1 Einleitung

Menschen sind emotionale Wesen. Emotionen, wie Angst, Liebe, Ärger, Trauer, Freude usw. sind ein wesentlicher und relevanter Bestandteil menschlichen Lebens. Sie haben Einfluss auf unsere Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsprozesse und sind mit unseren Existenz- und Identitätserfahrungen verbunden. Sie prägen und beeinflussen unsere Erinnerungs-, Urteils- und Entscheidungsprozesse. Sie spielen auch in Bildungs- und Erziehungsprozessen eine wichtige Rolle und sind damit ein wesentlicher Bestandteil bei den Lehr- und Lernprozessen von Schüler*innen (Huber, 2018). Religionsunterricht ist von seinen Lernbereichen und Lerngegenständen her ein Unterrichtsfach, das viel mit Emotionen zu tun hat. Viele Themen des Religionsunterrichts sind emotionsgeladen bzw. können emotional aufgeladen werden. Das betrifft Themen, die sich auf den Menschen selbst beziehen, auf seine Existenz, auf sein sozial-räumliches Umfeld und sein Verhältnis dazu. Dazu kommen Themen, welche die Klärung von Sinnfragen, Werteinstellungen und Lebensdeutungen sowie die Gestaltung des je eigenen Lebens betreffen. Mit diesen und durch diese Themen bekommt religiöse Bildung bewusst oder unbewusst, aber unausweichlich eine emotionale Ausrichtung (Naurath, 2015).

Der vorliegende Beitrag nimmt die Bedeutung von Emotionen und die emotionale Bildung im Religionsunterricht in den Blick und geht der Leitfrage nach, welche Emotionen in welchen Kontexten in ausgewählten gängigen Lehrplänen und Religionsbüchern für den evangelischen Religionsunterricht thematisiert werden. Es wird auch gefragt, ob und wenn ja, welche Emotionen bzw. Emotionsgruppen es gibt, die nicht in den ausgewählten Lehrplänen vorkommen. Zuerst werden methodische Überlegungen vorgenommen und die Kodierung von Emotionen sowie das methodische Vorgehen dieser Analyse beschrieben (2). Anschließend werden die Ergebnisse der Lehrplananalyse (3) und der Schulbuchanalyse (4) vorgestellt. Die abschließende Zusammenfassung bündelt die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung und plädiert für eine Intensivierung der empirischen Beforschung emotionaler Themen und Dimensionen des Religionsunterrichts (5).

2 Methodische Überlegungen

Für die beabsichtigte Analyse von emotionalen Themen in den Lehrplänen und Schulbüchern ist zunächst zu klären, was als „Emotion“ und als „emotionales Thema“ einzuordnen ist und wie diese zu kodieren sind. Emotionen sind bedeutende und häufig vorkommende Phänomene des menschlichen (Er-)Lebens. Was Emotionen sind, welche Funktion und Wirkung Emotionen haben, wie sie entstehen und wahrgenommen werden, ist jedoch weitgehend umstritten und wird in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich diskutiert (Kappelhoff, Bakels, Lehmann & Schmitt, 2019). Es liegt eine Reihe von Konzepten vor, die Struktur- und Ordnungssysteme zu den Emotionen entwickelt haben, um die einzelnen Emotionen den verschiedenen Kategorien zuordnen zu können (Schwarz-Friesel, 2013; Tracy & Randles, 2011). Die Komplexität der emotionalen Zustände, Prozesse und Faktoren macht aber eine einheitliche und eindeutige Klassifikation nicht möglich. Darauf weisen die zahlreichen Überlappungen, Problem- und Grenzfälle dieser Kategoriensysteme hin. Im Rahmen dieses Beitrags ist es nicht möglich und auch nicht intendiert, auf diese Klassifikationssysteme näher einzugehen. Die folgenden Ausführungen wenden sich vielmehr Grundfragen des Kodierens von Emotionen zu und beschreiben anschließend das methodische Vorgehen bei der Analyse der Lehrpläne und Schulbücher.

2.1 Kodierung von Emotionen

In der Alltagssprache werden „Emotion“, „Gefühl“, „Stimmung“, „Empfindung“ und „Affekt“ oft als Synonyme, zumindest aber als ähnliche Begriffe verwendet. Das Phänomen „Emotion“ ist auch im wissenschaftlichen Diskurs durch eine Begriffsvielfalt gekennzeichnet (Huber, 2018). Wenn eine Unterscheidung zwischen Emotion und Gefühl vorgenommen wird, dann wird Gefühl als ein Bestandteil von Emotion bestimmt, als das subjektive emotionale Erleben, die subjektiv erfahrbare Ebene von Emotionen (Winko, 2003, S. 73; Schwarz-Friesel, 2013, S. 55). Daher erfahren das Verb „fühlen“ und das Substantiv „Gefühl“ sowie die Beschreibung von Gefühlszuständen und Gefühlsprozessen in dieser Analyse besondere Beachtung.

Eine erste Annäherung zu einer Klassifikation von Emotionen bieten die Grund- oder Basisemotionen. Sie werden als universal, angeboren und kulturunabhängig interpretiert. Die Aufzählung von Basisemotionen variiert je nach Forscher*in. Dabei werden Freude, Angst, Wut, Trauer und Ekel in den meisten Auflistungen genannt (Tracy & Randles, 2011). Die sekundären oder sozialen Emotionen werden demgegenüber als individuelle und kulturspezifische Phänomene interpretiert. Sie sind aus den Basisemotionen herzuleiten und bilden sich aufgrund von Lernprozessen, durch Erziehung und Sozialisation aus. Dazu werden z.B. Scham, Stolz, Eifersucht, Schuld, Neid, Dankbarkeit genannt (Schwarz-Friesel, 2013, S. 62–69). Die Bewertungen, Zuordnungen und Ausdrucksformen von Emotionen variieren und lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Folgende Fragen lassen dies bereits deutlich erkennen: Was ist der Unterschied zwischen Angst und Furcht? Wo ist die Grenze zwischen Scham, Schuld, Reue, Bedauern zu ziehen? Wo/Wann beginnt ein Gefühl, und wo hört es auf? Sind Mut, Hoffnung oder Dankbarkeit zu den Emotionen zu rechnen? Zudem ist der Übergang von einer Emotion zur Nicht-Emotion fließend. Für die vorliegende Untersuchung sind Körperempfindungen (wie z.B. Hunger, Durst, Schmerz) oder zeitlich länger andauernde Emotionszustände, welche die Eigenschaften eines Menschen beschreiben (wie z.B. Selbstwertgefühl, Empathie/Einfühlungsvermögen, Lebensgefühl, Selbstbewusstsein) nicht im Fokus und bleiben daher unberücksichtigt.

Die Thematisierung von Emotionen erfolgt in den ausgewählten Lehrplänen und Schulbüchern durch Texte und durch Bilder. Winko unterteilt das Vorkommen von Emotionen in literarischen Texten in „explizite und implizite Vorkommnisse“ (Winko, 2003, S. 47). Bei expliziten Vorkommnissen werden Emotionen explizit thematisiert. Figuren oder die Erzählperson sprechen über ihre eigenen Emotionen, über die Emotionen von anderen, oder sie reflektieren abstrakt über Emotionen. Im Falle von impliziten Vorkommnissen werden Emotionen indirekt ausgedrückt. Das geschieht durch das Verhalten der Personen und die Handlung des Textes, durch Situationen, in denen Personen agieren bzw. die sie hervorrufen, oder durch Objekte, wie mit diesen umgegangen wird bzw. wie diese beschrieben werden (Winko, 2003, S. 47). Die vorliegenden Ausführungen konzentrieren sich vor allem auf explizit thematisierte Emotionen. Die Lehrplananalyse berücksichtigt nur Textpassagen, in denen Emotionen explizit benannt werden. Dies geschieht über Nominalausdrücke (Freude, Liebe, Angst, Gefühl usw.), über Verben (lieben, freuen, hassen, fühlen usw.) und über Adjektive (zornig, wütend, traurig, gefühlvoll usw.). Bei der Schulbuchanalyse wird einzelnen Textpassagen ein emotionaler Gehalt (oder zwei bei Textpassagen, in denen zwei dominante Emotionen vorhanden sind) zugeordnet. Auch hier werden in der Regel die explizit thematisierten Emotionen kodiert, jedoch werden in einigen Fällen implizite, aber in den Texten klar thematisierte Emotionen ebenfalls berücksichtigt. Bei der Analyse ist es die Absicht, nur auf der Ebene der Texte zu verbleiben. Die durch die Themen, Texte und Bilder bei den Interpret*innen hervorgerufenen Emotionen sollen möglichst nicht kodiert werden. Die Kodierung und Einordnung von Emotionen stellen jedoch eine solche Herausforderung dar, dass diese Untersuchung möglicherweise von Überlappungen und unscharfen Grenzkonturen nicht ganz verschont bleiben wird.

2.2 Methodisches Vorgehen

Die empirische Erforschung von Emotionen und emotionalen Themen in Lehrplänen und Schulbüchern für den (evangelischen) Religionsunterricht stellt bislang ein weitgehend unbearbeitetes Feld dar. Die hier zu schildernde Lehrplan- und Schulbuchanalyse leistet einen ersten deskriptiven Schritt auf diesem Gebiet. Die leitende Fragestellung zielt darauf ab, welche Emotionen in welchen Kontexten in den ausgewählten Lehrplänen und Religionsbüchern thematisiert werden. Die Auswertung der Lehrpläne und Schulbücher erfolgt mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring, gemäß dem zusammenfassenden Typus (Mayring, 2015). Diese Methode ermöglicht, das Datenmaterial induktiv zu analysieren. Da hier erstmals die Frage nach den in den Lehrplänen und Schulbüchern für den evangelischen Religionsunterricht thematisierten Emotionen gestellt wird, bekommt diese Vorgehensweise besondere Relevanz. Ziel einer zusammenfassenden Analyse ist es, „das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist“ (Mayring, 2015, S. 67).

Für die Bearbeitung werden die folgenden Lehrpläne für den evangelischen Religionsunterricht exemplarisch ausgewählt: Gemeinsamer Bildungsplan der Sekundarstufe I und Bildungsplan des Gymnasiums aus Baden-Württemberg, Kerncurriculum für das Gymnasium Schuljahrgänge 5–10 aus Niedersachsen sowie LehrplanPLUS Mittelschule 5–10 und LehrplanPLUS Gymnasium 5–10 aus Bayern. Bei der Schulbuchanalyse werden die Schulbuchreihen „Ortswechsel PLUS“ und „Religion im Dialog“ untersucht. Aus der Reihe „Religion im Dialog“ sind bisher die Bände 5/6 und 7/8 erschienen, aus der Reihe „Ortswechsel PLUS“ die Bände 5–9. Das Interesse der Analyse liegt bewusst auf der Sekundarstufe I und den neueren Ausgaben der Schulbücher. Da die Bedeutung von Emotionen in Schule und Unterricht in jüngster Zeit zunehmend in den Blick rückt (Rubach & Lazarides, 2021), wird die Frage nach Emotionen in neueren Schulbuchausgaben für den Religionsunterricht besonders relevant. Die Auswahl der Sekundarstufe I wird mit der nötigen Begrenzung der Spannweite der explorativen Untersuchung begründet. Die Hauptinteresse dieser Arbeit liegt in der Lehrplananalyse. Die Schulbuchanalyse ergänzt diese und stellt die Frage, ob und inwieweit die Ergebnisse der Lehrplananalyse bestätigt werden.

Bei der Lehrplananalyse werden die Analyseeinheiten auf folgende Weise bestimmt (Mayring, 2015, S. 61): Als kleinster Textteil, der unter eine Kategorie fallen kann, wird ein Satz definiert. Die größte Einheit, die unter eine Kategorie fallen kann, stellt eine Themeneinheit dar. Einen Spezialfall stellen die Auflistungen von unterschiedlichen Emotionen dar. In diesen Fällen werden die aufgelisteten Emotionen als eine Einheit betrachtet, und die Kodierung nimmt die unmittelbaren Kontexte und die übergeordneten Themenbereiche in den Blick.

Bei der Schulbuchanalyse werden die Analyseeinheiten anders bestimmt: Eine zusammenhängende Themeneinheit bzw. Aufgabeneinheit gilt hier als kleinste Einheit, die unter eine Kategorie fallen kann. Lieder oder Gedichte gelten dabei als zusammenhängende Themeneinheiten und werden mitkodiert. Die größte Einheit, die unter eine Kategorie fallen kann, stellt eine Schulbuchseite dar. Eine besondere Analyseeinheit sind die Bilder in den Schulbüchern, die offensichtlich Emotionen und emotionale Themen darstellen bzw. hervorrufen sollen. Sie werden aber bei dieser Analyse nicht mitkodiert.

Neben der leitenden Fragestellung wird auch die Frage gestellt, ob es Emotionen bzw. Emotionsgruppen gibt, die in den ausgewählten Lehrplänen nicht vorkommen. Die Beantwortung dieser Frage erfolgt mittels einer Liste von Emotionsgruppen, die in Anlehnung an die Typologie von Kappelhoff, Bakels, Lehmann und Schmitt (2019) sowie die Überlegungen von Schwarz-Friesel (2013) definiert wurde. Diese Liste enthält die folgenden Emotionsgruppen: (1) Angst / Furcht / Panik / Unruhe, (2) Ekel / Abscheu / Abneigung, (3) Freude / Glück / Wohlbefinden, (4) Trauer / Leid / Kummer, (5) Zorn / Wut / Ärger / Empörung, (6) Liebe / Zuneigung / Lust, (7) Neid / Eifersucht, (8) Scham / Peinlichkeit, (9) Schuld, (10) Stolz, (11) Bewunderung / Verehrung, (12) Dankbarkeit.

Nach der induktiven Analyse der Lehrpläne wird gefragt, ob die thematisierten Emotionen die zuvor erarbeitete Klassifizierung von Emotionsgruppen abdecken oder nicht. Dabei wird sich herausstellen, ob es Emotionsgruppen gibt, die in den analysierten Lehrplänen gar nicht vorkommen, und ob es Emotionsgruppen gibt, die zwar in den Lehrplänen vorkommen, die jedoch in der erarbeiteten Klassifizierung nicht enthalten sind.

3 Analyse der Lehrpläne

Bei der Untersuchung, ob und wie die Begriffe „Emotion“, „Gefühl“ und konkrete Emotionen (wie z.B. Angst, Trauer, Glück) in den ausgewählten Lehrplänen zu finden sind, zeigt sich, dass Emotionen in allen untersuchten Lehrplänen explizit angesprochen werden. Die Begriffe „Emotion“, „Gefühl“ sowie das Verb „fühlen“ kommen wörtlich in den Lehrplänen für Mittelschulen und Gymnasien in Bayern vor. Es ergeben sich insgesamt zehn Kategorien von Kontexten, in denen die untersuchten Lehrpläne Emotionen explizit erwähnen.

3.1 Emotionen und ihre Kontexte

Diese zehn Kategorien von Kontexten werden im Folgenden herausgearbeitet, wobei anhand von Texten aus den Lehrplänen die inhaltliche Konkretisierung aufgezeigt wird.

(a) Existenzielle Erfahrungen und Erfahrungen menschlichen Zusammenlebens: Alle untersuchten Lehrpläne erwähnen Emotionen im Kontext von zwei Erfahrungsbereichen. Es geht dabei um die Emotionen existentieller Erfahrungen und der Erfahrungen des Zusammenlebens. Beide Bereiche überlappen sich in einem solchem Maße, dass sie in einer einzigen Kontextkategorie zusammengefasst werden. Die Lehrpläne in Baden-Württemberg listen mehrere grundlegende Emotionen – Glück, Gelingen, Versagen, Vertrauen, Angst, Trauer, Freude, Dank sowie Schuld, Fremdsein, Verlust – als „Grunderfahrungen des Menschseins“ und als „Erfahrungen menschlichen Zusammenlebens“ auf (BW-SEK1, S. 11; BW-G, S. 11).

Das gymnasiale Kerncurriculum in Niedersachsen gibt den Themenbereich „Der Mensch zwischen Angst und Geborgenheit, Trauer und Trost“ als ein Leitthema in den Klassenstufen 5/6 an (NI-G, S. 17). Der evangelische Religionsunterricht soll nach den Angaben des Lehrplans dazu beitragen, dass Schüler*innen Situationen der Angst, der Trauer, der Freude, des Trostes sowie Formen des Umgangs mit ihnen beschreiben, sich mit verletzenden Worten und Gesten auseinandersetzen, tröstende und Geborgenheit gebende Worte und Formen der Zuwendung gestalten. Als mögliche Inhalte werden Abschieds- und Krisensituationen, persönlich bedeutsame Erfahrungen und Orte, Formen der Entschuldigung und Gesten des Tröstens benannt.

Der LehrplanPLUS für Mittelschulen in Bayern erwähnt zum Lernbereich 5.1 „Ich und die anderen“ die Kompetenzerwartung, dass Schüler*innen Gefühle von sich und anderen in alltäglichen Auseinandersetzungen wahrnehmen und beschreiben können (BY-MS, S. 13). Als Unterrichtsinhalte zu diesen Kompetenzen gibt der Lehrplan das Thema „Gefühle in Auseinandersetzungen“ an. Konkret werden Angst, Verunsicherung, Überlegenheit, Wut und Zufriedenheit aufgelistet. Diese Themen und Kompetenzen werden im Lernbereich 6.1 „Umgang mit Konflikten“ weitergeführt (BY-MS, S. 16). Die Kompetenzerwartungen sprechen emotionale und verhaltensbezogene Perspektiven an. Bei der Beschreibung einer Kompetenzerwartung werden die Begriffe „Gefühl“ und „Emotion“ synonym verwendet. Zu den Unterrichtsinhalten gehört der Themenbereich „Gefühle während und nach Konflikten“. Als Beispiele dazu werden Angst, Enttäuschung, Wut, Erleichterung und Selbstbewusstsein aufgelistet. Der LehrplanPLUS für Gymnasien in Bayern formuliert im Blick auf die gleichen Lernbereiche wie der LehrplanPLUS für Mittelschulen als Thema „Fremde und eigene Ansprüche und damit zusammenhängende positive und negative Gefühle“ (BY-G5, S. 1).

(b) Psalmen / Gebet: Die Psalmen drücken existenzielle Erfahrungen und Emotionen aus und bringen diese vor Gott. In allen untersuchten Lehrplänen gelten die Psalmen als Ausdrucksformen für Emotionen wie z.B. Klage, Trauer, Wut, Dank, Vertrauen als Unterrichtsinhalt (BW-SEK1, S. 11; BW-G, S. 13; NI-G, S. 17; BY-G5, S. 3). Die Schüler*innen sollen aufzeigen, wie sich Menschen in Worten der Klage, des Dankens usw. an Gott wenden und mit Hilfe der Sprache der Psalmen Möglichkeiten erproben, Freude und Leid, Glaubensgewissheit und Glaubenszweifel auszudrücken.

(c) Fremdsein, Anderssein, Umgang mit Verschiedenheit: Der LehrplanPLUS für Gymnasien in Bayern widmet einen Lernbereich ausschließlich dem Thema „Anders – fremd – verschieden“ (BY-G6, S. 5). Die Kompetenzerwartungen beziehen sich auf das Gefühl des Fremdseins bzw. Andersseins in einer zweifachen Perspektive. Die Schüler*innen sollen sich mit anderen austauschen, zum einen über Situationen, in denen sie sich fremd fühlen und anders wahrgenommen werden, und zum andern über Situationen, in denen sie andere als fremd und anders erleben (BY-G6, S. 5). Als Inhalte zur Kompetenzerwartung werden die „Situationen des Fremdseins und damit zusammenhängende Gefühle wie Unsicherheit, Angst, Faszination, Aggression“ sowie die „Verschiedenheit als Bedrohung und als Bereicherung“ aufgelistet. Als Kriterien für einen lebensförderlichen Umgang mit Verschiedenheit benennt der Lehrplan emotionsgeladene Themen wie Interesse, Respekt, Empathie, Balance zwischen Distanz und Nähe, Parteinahme, kompetente Hilfe. 

(d) Existenzielle und/oder soziale Ängste und „Befreiung zum Leben“: Der Lehrplan für Gymnasien aus Baden-Württemberg erwähnt in einer Auflistung solche Emotionen – wie Leistungsdruck und Versagensangst –, die durch „krisenhafte Situationen“ ausgelöst werden und mit sozialen Ängsten verbunden sind (BW-G, S. 17). Die Formulierung der Kompetenz geht aber nicht in die emotionale Ebene hinein, der Fokus bleibt bei der kognitiven und handlungsorientierten Ebene (wie z.B. „Hintergründe krisenhafter Situationen und Strategien zu deren Bewältigung entfalten“).

Die „Ängste und Leistungsansprüche des heutigen Menschen“ spricht im Zusammenhang mit der Rechtfertigung der Lehrplan für Gymnasien aus Niedersachsen an (NI-G, S. 18). Die entsprechende Kompetenzformulierung beschreibt, dass die Schüler*innen „menschliches Leben in der Spannung von Ansprüchen, Schuld, Annahme und Vergebung“ wahrnehmen sollen. Begriffe wie Schuld, Anerkennung, bedingungslose Annahme, Zuwendung, Befreiung zum Leben werden angesprochen bzw. aufgelistet, ohne dass diese Begriffe weiter erläutert werden. Der Lehrplan für Sekundarstufe 1 aus Baden-Württemberg geht bei der Beschreibung des Themenbereichs „Schuld und Sünde, Vergebung, Rechtfertigung“ ähnlich vor (BW-SEK1, S. 24).

Wünsche und Träume für gelingendes Leben, biblische Texte von der Zuwendung Gottes als Lebensermutigung und Lebenshilfe sowie Erfahrungen von unerfüllten Hoffnungen, von Scheitern, von Schuld, von Vergebung nach Scheitern und von Neubeginn thematisiert der Lehrplan für Mittelschulen in Bayern im Lernbereich 7.2 „Auf dem Weg zu gelingendem Leben – Scheitern und Neubeginn“ (BY-MS, S. 19–20). Der Zugang zum Thema ist zwar erfahrungsorientiert, aber emotionale Aspekte werden dazu explizit nicht erwähnt. Ebenfalls erfahrungsorientiert, basierend auf den Erfahrungen der Schüler*innen mit der Zeit (wie z.B. Zeitdruck, Langeweile, Zeitempfinden) nähert sich der Lehrplan für Gymnasien in Bayern (BY-G8, S. 4) der biblisch-christlichen Sichtweise von Zeit, Endlichkeit und Ewigkeit. In diesem Zusammenhang werden „emotionsartige Formulierungen“ wie „Aufgehobensein in Gottes Hand“, „Befreiung vom Zwang“ oder mehrmals das Wort „Lebensgefühl“ erwähnt. Dabei wird aber nicht näher dargelegt, was unter „Lebensgefühl“ zu verstehen ist.

(e) Eintreten für Gerechtigkeit und für eigene Überzeugungen: Emotionen, die im Zusammenhang mit der Ausfüllung von Berufung und mit dem Eintreten für Gerechtigkeit stehen, werden im Lernbereich 8.2 „Propheten und die Frage nach Gerechtigkeit“ im gymnasialen Lehrplan in Bayern thematisiert (BY-G8, S. 2). Die Schüler*innen sollen sich über Möglichkeiten und Grenzen austauschen, wie sie eigene Standpunkte vertreten und für Gerechtigkeit eintreten können. Bei den Unterrichtsinhalten kommen die Zweifel und die Unsicherheit der Propheten zur Sprache und wie sie sich zum Reden gezwungen fühlen. Aber es werden auch die Erfahrungen von Ablehnung, Konkurrenz, Verfolgung und der Zweifel an Gott und am eigenen Auftrag thematisiert. Die Erfahrungen der Schüler*innen beim Eintreten für eigene Überzeugungen werden ebenfalls angesprochen: Dabei werden Mut, Stolz, Sicherheit, Angst, Zweifel, Einsamkeit als mögliche Gefühle explizit aufgezählt.

(f) Nächstenliebe, diakonisches Handeln, Liebe und Partnerschaft: Die Emotion „Liebe“ kommt in den Lehrplänen verschiedentlich zur Sprache. Dies geschieht jedoch überwiegend aus kognitiver oder ethisch-handlungsorientierter Perspektive. Die Nächstenliebe und das Doppelgebot der Liebe werden als Wegweiser für ein gutes Leben, als ethische Herausforderung, als Folge und Ausdruck der Gottesliebe, als Orientierung im Zusammenleben der Menschen dargestellt. Dies sollen die Schüler*innen erläutern, begründen, entfalten und/oder die beiden Texte im Wortlaut wiedergeben können (z.B.: BW-SEK1, 25; BW-G, S. 18; NI-G, S. 18; BY-MS, S. 19; BY-G7, S. 5). Im Kontext der Nächstenliebe und des diakonischen Handelns weist der Lehrplan für Gymnasien in Bayern explizit auf Gefühle im Zusammenhang der Erfahrungen der Schüler*innen angesichts von Hilfsbedürftigkeit sowie der Möglichkeiten und Grenzen des Helfens hin (BY-G7, S. 5).

(g) Emotionen bezüglich Liebe und Partnerschaft sprechen die bayerischen Lehrpläne explizit an. Nach einer Kompetenzbeschreibung sollen die Schüler*innen ihre Wünsche, Hoffnungen und Ängste bezüglich Partnerschaft und Liebe beschreiben, reflektieren und kommunizieren (BY-MS, S. 10; BY-G9, S. 5). Die Unterrichtsinhalte zu diesem Kompetenzbereich beinhalten ebenfalls emotional angelegte Themen, wie z.B. Erwartungen und Befürchtungen hinsichtlich Liebe, Partnerschaft, Sexualität, ihrem Gelingen und Scheitern, Aspekte gelingender Partnerschaft und Sexualität (z.B. Rücksichtnahme, Respekt, Nähe, Wahrnehmen von Bedürfnissen und Wünschen), Scheitern von Partnerschaften, Umgang mit Ängsten, Enttäuschungen und Verletzungen (BY-MS, S. 27–28, 31; BY-G9, S. 6). In diesem Lernbereich wird die Liebe Gottes zu den Menschen ebenfalls thematisiert und mit emotionsgeladenen Wörtern, wie Gott „als eifersüchtig Liebender, Gottes Hingabe und Mitleiden“, geschildert (BY-G9, S. 6). Als mögliche Konsequenzen dieser Liebe werden emotional geladene Phänomene angesprochen, wie z.B. Angewiesenheit, Vertrauen, Fürsorge, Behutsamkeit, Angenommensein in sexueller Identität und Orientierung.

(h)Sterben, Tod und Trauer: Die Trauer thematisieren alle untersuchten Lehrpläne im Kontext von Sterben und Tod. In den bayerischen Lehrplänen gehört zu diesem Kontext auch die christliche Auferstehungshoffnung (BY-MS, S. 34, 37; BY-G10, S. 4). Emotionale und handlungsorientierte Kompetenzanforderungen werden in den Lehrplänen in Bayern und in Niedersachsen erwähnt. So sollen die Schüler*innen Ausdrucksformen der Hoffnung, des Trostes und des Zuspruchs im Leid erläutern und gestalten (NI-G, S. 28) oder ihre Ansichten, Erfahrungen und Empfindungen zu Tod und Sterben zum Ausdruck bringen (BY-MS, S. 34, 37). In diesem kontextuellen Zusammenhang verwendet der bayerische Lehrplan für Mittelschulen mehrmals den nicht näher erklärten Begriff „Empfindung“.

(i) Sinn- und Gottesfrage: Der Glaube und Zweifel an Gott, die Gleichgültigkeit gegenüber Gott sowie die Erfahrungen der Schüler*innen mit Glauben sind emotionsgeladene Themen, die alle untersuchten Lehrpläne enthalten. Emotionen werden in den untersuchten Lehrplänen im Zusammenhang mit der Sinn- und Gottesfrage angesprochen. Dabei werden existenzielle Erfahrungen und Herausforderungen mit dem Fragen nach Sinn sowie nach Existenz und Wirken Gottes in Beziehung gesetzt (BW-G, S. 23, 25; BW-SEK1, S. 38). So sollen die Schüler*innen nach einer Kompetenzerwartung Widerfahrnisse des Lebens aufzeigen, in denen die Frage nach Gott aufbrechen kann (NI-G, S. 22). Als mögliche Unterrichtsinhalte für diesen Kompetenzerwerb gibt der gymnasiale Lehrplan in Niedersachsen die Themen Glück, Liebe, Bedrohungen, Unglück, Leid, Tod, Bewahrung und Naturkatastrophe an. Die bayerischen Lehrpläne sprechen im Kontext der Sinn- und Gottesfragen folgende emotionsgeladenen Themen an: die persönlichen Zukunftsvorstellungen, Lebensträume, Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen im Hinblick auf aktuelle und zukünftige Umbruchsituationen (BY-MS, S. 41; BY-G7, S. 4).

(j) Feste feiern, Glück erfahren: Freude und Glück werden in Zusammenstellungen von unterschiedlichen Emotionen in allen Lehrplänen genannt (BW-SEK1, S. 11; BW-G, S. 25; NI-G, S. 17; BY-MS, S. 13; BY-G5, S. 3). Diese Emotionsgruppe wird in den untersuchten Lehrplänen – bis auf den gymnasialen Lehrplan in Bayern – nicht näher thematisiert. Der gymnasiale Lehrplan in Bayern deutet Feste als „Zeit der Freude“ (BY-G6, S. 4). Er enthält auch einen eigenständigen Lernbereich zum Themenfeld „Glück“. Zu den Unterrichtsinhalten dieses Lernbereichs gehören die „Dimensionen von Glück, z.B. anhaltend und kurzzeitig, innerlich und äußerlich, materiell und immateriell, erarbeitet und unverfügbar, als zufälliges Ereignis und Schicksalswendung“ und die eigenen Erwartungen an ein glückliches Leben und die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Erfüllbarkeit (BY-G10, S. 3).

(k) Übergeordneter Kompetenzbereich Wahrnehmung, Deutung und Artikulation eigener Gefühle: Die emotionale Dimension wird in den bayerischen Lehrplänen in den Kompetenzstrukturmodellen des Faches Evangelische Religionslehre explizit angesprochen. Die Kompetenzen „eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen und deuten“ (BY-MS, S. 4) sowie „eigene Gefühle und Einstellungen artikulieren“ (BY-G-FP, S. 5) werden dem prozessorientierten Kompetenzbereich „Wahrnehmen und Deuten“ zugeordnet.

3.2 Emotionen in den Lehrplänen

Wenn die explizit erwähnten Emotionswörter der Lehrpläne den definierten Emotionsgruppen zugeordnet werden, so sind die meisten von den oben definierten Emotionsgruppen abgedeckt. Die Emotionsgruppen (2) Ekel, (7) Neid, (8) Scham, (11) Bewunderung sind in den Lehrplänen explizit nicht erwähnt. Eine hohe Anzahl an Belegen liegt bei der Emotionsgruppe (1) Angst vor. Auffällig ist, dass von den Basisemotionen (3) Freude selten thematisiert wird. Erwähnt werden noch in einem Lehrplan Mut und Sicherheit explizit als Gefühle, die aber nicht den festgelegten Emotionsgruppenlisten zugeordnet werden konnten. Jedoch bleibt die Zuordnung einzelner Emotionen zu den benannten Emotionsgruppen eine Definitionsfrage. Enttäuschung kann z.B. (5) Ärger oder (4) Trauer zugeordnet oder auch als eine eigene Kategorie geführt werden.

Die Bandbreite der erwähnten Emotionen und die Häufigkeit ihres Vorkommens gestaltet sich in den untersuchten Lehrplänen unterschiedlich. Die Mehrheit der in den Lehrplänen explizit thematisierten Emotionen ist in den bayerischen Lehrplänen, besonders im LehrplanPLUS für das Gymnasium, zu finden. Die bayerischen Lehrpläne führen die „Wahrnehmung, Deutung und Artikulation eigener Gefühle“ als einen prozessbezogenen Kompetenzbereich auf, der jahrgangsübergreifend ist und in allen Lernbereichen mitschwingen soll. Es werden zwar nicht zu allen Lernbereichen Emotionen explizit erwähnt, aber es ist das Bemühen durchaus erkennbar, Emotionen, emotionale Aspekte und die emotionale Dimension von Erfahrungen anzusprechen. Die analysierten Lehrpläne aus Baden-Württemberg und Niedersachsen haben hinsichtlich der explizit benannten Emotionen ihren deutlichen Schwerpunkt beim inhaltsbezogenen Kompetenzbereich Mensch und dabei wiederum bei den Klassenstufen 5/6.

Emotionen werden vor allem Menschen, aber in einigen Fällen auch Gott zugeschrieben. So sprechen die Lehrpläne über die voraussetzungslose Liebe Gottes, über das Mitleid Gottes sowie über den eifersüchtig liebenden Gott (NI-G, S. 19, 22; BY-G9, S. 3, 6). Die Mehrheit der explizit erwähnten Emotionen wird aber im Zusammenhang mit menschlichen Erfahrungen benannt. Diese Erfahrungen – und die damit verbundenen Emotionen/Gefühle – können die individuell subjektiven Erfahrungen der Schüler*innen sein, sie können sich aber auch auf Erfahrungen von anderen oder auf Erfahrungen von unbestimmten Subjekten beziehen. So spricht z.B. die Kompetenzanforderung „Ausdrucksformen für Klage, Trauer, Wut, Dank, Vertrauen und Bitte in den Psalmen beschreiben, vergleichen, erklären und kreativ gestalten“ (BW-SEK1, S. 11) zwar Emotionen explizit an, sie bezieht sich aber nicht unmittelbar auf die subjektiv-individuelle Ebene der Schüler*innen.

Der Bezug auf die eigenen oder fremden Erfahrungen bedeutet noch nicht unbedingt, dass die emotionale Ebene der Erfahrung auch angesprochen wird. Die Wahrnehmung von Erfahrungen und der Austausch darüber lässt die Frage offen, ob dies auch die Wahrnehmung der eigenen und fremden Gefühle und einen Austausch darüber beinhaltet (BY-G6, S. 1). So können z.B. im Themenbereich Liebe und Partnerschaft kognitive Perspektiven eine besondere Betonung erhalten, ohne dass emotionale Aspekte einbezogen werden (siehe BW-SEK1, S. 35; BW-G, S. 23). Selbst im Lernbereich „Feste feiern“, der in allen untersuchten Lehrplänen vorkommt, werden vor allem kognitive und handlungsorientierte, nicht aber auch emotionale Zugänge angesprochen. So sollen die Schüler*innen z.B. die Zusammenhänge zwischen dem Leben von Jesus Christus und Festen des Kirchenjahres aufzeigen und erläutern (siehe BW-SEK1, S. 18; BW-G, S. 14; BY-MS, S. 8) oder Elemente zur Gestaltung eines Festes entwerfen (siehe NI-G, S. 23; BY-MS, S. 18).

4 Analyse der Schulbücher

Die Schulbuchanalyse bestätigt insgesamt die Ergebnisse der Lehrplananalyse, erbringt aber auch Modifikationen. Die zehn Kontexte, die bei der Lehrplananalyse herausgearbeitet wurden, gelten auch als Kontextkategorien der Schulbücher. Dazu kommen drei weitere Kontexte, in deren Zusammenhang die ausgewählten Schulbücher Emotionen explizit thematisieren.

(l)Digitale Welt, digitales Leben: Die Schulbücher sprechen dabei unterschiedliche Emotionen im Blick auf Mediennutzung, Online-Kommunikation und digitale Lebenswelten an. So werden z.B. in Chat-Nachrichten über Handynutzung zahlreiche Gefühle erwähnt (OW+5, S. 61). Durch die Auseinandersetzung mit dem Streben nach Likes werden positive, aber auch negative Gefühle, wie z.B. ausgestoßen sein, Thema (RD7/8, S. 13). Auf Schamgefühle wird im Kontext von Shaming ausführlich eingegangen (OW+9, 36–37). Die emotionsgeladenen Meinungen zu einem Segensroboter weisen bereits auf die nächste Kontextkategorie hin (RD7/8, S. 48–49).

(m) Kirche, Gemeinde, Religion(en): Hierwerden Gefühle in Bezug auf die eigene Religion (RD7/8, S. 135), auf deren Rituale (OW+6, S. 95; RD5/6, S. 126) und die Wirkung von Kirchengebäuden (OW+7, S. 59–60; RD7/8, S. 124) thematisiert.

(n) Emotionen Gottes: Diese Kategorie ist schon ansatzweise in den Lehrplänen vorhanden. Aus den Belegstellen dieser Kontextkategorie werden hier der Zorn Gottes (RD5/6, S. 60; OW+8, S. 35), die Freude Gottes an seiner Schöpfung (RD5/6, S. 51) und eine Geschichte erwähnt, die die Gott-Mensch-Beziehung aus der Perspektive Gottes thematisiert (OW+9, S. 45). Dabei schildert diese Geschichte u.a. die Angst Gottes, dass er von den Menschen übersehen und ausgestoßen wird.

Der Kontextkategorie ‚Übergeordneter Kompetenzbereich Wahrnehmung, Deutung und Artikulation eigener Gefühlekommt in der Schulbuchreihe OrtswechselPLUS ein besonderer Stellenwert zu. Emotionale Aspekte, Gefühle, Gefühlslagen werden zu jedem Themenbereich und in vielfacher Weise kontinuierlich angesprochen bzw. nachgefragt.

Erstens werden die Schüler*innen ständig aufgefordert, ihre eigenen Gefühle / Stimmungen / Eindrücke zu artikulieren, zu beschreiben und/oder sich darüber auszutauschen. Exemplarisch genannt sei hier die Frage „Was hat dir Freude gemacht, was weniger?“, die am Ende eines jeden Ortswechselkapitels gestellt wird (OW+5, S. 17; OW+9, S. 137).

Zweitens werden Gefühle anderer Figuren in Ich- oder Wir-Form benannt. Fiktive Figuren oder reale Personen erzählen von ihren eigenen Gefühlen in erster Person Singular oder im Plural, in Präsens oder Vergangenheit. So wird z.B. geschildert, wie Mose sich nach der Begegnung mit Gott am brennenden Dornbusch fühlt (OW+5, S. 51) oder welche Gefühle ein jüdischer Zeitzeuge in verschiedenen Lagern erlebte (OW+9, S. 81). In zahlreichen Liedern und Gedichten kommen Gefühle in dieser Form auch vor (OW+7, S. 44), ebenfalls wie in zitierten Äußerungen von heutigen Schüler*innen (OW+6, S. 95).

Drittens werden Gefühle anderer Figuren aus der Perspektive der dritten Person geschildert, welche Emotionen sie in fiktiven oder wahren Geschichten bzw. Situationen erleb(t)en. So berichtet eine Passage über die Gefühle vom Propheten Elia in der Wüste (OW+8, S. 17), oder eine weitere Schulbuchseite schildert Gefühle heutiger Jugendlicher bezüglich eines Tanzprojekts (OW+7, S. 18). Emotionen werden auch als Eigenschaftsmerkmale einer Person bzw. einer Gruppe zugeschrieben (z.B. „ehrgeiziger Vater“, OW+7, S. 12).

Schließlich werden Gefühle in sich vorgestellt und erklärt, oder es wird über sie abstrakt reflektiert. So wird beschrieben, wie eine Mutter trösten kann (OW+8, S. 75) oder es wird über Stress und emotionale Erschöpfung von Kindern und Jugendlichen berichtet (OW+8, S. 94).

Diese Grundformen kommen in der Schulbuchreihe OrtswechselPLUS häufig in Mischformen vor. So sprechen z.B. in Interviews Personen über ihre eigenen Gefühle und über die Gefühle von anderen Menschen (OW+9, S. 49) oder die Schüler*innen werden aufgefordert, sich in Gefühle und Gedanken anderer Personen hineinzuversetzen (OW+6, S. 86) oder geschilderte Gefühlslagen anderer mit ihren eigenen Gefühlen zu vergleichen (OW+5, S. 75).

Die Schulbuchreihe Religion im Dialog spricht ebenfalls immer wieder Emotionen und emotionale Aspekte explizit an. Für diese Reihe ist charakteristisch, dass fiktive oder reale, pointierte Geschichten erzählt werden, wobei auch die Gefühlslage der Figuren in Ich-/Wir-Form oder aus der Perspektive der dritten Person beschrieben wird. Dann werden die Schüler*innen aufgefordert, sich in die Gefühle und Gedanken bestimmter Figuren hineinzuversetzen und diese zu schildern (RD7/8, S. 32, 37). Die Gefühle und Gedanken biblischer Figuren werden auch Thema, indem z.B. nach den Gefühlen von Amos (RD5/6, S. 83), Elija (RD5/6, S. 104), Ester (RD7/8, S. 20), Jeremia (RD7/8, S. 83) und der gekrümmten Frau (RD5/6, S. 109) gefragt wird. Dabei geht es um die Übernahme von und Auseinandersetzung mit den Perspektiven, die in den Geschichten enthalten sind. Die Erklärung von Gefühlen oder eine abstrakte Reflexion über sie kommt in diesen Schulbüchern selten vor. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Erläuterung zum Begriff Glaube, der „als ein starkes Gefühl, ein festes Vertrauen (lateinisch »fides«) zu einem göttlichen Gegenüber“ definiert wird (RD7/8, S. 59).

Die Schulbuchreihe OrtswechselPLUS spricht häufig Emotionen an. Das Ansprechen von negativen und positiven Emotionen ist ausgewogen. Angst und Wut werden relativ häufig thematisiert, ebenso Freude und Glück. Neben Basisemotionen werden auch weitere, für die Schüler*innen relevante Emotionen angesprochen, wie z.B. Mut (OW+8, S. 13), Erschöpfung (OW+8, S. 37), Schuld- und Rachegefühle (OW+6, S. 34–35) oder Peinlichkeit (OW+9, S. 14). Dabei werden Emotionen auch differenziert thematisiert, wie z.B. Stress und Langeweile (OW+8, S. 94–95), Schamgefühle (OW+9, S. 36–37, 65) oder Mitleid/Mitgefühl (OW+8, S. 122–123; OW+9, S. 65).

In der Schulbuchreihe Religion im Dialog kommen Emotionen immer wieder vor, aber nicht so häufig, wie bei OrtswechselPLUS. Die Emotionsgruppe Angst wird häufig thematisiert. Neben Ängsten von biblischen und geschichtlichen Personen, wie z.B. Amos (RD5/6, S. 62) und Luther, werden Ängste heutiger Menschen, wie z.B. Angst vor dem Fremden und Anderen (RD7/8, S. 76) oder Ängste eines geflüchteten Jungen (RD5/6, S. 71–73), angesprochen. Freude und Staunen kommen z.B. in Bezug auf die Schöpfung (RD5/6, S. 46, 50–51) vor. Die Schulbuchreihe ist geprägt von einer Kontrastierung von Emotionen. Innerhalb einer Themeneinheit werden negative und positive Emotionen kontrastiert erwähnt. So werden z.B. Stärke, Kraft und Mut im Kontrast zu Schwäche, Angst und Hoffnungslosigkeit thematisiert (RD5/6, S. 64). Durch diese Vorgehensweise wird das Emotionspotential eines Textes verstärkt.

Die Beantwortung der Frage, welche Emotionsgruppen die ausgewählten Schulbücher (explizit) erwähnen, bleibt fragmentarisch. Einerseits sind beide untersuchten Schulbuchreihen noch unvollständig, der jeweils letzte Band fehlt noch. Andererseits hängt es auch von der Methode ab, welche Emotionen erfasst werden (z.B. Analyseeinheiten, Zuordnungen). Diese Analyse berücksichtigt die Textelemente und kodiert vor allem die in den Texten explizit erwähnten Emotionen. Es ist festzustellen, dass die Bilder in beiden Schulbüchern eine besondere Rolle bei der Darstellung von Emotionen spielen. Weiterhin ist eine größere Anzahl von Textstellen zu finden, bei denen Emotionen implizit angesprochen werden. Hier sind insbesondere die Schilderung von Träumen, Wünschen und Sehnsüchten und die Frage danach relevant. Diese werden aber bei der Analyse nicht mitkodiert.

5 Konklusion und Ausblick

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Emotionen und mit emotionaler Bildung aus religionspädagogischer Sicht und liefert erste Einblicke in denemotionalen Gehalt von Lehrplänen und Schulbüchern für den evangelischen Religionsunterricht. Die Analyse zeigt, dass aktuelle Lehrpläne und jüngere Ausgaben von Religionsbüchern Emotionen in Blick haben, die sie explizit benennen und thematisieren. Die Lehrplananalyse macht sichtbar, in welchen Kontexten Emotionen angesprochen werden und verzeichnet Unterschiede bei der Häufigkeit und Bandbreite der benannten Emotionen sowie bei der Bedeutung von emotionalen Aspekten insgesamt zwischen den analysierten Lehrplänen. Es wird festgestellt, dass Emotionen überwiegend im Zusammenhang mit Erfahrungen thematisiert werden. Die Verbindung von Emotionen und Erfahrungen bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass emotionale Aspekte beim Ansprechen von Emotionen bzw. Erfahrungen zum Ausdruck kommen. Es kommt immer wieder vor, dass die Lehrpläne Emotionen zwar thematisieren, aber bei den kognitiven und handlungsorientierten Ebenen bleiben. Emotionale Aspekte kommen dann zur Sprache, wenn eigene oder fremde existenzielle Erfahrungen angesprochen bzw. nachgefragt werden.

Angst ist die Emotionsgruppe, die sowohl die Lehrpläne als auch die Schulbücher häufig thematisieren. Demgegenüber kommt Freude in den ausgewählten Lehrplänen selten zur Sprache. In den jüngeren, ausgewählten Schulbüchern bekommt diese Emotionsgruppe jedoch eine stärkere Beachtung.

Die empirische Erforschung von Emotionen und emotionalen Themen im Religionsunterricht in Lehrplänen und Schulbüchern für den (evangelischen) Religionsunterricht ist bislang ein weitgehend unbearbeitetes Feld. Die hier vorgestellte Analyse stellt einen deskriptiven Schritt in diesem Forschungsbereich dar. Für eine tiefgreifende Erörterung des emotionalen Gehalts von Schulbüchern und der (religions-)didaktischen Relevanz von Emotionen bedarf es weiterer Analyseverfahren, die die indirekte und assoziative Emotionalität und die Bilder ebenfalls im Blick haben, die im Fall der Schulbücher mit kleineren Analyseeinheiten arbeiten und die der Frage der religionsdidaktischen Funktion und Wirkung von geschilderten Emotionen nachgehen. Nach Gennerich (2015) haben Emotionen als Anforderungssituationen im kompetenzorientierten Religionsunterricht besonderes Potential. Kognition und Emotionen sind miteinander eng verwoben, die Schilderung von Emotionen der fiktiven oder realen Personen fördert Identifikationsprozesse, das Emotionspotenzial eines Textes gilt als Garant für wirkungsvolle Persuasion (Schwarz-Friesel, 2013). Diese und weitere Aspekte bilden genügend Grundlage dafür, die Bedeutung von Emotionen in der und für die religiöse Bildung auch empirisch intensiv zu erforschen.

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Dr. Mónika Solymár ist Professorin an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule Wien/Krems und Privatdozentin an der Universität Wien