1 Einleitung

Am 29. April 2021 wurde das Klimaschutzgesetz der deutschen Bundesregierung als verfassungswidrig ausgewiesen. Im Urteil wird die intertemporale Freiheitssicherung heutiger und künftiger Generationen thematisiert. Vor allem die Freiheitssicherung letzterer werde gegenwärtig durch die Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung nicht gewährleistet. Angeklagt wird, dass die Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführenden nicht eingehalten werden könne, da hohe „Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 [verschoben werden]“ (Bundesverfassungsgericht, 2021). Die damit verbundenen „künftige[n] Emissionsminderungspflichten“ (Bundesverfassungsgericht, 2021), die nach 2030 auf die Gesellschaft zukommen werden, schränken die Freiheit künftiger Generationen in hohem Maße ein, was Generationengerechtigkeit im Kontext der Klimakrise mehr und mehr zu einem ernstzunehmenden politischen Thema mache. Nicht nur politisch gewinnt die Thematik an Brisanz, auch das Bildungs- und Schulsystem sieht sich einem zunehmenden Legitimationsdruck ausgesetzt. So lässt sich beispielsweise der Schulstreik der Fridays-for-Future-Bewegung als Absage an das Bildungssystem deuten, da nicht nur der Schulunterricht als Vorbereitung auf eine Zukunft (Budde, 2020, S. 222), sondern die Legitimität von Schule insgesamt infrage gestellt werde (Budde, 2020, S. 218). Schule sei in der bisherigen Form und Zielsetzung „der erzieherischen Einübung in die Leistungsgesellschaft“ nicht in der Lage, auf die Herausforderungen der Klimakrise zu reagieren (ebd.).

Der vorliegende Beitrag argumentiert, dass es, aufgrund der Herausforderungen, die die Klimakrise an das Erziehungs- und Bildungssystem stellen, eine Justierung der Perspektive auf Generationengerechtigkeit benötigt. Um diese Justierung zu plausibilisieren, möchte ich, nach einem ausschnitthaften Einblick in den philosophischen wie erziehungswissenschaftlichen Diskurs um Generationengerechtigkeit (2), zunächst zeigen, wie Generationalität anthropologisch im Pädagogischen verstanden wird (3). Sodann wird argumentiert, dass das so erarbeitete Verständnis von Generationalität durch die Klimakrise irritiert und durch eine posthumanistische Perspektivierung pädagogischer Generationenverhältnisse erweitert werden kann (4). Insbesondere unter Bedingungen der Klimakrise ändern sich die Vorzeichen und Bedingungen einer pädagogisch-ethischen Betrachtung von Generationengerechtigkeit. Dazu sollen erste posthumanistische Perspektiven und Anschlüsse eruiert werden, die die ökologischen Bedingungen besser zu berücksichtigen in der Lage sind und die pädagogisch-ethische Bedeutung herausstellen (5). Insgesamt stellt sich der Artikel die Frage, wie Generationengerechtigkeit pädagogisch ausbuchstabiert werden kann. Damit soll auch die Frage, was es heißt in Erziehungs- und Bildungsprozessen Anderen – also in erster Linie Heranwachsenden – gerecht zu werden (Ricken, 2015) aktualisiert werden.

2 Der Diskurs um Generationengerechtigkeit – ein Einblick

Der „Interessenskonflikt zwischen Generationen“ wird in aktuellen Diskursen v.a. im Kontext der Klimakrise als neue gesellschaftliche „Konfliktdimension“ (Tremmel, 2014, S. 1) verhandelt. Unterschieden wird im Diskurs zwischen inter- und intragenerationaler Gerechtigkeit, wobei letztere die Gerechtigkeit innerhalb einer aktuell lebenden Generation umfasst – gemeint sind hier alle aktuell lebenden Menschen unterschiedlicher Generationen. Intergenerationelle Gerechtigkeit nimmt im Gegensatz dazu die Gerechtigkeit zwischen heute lebenden und zukünftig lebenden Menschen in den Blick (Tremmel, 2014, S. 4) – so wie es sich auch bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts um Belange intergenerationaler Gerechtigkeit handelt. Es wird also unterschieden zwischen Gerechtigkeit zwischen Menschen unterschiedlichen Alters und zwischen gestern, heute und morgen lebenden Menschen (Schefczyk, 2016, S. 130).

Aber nicht nur aufgrund unterschiedlicher Generationenverständnisse variiert die inhaltliche Ausgestaltung von Generationengerechtigkeit. Auch die Vorstellungen von Gerechtigkeit unterscheiden sich in Abhängigkeit von zugrundeliegenden ethischen Prinzipien. Diese können auf unterschiedlichen philosophischen Ansätzen basieren. Ohne im Detail auf die verschiedenen Positionen eingehen zu können, lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Generationengerechtigkeit als formal erreicht angesehen wird, „wenn niemand aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation benachteiligt wird.“ (Schefczyk, 2016, S. 44) Wie das „Problem der gerechten Verteilung von Lasten und Vorteilen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Generationen“ (Schefczyk, 2016, S. 130) jeweils bearbeitet wird, variiert. Daran anschließend lasse sich diverse Fragen aufwerfen.

Beispielsweise stellt sich die Frage nach der Existenz vergangener und zukünftiger Menschen und damit verbunden nach deren „Rechtsträgerschaft“ (Schefczyk, 2016, S. 134). Haben verstorbene oder noch nicht geborene Menschen Rechte und wenn ja, welche? Welche Pflichten ergeben sich daraus für aktuell lebende Menschen? Zum anderen stellt sich die Frage nach der Verletzbarkeit zukünftiger Generationen und den Schlussfolgerungen, die aus der Verletzbarkeit gezogen werden. So gibt es Positionen, die die Schädigung zukünftiger Generationen durch aktuelle Lebensformen insgesamt infrage stellen, „[d]enn die besagten Prozesse waren Voraussetzung für deren Existenz“ (Schefczyk, 2016, S. 135). Das Argument lautet: Die zukünftige Generation kann fehlenden Umweltschutz nicht kritisieren, auch wenn sie unter schwierigen Bedingungen lebt, die durch den anthropogenen Klimawandel verursacht wurden, da sie in einer anderen Welt – in einer in der Klimaschutzmaßnahmen ergriffen wurden – u.U. nicht geboren wären. Zusammenfassen lässt sich dies als „Nicht-Identitäts-Problem“ (Heubach, 2008, S. 116), da die Existenz und Identität Angehöriger zukünftiger Generationen von gegenwärtigen Entscheidungen abhängt. Dagegen stehen Positionen, die die „Schwellenkonzeption der Schädigung“ (Schefczyk, 2016, S. 135) vertreten. Diese sagen: „Gegenwärtige Praktiken stellen eine Schädigung der Angehörigen zukünftiger Generationen dar, wenn sie deren Lebensqualität unter ein bestimmtes Niveau drücken.“ (Schefczyk, 2016, S. 135)

Die bis hierhin aufgeführten Auseinandersetzungen lassen sich unter der Frage zusammenfassen, was heutige Generationen zukünftigen Generationen schulden (Meyer, 2018). Diese Frage bringt wiederum Begründungsprobleme mit sich. Eine Problematik stellt die fehlende Reziprozität dar, denn Generationengerechtigkeit kann nicht auf dem Prinzip der Wechselseitigkeit beruhen, weil die künftige Generation der vorherigen Generation weder schaden noch nutzen kann (Meyer, 2018, S. 14). Darüber hinaus haben zukünftige Generationen keine Lobby, sie können nicht wählen und spielen daher eher eine marginale Rolle in politischen Entscheidungsfindungsprozessen.

Auch pädagogisch ist uneindeutig, was unter Generationengerechtigkeit verstanden werden kann. Zu einem pädagogisch relevanten Thema wird Generationengerechtigkeit dann, wenn die Frage gestellt wird, was zukünftigen Generationen weitergegeben werden soll, welche Welt zurückgelassen werden soll und wie Heranwachsende in diese eingeführt werden sollen. Verorten lässt sich Generationengerechtigkeit im Bereich der Pädagogischen Ethik, da diese in ihrer Anlage intergenerational ist bzw. ihr Ausgang im Problem der Generationalität liegt (Brumlik, 1995, S.19). So ist Pädagogische Ethik u.a. mit der Legitimität und Legitimierung von pädagogischem Handeln (Prange, 2010, S. 15) beschäftigt, und zwar durch den Umstand, dass Menschen erstens nicht aus eigenem Willen zur Welt kommen und zweitens nicht aus eigener Kraft überleben können[1]. Flitner leitet aus diesem Umstand eine sittliche Pflicht zur Erziehung ab (Flitner, 1989 [1979], S. 190), die sich aus der doppelten Verantwortung (Arendt, 1958, S. 15) ergibt. Kinder werden in die Welt hineingeworfen, die Bedingungen ihres Lebens sind ihnen entzogen und liegen nicht im eigenen Handlungsspielraum, wie auch die erste Lebenszeit in besonderer Weise auf die Fürsorge Anderer angewiesen ist (Wimmer, 2019, S. 212). Pädagogik versucht diese Angewiesenheit zu reduzieren, ohne sie je ganz abschaffen zu können, da Kinder durch ihre Schutz- und Hilfsbedürftigkeit auf ältere Generationen angewiesen bleiben (Ecarius, 1998, S. 53).

Insgesamt betrachtet der Diskurs um Generationengerechtigkeit die Frage: „Was für eine Welt hinterlassen wir den nachfolgenden Generationen?“ (Heubach, 2008, S. 40) Die skizzierte Verwobenheit von Generationengerechtigkeit und Pädagogik legt als Antwort auf diese Frage nahe, dass es Kindern einmal besser oder mindestens genauso gut gehen soll (Brumlik, 1995, S. 11). Gerade dieser pädagogische Topos einer besseren Zukunft wird aktuell durch die Klimakrise und die daraus resultierenden Folgen für die Zukunft in Frage gestellt. Obwohl Kinder und Jugendliche am meisten vom Klimawandel betroffen sein werden und sie gleichzeitig (bisher) am wenigsten dazu beigetragen haben, so haben sie doch den geringsten Einfluss auf die Umgangsweisen hinsichtlich klimaschützender Maßnahmen (Zabern & Tulloch, 2021, S. 26) und am wenigsten Partizipationsmöglichkeiten an ebenjenen Diskursen.[2]

Generell erfährt das Thema in der Erziehungswissenschaft Aufschwung: Im jüngst erschienenen Tagungsband „Generation und Weitergabe“ (Brinkmann, Weiß & Rieger-Ladich, 2023) der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie gibt es unterschiedliche Auseinandersetzungen mit dem Thema. Beispielsweise deutet Kessl (2023) die Bewegungen Fridays for Future als Herausforderung an das Generationenverhältnis und stellt die These „eine[r] symbolische[n] Umkehrung des Generationenverhältnisses“ (Kessl, 2023, S. 161) auf. Fridays for Future fordere, dass die Erwachsenen ihre rechtmäßige Rolle im Generationenverhältnis einnehmen, nämlich die als mündige Person (Kessl, 2023, S. 166). Auch Holfelder, Singer-Brodowski, Holz und Kimnek deuten Fridays for Future als Herausforderung an das Generationenverhältnis (2021, S. 130) und Reuter (2020) setzt sich aus religionspädagogischer Perspektive mit der Bewegung auseinander. Und auch der 2022 erschienene Sammelband „Creating Green Citizen“ von Drerup, Felder, Magyar-Haas und Schweiger widmet intergenerationaler Gerechtigkeit ein Kapitel.

Eine umfassende Beschäftigung mit der Bedeutung und den Folgen der Klimakrise in Pädagogik und Erziehungswissenschaft stellt auch der Diskurs um Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) dar. Nachhaltige Entwicklung avanciert (seit dem Brundtland-Report) nicht nur „zum normativen Leitbild einer humaneren Gestaltung globaler gesellschaftlicher Verhältnisse in intra- wie intergenerativer Perspektive“ (Kehren & Winkler, 2019, S. 373), sondern auch zum „bildungspolitische[n] Auftrag“ (Kehren & Winkler, 2019, S. 375) – ausbuchstabiert in BNE-Programmatiken mit dem Ziel der „Befähigung von Menschen, Verantwortung für heutige und zukünftige Generationen zu übernehmen und aktiv zur gesellschaftlichen Transformation beizutragen“ (Unesco, 2021, S. 8). Dies sei, so Kehren und Winkler, „mit einem enormen pädagogischen Anspruch verbunden“ (2019, S. 376). Die Einstellung zur Umwelt solle sich ändern: die Natur soll nicht ausgebeutet, sondern für kommende Generationen geschützt und bewahrt werden (Wulf, 2021, S. 468). Der Diskurs um BNE ist sehr vielseitig und reicht von programmatischen bis zu kritischen Auseinandersetzungen (z.B. Kehren, 2016). Insgesamt deuten Kehren und Winkler BNE-Programmatik als pädagogische Lösungen für politisches Versagen und als funktionales „soziales Steuerungs- und Umsetzungsinstrument“ (2019, S. 376).

Den bislang aufgezeigten Diskursen um Generationengerechtigkeit ist gemein, dass sie überwiegend anthropozentrisch geführt werden (Heubach, 2008, S. 99): „Generationengerechtigkeit ist ein zutiefst anthropozentrischer Ansatz, der mit seiner Bedürfnisorientierung auf das Individuum abzielt.“ (Tremmel, 2003, S. 35) Unstrittig scheint, „dass die Praktiken gegenwärtiger Lebender Einfluss auf das Wohlergehen unserer Nachkommen haben. Heutige Entscheidungen über den Ressourcenverbrauch, die Sparrate oder die Menge globaler Emissionen klimaschädlicher Gase werden die Lebensbedingungen künftiger Generationen wesentlich prägen.“ (Schefczyk, 2016, S. 133) Fraglich bleibt allerdings, inwiefern überhaupt ein menschliches Recht auf Ressourcen besteht und ob die Natur als Gemeingut betrachtet werden darf, über das Menschen verfügen können (Heubach, 2008, S. 66). Aus anthropozentrischer Perspektive wird Biodiversität als Mittel zum Zweck für die Lust oder den Erhalt der Menschheit betrachtet und im Konfliktfall der Menschheit untergeordnet (Heubach, 2008, S. 194). Auch im Pädagogischen wird weitestgehend anthropologisch argumentiert (s. beispielsweise Wulf, 2021) und es fehlen posthumanistische Perspektivierungen, denn – so meine These – im Kontext Klimakrise und intergenerationaler Gerechtigkeit geht es nicht nur um Menschen, sondern um „Erde“ (Latour, 2021) (s. Kap. 4.1.). Bevor dieser Gedanke ausformuliert wird, soll das pädagogische Verständnis von Generationalität skizziert werden, um darauf aufbauend eine ergänzende, posthumanistische Perspektivierung der Generationalität anzubieten.

3 Generationalität als pädagogisches Problem

Zwar stellt Generationalität kein neues Thema in Pädagogik und Erziehungswissenschaft dar, der Diskurs erfährt allerdings Konjunktur. Nachdem es in den 1960er bis 1980er Jahren kaum erziehungs- oder bildungsphilosophische Auseinandersetzungen gab, flammten diese Mitte der 1980er bis Anfang der 1890er Jahre zunächst kurz auf (Liebau & Wulf, 1996, S. 8) und zeitig wieder ab. Das liegt u.a. an den Problematiken, die dem Generationenbegriff zugeschrieben werden. So sei er definitorisch unterbestimmt (Brumlik, 1998, S. 141) und seine „Brauchbarkeit“ (Ecarius, 1998, S. 49) wird insgesamt in Frage gestellt. Die Aussagekraft von Zuweisungen zu Generationen wird durch „Enttraditionalisierung, Pluralisierung und Individualisierung“ (Liebau, 1997, S. 298, s. auch aktueller Wimmer, 2019, S. 271) fraglich und einander teils widersprüchliche Generationsdiagnosen verweisen auf Verwischung und Verfremdung (Kehrer, 1959, S. 19), Verflüssigung der Grenzen (Wimmer, 2019, S. 271), „Vertiefung von Brüchen“ (Wimmer, 2019, S. 272) oder Umkehr des Generationenverhältnisses (Kehrer, 1959, S. 19–20). Dass das Thema trotz aller Problematiken erneutes Interesse entfacht, scheint u.a. an den oben beschriebenen, durch den Klimawandel induzierten Proteste und dem verbreiteten Narrativ, dass die Zukunft nachfolgender Generationen auf dem Spiel steht, zu liegen.

3.1 Die Herstellung von Kontinuität – anthropologische Grundannahmen

Das Generationenverhältnis wird in Pädagogik und Erziehungswissenschaft anthropologisch, nämlich als Verhältnis zwischen Menschen, gedacht. Generationalität wird als „universales anthropologisches Muster“ (Liebau, 1997, S. 303) verstanden. Die anthropologischen Konstanten Tod und Geburt – oder die „Existenzialien“ (Brumlik, 1995, S. 16) von Mortalität und Natalität – stellen die Bedingung für Generationalität dar, da die Menschheit sich mit ihrer Endlich- und Anfänglichkeit konfrontiert sieht und auf diese mit Erziehung zu antworten versucht. Der Generationenwechsel durch Geburt und Tod allein macht allerdings noch nicht aus, was mit Mannheim aus einer soziologischen Perspektive als Generationalität bezeichnet wird. So weist Mannheim die Bedeutsamkeit der analytischen Einbettung des Generationenwechsels in gesellschaftliches Zusammenleben und die damit verbundene Notwendigkeit der Tradierung von Kultur und die Weitergabe von Normen und Werten aus. Generationalität adressiert das zu bearbeitende Problem der Überbrückung von abtretenden und neueintretenden Kulturträgern (Mannheim, 1968, S. 530–540). Kultur bildet sich über Generationen hinweg neu, fort und weiter. Dadurch spielt der Generationenbegriff auch im Pädagogischen eine zentrale Rolle, wenn Erziehung gemeinhin als „Weitergabe von Kultur, Kulturtechniken, Erbe und Tradition“ (Brinkmann, 2023, S. 7) verstanden wird. Auch Sünkel konzipiert den Generationenbegriff aus einem „deskriptiv-analytisch taugliche[n] Erziehungsbegriff“ (1997, S. 197), der wiederum auf drei anthropologischen Grundannahmen beruht: Sozialität, Kulturalität und Mortalität. „Um Erziehung handelt es sich immer dann, wenn, und immer dort, wo nicht-genetische Tätigkeitsdispositionen vermittelt und angeeignet werden.“ (Sünkel, 1997, S. 198). Die intergenerationale Aufgabe von Erziehung liegt nach Sünkels Verständnis in der Herstellung „kultureller Kontinuität in Hinsicht der nicht-genetischen Tätigkeitsdispositionen“ (Sünkel, 1997, S. 198). Erziehung soll also intergenerational die Weitergabe von Kulturtechniken garantieren.

Im Pädagogischen werden inter- und intragenerationale Perspektiven verschränkt. Zwar geht es in pädagogischen Verhältnissen in erster Linie um intragenerationale Verhältnisse zwischen alten und jungen Menschen. Dieses Verhältnis lässt sich allerdings in einen intergenerationalen Kontext einbinden, denn im pädagogischen Verhältnis werden intergenerationale Ansprüche wirksam. Verdeutlichen lässt sich das an der Schleiermacherschen Frage: „Was will eigentlich die ältere Generation mit der jüngeren?“ (Schleiermacher, 2007 [1826], S. 547). Schleiermacher wie auch Kant betrachten Erziehung als intergenerative Aufgabe zur Verbesserung des Menschengeschlechts (Kant, 1803, S. 13). Schleiermacher sieht im Generationenwechsel eine Chance, aus der Fortführung zu entkommen, die er dem animalischen Leben zuspricht. Im Gegensatz zum Tier, welches bloß überlebt, sei der Mensch in der Lage, sich über den Generationenwechsel weiterzuentwickeln. Ziel ist es, zu „werden, was man werden soll“ (Masschelein, 2000, S. 214). Das bedeutet, dass Sinn von Erziehung nicht die Öffnung von Zukunftsentwürfen, sondern die Verwirklichung einer prädeterminierten Bestimmung ist (Masschelein, 2000, S. 214). Dagegen betrachtet Masschelein Generation als Chance für Neuanfang, Befreiung aus Altem, aus der „Kontinuierung einer Identität“ (Masschelein, 2000, S. 227), weil in der Natalität (in Anschluss an Arendt) Pluralität begründet ist: Es kommen nicht nur Neue in die Welt, sondern auch Andere, Verschiedene.

3.2 Der Bruch im Generationenverhältnis – alteritätstheoretische Anschlüsse

Daran anschließen lassen sich alteritäts- oder differenztheoretische Überlegungen. In seiner Bestimmung des Generationenverhältnisses beschreibt Wimmer die „irreduzible Fremdheit zwischen den Generationen“ (2019, S. 276) in Analogie zu kultureller Fremdheit. Das Verhältnis zum Anderen (in dem Falle zur anderen Generation) lässt sich weniger über das Gemeinsame als über die generative Differenz beschreiben (Wimmer, 1998, S. 102). Diese lässt sich nicht überwinden, das Fremde bleibt immer bestehen (vgl. Wimmer, 1998, S. 102).

Das führt zu dem, was mit Ricken als „pädagogisches Problem“ (Ricken, 2010, S. 26) bezeichnet werden kann: Wissen, Kultur, Normen und Werte müssen einerseits weitergegeben werden – es muss also „Reproduktions- und Kontinuierungsarbeit“ (Ricken, 2010, S. 26) geleistet werden –, andererseits kann durch den generationalen Wechsel keine bruchlose Aneignung stattfinden. Das „Kontinuierungsproblem“ (Hilbrich & Ricken, 2019, S. 57) ist – anders als bei Schleiermacher – kein zu überwindendes Problem, sondern konstitutives Merkmal des pädagogischen Generationenverhältnisses und damit unüberwindbar. Dieser Bruch ist verbunden mit einer „pädagogischen Differenz“ (Ricken, 2010, S. 26), also dem Umstand, dass aus Vermittlung nicht dieselbe Aneignung folgt, sondern im Bruch auch immer eine Transformation stattfindet, nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Generationenlagerungen und den damit verbundenen verschiedenen Weltdeutungen durch prägende zeithistorische Ereignisse (Mannheim, 1968, S. 542). Wegen dieser unterschiedlichen Weltzugänge kann die neue Generation nur eine Fremde sein. Der Generationswechsel ist keine bloße Fortführung des Alten. Wechsel bedeutet nicht bloße Steigerung und (Weiter-)Entwicklung, sondern Veränderung (Masschelein, 2000, S. 214). Kurz: „Was neu ankommt, führt nicht nur fort, was vorausging.“ (Waldenfels, 2022, S. 242) Dadurch, dass neue Lebewesen in die Welt kommen, die andere Ausgangsbedingungen als die vorherige Generation haben, haben sie notwendigerweise auch einen anderen Blick auf und Umgang mit der Welt. In der gleichen Zeit zu leben, heißt nicht unbedingt sie gleich zu erleben (Waldenfels, 2022, S. 245). Die konstitutive Fremdheit zwischen den Generationen betont die Situiertheit in ihrer jeweiligen Zeit und öffnet das Denken für die Zukunft (Meyer-Drawe, Müller & Wimmer, 2001, S. 254). Fragen nach dem „Umgang mit und d[en] Bedingungen des Aufwachsens von den nachfolgenden Generationen“ (Wimmer, 2019, S. 42) haben so einen „irreduziblen Zukunftsbezug“ (Wimmer, 2019, S. 43).

Gerechtigkeit bedeutet in diesem Sinne, nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit und Zukunft zu berücksichtigen, „[d]enn die Gegenwart genügt sich nicht selbst; in ihr ist vielmehr ein Anspruch des Vergangenen wirksam, dessen Erben wir sind, und ein Anspruch der nachwachsenden Generation, die Zukunft weniger repräsentiert als ankündigt.“ (Meyer-Drawe et al., 2001, S. 255) Aufgrund des Umstandes, dass ‚Fremdes‘ oder ‚Anderes‘ in die Welt kommt, ist das pädagogische Generationenverhältnis ethisch betrachtet eines, das Gerechtigkeitsfragen betrifft. Dass neue Lebewesen in die Welt kommen, konfrontiert mit der Frage, was bewahrt werden soll. Die potenziellen Neuankömmlinge adressieren die jetzt lebenden Generationen mit der Frage, ob die tradierten Verhältnisse (noch) gerecht sind. Im zeitlichen Bruch wird Gerechtigkeit zu einem Zukunftsversprechen (Meyer-Drawe et al., 2001, S. 255).

4 Der Versuch einer posthumanistischen Blickwendung

Die Klimakrise irritiert nun diesen pädagogischen Topos des Versprechens auf eine bessere Zukunft für nachfolgende Generationen (Su & Su, 2019, S. 1). Die planetaren Veränderungen werfen die Frage auf, ob es für kommende Generationen noch einen belebbaren Planeten geben wird, denn es ist nicht nur ungewiss, wie die Zukunft aussehen wird, sondern ob es überhaupt eine Zukunft geben wird (Su, 2022, S. 153). Der postmoderne Bruch mit einer linearen Fortschrittshoffnung und die Frage, ob künftige Generationen eine bessere Zukunft haben werden, sind nicht neu. Herrmann konstatiert bereits 1995, dass „Zukunft – für uns als Individuen, als Gesellschaft, als Menschheit – so prekär geworden ist“, da die zwei Weltkriege mit dem Fortschrittsoptimismus der Moderne endgültig gebrochen haben (S. 45). Im Kontext der Klimakrise lässt sich eine Aktualisierung dieses Narrativs einer prekären Zukunft feststellen, wenn die Rede davon ist, dass planetare Grenzen die Zukunft räumlich (durch die Verknappung lebenswerten Bodens und Raums) und zeitlich (durch die Endlichkeit von Ressourcen) eher schließen, als dass sie sie öffnen. „Wie sollen Lehrer:innen noch von dem Primat einer offenen Zukunft ausgehen, wenn die Zukunft angesichts erwartbarer Belastungen katastrophal aussieht?“ (Drerup, Felder, Magyar-Haas & Schweiger, 2022, S. 4) „In short, if there is no certainty that future generations will be better off, the whole question of intergenerational justice has to be reframed.“ (Su & Su, 2019, S. 1) Wenn die Klimakrise pädagogisch ernst genommen werden soll, dann müssen Grundannahmen der Pädagogik über Bord geworfen werden (Su, 2022, S. 161). So muss auch das pädagogische Generationenverhältnis vor dem Hintergrund der Klimakrise neu verhandelt werden.

Eine Möglichkeit, das Generationenverhältnis neu zu bestimmen und für intergenerationale Problemstellungen vor dem Hintergrund der Klimakrise anschlussfähig zu machen, stellt der Posthumanismus dar. In den folgenden Ausführungen soll die moderne Trennung von Natur und Kultur fokussiert werden sowie die Infragestellung der ontologischen Trennung von Selbst und Welt (Scherrer, 2022, S. 56).

Mit Hilfe einer posthumanistischen Perspektive soll Generationengerechtigkeit im Folgenden nicht-anthropozentrisch betrachtet werden, indem zwar menschliche Interessen in Bezug auf die Zukunft diskutiert werden, ohne aber den Menschen ins Zentrum zu stellen oder ihn als ein isoliertes, dem Planeten enthobenen Wesen zu verstehen. An dieser Stelle soll die oben gestellte Frage aufgegriffen und erweitert werden: Was heißt es anderen und anderem intergenerational gerecht zu werden?

4.1 Erdverhaftet sein

Unter dem Begriff „Posthumanismus“ lassen sich Denkströmungen zusammenfassen, die eine Verschiebung von anthropozentrischen Ansätzen und einer Trennung von Mensch und Natur hin zu einer Anerkennung der Interdependenz des Menschen mit der planetaren Welt anstreben. Der Mensch wird nicht erst seit der Klimakrise als abhängig von planetaren Ausgangsbedingungen gedacht, eine posthumanistische Perspektive stellt diese Abhängigkeit allerdings infrage, indem sie den Menschen nicht in Abgrenzung „zum Tier, zur Technik, zur Maschine, zu Gott“ (Wimmer, 2019, S. 22) versteht, sondern als ein „in sich heterogenes Mischwesen, das immer mit anderen/m verschränkt und verbunden ist“ (Wimmer, 2019, S. 46), wodurch die Bedingtheit des Menschen in den Vordergrund gerückt wird. Versteht man den Menschen als radikal bedingt, dann müssen Lebensformen – auch menschliche – unter „terrestrischen Bedingungen“ (Latour, 2018, S. 46) und als „erdverhaftet“ (Latour, 2021, S. 33) gedacht werden. Eine solche Perspektive fordert allerdings keine Rückkehr zur Natur. Vielmehr wird eine „grundlegende[…] Revision des kulturellen Selbst- und Weltverhältnisses“ (Wimmer, 2019, S. 38) angestrebt. In Latours Worten: „Früher konnte man noch sagen, dass die Menschen ‚auf der Erde‘ leben oder ‚in der Natur‘, dass sie sich ‚in der Neuzeit‘ befinden und als ‚Menschen‘ mehr oder minder ‚für ihre Taten verantwortlich‘ sind.“ (Latour, 2018, S. 52) Entgegen dieses Verständnisses versteht Latour die Erde, die Luft, die Organismen nicht als Umwelt, sondern Wirkung, Hervorbringung und dadurch als selbst lebendig (Latour, 2018, S. 89–90). Und auch Haraway widerspricht dem Konstrukt der Natur als passives Objekt, welches der Mensch sich unterwerfen und aneignen kann (1995, S. 92).

4.2 Spuren hinterlassen

Aus dem Umstand, dass der Mensch weniger auf ein ‚Ich‘ reduziert wird (Latour, 2021, S. 24), als vielmehr im Werden begriffen und somit als ein Teil von Erde, lassen sich ethische Überlegungen anschließen. Mit dem Begriff ‚Erde‘ betont Latour „die Verbindung, de[n] Zusammenschluss, die Überlagerung, die Mischung all derer […], die um ihren Fortbestand fürchten und Erzeugungssorgen haben“ (Latour, 2021, S. 39). Die Klimakrise prekarisiert diese Erzeugungssorgen (Latour, 2021, S. 64). Erde umfasst dabei sowohl Akteure als auch die Auswirkungen des Handelns ebenjener, d.h. nicht nur lebendige Organismen im engeren biologischen Sinne, sondern auch deren Erzeugnisse, Spuren und Hinterlassenschaften.

„Das Adjektiv ›terrestrisch‹ bzw. ›erdverhaftet‹ bezeichnet nicht einen bestimmten Typus von Existierenden [...], sondern nur eine bestimmte Art und Weise sich zu lokalisieren, indem man sich die Reihe der Vorfahren und Nachkommen vergegenwärtigt, deren Erzeugungssorgen sich für einen kurzen Augenblick kreuzen.“ (Latour, 2021, S. 48–49)

Terrestrisch oder erdverhaftet zu werden bedeutet, ein Bewusstsein für die Zeitlichkeit des Werdens zu entwickeln und sich dem Umstand bewusst zu werden, von etwas oder jemand anderem her zu kommen und selbst wiederum Bedingung von anderen und anderem zu sein. Obwohl Latour den Begriff der Generationengerechtigkeit nicht verwendet, so bietet seine Konzeption Anschluss für den Diskurs um ebenjene. Generationengerechtigkeit drückt sich in dem Umstand aus, dass der „Erdverhaftete“ (Latour, 2021, S. 41) – also eine Lebensform, die die Verwobenheit mit der Erde erkennt – „in seinen Vorfahren die Schöpfer der Wohnbedingungen an[erkennt], die er nutzt [...] und [damit] rechnet […], dass er für seine Nachfolger zu sorgen hat.“ (Latour, 2021, S. 41) Damit verbunden sind Grenzen des ‚Menschlichen‘. Die „nur wenige Kilometer breite Existenzschicht“ (Latour, 2021, S. 44), also die Atmosphäre, in der Menschen lebensfähig sind, ist relativ klein und wird als „kritische Zone“ (Latour, 2021, S. 45) bezeichnet. Diese Zone ist fragil: „In einer kritischen Zone zu leben hingegen heißt, zu lernen, etwas länger fortzubestehen, ohne die Wohnbedingungen späterer Lebensformen zu gefährden.“ (Latour, 2021, S. 45

Zusammenfassen lassen sich diese Überlegungen wie folgt: Obwohl Menschen mit anderen Lebensformen verwoben sind, so sind es doch Fremde, Andere. Alle Lebensformen hinterlassen Spuren, verhalten sich nicht einfach zur ‚Umwelt‘, sondern leben durch, mit, in ihr und bringen sie dadurch erst hervor. Durch diese Blickwendung vom Sein zum Werden ergibt sich eine ethische Bedeutsamkeit: Dadurch, dass wir erstens grundlegend von dieser fragilen kritischen Zone abhängig sind und zweitens, dass wir in derartiger Weise auf sie wirken, sind wir für sie verantwortlich und müssen umsichtig mit ihr umgehen.

5 Anschließende Überlegungen zu einer pädagogischen Generationengerechtigkeit

Die dargestellten Überlegungen irritieren die technokratische Illusion, „dass mehr Wissen und Bildung auch zu mehr Aufklärung und diese wiederum automatisch zu besseren Problemlösungen führen könnten“ (Drerup et al., 2022, S. 2). Ausdruck findet diese Illusion beispielsweise in BNE-Programmatiken, die „Leitmetaphoriken bildungstheoretischer Steigerungsformeln (etwa: Wachstum, Nutzung der individuellen Ressourcen und Potentiale)“ (Drerup et al., 2022, S. 5) bemühen. Folgt man der Argumentation Latours, sollten stattdessen die Spuren, die auch pädagogisch hinterlassen werden und die Art wie aktuell die Erde gestaltet wird, in den Fokus rücken und weniger die Verantwortung dafür auf die Zukunft verschoben werden. Die BNE-Programmatik schließt die Zukunft mehr, als dass sie sie öffnet, indem der nächsten Generation vorgelegt wird, wie eine nachhaltige Lebensweise auszusehen hat. Die Frage ist aber, „was uns das künftige Leben von Anderen im Kontext gegenwärtiger Lebensformen bedeutet“ (Liebsch, 2016, S. 153) und weniger, welche Zukunft wir uns für kommende Generationen vorstellen. Es geht also um die Eröffnung der „Spielräume eines unvorhersehbaren eigenen, individuellen Lebens.“ (Liebsch, 2016, S. 154) Zukünftigen Generationen darf nicht vorgeschrieben werden, wie sie zu leben haben, erstens weil es Fremde sind und daher unabsehbar ist, welche Vorstellungen eines guten Lebens sie haben werden (s. ausführlicher Quirl, 2023, S. 359). Zweitens ist es, trotz wissenschaftlicher Prognostik, unmöglich vorherzusagen, wie der Planet und das Zusammenleben aussehen werden, also unter welchen Bedingungen Vorstellungen eines guten Lebens erst möglich sein werden. Das bedeutet für die ökologische Dimension, dass der Überkonsum, also ein Konsum, der über die biokapazitären Grenzen des Planeten hinausgeht, gestoppt werden muss, um überhaupt eine Zukunft für kommende Generationen zu ermöglichen (Su & Su, 2019, S. 4). Pädagogisch bedeutet das, dass nachfolgenden Generationen keine Lösungsansätze vorgeschrieben werden sollen, sondern die Chance auf die eigene Ausgestaltung des Lebens zu ermöglichen und offen zu halten ist (Su & Su, 2019, S. 4).

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Durch die Klimakrise wird deutlich, dass der Mensch nicht ohne den Planeten leben kann. Die Zukunft der Menschheit wird zunehmend prekär, wenn sich der für Menschen belebbare Raum in aktueller Schnelligkeit begrenzt. Dies bedeutet, dass Generationengerechtigkeit vor dem Hintergrund planetarer Grenzen diskutiert werden muss. Die planetaren Ausgangsbedingungen, das Ökosystem, die sozialen Ausgangsbedingungen, das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben sind bedeutsam für die Frage danach, was wir weitergeben wollen, was uns wichtig ist, welche (Gestaltungs-)Freiräume wir haben und wie Anders-Werden möglich ist. Die Ankunft neuer Menschen ruft pädagogisch dazu auf, zu reflektieren, welche Welt wir hinterlassen (wollen). Generationengerechtigkeit, die nur zwischen der Freiheit der Nutzung von Ressourcen heutiger und zukünftiger Generationen ausgehandelt wird, ist erdfremd, da sie die terrestrische Bedingtheit des Lebens ausblendet. Die posthumanistische Perspektivierung bedeutet im pädagogischen Generationenverhältnis nicht, die gerechte Verteilung und den Nutzen von ‚Ressourcen‘ und ‚Naturgüter‘ zu diskutieren, sondern radikal unser Verhältnis zur Natur infrage zu stellen. Damit wird gleichermaßen die Verbundenheit des Menschen betont und die Trennung oder Isolation vermieden, indem die Fremdheit anderer Lebensformen hervorgehoben wird. „Seins- und Lebensweisen unterscheiden sich zwar, aber nicht in der Art und Weise, dass sie aufgrund ihrer Unterschiede nichts miteinander zu tun hätten. Sie existieren trotz der Unterschiede nur miteinander und es gibt vielfältige Verbundenheiten und Wechselwirkungen zwischen ihnen.“ (Scherrer, 2022, S. 66) Aus diesen Verbundenheiten und Wechselwirkungen resultiert, dass das, was wir tun, was wir weitergeben und wie wir es weitergeben, Spuren hinterlässt, was pädagogisch im Generationenverhältnis zum Ausdruck kommt. Pädagogische Generationengerechtigkeit muss diese Aspekte mitberücksichtigen, wenn sie nicht paternalistisch sein will. Die Aufgabe von Erziehung sollte stattdessen sein, eine offene Zukunft bereitzuhalten und diese nicht durch Umwelterziehung zu schließen. Es braucht weiterhin Neuanfänge (Su, 2022, S. 162) und die Anerkennung der Fremdheit zukünftiger Anderer. Die pädagogische Herausforderung ist, die Zukunft weiterhin als offen zu betrachten und gleichzeitig planetare Bedingungen und Grenzen zu berücksichtigen.

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Cosima Quirl, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum.

  1. Diesen Gedanken formulieren sowohl Brumlik (1995, S. 19; 2004, S. 19), als auch Prange (2010, S. 56) im Anschluss an Kants Überlegungen in der „Metaphysik der Sitten“ zu der Frage, was Eltern Kindern schulden.

  2. Eine empirische Studie zu Bedarfen der Jugend und intergenerationaler Gerechtigkeit von Andresen (2022) zeigt: Die Jugend fühlt sich nicht nur nicht gehört (Andresen, 2022, S. 198), sie wird auch benachteiligt, wird weniger gehört und hat wenig Handlungsspielräume (Andresen, 2022, S. 200), was an „strukturelle[n] Gründe[n] der sozialen Positionierung junger Menschen in der Gesellschaft [liegt].” (Andresen, 2022, S. 211)