1 Einleitung

Queere Theologie im Religionsunterricht? Auf die Frage, was sie dort zu suchen habe, lässt sich die Gegenfrage formulieren, warum sie dort bisher noch nicht vorkommt. Während andere Befreiungstheologien erfreulicherweise bereits in Unterrichtsmaterialien repräsentiert sind (z.B. Kammeyer & Neumann, 2023), wird in der Sichtung von Materialien für die Thematisierung von Liebe und Sexualität deutlich, dass diese von einer heteronormativen Perspektive geprägt sind. Queere Perspektiven, die auch im theologischen Denken Ausdruck finden können, sind bisher nur ansatzweise für religionspädagogische Kontexte in den Blick genommen worden. Daher widmet sich dieser Beitrag[1] der Frage, welchen Mehrwert queere Theologien für die Religionsdidaktik haben können und was bei einer Implementierung queer-theologischer Perspektiven in eine inklusive Religionspädagogik zu beachten ist.

Nach einem Einblick in die Lebenswelten queerer Schüler*innen wird zunächst herausgestellt, inwiefern Heteronormativität christlichen Religionsunterricht prägt. In drei Thesen wird anschließend das religionsdidaktische Potenzial queerer Theologien erläutert. Am Beispiel des Ansatzes einer Inklusiven Religionspädagogik der Vielfalt (InReV) wird skizziert, welche Chancen und Grenzen in der Verbindung von queerer Theologie und inklusiver Religionspädagogik bestehen.

2 Heteronormativität als Kontext religiöser Bildung

Der Einstieg in die Thematik erfolgt über die Erfahrungen von jungen Menschen, die nicht der cis-geschlechtlichen und heterosexuellen Norm entsprechen. Auch wenn queere Theologien in der Religionspädagogik für alle Schüler*innen bereichernd sein können, sind hier zunächst queere[2] Kinder und Jugendliche im Fokus, da sie Schule und Unterricht häufig als Orte der Diskriminierung erleben und als Orte, an denen sie nicht gesehen oder verstanden werden.

Die letzten, teils älteren Studien zu Erfahrungen, die queere Jugendliche in der Schule machen (z.B. FRA, 2013; Kleiner, 2015; Klocke, 2012; Krell & Oldemeier, 2018), verdeutlichen, dass Schule für junge queere Menschen häufig mit Diskriminierung, Fremdbestimmung, Angst und Unsicherheit verbunden wird. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation queerer Schüler*innen in den letzten Jahren verändert hat – in manchen Teilen zum Positiven und in manchen zum Negativen hin. So gibt es auf der einen Seite ein zunehmendes Verständnis für die Vielfalt von Identitäten und Lebensformen im Schulkontext und eine sichtbare Selbstverständlichkeit dieser (Veela, 2023), auf der anderen Seite nehmen queerfeindliche Übergriffe zu (LSVD, o.D.).

2.1 Minority Stress bei queeren Schüler*innen

Was sowohl in den Studien als auch in neueren Berichten deutlich wird: Wer als queerer Mensch in einer heteronormativ geprägten Gesellschaft aufwächst, muss sich andere Gedanken machen als cisgeschlechtliche und heterosexuelle Personen. Mit dem Begriff „Minority Stress“ (Brooks, 1981) lässt sich dieses Phänomen greifen.[3] Unter dem Sammelbegriff Minderheitenstress werden unterschiedlichste Erfahrungen gebündelt, neben Diskriminierungen und Gewalt zählen dazu auch die Erwartung von Ablehnung und Gefühle der Exklusion (de Wit, Adam & den Daas, 2022, S. 161). Beim Minority Stress handelt es sich um eine zusätzliche Belastung „in addition to general stressors everyone can experience“ (ebd., S. 160–161) mit Konsequenzen, die andere Schüler*innen nicht haben: „Um Situationen des Kontrollverlusts oder Anfeindungen zu entgehen und sich keiner weiteren Belastung neben dem erwarteten Leistungspensum auszusetzen, wird ein Coming-out während der Schulzeit häufig vermieden.“ (Krell & Oldemeier, 2018, S. 107) In einer Gegenüberstellung von Wünschen und Ängsten von Jugendlichen in den USA aus dem Jahr 2012 wird besonders deutlich, wie sich die Zusatzbelastung durch Minority Stress auswirken kann (HRC, 2012, S. 2).[4] Für Krell und Oldemeier (2018, S. 31) zeigt sich im Vergleich, dass die typischen Sorgen junger Menschen, wie z.B. Erfolg in der Schule, bei queeren Schüler*innen denen untergeordnet sind, in denen es um die Akzeptanz der eigenen Identität geht. So stehen Probleme mit Mobbing und fehlender Akzeptanz in der eigenen Familie den Sorgen um Prüfungen, Ausbildung und Studium bei nicht queeren Schüler*innen gegenüber.

Der Lebens- und Lernort Schule ist an dem Empfinden von Minority Stress grundsätzlich beteiligt. Zwar kann Schule auch als queerfreundlicher Ort gestaltet werden, häufig wird er aber als sehr heteronormativer Ort wahrgenommen. So kommt die Geschlechterforscherin Bettina Kleiner in ihrer Studie zu Normalitäts- und Differenzerfahrungen von queeren Jugendlichen in der Schule zu folgendem Ergebnis:

„Die Schulen werden darin übergreifend als heteronormative Organisationen ausgewiesen, in denen geschlechtliche und sexuelle Diversität sowie Geschlechternormen keine regelhaften Unterrichtsthemen sind, Lehrer_innen nicht offen mit ihrer Homosexualität (Trans* und Intergeschlechtlichkeit wurde von meinen Interviewpartner_innen gar nicht angesprochen) umgehen (können) und in Reaktion auf trans*- und homophobe Sprüche und Gewalt keine nachhaltigen Handlungsaufträge entwickelt wurden.“ (Kleiner, 2015, S. 271)

Für den Religionsunterricht – wie auch für andere Kontexte religiöser Bildung – muss demnach gefragt werden: Inwiefern ist auch er heteronormativ und trägt damit zu Minderheitenstress bei queeren Schüler*innen bei?

2.2 Heteronormativität im Religionsunterricht

Um herauszustellen, wie heteronormativ geprägt der Religionsunterricht ist, erfolgt zunächst eine knappe Definition von Heteronormativität, anhand derer anschließend exemplarisch die Wirkmächtigkeit dieser aufgezeigt wird.

Der Begriff Heteronormativität bezieht sich auf einen zentralen Aspekt der Queer Theory, geprägt von Michael Warner (1991) und Judith Butler (2021). Heteronormativität beschreibt den normativen Rahmen, der Gesellschaft auf Basis der Annahme gestaltet, dass Geschlecht sich in zwei Kategorien – männlich und weiblich – erschöpft und dass Heterosexualität der Normalfall ist. Für die meisten Menschen dürfte diese Annahme im Alltag recht unproblematisch sein, da sie sich als weiblich oder männlich identifizieren und heterosexuell begehren – und das so selbstverständlich, dass es keinen Anlass gibt, das infrage zu stellen. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit macht Heteronormativität so wirkmächtig, dass Butler sogar von einer „Zwangsheterosexualität“ (Butler, 2021, S. 8) spricht, die sich daraus ergibt. Für etwa zehn Prozent der Bevölkerung passt die Norm der Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität aber nicht, weil diese Menschen z.B. homosexuell begehren oder sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

Die Selbstverständlichkeit der Heterosexualität findet auch in Materialien für den Religionsunterricht ihren Ausdruck, wenn eine Unterrichtsreihe z.B. mit „Liebe, Partnerschaft und (Homo-) Sexualität“ (Rauschke & Salewski, 2018) betitelt wird. Die Verbesonderung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen wird im Titel ausschließlich im begrifflichen Zusammenhang mit Sexualität abgebildet, auch wenn es in der im Material vorgestellten Konkretisierung stärker um die Aspekte Liebe und Partnerschaft geht. So wird vor allem die Sexualität zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts als Abweichung von der Heteronorm markiert.[5]

Auch wenn Heteronormativität kein bestimmtes Thema braucht, so zeigt sich doch, dass gerade in der Thematisierung von Liebe, Partnerschaft und Sexualität im Religionsunterricht sehr deutlich werden kann, wie selbstverständlich von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität ausgegangen wird. Frank M. Lütze hat die Thematisierung von Liebe und Sexualität im Kursbuch Religion der letzten vier Jahrzehnte analysiert und kommt zu dem Ergebnis, dass Homosexualität „sukzessive, zunächst mit Fokus auf kirchliche Segnungshandlungen in den Blick [kommt]; in der aktuellen Ausgabe wird sexuelle Orientierung erstmals auch als Identitätsfrage thematisiert.“ (Lütze, 2020, S. 202) Allerdings merkt Lütze kritisch an, dass weiterhin mit binären Kontrastierungen von Geschlecht und der Darstellung von Geschlechterstereotypen gearbeitet werde, bei denen auch trotz eines zunehmend kritisch-reflektierten Zugangs die Gefahr der Verfestigung der damit verbundenen Bilder bestehe (ebd.).

Geschlechtliche Vielfalt wird bisher in Materialien und Büchern für den Religionsunterricht kaum bis gar nicht und sexuelle Vielfalt stark reduziert auf Homosexualität und eher als Sonderthema behandelt, so kritisiert auch Lütze:

„Homosexualität wird bis zur Gegenwart in unseren Lehrplänen als gesonderter Spiegelstrich und in den Religionsbüchern zumeist auf ein bis zwei Extraseiten verhandelt. Das macht daraus gewissermaßen ein Extraphänomen: Es gibt die normale Welt der Liebe, und dann gibt es noch eine Sonderwelt, die heißt Homosexualität und vielleicht gibt’s in zehn Jahren noch ein Atoll namens Transidentität: Sonderinseln im Meer des Normalen. Das mag statistisch stimmen, trägt aber weder für die Betroffenen noch für die Gesellschaft zur Normalisierung bei.“ (ebd., S. 209)

Bestimmte, bisher gängige Formen der Thematisierung sexueller Vielfalt stärken, auch wenn das nicht beabsichtigt sein mag, Heteronormativität bzw. orientieren sich daran. So werden auch in Unterrichtmaterialien schöpfungstheologisch Argumente für und gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen gesammelt. Gen 1,27 wird häufig zusammen mit Gen 1,31 genutzt, um anhand der Gottebenbildlichkeit die gleiche Würde aller Menschen hervorzuheben, mit der u.a. Homosexuelle als wertvolle Geschöpfe Gottes anerkannt werden. Ähnlich verhält es sich auch mit Mk 12,29–31 und Gal 3,28, mit denen Unterschiede zwischen Menschen aufgehoben werden. Was zunächst gut klingt, bespielt aber im Wesentlichen Heteronormativität, da apologetisch argumentiert wird: Homosexuelle sind wertvolle Menschen – trotzdem! Oder noch schärfer formuliert: Sie sind es dann, wenn ihre sexuelle Orientierung situativ irrelevant wird. Eine heteronormativ geprägte Theologie hinterlässt ihre Spuren eben auch in der Religionspädagogik (Uppenkamp, 2020, S. 236–240).

3 Religionsdidaktische Thesen zu queerer Theologie

Diese Spuren der Heteronormativität aufzudecken und danach zu fragen, was queere Theologie im Religionsunterricht leisten kann, lohnt sich. Anhand von drei Thesen wird im Folgenden das Potenzial queerer Theologie für religiöse Bildung entfaltet.

3.1 Religiöse Bildung ist queer veranlagt

Die erste These lautet: Religiöse Bildung ist queer veranlagt. Damit ist gemeint, dass Religionsdidaktik von vornherein queer gedacht werden kann. Um der These ein wenig Kontur zu verleihen, erfolgt an dieser Stelle zunächst eine Begriffsbestimmung von queer, die dem Wesen des Begriffs entsprechend diesen nicht gänzlich festlegt, sondern vielmehr die vielfältigen Bedeutungen aufzeigen möchte.

Queer ist zum einen ein Sammelbegriff für Personen, Gruppen, Identitäten und auch politische Bündnisse, die außerhalb der Cis-Hetero-Norm agieren (Degele, 2008, S. 42–43). Diese Bedeutungsebene kommt in den folgenden Überlegungen vor allem im Blick auf die Lehrenden und Lernenden zur Geltung. Im Gegensatz dazu meint queer aber auch, Identitätskategorien wie zum Beispiel lesbisch oder schwul zu hinterfragen (ebd., S. 43). Dann ist queer eben nicht LGBTIQ+[6], sondern ein Ausdruck „gegen Festlegungen und für Mehrdeutigkeit“ (ebd.), der nach Nina Degele immer auch „mit einer wissenschaftlichen und […] politischen Positionierung verbunden“ (ebd.) ist. Diese Begriffsebene erweist sich als religionspädagogisch relevant, da Theologie zum einen selbst von Mehrdeutigkeit lebt und zum anderen auch in ihrer politischen Gestalt zur Geltung kommen kann, in der „Auseinandersetzung mit Denkformen und Institutionen, die vereinfachen, binarisieren, hierarchisieren und ausgrenzen.“ (ebd.). Queer bedeutet auch, Heteronormativität zu kritisieren, so wie es einleitend am Beispiel des Kontexts Religionsunterricht erfolgt ist. Queer hat außerdem eine Bedeutung als Verb, mit dem vor allem dekonstruierende Tätigkeiten gemeint sind. To queer something bedeutet demnach, zugrundeliegende Normalitätsvorstellungen zu hinterfragen, oder einfacher formuliert: Ordnung zu stören (Stracke‑Bartholmai, 2018, S. 76).

Für das Aufzeigen von Potenzialen und das Abstecken von Grenzen erscheint es sinnvoll, diese Auflistung bei all ihrer Ambiguität nicht als Entweder-Oder-Liste zu verstehen, sondern das spannungsvolle Zusammenwirken zu betrachten. Dafür eignet sich die Definition von Robert E. Goss, der die Mehrdeutigkeit nicht auflöst und „‚queer‘ theologically, not only as an identity category but also as a tool of theological deconstruction, for ‚queer‘ as a verb means ‚to spoil or to interfere‘“ (Goss, 2002, S. 228–229). Es geht darum, Seh- und Denkgewohnheiten zu stören, zu unterbrechen, dem Gewöhnlichen den Spaß zu nehmen, auf eine produktive Art normative Kategorien durcheinander zu bringen: „For theology, queering becomes a productive style of theological practice and discourse that can disorganize our normative categories.“ (ebd., S. 233) Was das für Praktische Theologie bedeuten kann, hat Matthias Stracke-Bartholmai (2018) am Beispiel des Gottesdienstes im analytischen und normativen Rahmen von Inklusion herausgestellt. Er betont: „Grundsätzlich ist ‚queer‘ für jede*n von Bedeutung: Entscheidend ist der Wunsch, Normativität (bspw. heterosexuelle Normativität) unterbrechen zu wollen, bzw. es zu tun, sowie offen zu sein für die Unterbrechung und Kritik der eigenen Identität.“ (Stracke‑Bartholmai, 2018, S. 65)

Dieses inklusive Verständnis von queer gilt es religionsdidaktisch im Rahmen einer ideologiekritischen Religionspädagogik weiterzudenken (Heger, 2018). Was bedeutet es, dieses Grundverständnis als Zugang zu Theologie und religiöser Bildung zu nutzen? Es öffnet durch Irritation gedankliche Räume, die vorher vielleicht einigen verschlossen waren. Mit dem Anfragen von Normativitäten wird mindestens eine neue Perspektive eingebracht. Dabei gibt es keine Begrenzung auf Geschlecht oder sexuelle Orientierung. Religionspädagogik wird durch Bezugsdisziplinen, vor allem Pädagogik und Theologie, vielseitig geprägt von den Queer Studies (Davis, 2021, S. 411). Barbara E. Davis geht sogar so weit, von einer „Queer Identity of Religious Education“ (ebd., S. 407) zu sprechen und sieht das Potenzial für eine queere Identität in der grundsätzlich grenzüberschreitenden und transformativen Anlage der Bezugsdisziplinen und somit auch der Religionspädagogik selbst (ebd., S. 415). Themen und Inhalte lassen sich queeren bzw. als queer beschreiben, als ein naheliegendes Beispiel ist an dieser Stelle das Handeln Jesu zu nennen. Jesus breche permanent mit gesellschaftlichen Normen, stelle diese in Frage und schaffe dadurch ein „queer utopia“ (Shore-Goss, 2022, S. 533). Hier deutet sich das theologische und pädagogische Potenzial an, das mit queeren Theologien im Religionsunterricht entfaltet werden kann.

3.2 Queere Theologie hilft beim Abbau von Heteronormativität im Religionsunterricht

Das führt zur zweiten These: Queere Theologie hilft beim Abbau von Heteronormativität im Religionsunterricht. Auch hier erfolgt zunächst eine knappe Begriffsklärung, um aufzuzeigen, was im Folgenden unter queerer Theologie verstanden wird. Hierbei verhält es sich ähnlich wie beim Begriff queer selbst, eine eindeutige Definition wäre eine vereindeutigende Definition, die die Breite des Begriffs zu stark reduzieren würde. Daher soll grob umrissen werden, was im Hinblick auf religionspädagogische Kontexte am wichtigsten erscheint: Erstens sind queere Theologien kontextuelle Theologien im Kontext Heteronormativität, wobei der Plural wichtig ist, da es nicht die eine queere Theologie gibt, sondern viele verschiedene Ansätze und Vertreter*innen. Zweitens, und da lässt sich am besten aus dem Vorwort der Indecent Theology von Marcella Althaus-Reid zitieren: „All theology is sexual theology.“ (Althaus-Reid, 2000, o. S.) Die Bedeutung dieser Aussage für Stellenwert und Nutzen queerer Theologie erschließt sich in der Reflexion der Unterschiede im Grad der Bewusstmachung dieser Ausgangslage. Denn wenn davon ausgegangen wird, „that every theology implies a conscious or unconcious sexual or political praxis“ (ebd.), dann fällt das zum einen am stärksten dort auf, wo anerkannte und gesellschaftlich etablierte Praxis verlassen wird. Zum anderen wird damit der normative Rahmen erkennbar, in dem vor allem unbewusste Praxis scheinbar selbstverständlich stattfindet. Ein einleuchtendes Beispiel dafür ist die mit hegemonialer Männlichkeit verbundene androzentrische Selbstverständlichkeit, die erst dann eine greifbare Gestalt erhält, wenn zum Beispiel von Feministischer Theologie die Rede ist – in Abgrenzung zu der Theologie, die dadurch überhaupt erst als männlich geprägt sichtbar wird. So verhält es sich auch mit Heteronormativität. Sie ist so allgegenwärtig und scheinbar selbstverständlich, dass es queere Theologie braucht, um die Spuren der Heteronormativität in theologischem Denken und Handeln sichtbar zu machen, um die Zwangsheterosexualität der Theologie zu überwinden. Wie das auch im Religionsunterricht gelingen kann, wird im Folgenden an drei Beispielen skizziert.

  • Wenn Familien im Religionsunterricht thematisiert werden, bringen die meisten Lehrenden und Lernenden am ehesten die Vorstellung einer klassischen Kernfamilie mit, die aus Vater, Mutter und Kind bzw. Kindern besteht, manchmal aus einem Elternteil oder Patchwork-Konstellationen. Diese Normalvorstellung von Familie entstammt u.a. der kirchlichen Institutionalisierung der i.d.R. auf Familiengründung ausgerichteten Paarbeziehung als Ehe (Blasberg-Kuhnke, 2015; Domsgen, 2016). Biblische Geschichten kennen hingegen eine große Vielfalt an Familienformen und Verantwortungsgemeinschaften, die bestimmten sozialen Ordnungen folgen und von gesellschaftlichen Normen bestimmt werden (Domsgen, 2022, S. 122–125). Das lässt sich nutzen, um gemeinsam mit Schüler*innen zu fragen, wie sich Familienkonzepte mit der Zeit verändert haben, welche Machtstrukturen diese mitgeprägt haben und wer eigentlich behauptet bestimmen zu dürfen, was Familie ist (Uppenkamp, 2020, S. 239). Damit lassen sich heteronormative Spuren im Alltag von Schüler*innen sehr gut nachzeichnen und auch in Frage stellen. Michael Domsgen (2022) hat auf beeindruckende Weise das ethische Kernthema Ehe, Familie und Paarbeziehungen heteronormativitätskritisch für den Religionsunterricht erarbeitet und berücksichtigt dabei sowohl gesellschaftliche Machtverhältnisse als auch die Pluralität der Lernenden.

  • Bei der Thematisierung von Gottesvorstellungenund Menschenbildern kann eine queer-theologische Perspektive für Schüler*innen gewinnbringend sein. In vielen Übersetzungen ist in Gen 1,27 die Rede davon, dass Gott den Menschen als Mann und Frau schuf. Diese dichotome Unterscheidung festigt bei jungen Menschen eventuell die Vorstellung, dass Menschen, die nicht in diese beiden Kategorien passen, irgendwie falsch sein könnten. Eine queer-theologische Perspektive kann hier auch mit Schüler*innen eingeübt werden, wenn mit Übersetzungen gearbeitet wird, die die Formulierung „männlich und weiblich“ nutzen (z.B. Bail et al., 2006). Diese ermöglichen eine queere, additive Lesart, mit der für Gottes- und Menschenbilder das gesamte Spektrum von Geschlechtervielfalt geöffnet wird (Dinkelaker & Weidlich, 2022, S. 71).

  • Christologiedidaktisch lässt sich queere Theologie explizit einbringen, wenn Jesus Christus mit Patrick S. Cheng als radical love verstanden wird: „Indeed, God loves us so much that God became human in the person of Jesus Christ. If radical love is understood as a love so extreme that it dissolves boundaries, then Jesus Christ is the living embodiment of the dissolution of boundaries.“ (Cheng, 2011, S. 79) Cheng deutet die radikale Liebe in Jesus Christus, dem „boundary-crosser extraordinaire“ (ebd.), als göttliche, soziale, sexuelle und geschlechtliche Grenzüberschreitung und öffnet insbesondere mit den letzten beiden Ebenen gedankliche Räume, mit denen Heteronormativität aufgedeckt und kritisiert werden kann. Diese Deutung ist aus queerer Sicht naheliegend, denn wenn Jesus Christus diverse Grenzen überschreitet, warum sollte er dann Halt machen vor den Grenzen, die Geschlecht und Begehren betreffen? Das wäre doch absurd – oder mächtig heteronormativ. Auch das lässt sich im Religionsunterricht thematisieren, indem zum Beispiel mit Schüler*innen das Konzept des Bi/Christ von Marcella Althaus-Reid besprochen wird, das gerade in der Unbestimmtheit von sexueller und geschlechtlicher Identität die Chance sieht, Christologie weiter zu denken und insgesamt eine Denkweise zu entwickeln, die Binaritäten anfechten kann sowie Fluidität und Ambiguität zulässt (Althaus-Reid, 2000, S. 114–119; Cheng, 2011, S. 81).

3.3 Queere Theologie bereichert aktuelle fachdidaktische Ansätze

Mit der dritten These wird der Bogen zur inklusiven Religionspädagogik gespannt. Diese lautet: Queere Theologie bereichert aktuelle fachdidaktische Ansätze. Queere Theologie wird bereits in wertvoller Weise religionspädagogisch aufgegriffen und inklusiv weitergedacht, vor allem in der Arbeit von Kerstin Söderblom, die ihre queeren Relektüren biblischer Texte mit dem Grundgedanken einer inklusiven Religionspädagogik der Vielfalt verbindet (Söderblom, 2020). Allerdings ist auch dabei eine gewisse apologetische Dominanz zu erkennen, die stärker auf Normalisierungsbestrebungen queerer Perspektiven hinweist als auf eine kritische und widerständige Denkform inklusiver Religionspädagogik (Uppenkamp, 2021, S. 295–306). Daher ist beim Einbezug queer-theologischer Perspektiven das dekonstruierende und befreiende Potenzial dieser zu entfalten, um Inklusion religionsdidaktisch breiter auszugestalten. In einigen queer-theologischen Ansätzen ist ein deutliches Angebot an empowernd-dekonstruierenden Zugängen zu biblischen Texten und theologischen Schlüsselthemen zu erkennen (z.B. Knauss, 2017; Leutzsch, 2022). Mit diesen kann noch stärker als bisher die soziale Konstruiertheit von Normalität aufgezeigt und somit auch Heteronormativität kritisiert werden.

Als anschlussfähig für queere Theologie erweisen sich vor allem diversitätsbewusste Ansätze (z.B. Bucher & Domsgen, 2023; Gärtner & Herbst, 2020; Grümme, 2017; Knauth, Möller & Pithan, 2020a). Sie haben die Kontextualität von religiöser Bildung im Blick, sind machtkritisch angelegt und betonen die politische Dimension von Religionspädagogik. Allerdings haben sie auch gemeinsam, dass sie bisher kaum bis gar nicht queer-theologisch erschlossen wurden oder queere Theologien explizit einbeziehen. Queere Theologien wie die von Althaus-Reid (2003) und Cheng (2011) halten jedoch genau diese Selbstverständnisse bereit. Zudem gewinnen intersektionale Analysen von Diskriminierungen und Bildungsbenachteiligungen durch queer-theologische Perspektiven an dekonstruierender Tiefenschärfe (Könemann, 2023, S. 120–122). Verbindungen sind daher gut herzustellen, es müssen aber noch Brücken gebaut werden. Dabei ist es m.E. wichtig, queere Theologien nicht als separate On-Top-Theologien zu verstehen, sondern als theologische Perspektiven, die über fachdidaktische Ansätze in den Religionsunterricht eingebracht und dort entfaltet werden.

4 Inklusive Religionspädagogik – Chancen und Grenzen

Eine erste Brücke wird im Folgenden zwischen inklusiver Religionspädagogik und queeren Theologien gebaut, um Chancen und Grenzen dieser Begegnung herauszustellen. Da es nicht die eine Form inklusiver Religionspädagogik gibt, wird hier exemplarisch ein Ansatz genutzt, der, wie die meisten anderen auch, mit einem weiten Verständnis von Inklusion arbeitet: die inklusive Religionspädagogik der Vielfalt, kurz InReV.

4.1 Inklusive Religionspädagogik der Vielfalt (InReV)

Das weite Inklusionsverständnis spiegelt sich auch in dem Selbstverständnis des Ansatzes wider: „[I]nklusive Religionspädagogik der Vielfalt reflektiert Lernen im Zusammenhang mit den Differenzen, die über Religion, sozialen Status, sexuelle Orientierung und Geschlecht sowie über Dis/Ability entstehen. Sie ist kritisch gegenüber allen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung und zielt angesichts von Heterogenität auf gemeinsame Lernprozesse.“ (Knauth, Möller & Pithan, 2020b, S. 11) InReV ist geprägt von der Pädagogik der Vielfalt nach Annedore Prengel (2006). Mit dem Ziel der egalitären Differenz werden verschiedene Differenzkonstruktionen und soziale Kategorien in ihrer Intersektionalität reflektiert und religionsdidaktisches Handeln normativ auf Gerechtigkeit und Anerkennung ausgerichtet. Dabei kann auf eine längere Tradition genderbewusster Religionspädagogik zurückgeblickt werden, die allerdings eher emanzipatorisch als dekonstruierend ausgerichtet ist (Wieser, 2015). Obwohl es seit den 1990er Jahren queere Theologien gibt, konnten diese sich bisher noch nicht in vergleichbarere Weise wie feministische Theologien im religionspädagogischen Inklusionsdiskurs etablieren und sind nur in Ansätzen in Beiträgen zu einer Inklusiven Religionspädagogik der Vielfalt zu finden (Söderblom, 2020; Uppenkamp, 2020).

4.2 Chancen einer Verbindung von queerer Theologie mit InReV

Die für queere Theologien wesentliche Kritik an Heteronormativität entspricht dem konzeptionellen Grundgedanken von Gerechtigkeit und Anerkennung, mit dem Vielfalt nicht nur deskriptiv beschrieben, sondern auch in ihrer kulturellen und strukturellen Relevanz reflektiert wird. Mit dem normativen Leitprinzip, Vielfalt anzuerkennen und gleichzeitig machtkritisch zu analysieren, ist es möglich, Ungerechtigkeiten zu erkennen und auf Gerechtigkeit zielend zu handeln. (Knauth, Möller & Pithan, 2020c, S. 21).[7]

Mit den didaktischen Strukturen von InReV lassen sich unterschiedliche Schwerpunkte im Zugang zu queeren Theologien setzen. Exemplarisch lässt sich das an der symbol-leib- und sprachbezogenen Struktur veranschaulichen, in der „Religion als Sprache bzw. symbolische Sprache als religiöse Sprache erschlossen“ (ebd., S. 55) wird. Es geht dabei um die „Inszenierung und Aneignung dieser symbolbezogenen (metaphorischen, poetischen) Sprache, um Erfahrungen auszudrücken und Existenz in biographischen und gesellschaftlichen Kontexten zu deuten.“ (ebd.) Das liest sich wie eine Einladung an die Indecent Theology von Althaus-Reid (2000), die mit einer sexuellen Symbolsprache arbeitet: Neben vanilla als Attribut einer heteronormativen Dogmatik (S. 51–57) sind beispielhaft auch der Bi/Christ[8] (S. 112–120) und die Suche nach dem G(od) spot (S. 47–50) zu nennen. Im Religionsunterricht kann hieran die Vielfalt sprachlicher Ausdrucksformen für Glaubenserfahrungen und deren theologische Reflexion aufgezeigt werden.[9] Und es kann verdeutlicht werden, wie mit Sprache Raum für Mehrdeutigkeit geschaffen wird.

Das Zooming ist ein didaktisches Instrument zum hermeneutischen Fokussieren auf einzelne Dimensionen von Differenz, ohne andere dabei auszublenden. Werden Themen des Religionsunterrichts damit erschlossen, wird zunächst eine bestimmte Dimension scharfgestellt (Wischer & Spiering‑Schomborg, 2020, S. 370). Stracke‑Bartholmai sieht in queerer und inklusiver Praxis das gemeinsame Anliegen, verschiedene Identitäten und Erfahrungen zur Sprache zu bringen. Dabei macht er deutlich, dass sich Queeren ebenso wie Inklusion nicht auf eine Zielgruppe beschränkt, plädiert aber dafür, aus pragmatischen Gründen an einer Stelle zu beginnen (Stracke‑Bartholmai, 2018, S. 75), was mit dem Zooming möglich ist. Wenn der Zoom scharfgestellt wird auf die Heterogenitätsdimension sexuelle Orientierungen oder Geschlecht, dann werden zunächst die unterschiedlichen hermeneutischen Zugänge zum Thema in ihrer Vielfalt fokussiert, wobei dann auch explizit queere Perspektiven einbezogen werden. Wenn daraufhin der Blick geweitet wird, kann sich das dekonstruierende und machtkritische Potenzial queerer Theologien auch intersektional entfalten.

Inklusive Religionspädagogik der Vielfalt arbeitet mit Schlüsselthemen, die „im Überschneidungsbereich verschiedener Perspektiven angesiedelt“ (Knauth, Möller & Pithan, 2020c, S. 52) und „zugleich im Hinblick auf die Lebenswelten von Lernenden als auch für religiöse Traditionen bedeutsam bzw. auf religiöse Deutungsperspektiven beziehbar“ (ebd., S. 52–53) sind und über die sich gesellschaftliche Problematiken erschließen lassen. Wird zum Beispiel mit dem Zoom auf geschlechtliche Vielfalt das Thema Körper um eine queer-theologische Perspektive auf die Schöpfungserzählung in Genesis 1 erweitert, kann das bereichernd sein (Wolf, 2020, S. 333–334). Denn dadurch wird die geschlechtliche Vielfalt der Lerngruppe berücksichtigt und ein gerade für trans*, inter* und nichtbinäre Schüler*innen empowerndes Deutungsangebot eingebracht (Kampf, 2021).

4.3  Grenzen queerer Theologie im Ansatz von InReV und im Religionsunterricht

Am Beispiel der Implementierung queerer Theologien in InReV werden aber Herausforderungen deutlich, die insgesamt für Inklusion und Didaktik gelten. Denn überall, wo mit der Frage nach Unterschieden gearbeitet wird, stellen sich ähnliche Aufgaben. Es geht um die Grundsatzfrage, ob, inwiefern und wozu Unterscheidungen gemacht werden und wie mit diesen umgegangen wird. InReV arbeitet mit den bekannten Differenzkategorien wie z.B. Gender und Religion (Knauth, Möller & Pithan 2020b, S. 11). Wird mit diesen Kategorien gearbeitet, verfestigen sie sich und bekommen ein Eigenleben. Dieser Effekt wird Reifizierung genannt und hat zur Folge, dass Kategorisierungen zu starren Kategorien führen. Den Kategorien wird häufig eine bewertende Vorstellung von normal und unnormal, eigen und fremd, gut und schlecht hinzugefügt. Für inklusive Religionspädagogik ist es wichtig, mit diesen Kategorien zu arbeiten, um Diskriminierungen benennen zu können. Der Preis, der dafür gezahlt wird, ist der, dass sie zugleich gefestigt werden. Aus queerer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass diese Kategorien nicht nur Phänomene der Verschiedenheit und Ungerechtigkeit beschreibbar machen, sondern die Art und Weise der Kategorisierung selbst normativen Logiken folgt. So lässt sich z.B. mit Butler argumentieren, dass die Kategorien Gender und sexuelle Orientierung Konstrukte einer heteronormativen Denkweise sind (Butler, 2021, S. 22–24 und S. 38–39). Ulrike Witten greift das Reifizierungsdilemma analytisch auf und betont die religionsdidaktische Relevanz eines Reifizierungsbewusstseins im Umgang mit Heterogenität:

„Wichtig ist daher eine Sichtweise auf Heterogenität, die um das Reifizierungsdilemma weiß und sich bewusst ist, wie auch in wohlmeinender Absicht eine differenzsensible Sicht auf Heterogenität zur Herstellung des anderen führen kann. Um nicht zu starr in Schemata von Heterogenität zu verfallen, ist es hilfreich, Reifizierung und Intersektionalität zusammenzudenken, weil sie wechselseitig daran erinnern, dass es sich um Konstrukte von Heterogenität handelt.“ (Witten, 2022, S. 252–253)

In einer konsequent intersektionalen Perspektive sieht Witten die reifizierungsbewusste Chance, Heterogenität fluider zu denken (ebd., S. 255). Intersektionalität ist zwar in vielen Spielarten queerer Theologie verankert, verlangt aber ein konsequentes Queeren, das sich in der Praxis als herausfordernd gestaltet.

Damit wird eine weitere Grenze angesprochen: das Queeren als Praxis queerer Theologie. Wird queeren verstanden als „in Frage stellen, sich hinterfragen, […] etwas in Unordnung bringen, verwirren, verunsichern“ (Stracke-Bartholmai, 2018, S. 76), dann kann das im Rahmen von InReV nur begrenzt stattfinden. Denn mit den Heterogenitätsdimensionen ist eine didaktische Strukturierung vorgegeben, die im Sinne der Zielformulierung Gerechtigkeit und Anerkennung ähnlich wie bei Prengel strategisch essenziell ist (Boger, 2019, S. 46). Bei allem emanzipatorischen Mehrwert einer solchen Grundausrichtung, wie sie der InReV-Ansatz mitbringt, geht die Pointe verloren, dass man durch das Queeren den Kontext und den epistemischen Standort dekonstruiert, in dem theologische Schlüsselthemen erarbeitet werden (Goss, 2002, S. 226).

Die begriffliche Vielfalt von queer markiert ebenfalls eine Grenze: LGBTIQ+ ist nicht gleich Queer. Wenn beim Zooming an den Heterogenitätsdimensionen Gender und sexuelle Orientierungen angesetzt wird, sind unpassende Verallgemeinerungen zu vermeiden. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass alle Schüler*innen im LGBTIQ+-Spektrum den gleichen Zugang zu queer-theologischen Perspektiven haben. Nicht alle würden sich auch als queer bezeichnen oder haben ein gleiches Interesse an der Dekonstruktion von Kategorien bzw. an Heteronormativitätskritik. Die innere Vielfalt innerhalb dieser Gruppe ist daher zu berücksichtigen, was das Zooming kompliziert macht.

Rein statistisch ist davon auszugehen, dass nur wenige Lehrkräfte eine queere Innenperspektive mitbringen. Um das Queeren als Praxis im Rahmen inklusiver Fachdidaktik zu lernen und einzuüben, bedarf es einer Auseinandersetzung mit Queer Studies und queeren Theologien. Hier wird stärker ein Entwicklungsbedarf in der Aus- und Weiterbildung sowie Sensibilisierung von Lehrkräften deutlich als eine Grenze in der Verbindung mit inklusiver Religionspädagogik. Denn solange diese Inhalte noch kein fester Bestandteil der Ausbildung von Religionslehrkräften sind, kann die Befähigung zum Queeren im Religionsunterricht nicht vorausgesetzt werden. Allerdings hat das Einüben queeren Denkens einen Beigeschmack. Denn es ist danach zu fragen, was eine solche Perspektivaneignung durch privilegierte Lehrkräfte mit sich bringt, die keine spezifischen Diskriminierungserfahrungen im Bereich sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität mitbringen. Sind sie dadurch gute und wichtige Allies oder übergriffig? Damit kommt die Frage auf, die insgesamt für kontextuelle Theologien spannend ist, inwiefern sich queere Theologien überhaupt in eine Cis-Hetero-Perspektive „übersetzen“[10] lassen, ob es bleibend Erkenntnisperspektiven gibt, die nicht allen zugänglich sind, bzw. inwiefern eine Inkulturation queerer Theologien in die heteronormativ geprägte Kultur des Religionsunterrichts gelingen kann und soll.

Das Vorhaben, queere Theologien im Religionsunterricht im Rahmen einer inklusiven Religionspädagogik der Vielfalt zu nutzen, erweist sich angesichts der nicht abschließenden Auflistung von Grenzen als voraussetzungsreich. Neben der offensichtlichen Bedingung, dass ein solcher Religionsunterricht ein Raum sein sollte, in dem sich aktiv gegen Queerfeindlichkeit positioniert wird, erfordert er auch die Bereitschaft, eigene, durch die Macht der Heteronormativität verliehene Privilegien zu hinterfragen und aufzugeben sowie Verunsicherung und Unordnung zuzulassen (Uppenkamp, 2023). Oder, um es mit den Worten von Tupoka Ogette (2017) und Quinton Ceasar (2023) zu sagen: Es braucht die Bereitschaft Happyland zu verlassen.

5 Fazit

Die heteronormative Prägung von Religionsunterricht, die sich z.B. in Unterrichtsmaterialien zeigt, kann Minority Stress bei queeren Schüler*innen begünstigen. Außerdem hinterlässt Heteronormativität Spuren in der Auswahl von Themen und in den (theologischen) Zugängen zu diesen. Anhand von queeren Theologien können Themen eine Perspektiverweiterung auch im Religionsunterricht erfahren, wie Domsgen am Beispiel eines ethischen Kernthemas aufzeigt, allerdings ohne sich dabei explizit auf queere Theologien zu beziehen: „Die Thematik von Ehe, Familie und Paarbeziehungen ist wie kaum eine andere dazu geeignet, nach den Voreinstellungen zu fragen, mit denen wir an biblische Texte gehen und sie deutend zueinander ins Verhältnis setzen.“ (Domsgen, 2022, S. 128). Domsgen denkt aber sehr queer, denn das Anfragen und Erforschen der Voreinstellungen, mit denen Themen und Texten begegnet wird, ist methodischer Kern des Queerens. Diese Praxis erschöpft sich nicht in Themen, die einen expliziten Bezug zu Sexualität bzw. Geschlechtsidentität aufweisen, sondern betrifft alle Bereiche, in denen es um Normalitäten und deren Wirkung geht. Für die religionsdidaktische Forschung lässt sich daher die Aufgabe formulieren, ein Instrumentarium zu entwickeln, mit dem sich Unterrichtsthemen daraufhin untersuchen lassen, welche Spuren des Heteronormativen zu entdecken sind und an welchen Stellen sie wie, auch mit Blick auf die intermediäre Funktion von Religionsgemeinschaften im Religionsunterricht als res mixta, aufgebrochen werden (können).

Auch wenn der Ansatz einer Inklusiven Religionspädagogik der Vielfalt (InReV) im Wesentlichen einen geeigneten konzeptionellen Rahmen für queere Theologie im Religionsunterricht anbieten kann (Söderblom, 2020, S. 155), liegt gerade in der Ambiguität des Begriffs queer eine Grenze, die Spannungen in der Praxis mit sich bringen kann. Besonders in der Gegenüberstellung von queer als Identitätsbegriff und Identitätskritik bzw. dekonstruierende Praxis wird eine Grundsatzproblematik inklusiver Pädagogik angesprochen, in der es um den Umgang mit Differenzierungen und Kategorisierungen geht. Diese Parallele – queere Theologie braucht m.E. genauso wie inklusive Religionspädagogik Kategorien und deren Dekonstruktion – macht weitere Forschung zu deren Verbindung interessant.

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Dr. Vera Uppenkamp, Juniorprofessorin für Evangelische Religionspädagogik am Institut für Ethik und Theologie, Leuphana Universität Lüneburg.

  1. Der Beitrag ist die überarbeitete Fassung meines gleichnamigen Vortrags, den ich am 6. Dezember 2023 im Rahmen des Dies Academicus Queere Theologie. Diverse Identitäten und religiöse Normen neu denken an der LMU München gehalten habe.

  2. Queer wird an dieser Stelle als Sammelbegriff für sexuelle und geschlechtliche Orientierungen und Identitäten genutzt, die von der Cis-Hetero-Norm abweichen, also z.B. lesbisch, schwul, pan, trans, inter, nichtbinär usw.

  3. Der ursprünglich für Erfahrungen von lesbischen Frauen genutzte Begriff wird mittlerweile für diverses Stresserleben von Minderheiten verwendet (vgl. Rich, Salway, Scheim & Poteat, 2020, S. 124).

  4. Leider ist in der aktuellen HRC-Studie 2023 keine vergleichbare Gegenüberstellung zu finden. Die Studie ist unter reports.hrc.org/2023-lgbtq-youth-report (30.01.2024) abrufbar.

  5. Zur Verdeutlichung der Problematik können sich folgende zwei alternativen Reihentitel vorgestellt werden: „Liebe, Partnerschaft und Sexualität“ oder „(Homo-) Liebe, (Homo-) Partnerschaft und (Homo-) Sexualität“.

  6. LGBTIQ+ wird als Akronym für die Bezeichnung von Menschen genutzt, die sich nicht als cisgeschlechtlich und/oder heterosexuell bezeichnen. Die Buchstaben stehen für bestimmte Identitäten (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Inter*, Queer) und das Pluszeichen fungiert als Platzhalter für weitere, nicht genannte Identitäten.

  7. Ebenso geeignet ist der heterogenitätssensible Ansatz bei Bernhard Grümme, der die kontextsensible kritische Selbstreflexivität im Umgang mit Heterogenität betont (Grümme, 2017, S. 96–97).

  8. In dem Konzept Bi/Christ geht es Althaus-Reid zufolge nicht um Frage der Sexualität Jesu, sondern um das Überwinden heteronormativer Repräsentationen in der Christologie, die sie folgendermaßen beschreibt: „He has been dressed theologically as a heterosexually orientated (celibate) man. Jesus with erased genitalia; Jesus minus erotic body. When we think about Christ, we do not think about a man, we think about a God/man, a celibate batman, batteries included to supply his head with that halo of light which we frequently see in paintings.“ (Althaus-Reid, 2000, S. 114).

  9. In dem Verwenden sexueller Begriffe besteht eine Chance zur gewaltpräventiven Enttabuisierung von Sexualität, zugleich ist aber anzumerken, dass der Gebrauch dieser Begriffe angesichts der statistischen Wahrscheinlich, dass sich in jeder Lerngruppe Schüler*innen befinden, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, nicht unbedacht erfolgen sollte (Reese-Schnitker, 2023, S. 44–46).

  10. Für diesen Begriff danke ich Raphaela Meyer zu Hörste-Bührer, die mir in einem Gespräch von einer Seminardiskussion zu einer vergleichbaren Problematik erzählte, in der es um die Frage der Übertragbarkeit von Schwarzer Theologie ging.