daher in der Spannung zwischen der konkreten Lebenswirklichkeit und der Forderung, sich zu dieser zu verhalten, stehen.

Der Religionsunterricht ist also der Ort, an dem Schülerinnen und Schüler zur je eigenen Stellungnahme herausgefordert werden müssen.

Eine solche Stellungnahme kann und sollte nicht durch ein feststehendes Programm vorweg genommen, sondern pädagogisch induziert werden, wie es dem Stand der Religionspädagogik entspricht:

„Es war auch das Interesse bei der Entfaltung des Modells eines performativen Religionsunterrichts […], darauf zu achten, dass entgegen einer Didaktik der Vereinnahmung auch bei der Teilhabe an religiösen Erlebnisdimensionen die Freiheit des Subjekts gesichert werden sollte […]. Die Zuweisung von Bedeutung muss durch das teilnehmende und reflektierende Subjekt selbst erfolgen.“ (Mendl, 2023, S. 55; vgl. Mendl, 2021, S. 239.

Demnach sind diejenigen Normen aufzudecken und zu beschreiben, die die Lebensführung der Schülerinnen und Schüler bestimmen.

Der Bezug zu anderen Normen ermöglicht ein Wirklichkeitsverständnis, das über die Setzung individueller und gesellschaftlicher Verhältnisse hinaus geht (vgl. Anselm, 2013). Ziel ist die Realisierung eines eigenen Selbst- und Weltentwurfs in Bezug auf die bestehende Moral des Klimawandels und im Horizont christlicher Verkündigung. Insbesondere hängt die mit Recht angestrebte Zustimmung der Einzelnen zu Prinzipien der Nachhaltigkeit davon ab, ob diese als gemeinsam bestimmtes Gut oder als heteronome Verpflichtung konstruiert wird. Die Differenz wird sofort deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auf dem internationalen Klimaparkett die Aufgabe von Freiheitsrechten immer mit der Forderung nach Kompensation einher geht. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich bei der Weltgemeinschaft nicht um eine an einem gemeinsamen Gut orientierte Verantwortungsgemeinschaft, sondern um Interessengruppierungen handelt, die darum streiten, ob Nachhaltigkeit überhaupt als ein gemeinsames Interesse gelten soll. Direktive wie Klimagerechtigkeit oder Enkeltauglichkeit sollten daher auch im Religionsunterricht nicht so konzipiert werden als handelte es sich um Kollektivgüter, an denen sich alle wie in einer Familie ausrichten.

Die Pädagogik muss vielmehr in der Lage sein, den Graben zwischen Verantwortungsübernahme und Interessengegensätzen zu überbrücken. Sie könnte zunächst die handlungsbestimmenden Inhalte der Sittlichkeit (interkulturell) rekonstruieren und beispielsweise das Verhältnis zwischen dem ökologischen Fußabdruck und der materiellen Ausstattung in den Blick nehmen. Sie würde dann fragen, welches Gut eigentlich erreicht werden soll, z.B. ein vergleichbarer Lebensstandard in unterschiedlichen Erdteilen oder ein je kulturell angemessener Umgang mit den eigenen Ressourcen? Gerade soziale Handlungshorizonte wie Gleichheit oder Armut sind historisch gewachsene und damit niemals feststehende Strukturbestimmungen. Die ethische Anleitung zum individuellen Handeln besteht daher nicht in einer Befähigung zur Herstellung eines Gutes, sondern in der Stellungnahme zu diesen Gegebenheiten und einer erst daraus sich ergebenden Handlungsmotivation. Im Rückgriff auf die christliche Ethik wird die Religionspädagogik dabei auf Grundbestände der christlichen Tradition wie etwa die Option für die Armen zurückgreifen.[2]Sie klärt, wie und unter welchen Umständen sich unsere in der Kultur des Klimawandels verankerten Normenauf überlieferte Traditionen beziehen. Sie wird den weltgestaltenden Anspruch des Christentums so auf die Wirklichkeit des Klimawandels beziehen, dass Schülerinnen und Schüler sich zu ihr verhalten können, indem sie eine Kompetenz zur Stellungnahme zu Natur und Technik ausbilden.

Es ist zu betonen, dass sich der Stellenwert von Nachhaltigkeitsfragen im Laufe einer Biographie und in der Auseinandersetzung mit anderen Lebensentwürfen verschiebt. Was Kindern und Jugendlichen wichtig ist, kann schon zum Ende der Schulzeit oder auch durch einen Schüleraustausch ins Hintertreffen geraten. Pädagogische Methoden können diese Spannung auffangen und so der Tatsache Rechnung tragen, dass es die Religionspädagogik gerade nicht mit der bloßen Anwendung fremder Normen, sondern mit einer umfassenden Vermittlung von Lebensführung und deren Reflexion zu tun hat. Der Rückgriff auf die globalen Lebenswirklichkeiten des Klimawandels selbst erfolgt unter Rückgriff auf andere Wissenschaften, wobei hier u.a. die Missionswissenschaften bzw. die Interkulturelle Theologie in den Blick kommen. Kontextuelle Theologien sind nämlich traditionell auf das unhintergehbare Zusammenspiel zwischen der Öko- und der Technosphäre im Anthropozän hin ausgerichtet (Siegemund, 2022). Sie lassen sich in Verbindung mit systematisch-ethischen Erwägungen sehr viel besser in den Dienst einer „modernen anthropologischen Wende“ (Schüßler 2022, S. 59) stellen als durch die Ansage, es werde „keine neue Beziehung zur Natur geben ohne einen neuen Menschen“ (Franziskus, 2015, S. 118). Dies ist nämlich faktisch eine Absage an diese Beziehung.

Ethische Nachhaltigkeitsbildung konfrontiert Schülerinnen und Schüler also nicht mit einer vorgestellten Wirklichkeit idealer Beziehungen angesichts dramatischer Verhältnisse, sondern markiert diese Bilder als strittige Anknüpfungen für das je eigene Wirklichkeitsverständnis. (Bederna & Gärtner, 2023, S. 204) bringen dies auf den Begriff der Anthroporelationalität. Darauf aufbauend führte eine Analyse der ökologisch und technisch bestimmten Lebenswirklichkeit des Anthropozän in eine Beschreibung der immanent-transzendenten Kultur des Klimawandels. In Auseinandersetzung mit der aktuell herrschenden Um- bzw. Mitweltmoral ist das ethische Ziel einer solchen Nachhaltigkeitspädagogik die Befähigung zur eigenen Stellungnahme.

Literaturverzeichnis

Anselm, R. (2013). Religionsunterricht als Reflexion der Lebenswirklichkeit. Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik, 12(2), S. 54–63.

Anselm, R. (2022). Gebildete Freiheit. Pädagogisches Handeln in der Schule aus der Perspektive der evangelischen Ethik. In C. Berndt, T. Häcker & M. Walm (Hrsg.), Ethik in pädagogischen Beziehungen (S. 111–120). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Askani, H.-C. (2005). Schöpfung als Bekenntnis. Tübingen: Mohr Siebeck.

Bederna, K. (2020). Die Klimakrise im Lichte der Coronakrise oder: Kann Religionsunterricht zu zukunftsfähigem Handeln motivieren? Österreichisches Religionspädagogisches Forum, 28(2), S. 28–46.

Bederna, K. Art. Bildung für nachhaltige Entwicklung (2020a), in: Das wissenschaftlich-religionspädagogische Lexikon im Internet www.wirelex.de, . (https://doi.org/10.23768/wirelex.Bildung_fr_nachhaltige_Entwicklung.-200572, PDF vom 22.10.2023).

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  1. Im Gespräch am 18.4.24 erläutert A. Krahn, dass kein heteronom-moralischer Eingriff in die individuelle Lebensführung gemeint sein soll. Vielmehr können „durch narrative Darstellungen [...] die Auswirkungen des Klimawandels auf individuelle Lebensbiographien veranschaulicht werden, wodurch Mit-Leidenschaft für die von den Folgen am stärksten Betroffenen geweckt wird. “. Vgl. auch FN 2.

  2. Ein/e Gutachter/in zu diesem Aufsatz weist darauf hin, dass es sich hierbei auch um eine normative Orientierung handelt. Dem ist nicht zu widersprechen. Die didaktische Pointe besteht jedoch nicht in der äußeren Setzung dieser Norm, sondern darin, dass „nachhaltiges Handeln“ und „Armutsbekämpfung“ in konkreten Fällen in einen Zielkonflikt hinein führen können, in dem konkurrierende Güter abgewogen werden müssen. Eine solche Abwägung geschieht aus christlicher Perspektive aber nicht nur rational beobachtend, sondern immer auch positionell, etwa nach Maßgabe der Barmherzigkeit bzw. des Mit-Leidens (Lk 10,33) als tugendethischer Ausdruck einer autonomen Normativität. Vgl. auch FN 1.