1 Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung

„Hast du auch eine Scheißangst, alles zu verlieren, wenn das Klima weiter destabilisiert wird?“ (Letzte Generation, 2024) Mit dieser brisanten Frage lädt die Gruppe der Letzten Generation Interessierte zu ihren Einführungsvorträgen ein, in denen sie ihre Ideen zu einem aktiven Widerstand gegen die aktuelle (Umwelt-)Politik vorstellen.

Auch die Religionspädagogik hat sich bereits der Aufgabe angenommen, was getan werden kann, um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit in Zeiten globaler Krisen zu leisten. Als zentrale Frage wird diskutiert, ob religiöse Bildungsprozesse zum Thema Nachhaltigkeit einen besonderen Beitrag leisten können und warum es eine religiöse Perspektive brauchen könnte. Außerdem wird nach konkreten Umsetzungsideen gesucht.

Ziel dieses Beitrags ist es, zu erörtern, was unter dem im Anschluss an diese Frage entworfenen Arbeitsfeld der religiösen Bildung für nachhaltiger Entwicklung (rBNE) zu verstehen ist. Außerdem wird vorgestellt, woher die Debatte ursprünglich stammt, was zentrale Fragestellungen und Themen sind und wie der gegenwärtige Stand ist.

Dafür werden im Folgenden zuerst die Entstehung erster Grundlagen der Debatte vorgestellt. Zentral werden hier die beiden Monographien von Katrin Bederna (2019) und von Claudia Gärtner (2020a) präsentiert. Anschließend wird der auf sie folgende Diskurs abgedeckt. Dabei wird ein Überblick über relevante Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum bis Beginn 2024 geschaffen.

2 Entstehung erster Grundlagen

Anstoß für die aktuelle religionspädagogische Debatte ist die 2015 erschienene Enzyklika Laudato si’ (Papst Franziskus, 2015). Der erste religionspädagogische Beitrag, der diesen Impuls aufgreift, erschien 2016. Simone Birkel beschäftigt sich in ihrem Artikel Die Sorge für das gemeinsame Haus. Herausforderungen für die Religionspädagogik durch die Mitwelt-Enzyklika Laudato si’ mit dem Appell der Enzyklika zum Handeln im Zuge der Klimakrise und leitet religionspädagogische Aufgaben ab. Einerseits fordert die katholische Religionspädagogin eine reflektierte Sprache (Mitwelt statt Umwelt und Nachhaltigkeit statt Bewahrung der Schöpfung), die eine neue Denkweise im Umgang mit der Klimakrise ermöglichen soll (Birkel, 2016, S. 8–9). Andererseits greift sie den Begriff der Retinität auf, der ein Grundverständnis der Vernetzung des Lebens beschreibt und den sie als grundlegend für die religionspädagogische Debatte erachtet (Birkel, 2016, S. 9). Hieran knüpft Birkel ihre Überlegungen zur Anthropozentrik, Theozentrik und Eschatologie als zentrale Momente theologischen Denkens an, die für die praktisch-theologische Arbeit zentral sein sollten (Birkel, 2016, S. 9–10). Um den Diskurs für die Religionspädagogik anschlussfähig zu machen, nennt Birkel verschiedene notwendige Voraussetzungen, die Lernende konkret zu einem ökologischen Lebensstil befähigen könnten: Ästhetische Bildung soll Lernende unterstützen, „Natur als etwas Staunens- und Beschützenswertes [zu] erfahren […]“ (Birkel, 2016, S. 11) und eine entsprechende Wahrnehmungskompetenz zu entwickeln. Außerdem sollen sie aktiviert werden, selbst „schöpferisch“ tätig zu werden. Dafür bedürfe es der Förderung einer Gestaltungskompetenz. Außerdem sei eine kognitive Kompetenz bezogen auf alternative, nachhaltige Lebensstile notwendig, um die eigenen Lebensstile reflektieren zu können. Zuletzt benennt Birkel gemeinschaftliche Unterstützung als zentrales Moment, das die drei Kompetenzen verbinden und fruchtbar machen kann, da die Gemeinschaft „eine Vision einer anderen Welt mitträgt und kommuniziert.“ (Birkel, 2016, S. 12) (Birkel, 2016, S. 10–13)

Auch wenn zu dieser Zeit von BNE geschweige denn rBNE noch nicht konkret die Rede gewesen ist, kann Birkels Artikel als früher Startschuss des religionspädagogischen Diskurses zur Nachhaltigkeit aufgefasst werden, da er die Impulse der Enzyklika aufgreift und den Apell zu einem nachhaltigen Lebensstil als Aufgabe definiert, der sich die religiösen Bildung annehmen solle.

Kai Horstmann beschreibt 2017 BNE in seinem Beitrag Ökumenisches Lernen macht Globales Lernen konkret. Ökumenische Partnerschaften als kirchliches Angebot an die Schule erstmals als Aufgabe religiöser Bildung. Darin verknüpft er BNE und religiöse Bildung über das globale Lernen. Einerseits beschreibt er BNE als praxisorientierten Teil globalen Lernens. Andererseits diagnostiziert er ökumenisches Lernen als Ort für globales Lernen, da Sensibilität für globale Herausforderungen geschaffen werden kann und somit Lernende für neue Handlungswege aktiviert werden können (Horstmann, 2017, S. 129–139).

Hier wird erstmals der BNE-Diskurs aus religionspädagogischer Perspektive aufgegriffen.

Katrin Bedernas Veröffentlichung von 2019 kann als grundlegender Beitrag für die Diskussion angesehen werden. Bederna, die die Friday for Future Bewegung als zentralen Impulsgeberin ihrer Arbeit benennt (Bederna, 2019, S. 11), erörtert in ihrem Buch, wie BNE als eine grundlegende Aufgabe von schulischer Bildung durch den Religionsunterricht mitgestalten werden kann. Die Autorin greift den Nachhaltigkeits- und BNE-Diskurs auf und beleuchtet ihn systematisch aus einer (katholisch-)theologischen und religionspädagogischen Sichtweise. So entschlüsselt sie grundlegend, was hinter dem komplexen Prinzip der Nachhaltigkeit steht, und betont dabei vor allem die soziale Komponente (Bederna, 2019, S. 128–131). Davon ausgehend benennt sie den Mehrwert der religiösen Ethik, die beim Verständnis von nachhaltigen Prinzipien und bei Entscheidungen zu nachhaltigem Handeln unterstützen könne (Bederna, 2019, S. 154–159). Als Voraussetzung und Grundlage für ihr Verständnis von rBNE beschreibt Bederna, dass Nachhaltigkeit auf die Freiheit aller abzielen und somit mit einer Einsicht auf Verzicht einhergehen müsse (Bederna, 2019, S. 186–191). Zuletzt entwickelt sie anhand einer stark subjektorientierten Herangehensweise verschiedene religiösen Dimensionen von BNE (Bederna, 2019, S. 210–220). Dabei postuliert sie, dass rBNE als Transformationsbildung Schüler:innen aktivieren könne „sich selbst zu Anwälten für die Schöpfung, die Armen und die Zukunft zu machen.“ (Bederna, 2019, S. 235) Neben transformativer religiöser Kompetenzen bedürfte es dafür auch transformatives religiöses Wissen (Bederna, 2019, S. 229–231). Bederna fokussiert ihre Erkenntnisse in zehn didaktischen Prinzipien (emanzipatorisch, partizipationsorientiert, handlungsorientiert, zukunftsorientiert, schöpfungsorientiert, vernetzt und vernetzend, ethisch orientiert, politisch dimensioniert, korrelativ sowie ästhetisch und spirituell), an denen religiöse Bildung ausgerichtet werden müsse, um einen Mehrwert für BNE darzustellen (Bederna, 2019, S. 256–266).

Bedernas Monographie verknüpft somit erstmals systematisch BNE und Theologie aus einer religionspädagogischen Perspektive, indem sie rBNE als Transformationsbildung definiert.

Claudia Gärtner weitet das Spielfeld der rBNE auf den gesamten Raum religiöser Bildung aus, wobei sie neben der Klimakrise auch die zur Zeit der Veröffentlichung aktuellen Krisen rund um die Corona-Pandemie mit in den Blick nimmt. Sie setzt sich zu Beginn ihrer Monographie Klima, Corona und das Christentum. Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung in einer verwundeten Welt kritisch mit der BNE-Thematik und dem darum entstandenen Diskurs auseinander. Daraus leitet sie verschiedene Anknüpfungspunkte von (r)BNE ab (Krisenorientierung, Kontroversität, Machtkritik, Reflexivität, Ermutigung und Veränderung) (Gärtner, 2020a, S. 37–45). Darauf aufbauend analysiert die Autorin aus psychologischer, soziologischer und pädagogischer Sichtweise, worin genau die Herausforderungen für (r)BNE bestehen. Der sogenannte Mind-Behavior-Gap beschreibe die Diskrepanz zwischen Wissen und einer fehlenden Übertragung in die Tat. In Bezug auf nachhaltiges Handeln diagnostiziert Gärtner aus psychologischer Perspektive, dass Wissen allein nicht zu einem Verhaltenswandel führe. Externe Faktoren durch das Umfeld scheinen hier eine wichtige Rolle zu spielen, die für (r)BNE mitbedacht werden müsse (Gärtner, 2020a, S. 48–53). Die Autorin beschreibt das Abnehmen von demokratischem Denken und den vorherrschenden Kapitalismus als soziologische Problemfaktoren. Um sich dem Wunsch auf Emanzipation des Subjekts anzunehmen, sei aus pädagogischer Sicht zudem eine kritische Hinterfragung der Didaktiken zu BNE gefordert (Gärtner, 2020a, S. 78–79). Anhand der Themen Alterität, Zeit, Mensch, Schöpfung sowie den Dimensionen der christlichen Religion (ritualistisch, ideologisch, intellektuell, religiöse Erfahrung, Konsequenz religiöser Überzeugungen) entwickelt Gärtner für den BNE-Diskurs relevante „spezifisch religiöse bzw. theologische Eigenlogiken“ (Gärtner, 2020a, S. 83) (Gärtner, 2020a, S. 83–106). Indem sie ihre Erkenntnisse bündelt, erarbeitet sie einerseits sieben Merkmale für politische rBNE (krisenorientiert und kontrovers, eschatologisch, antizipatorisch-erinnernd, normativ-parteiisch, kritisch-reflexiv, emanzipatorisch sowie kontext- und erfahrungsorientiert) (Gärtner, 2020a, S. 108–130) andererseits sechs Spannungsfelder (Determinismus/Veränderungshoffnung, gesellschaftlich präformiertes/mündiges Subjekt, Selbstzweck/Funktionalisierung, Normativität/Pluralität, Gegenwart/antizipierte Zukunft sowie Wahrheitsanspruch/Ideologieverdacht), die die Komplexität von (politischer) rBNE verdeutlichen. Diese Spannungsfelder könnten zwar nicht zur Gänze aufgelöst werden, müssten aber für Lehr-Lern-Kontexte reflektiert werden (Gärtner, 2020a, S. 131–135). Abschließend konkretisiert Gärtner ihre Ergebnisse anhand thematischer Lerngegenstände für politische rBNE (Gärtner, 2020a, S. 137–165).

Gärtner nähert sich ihrem Verständnis einer politischen rBNE aus einer interdisziplinären Perspektive. Dadurch zeigt sie besonders stark die Komplexität des Themas Nachhaltigkeit in (religiösen) Bildungskontexten auf und plädiert deshalb für einer kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit der zum Teil sehr normativ geprägten Thematik.

Grundlegend für die gesamte Diskussion in der Religionspädagogik sind die beiden sich ergänzenden Ansätze einer rBNE von Bederna und Gärtner. Denn während Bederna aus der Perspektive der Subjekte das Thema Nachhaltigkeit für Transformationsbildung aufgreift, nimmt Gärtner eine interdisziplinäre Perspektive ein und bereitet es für politische Bildung auf.

3 Entfaltung eines religionspädagogischen Diskurses

Nachdem der BNE-Diskurs in der Religionspädagogik angekommen ist, sind ab dem Jahr 2020 mehrere Aufsätze erschienen, die sich mit der Thematik weiter auseinandersetzen. Im Folgenden werden deshalb diejenigen Beiträge vorgestellt, die neue Impulse einbringen.

2020 veröffentlicht das Österreichische Religionspädagogische Forum einen Band zum Thema Nachhaltiges Lernen mit dem Ziel, den langsam anlaufenden Diskurs in der Religionspädagogik zur BNE voranzubringen (Lehner-Hartmann, Dangl & Rothgangel, 2020, S. 5). Im Folgenden werden ausgewählte Beiträge vorgestellt.

Ähnlich wie Gärtner in ihrer Monographie weitet Bederna (2020) in ihrem Aufsatz Die Klimakrise im Lichte der Coronakrise oder: Kann Religionsunterricht zu zukunftsfähigem Handeln motivieren? das Themenfeld der BNE, indem sie nicht nur die Klimakrise in den Blick nimmt, sondern sich ebenfalls auch auf die Corona-Krise bezieht. Auf Basis einer Gegenüberstellung der beiden Krisen (Bederna, 2020, S. 34–39) erarbeitet sie Chancen von rBNE. Bederna postuliert, dass Selbstwirksamkeitserfahrungen, Komplexitätskompetenz, Imaginationsfähigkeit, Perspektivwechsel und Hoffnung im Religionsunterricht Schüler:innen motivieren könnten, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen und somit zukunftsfähig zu handeln (Bederna, 2020, S. 40–46).

Gärtner (2020b) setzt sich in ihrem Aufsatz Mit religiöser Bildung die Welt retten? Spannungsfelder einer politischen Bildung für nachhaltige Entwicklung kritisch mit den Herausforderungen der Religionspädagogik in Bezug auf BNE und globale Krisen auseinander. Dabei fokussiert sie das in ihrer Monographie entworfene Konzept einer politischen rBNE und erarbeitet anhand von ihr benannten theologischen Eigenlogiken das Potential einer kritischen rBNE, das die vermeintlich „neutrale“ und somit ideologieanfällige BNE offenlasse (Gärtner, 2020b, S. 53–54).

Andere Beiträge nehmen die religionspädagogische Praxis mehr in den Blick und zeigen auf, wie rBNE bereits umgesetzt wird oder wo es Möglichkeiten zur Weiterarbeit gibt:

Johann Hisch (2020) stellt in seinem Aufsatz Spiritualität und Bildung für Nachhaltige Entwicklung bei PILGRIM das internationale Forschungsprojekt PILGRIM vor. Als grundlegendes Konzept ergänzt es die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökonomie, Ökologie und Soziales mit einer vierten Dimension, der Spiritualität. (Hisch, 2020, S. 86–87) Hisch stellt zentrale Handlungsfelder des Projektes sowie pädagogische Grundlagen vor, die interreligiös, fächerübergreifend, ökumenisch und interkulturell angelegt sind. (Hisch, 2020, S.95–30)

In seinem Aufsatz Grüne Pädagogik und konstruktivistische Religionspädagogik. Ein Vergleich zweier konstruktivistischer pädagogischer Konzepte stellt Michael Holzwieser (2020)das didaktische Konzept der Grünen Pädagogik vor, indem er zentrale Inhalte von BNE aufgreift. Die Grüne Pädagogik ist ein Konzept der Agrar- und Umweltbildung der Hochschule Wien, das BNE für ihren Bildungskontext aufarbeitet. Holzwieser stellt die didaktischen Grundlagen der Grünen Pädagogik vor (Holzwieser, 2020, S. 104–110) und erarbeitet anhand einer anschließenden Gegenüberstellung mit der konstruktivistischen Religionspädagogik (Holzwieser, 2020, S. 113–114) Anknüpfungspunkte für den Religionsunterricht (Wertebildung, Wertereflexion, Wertekommunikation, Naturbegriff, Anthropozentrismus, Fridays for Future, Anthropozän) (Holzwieser, 2020, S. 114–116).

Lena Tacke (2020) erläutert in ihrem Beitrag „Nur noch kurz die Welt retten…“? Ermutigung und Befähigung zu einem nachhaltigen Lebensstil durch den Religionsunterricht. Eine Unterrichtsidee (katholisch-)christliche Anknüpfungspunkte sowie Herausforderungen für rBNE. Sie plädiert dabei für einen interdisziplinären Ansatz, um dem globalen Problem der Klimakrise gerecht zu werden (Tacke, 2020, S. 121–123). Ihre Ideen konkretisiert die Autorin anhand einer Unterrichtsidee für die Sekundarstufe I (Tacke, 2020, S. 123–128). Dabei erklärt sie das Potential des Religionsunterrichts, einen Beitrag zu BNE zu leisten, indem er die Komplexität der Thematik in den Blick nehme. Die Autorin betont jedoch auch, dass eine Gesamtschau der Perspektiven zur Thematik nur in einem interdisziplinären Diskurs erfasst werden könne (Tacke, 2020, S. 128–131).

Barbara Pusch (2020) betrachtet in ihrem Beitrag Bildung für nachhaltige Entwicklung in Orientierungs- und Wertekursen? Ein österreichisch-deutscher Kursbuchvergleich ein österreichisches Kursbuch sowie ausgewählte deutsche Kursbücher für Werte- und Orientierungskurse und überprüft, inwieweit diese Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen abbilden (Pusch, 2020, S. 132–148). Sie erkennt, dass BNE nur indirekt oder peripher thematisiert werde, und kritisiert die unkritisch normative Herangehensweise, die einer tatsächlichen politischen Bildung nicht gerecht werde (Pusch, 2020, S. 148).

An diesen Beispielen zeigt sich, dass bereits eine breite Debatte zu BNE existiert und entsprechend bestehende Konzepte aufgegriffen und ggf. für rBNE angewendet werden können. Insofern kann eine interdisziplinäre Perspektive für den religionspädagogischen Diskurs hilfreich sein, die sich auch deshalb als notwendig erweist, da BNE von religiöser Bildung nicht allein abgedeckt werden kann.

Um die ökumenisch-christliche Perspektive zu rBNE stärker in den Blick zu nehmen, soll der 2021 veröffentlichte Beitrag Judith Könemanns im Blog Nach(haltig)gedacht des Zentrums für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung der Universität Münster vorgestellt werden. Zwischen Bildung, Religion & Nachhaltigkeit: Welche Rolle religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung spielen kann wendet sich an ein breites Feld an Leser:innen. Sie führt an, dass Nachhaltigkeitsthemen – wie Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und Frieden – die christlichen Kirchen schon lange beschäftigen und dass religiöse Bildung für „die Fragmentarität und Fragilität menschlichen Lebens sensibilisiert“ (Könemann, 2021) und dadurch „einen Beitrag zur Befähigung individueller wie gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme leistet“ (Könemann, 2021). Könemann beschreibt das Potential der christlichen Botschaft, die Lernenden auf der volitionalen, motivationalen und emotionalen Ebene anzusprechen, um eine ganzheitliche und reflektierte Nachhaltigkeitsbildung zu fördern. rBNE habe somit die Möglichkeit, die Lernenden bei der Überwindung des Mind-Behavior-Gaps zu unterstützen (Könemann, 2021). Damit bringt die Autorin knapp und klar zum Ausdruck, warum BNE Teil religiöser Bildung sein müsse.

Einen themenorientierten Zugang wählt Gärtner in ihrem Beitrag „What do we want? Climate Justice!“. Klimagerechtigkeit als gesellschaftliche und (religions-)pädagogische Herausforderung im 2021 erschienenen Sammelband zu Zukunftsperspektiven religiöser Bildung. Um die Notwendigkeit von rBNE zu verdeutlichen, setzt sie sich exemplarisch mit dem Thema der Klimagerechtigkeit auseinander. Sie erörtert, dass Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit „dezidiert eine gesellschaftliche und politische und nicht primär pädagogische Aufgabe“ (Gärtner, 2021a, S. 135) seien. Deshalb verweist sie auf ihr entwickeltes Konzept einer politischen rBNE (Gärtner, 2020a, S. 26–46). Diese müsse einerseits kritisch und plural andererseits auch normativ geprägt sein können (Gärtner, 2021a, S. 136–138). Als Mehrwert einer rBNE sollen theologische Logiken in den Diskurs einer interdisziplinären Bildung eingebracht werden, damit weltanschauliche Deutungsangebote reflektiert werden können, ohne die Lernenden zu überwältigen. In ihrer Argumentation, wie eine normative rBNE funktionieren könne, bezieht sich Gärtner auf die Frankfurter Erklärung von 2015 (Krisenorientierung, Kontroversität, Machtkritik, Reflexivität, Ermutigung, Veränderung) (Gärtner, 2021a, S. 138–140). Daraus leitet sie Herausforderungen von politischer rBNE in einem konfessionell-positionellen Religionsunterricht ab, der beispielsweise zum Thema Klimagerechtigkeit normative Deutungsangebote machen könne. Sie erklärt, dass darin ein ideologiekritisches Potential liege, sofern die politische rBNE transparent, reflektiert und plural geschehe. Nur wenn dies der Fall sei, könne „religiöse BNE einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit leisten“ (Gärtner, 2021a, S. 143) (Gärtner, 2021a, S. 141–144).

Gärtner erklärt hier nochmals deutlich, dass rBNE als politische Bildung zu denken ist. Besonders in einem positionellen Religionsunterricht lässt sich somit kritisch mit der normativen Diskussion um das Thema Nachhaltigkeit und darum auch Klimagerechtigkeit umgehen.

Eine weitere Publikation, die sich dem Desiderat im Bereich rBNE annehmen möchte, ist mit der Sonderausgabe der Zeitschrift Religionspädagogische Beiträge zum Thema Herausforderungen für (religiöse) Bildung angesichts der ökologischen Krise und einer gänzlich offenen Zukunft der Welt 2021 erschienen. Die Herausgeber:innen nehmen es sich zum Ziel, einen weiten Blick auf die Themenfelder rund um rBNE zu werfen, um „den interdisziplinären Diskurs zu intensivieren“ (Gärtner, Knauth, Stockinger, 2021, S. 1). Denn, wie bereits beleuchtet, kann nachhaltige Bildung nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit ganzheitlich produktiv werden (u.a. Tacke, 2020, S. 121–123; Gärtner, 2021a, S. 141–144). Im Folgenden werden ausgewählte Artikel vorgestellt, die entweder unter Einbeziehung einer religionspädagogischen Perspektive BNE betrachten oder explizit einen religionsdidaktischen Zugang wählen und somit direkt zur religionspädagogischen Debatte beitragen.

Bederna stellt in ihrem Beitrag Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung, zwei didaktische Modelle zu rBNE vor, die rBNE einerseits in der Lebenswelt der Schüler:innen verorten, andererseits religiöse Praktiken und Perspektiven in den Blick nehmen. Für beide Modelle werden vier Dimensionen (gemeinschaftlich, leiblich-ästhetisch, spirituell-liturgisch-sakramental, anamnetisch-partizipativ) miteinbezogen. Als didaktischen Ansatz integriert Bederna das Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen. So sollen die Schüler:innen unter Einbezug hermeneutischer, ethischer und philosophischer Denkweisen befähigt werden, den Mind-Behavior-Gap zu überwinden. Im ersten Modell sollen die Lernenden entlang zentraler christlicher Logiken Erfahrungen und Erkenntnisse reflektieren, um sich mit dem Thema Nachhaltigkeit als Wert und als ethisches Prinzip auseinanderzusetzen (Bederna, 2021, S. 64–65). Wie Gärtner (2021a, S. 138–140) bezieht Bederna die Frankfurter Erklärung mit ein und erarbeitet acht Kriterien für eine reflektierte rBNE. Der Unterricht sollte kontrovers, kritisch, komplex, kontextorientiert und konstruktiv sein und sich an Praxis, Partizipation und Politik ausrichten (5k3p) (Bederna, 2021, S. 66). Für ihr zweites Modell greift Bederna auf die DNA-Matrix des Philosophierens nach Brosow zurück. Sie erläutert, dass das Theologisieren im Umgang mit der Krisenthematik „zu neuer Intuition, zu einer anderen Normalität und Selbstverständlichkeit führen“ (Bederna, 2021, S.69) könnte. Dadurch könnten Lernende zu einem nachhaltigen Lebensstil motiviert werden (Bederna, 2021, 67–69).

Gärtner nimmt sich in ihrem Beitrag Alles vergeblich!? Religionsdidaktische Konkretionen einer politisch religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung der Herausforderung des sogenannten Vergeblichkeitsfaktors an, der das Gefühl der Aussichtslosigkeit des individuellen Handelns im Umgang mit der gesamten Klimakrise und eine damit verbundene Demotivation zu nachhaltigem Verhalten beschreibt (Gärtner, 2021b, S. 73–74). Gärtner erklärt, dass eine Negierung dieser Herausforderung im Rahmen von BNE nur kurzfristige und keine nachhaltigen Erfolge haben könne. Dies werde dadurch bestärkt, dass ein nicht-nachhaltiger Lebensstil sowohl das Wirtschaftswachstum voranbringe und deshalb in kapitalistischen Gesellschaften gefördert werde, als auch den sich immer weiter verzweigenden Trend der Individualisierung anrege. Gärtner verknüpft diesen Effekt aus theologischer Perspektive mit dem Spannungsfeld von Determinismus und Normativität (Gärtner, 2021b, S. 74–78), das sie bereits in ihrer Monographie benennt (Gärtner, 2020a, S. 131–332). Die Autorin konkretisiert ihre Ideen anhand eines dreigeteilten Lernprozesses für Schüler:innen (Gärtner, 2021b, S.78–81).

Wie bereits häufig erläutert, soll rBNE bei der Lebenswelt der Schüler:innen ansetzen (u.a. Bederna, 2019, S. 210–220; Tacke, 2020, S. 122–123). Alexander Schimmel und Annika Krahn (2021) erörtern in ihrem Beitrag „Klima nervt!“ – Zum didaktischen Umgang mit Widerständen der Thematisierung des Klimawandels im Religionsunterricht, welche Gründe es gibt, warum manche Schüler:innen sich für den Klimawandel als Thema im Religionsunterricht nicht interessieren und welche Konsequenzen für rBNE gezogen werden müssen. Schimmel und Krahn erarbeiten unter Rückgriff auf verschiedene Studien drei Einstellungstypen, die unter Jugendlichen in der Schule zu finden sind. (1) Einige Jugendliche vertreten die Meinung, dass die Klimakrise kein (existierendes) Problem sei. (2) Die meisten Jugendlichen in Deutschland nehmen die Klimakrise wahr, jedoch sieht ein Großteil die Verantwortung entsprechend nachhaltig zu handeln nicht bei sich selbst. (3) Dazu kommt ein grundsätzlich schwindendes Interesse am konfessionellen Religionsunterricht, weshalb dieser nicht als passender Ort empfunden wird, die Klimakrise zu thematisieren (Schimmel & Krahn, 2021, S. 86–88). Ziel von (r)BNE oder des Religionsunterrichts sollte es deshalb aber nicht sein, Schüler:innen zu wünschenswerten Einstellungen zu überreden. Stattdessen sollen erwünschte Einstellungsmerkmale im Unterricht gefördert werden. So sollten Einstellungen (a) explizit, (b) sachgerecht und (c) selbstkritisch sein (Schimmel & Krahn, S. 88–89). Im Folgenden verknüpfen Schimmel und Krahn die drei Einstellungstypen mit den drei Merkmalen, indem sie didaktische Maßnahmen ableiten, anhand derer die Klimakrise anwendungsbezogen im Religionsunterricht thematisiert werden kann (Schimmel, Krahn, 2021, S. 89–94).

Sabine Pemsel-Maier (2021) verbindet in ihrem Beitrag Kein Katastrophenszenario: Zum Potential apokalyptischen Denkens in der ökologischen Krise Erkenntnisse der Eschatologie-Didaktik mit religiöser Nachhaltigkeitsbildung. Sie erklärt, dass sich in Bezug auf die Klimakrise die Apokalyptik als (religiöses) Phänomen sowohl in der medialen Welt als auch in der Jugendkultur wiederfinden lasse. Deshalb fordert sie eine entsprechende Didaktik, die die Jugendlichen unterstützt, das Themenfeld hermeneutisch, anthropologisch und kulturkritisch zu durchdringen (Pemsel-Maier, 2021, S. 98–102). Pemsel-Maier entwickelt dafür didaktische Perspektiven, wie die Apokalyptik für Nachhaltigkeitsbildung aufgegriffen werden kann: Zu Beginn sei eine Differenzierung des Themenfeldes notwendig.[1] Aus einer christlichen Perspektive sei in einem nächsten Schritt eine Verknüpfung mit der Reich-Gottes-Botschaft notwendig. Anschließend sollten ethische Handlungsoptionen (Quietismus vs. Aktivismus) abgewogen werden, um Apokalyptik als kritischen Widerstand wahrzunehmen und um ihn mit Transformation im Rahmen von BNE zu verknüpfen (Pemsel-Maier, 2021, S. 102–104).

In ihrem Beitrag „Generation Greta“ – Herausforderungen für Religionsunterricht und Schule im Kontext eines Whole Institution Approach (WIA) greift Simone Birkel (2021) die Bewegung Fridays for Future um Greta Thunberg auf, um im Sinne eines ganzheitlichen und reformpädagogischen Bildungsverständnisses BNE auch in den Religionsunterricht zu integrieren. Birkel betont, dass es notwendig sei, den Mehrwert von rBNE gerade im Blick auf den Whole Institution Approach zu überprüfen. Denn Nachhaltigkeit solle in den Schulalltag insgesamt integriert werden (Birkel, 2021, S. 119–122). Dafür brauche es unter anderem Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte, klare Kommunikation und Kooperation – sowohl schulintern als auch -extern. Dies bedürfe entsprechender Förderung durch die Schulleitung und gegenseitige Unterstützung der Lehrkräfte. Erst in interdisziplinärer Zusammenarbeit könne der Mehrwert einer konfessionell-religiösen Bildung neue transformative Perspektiven eröffnen (Birkel, 2012, S. 122–126).

Impulse der sozialwissenschaftlichen Bildung greifen Sören Torrau und Markus Gloe (2021) in ihrem Beitrag „Es sind nun mal leider keine Klimaaktivisten, die das Land führen.“ Ungewissheit als Schüler*innenkategorie zu globalen Problemen auf. Im Umgang mit dem Thema Ungewissheit habe sich die sozialwissenschaftlichen Fachdidaktik Folgendes zum Ziel gesetzt: Durch einen problemorientierten Ansatz sollten Lernende „[…] Ungewissheit als kontinuierliches sozialwissenschaftliches Phänomen kennenlernen, indem sie Aushandlungs- und Produktionslogiken der Herstellung von Gewissheit systematisch nachvollziehen.“ (Torrau, Gloe, 2021, S. 130) (Torrau, Gloe, 2021, S. 130–131) Anhand einer Fallstudie im Fach Politik-Gesellschaft-Wirtschaft werden Lernpotentiale für rBNE abgeleitet. Torrau und Gloe erläutern, dass im Religionsunterricht wie auch im Sozialwissenschaftlichen Unterricht Herausforderungen im Umgang mit dem Klimawandel in einer „Wechselbewegung von Weltbeobachtung und Metareflexion“ (Torrau, Gloe, 2021, S.136) behandelt und problematisiert werden könnten, wodurch im nächsten Schritt transformatives Handeln und Gestaltungskompetenz gefördert werden könne (Torrau, Gloe, 2021, S. 136–139).

Bernd Ziegler beschreibt in seinem Artikel Globale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Religionsunterricht,dass die meisten Jugendlichen Probleme der globalisierten Welt – wie die Klimakrise – als akute Herausforderung einschätzen, sie jedoch je nach Bildungsstand sehr unterschiedliche Voraussetzungen im Umgang damit haben (Ziegler, 2021, S. 155–156). Aus der allgemeinpädagogischen Debatte um das Globale Lernen leitet Ziegler drei Anknüpfungspunkte für die Religionspädagogik ab: Der Religionsunterricht könne die Lernenden unterstützen, das normative Feld der Nachhaltigkeitsdebatte zu reflektieren und sie dabei befähigen, eigenständig Entscheidungen bezüglich eines nachhaltigen Lebensstils zu treffen (Ziegler, 2021, S. 158–159). Außerdem könnten die Schüler:innen Ideologiekritik einüben, was im Kontext der zum Teil sehr westlichen Perspektive auf die globale Problematik einen integrativen Blick schulen könne (Ziegler, 2021, S. 159–160). Zuletzt könnten auch im Religionsunterricht politische Kompetenzen gefördert werden, um die Komplexität der Klimakrise gemeinsam konstruktiv aufgreifen zu können (Ziegler, 2021, S. 160–161).

In den Beiträgen zeigt sich, dass zum einen interdisziplinäre Herangehensweisen – wie die Einbeziehung der Philosophiedidaktik oder Sozialwissenschaften – gewinnbringend für den religionspädagogischen Diskurs sein können. Zum anderen ist eine intradisziplinäre Herangehensweise förderlich, da dadurch bereits erprobte Konzepte für rBNE angewandt werden können.

Eine solche Herangehensweise wählt auch der Beitrag von Jasmin Kriesten und Elisabeth Naurath im 2022 erschienenen Sammelband Religion subjektorientiert erschließen. Unter dem Titel »Die Sprache ist das bildende Organ des Gedankens« (Wilhelm von Humboldt): Subjektorientierte Förderung religiöser Sprachfähigkeit am Beispiel unterrichtlicher Konkretion zur Bildung für nachhaltige Entwicklung erläutern die Autorinnen, dass die Fähigkeit etwas zu versprachlichen, grundsätzlich notwendig sei, um es auch wahrnehmen oder sich damit auseinandersetzen zu können. Deshalb sei eine religiöse Sprachfähigkeit zentral für eine subjektorientierte religiöse Bildung (Kriesten & Naurath, 2022, S. 135–136). Dabei sei die Beschäftigung mit religiöser Sprachkompetenz besonders anspruchsvoll, da religiöse Sprache versuche „das Unbeschreibliche im Sinne dessen, was [Menschen] heilig ist, zu beschreiben.“ (Kriesten & Naurath, 2022, S. 137–138) Eine ähnliche Herausforderung diagnostizieren die Autorinnen im Umgang mit der Klimakrise, da diese ebenfalls sehr vielschichtig und komplex sei. Deshalb fordern sie eine besonders starke Subjektorientierung und -förderung und appellieren – ähnlich wie Bederna in ihrem rBNE-Modell (Bederna, 2021, S. 69) – didaktisch beim Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen anzusetzen, um Sprach- und im nächsten Schritt auch eine Handlungskompetenz zu fördern (Kriesten & Naurath, 2022, S. 143–144).

Es zeigt sich, dass sich der Diskurs vereinzelt vertieft, indem besondere inhaltliche sowie praktische Herausforderungen genauer in den Blick genommen werden. Außerdem werden Impulse anderer BNE-Debatten und -Didaktiken aufgegriffen. Unumstritten ist, dass religiöse Bildung einen Mehrwert für BNE leisten kann, wobei nicht nur hier eine interdisziplinäre und kritische Perspektive unabdingbar scheint. Als zentrale Herausforderung wird immer wieder – explizit oder implizit – die Umwandlung von theoretischem Wissen zu einem nachhaltigen Lebensstil in der Praxis beschrieben. Der konkrete Umgang mit Desinteresse, Überforderung oder Überwältigung wurde bis jetzt nur teilweise thematisiert. Auffallend ist, dass sich der religionspädagogische Diskurs primär auf den Bildungsort Schule bezieht.

4 Aktueller Stand der Debatte

Zweifelsohne sind als Grundlagen der theoretischen Debatte um rBNE die beiden Ansätze von Bederna und Gärtner zu sehen. 2022 verbanden die beiden Autorinnen ihre Konzepte in ihrem Artikel Dramatisch! Irrelevant? Gott suchen, erfahrungsbezogen theologisieren und solidarisch unterbrechen. Fünf Thesen zu religiöser Bildung für nachhaltige Entwicklung. In der Ausgabe des Loccumer Pelikans zum Thema Nachhaltig leben lernen formulieren Bederna und Gärtner gemeinsam fünf Thesen zu rBNE, die ihre bisherigen Konzepte verbinden. These eins besagt: „Die ökologische Situation ist dramatisch. Sie verlangt nicht nur technische Neuerungen, sondern eine kulturelle und spirituelle Neuorientierung im Verhältnis zu Natur und Zukunft. Deshalb ist sie auch eine Frage religiöser Bildung.“ (Bederna & Gärtner, 2022, S. 18) Um Transformationsbildung fruchtbar zu machen, bedürfe es einer kritischen Auseinandersetzung mit den gelebten Werten einer Kultur. Deshalb solle Nachhaltigkeit auch im Religionsunterricht thematisiert werden. Dabei stelle sich die Herausforderung der sinkenden Relevanz des Religionsunterrichts. Darum lautet die zweite These: „In der zeitgenössischen fragmentierten und disruptiven religiösen Situation besitzen religiöse Weltdeutungen für Jugendliche wenig Relevanz.“ (Bederna & Gärtner, 2022, S. 19) Religiöse Deutungsangebote könnten jedoch Orientierung bieten im Umgang mit zentralen (Nachhaltigkeits-)Fragen, die auch die Lernenden beschäftigen: „Die ökologischen Fragen der Kinder und Jugendlichen nach Sinn, Hoffnung und Verantwortung in der Krise sind letztlich religiöse Fragen. Von ihnen kann eine unterrichtliche religiöse Suchbewegung ausgehen, die neues Licht auf Glaubensinhalte wie Gottesebenbildlichkeit, Reich Gottes, Erlösung und Vollendung wirf.“ (Bederna & Gärtner, S. 20) Die vierte These fokussiert auf die zentralen Punkte von Bedernas didaktischem Modell (Bederna, 2021, S. 64): „Kontextuelles Theologisieren zu ökologisch-religiösen Fragen der Schüler*innen wird in rBNE ergänzt durch anamnetisch-antizipative, ästhetisch-leibliche, gemeinschaftsbezogene und liturgisch-sakramentale Lernformen.“ (Bederna & Gärtner, 2022, S. 21) Das gesamte Ziel von rBNE fassen die Autorinnen in ihrer letzten These zusammen: „rBNE hat zwei, einander ergänzende Zielrichtungen: erstens konsensorientierte und gemeinschaftsförderliche, zweitens ideologiekritische und emanzipatorische Ziele.“ (Bederna & Gärtner, 2022, S. 23)

In leicht abgewandelter Form behandeln die Autorinnen die Thematik in ihrem Beitrag Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung im 2023 erschienenen Sammelband Religionsunterricht weiterdenken. Innovative Ansätze für eine zukunftsfähige Religionsdidaktik. Als separate These formulieren sie hier „Religiöse BNE ist kontrovers, kritisch, komplex, kontextorientiert und konstruktiv sowie praktisch, partizipativ und politisch (5k3p).“ (Bederna & Gärtner, 2023, S. 200) Dabei beziehen sie sich auf die didaktischen Prinzipien, die Bederna bereits in ihrem didaktischen Modell zu rBNE formulierte (Bederna, 2021, S. 66) und greifen sowohl den Beutelsbacher Konsens als auch die Frankfurter Erklärung mit auf (Bederna & Gärtner, 2023, S. 206–208). Dadurch betonen sie die politische Dimension von rBNE, wie sie Gärtner diagnostiziert hat, und fordern einen reflektierten Umgang mit normativ geprägten Nachhaltigkeitsthemen (Gärtner, 2020a, S. 108–130).

2023 folgten zwei Beiträge der Autorinnen im Sammelband Wie Religion für Krisen taugt. Zum Beitrag religiöser Bildung in Krisenzeiten.

In ihrem Aufsatz Krieg, Klima und andere Krisen – religiöse Bildung in einer (aus-)sterbenden Welt fordert Gärtner vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges abermals eine kritische und reflektierte „religiöse[n] Bildung in einer (aus-)sterbenden Welt“ (Gärtner, 2023, S. 101), die sich der normativen Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft annehme und Individuen befähige, ihr Handeln nachhaltig zu gestalten (Gärtner, 2023, S. 102–103). Um die Frage zu beantworten, was Menschen brauchen, um mit der Klimakrise umzugehen, setzt sich die Autorin kritisch mit dem verbreiteten Resilienzbegriff auseinander, mit dem die Fähigkeit bezeichnet wird, entsprechende Befähigungsmechanismen zu entwickeln. Es sei jedoch notwendig, dass Individuen und Gesellschaften in der Lage seien, Krisen zu vermeiden oder ihnen entgegenzusteuern. Dies unterstreicht sie aus theologischer Perspektive mit der Botschaft Jesu (Gärtner, 2023, S. 103–104). Deshalb bedürfe es aus bei rBNE der Förderung von Empowerment, damit Individuen und Gesellschaften ihr Handeln nach einem bestimmten Ziel ausrichten (Gärtner, 2023, S. 105–106). Im Folgenden nennt Gärtner Vergemeinschaftung, Alterität und Utopiefähigkeit als christliche Anknüpfungspunkte für Empowerment (Gärtner, 2023, S. 106–110). Sie weist jedoch auch auf die Gefahr hin, dass christliche Argumentationsstrukturen in der aktuellen Gesellschaft ideologisch missbraucht werden könnten und somit ein reflektierter Umgang mit Deutungsangeboten notwendig sei (Gärtner, 2023, S. 110–111). Um einen solchen Umgang zu begünstigen, verweist Gärtner auf die 5k3p-Prinzipien (Gärtner, 2023, S. 111–112).

Bederna setzt sich in ihrem Aufsatz Denn sie tun nicht, was sie wissen – religiöse Bildung und die Motivation zur Transformation in der Klimakrise der Herausforderung des Mind-Behavior-Gaps auseinander. Sie bündelt dafür Ergebnisse zweier Workshops, die sich mit der Frage beschäftigten, inwieweit rBNE die Motivation der Lernenden anzielen möchte (Bederna, 2023, S. 180–181). Dabei differenziert sie, dass die Motivation nicht als Ziel von rBNE an erster Stelle zu nennen sei, jedoch an zweiter Stelle mitbedacht werden müsse, wenn rBNE „die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Solidarität“ (Bederna, 2023, S. 182) behandle (Bederna, 2023, S. 181–183). Ziel von rBNE sei es außerdem, „dass Schüler:innen sich im Raum der Gründe [für oder gegen nachhaltiges Handeln] auskennen“. (Bederna, 2023, S. 186) Diese seien in Bezug auf die Klimakrise jedoch sehr komplex und vielschichtig, da sich die Voraussetzungen und Notwendigkeiten stetig verändern (Bederna, 2023, S. 186–187). Dieser Aufgabe müsse sich der Religionsunterricht jedoch auch deshalb annehmen, da im Rahmen der Klimakrise bei den Schüler:innen anthropologische Grundfragen aufkommen, bei denen christliche Deutungsangebote Orientierung bieten könnten. Dadurch könne die Motivation der Lernenden zumindest indirekt unterstützt werden (Bederna, 2023, S. 189–191).

Der letzte Aufsatz, der hier inkludiert wird, ist von Alexander Schimmel und Veit Straßner und erschien 2024 im Sammelband Wie kommt der Religionsunterricht zu seinen Inhalten? Erkundungen zwischen Fridays for Future, Abraham und Sühneopfertheologie. Die Autoren fokussieren sich in ihrem Beitrag Mehr Nachhaltigkeitsbildung im Religionsunterricht: klassische Themen neu kontextualisieren auf konkrete Inhalte für rBNE. Auch sie sehen den Mehrwert, den der Religionsunterricht zu BNE beitragen kann, darin, dass die Komplexität und Normativität der Thematik kulturkritisch, ideologiekritisch und ethisch reflektiert werden können (Schimmel & Straßner, 2024, S. 248–249). Konkret können anthropologische Grundfragen angesprochen und aus christlicher Perspektive beleuchtet werden. Außerdem könne durch die besondere Subjektorientierung des Religionsunterrichts das Vergeblichkeitsgefühl, wie es bereits von Gärtner beschrieben (Gärtner, 2021b, S. 73–74), aufgegriffen werden (Schimmel & Straßner, S. 249–250). Ihre Ideen konkretisieren die Autoren anhand einer Analyse der Lehrplanthemen des Religionsunterrichts in Rheinland-Pfalz. Dabei erarbeiten sie fünf Kategorien, an denen sich bereits Anknüpfungspunkte für BNE finden lassen. Dazu gehören ethische Themenzusammenhänge sowie globale, theologische, anthropologische und historische Themen (Schimmel & Straßner, S. 250–253).

5 Fazit

Die These, dass religiöse Bildung zum Thema Nachhaltigkeit einen besonderen Beitrag leisten kann beziehungsweise leisten muss, durchzieht die religionspädagogischen Beiträge. Die Debatte zu rBNE ist zudem gegenwärtig vor allem katholisch ausgerichtet. Das mag in ihrem Anstoß durch die Enzyklika Laudato si’ begründet sein. Grundlegend bis heute sind die Konzepte zu rBNE von Bederna und Gärtner. Beide Autorinnen gestalten die Debatte aktiv mit. Insofern lässt sich als momentaner Höhepunkt die Verknüpfung von Bedernas und Gärtners Theorien in ihren Thesen 2022/2023 markieren. Denn dadurch fokussieren sie den Mehrwert einer religiösen Bildung für BNE und betonen auch die Herausforderungen, denen sich der Religionsunterricht heutzutage stellen muss. Zwischenzeitlich wurden verschiedene inter- und intradisziplinäre Impulse aufgegriffen. Auch erste praktische Konzepte wurden entwickelt und vorgestellt. Die Diskussion scheint jedoch etwas ins Stocken geraten zu sein. So bleibt die Frage nach dem Mind-Behavior-Gap und wie Lernende im Rahmen von (r)BNE motiviert werden können, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu nachhaltigem Leben in die Tat umzusetzen, größtenteils offen. Außerdem wurde noch nicht beziehungsweise nur peripher behandelt, wie rBNE in außerschulischen Lernorten eingebracht werden kann.

Abschließend wird deutlich, dass das Feld der rBNE ein herausforderndes jedoch wichtiges ist. Es gilt deshalb diese Herausforderungen aufzugreifen. Hier bedarf es also noch weiterer konstruktiver Arbeit, um sich dem Desiderat weiterhin anzunehmen.

Literaturverzeichnis

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Magdalena Breit hat nach ihrem Bachelor-Abschluss in Germanistik und Informatik Lehramt für Gymnasien mit der Fächerverbindung Deutsch/Evangelische Religionslehre studiert. Seit 2021 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Praktische Theologie II: Evangelische Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der LMU München. Sie promoviert zum Thema Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung mit biblischen Perspektiven.

 

  1. Eine Differenzierung des Apokalyptik-Themenfeldes ist sicherlich didaktisch notwendig. Die Autorin wählt jedoch einen kritisch zu sehenden differenzialhermeneutischen Zugang, der die christliche Apokalyptik von der jüdischen abhebt.