Einleitung[1]

Regionalstudien bzw. (im Folgenden) Relevanzstudien zum Religionsunterricht, in denen die Perspektiven der Schüler*innen im Zentrum stehen, können mittlerweile als eigenes Feld der empirischen Forschung innerhalb der Religionspädagogik eingeordnet werden, mit denen das Anliegen verbunden ist, die Situation des Religionsunterrichts in den jeweiligen Bundesländern empirisch zu erforschen und zu begleiten (vgl. Schwarz, 2019). Ursprünglich bezog sich das vor allem auf die sogenannten neuen Bundesländer, weil das Fach (wieder) eingeführt worden ist (vgl. Hanisch & Pollack, 1996a/b; Hanisch, 2005a/b; Hanisch, 2006; Wermke, 2006; Domsgen & Lütze, 2010; Domsgen, Hietel & Tenbergen, 2021), oder auf Modellversuche (Riegel & Zimmermann, 2022; Gennerich, Käbisch & Woppowa, 2021). Mittlerweile gibt es diese Art von Relevanzstudien auch für Bayern (Schwarz & Dörnhöfer, 2016; Schwarz, 2019) und erste Ergebnisse auch in Rheinland-Pfalz (Schwarz, 2021; Schwarz, 2022) (Gesamtergebnisse vorauss. 2023), weil die Wahrnehmung der Akzeptanz und Relevanz des religiösen Bildungsangebotes religionsdidaktisch aufschlussreich und bildungspolitisch geboten ist.

Der Bezug auf ein bestimmtes Bundesland hat aufgrund des föderalen Bildungssystems nicht nur pragmatische Gründe. Vielmehr bietet der politische Rahmen Bundesland zugleich einen beschreibbaren und analysierbaren Kontext, in dem sich Religionsunterricht entwickelt. Dieser kann somit bundeslandspezifische Charakteristika annehmen, durch die seine Adressat*innen geprägt sein können, auch wenn die Regionen keine homogenen Gebilde sind (siehe dazu expl. die intraregionale Differenzierung bei Hanisch, 2006). Gleichwohl wäre eine deutschlandweite Studie zum Religionsunterricht sicher sehr informativ, wenn auch methodisch herausfordernd (so auch Domsgen & Witten, 2022, S. 50).  

Zu kurz gegriffen ist es allerdings, die Bedeutung der Relevanzstudien auf das jeweilige Bundesland zu begrenzen. Anhand ihrer Ergebnisse sind immer momenthafte Einblicke in die Wahrnehmung des konfessionellen Religionsunterrichts aus der Sicht der Adressat*innen wie in deren religionsbezogene und sozialisatorische Verortungen möglich, die über das jeweilige Bundesland hinausweisen können. Dafür sprechen auch die Ergebnisse aus den Vergleichen zwischen den regionenbezogenen Relevanzstudien, innerhalb derer Ergebnisse validiert und regionenspezifische Ausprägungen oder Herausforderungen erkannt werden bzw. Fragestellungen weiterentwickelt werden können (expl. dazu: Domsgen et al., 2021; Schwarz, 2019; Hanisch, 2005a; Hanisch, 2005b).

Fast alle bislang durchgeführten Regionalstudien eint, dass in ihnen Schüler*innen frühestens ab Klasse 5 befragt werden. Die Perspektiven von Grundschüler*innen (wie Förderschüler*innen) sind seit der Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht von Anton Bucher (Bucher, 2000) vor ca. einem Vierteljahrhundert zum „klassischen“ konfessionellen Religionsunterricht nicht mehr erhoben worden (Ausnahme: zum konfessionell-kooperativen (vgl. Riegel & Zimmermann, 2022); somit beruhen aktuelle Einschätzungen über die Bedeutung des „klassischen“ konfessionellen Religionsunterrichts aus der Sicht von Grundschüler*innen auf subjektiven Erfahrungen und Vermutungen. Empirisch (Ausnahme: Kießling,Günter & Pruchniewicz, 2018) völlig unbedacht ist bislang der evangelische Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz. Beiden Desideraten wird mit der im Folgenden vorgestellten Studie, aus der exemplarisch Ergebnisse präsentiert werden, begegnet.

Leitend ist hierbei die religionspädagogisch-didaktische Annahme, dass Subjektorientierung als religionspädagogische Handlungsmaxime angewiesen ist auf empirische Einblicke in die Rezeption des bestehenden religiösen Bildungsangebotes und in die religionsbezogenen Voraussetzungen auf der Seite der Teilnehmenden, um das Bildungsangebot aus der erhobenen Sicht der Adressat*innen heraus reflektieren und um der Lernenden wegen weiterentwickeln zu können.

1 Theoretische Einbettung und empirischer Forschungsstand

Rheinland-Pfalz ist dasjenige Bundesland mit der sechshöchsten Einwohnerzahl innerhalb Deutschlands und einer vergleichsweise kleinen Fläche sowie der drittgeringsten Arbeitslosenquote nach Bayern und Baden-Württemberg (Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2022).

Prägend für die Geschichte des Religionsunterrichts in Rheinland-Pfalz ist „die Frage nach der Rolle von Religion und Konfession in der Schule“ als Konfliktfeld (Altmeyer, Weyer-Menkhoff & Frenschkowski, 2020, S. 292). Katholischerseits befinden sich im Bereich von Rheinland-Pfalz die Bistümer Limburg, Mainz, Speyer, Trier sowie das Erzbistum Köln. Evangelischerseits sind es die evangelischen Landeskirchen der Pfalz, von Hessen und Nassau sowie die Evangelische Kirche im Rheinland: „Protestanten stellen in 11 von 36 Gebieten (d.h. Landkreisen und kreisfreien Städten), Katholiken in 18 Gebieten die Mehrheitsreligion. In sieben Gebieten (insbes. den Großstädten Mainz, Ludwigshafen und Kaiserslautern) ist die Mehrheit weder katholisch noch evangelisch“ (Altmeyer et al., 2020, S. 292).

Aktuell (Stand Juni 2022) gehören 36,2% der römisch-katholischen, 24,4% der evangelischen und 1% der orthodoxen Kirche an, sonstige/keine Zugehörigkeit haben 38,4% der rheinland-pfälzischen Bevölkerung (Quelle: Statistisches Landesamt RLP).

In Rheinland-Pfalz gibt es seit der Schulreform in 2009 die Schularten Grundschule, Realschule plus, Integrierte Gesamtschule, Gymnasium und Förderschule; Realschule plus umfasst Haupt- und Realschulen (Altmeyer et al., 2020, S. 295). Der Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz findet offiziell konfessionell getrennt statt, in der Praxis – insbesondere an Grundschulen, Förderschulen und Berufsschulen – wird er teilweise auch im Klassenverband erteilt, manchmal auch durch die Klassenlehrer*innen, nicht aber ausgebildete Fachlehrer*innen (so auch die Vermutung von Altmeyer et al., 2020, S. 303). Modellhaft wird die konfessionelle Kooperation erprobt (vgl. https://religion.bildung-rp.de/fachuebergreifender-und-faecherverbindender-unterricht/konfessionelle-kooperation-im-religionsunterricht.html). An den Realschulen plus und an den Gymnasien findet weitgehend klassischer konfessioneller Religionsunterricht statt. An einigen Grundschulen und Sekundarschulen wird islamischer Religionsunterricht seit 15 Jahren in einer Erprobungsform erteilt. Trotz dieser relativ starken Rahmenbedingungen für den konfessionellen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz gibt es auch Kritik am Fach: So hatte sich z. B. die Landeschüler*innenvertretung von Rheinland-Pfalz 2019 unter großem medialen Interesse für eine Veränderung der Landesverfassung ausgesprochen und damit für die Abschaffung des Faches Religion plädiert.[2]

Die religionssoziologische Entwicklung innerhalb des Bundeslandes zeigt sich sowohl in der Entwicklung der Teilnehmendenzahlen (2008–2022) wie auch in der konfessions-/religionsbezogenen Zusammensetzung der Schüler*innen im Religions- und auch im Ethikunterricht, worauf im Folgenden (Diagramm 1–4) kurz eingegangen wird.  

Diagramm 1: Entwicklung der Teilnehmendenzahlen am RU/EU für alle Schularten

Legende: RU = Religionsunterricht, EU = Ethikunterricht, TN = Teilnahme (Diagramm 1–4)

Diagramm 2Entwicklung der Teilnehmendenzahlen am RU/EU an Grundschulen

Diagramm 3: Entwicklung der Teilnehmendenzahlen am RU/EU an Realschulen plus

Anmerkung: Der Anstieg der Schüler*innenzahlen an der Realschule plus und der Rückgang an den Gymnasien scheint mit der Coronapandemie insofern zusammenzuhängen, als es eine erkennbare Anzahl an freiwilligen Wiederholer*innen gibt und evtl. auch eine „leichtere Schulart“ gewählt wird, so die Vermutung von Seiten des Statistischen Landesamtes in Rheinland-Pfalz; ein herzliches Dankeschön geht an Herrn Arne Wilbert für die Bereitstellung der Daten und den Hinweis.

Diagramm 4: Entwicklung der Teilnehmendenzahlen am RU/EU an Gymnasien

Die Entwicklung der Teilnehmendenzahlen am RU/EU beinhaltet über die hier gezeigten Schularten hinweg eine ähnliche Tendenz, nämlich den Rückgang der Teilnehmer*innenzahlen für den evangelischen und katholischen Religionsunterricht (besonders eklatant im hier nicht abgebildeten Förderschulbereich) und einen Anstieg der Teilnehmendenzahlen für den Ethikunterricht. Im Grundschulbereich nähern sich die Teilnehmendenzahlen für die drei Unterrichte aneinander an, sodass man hier von einem quantitativ ähnlich gelagerten Nebeneinander der Unterrichte sprechen kann. In den Realschulen plus hat der Ethikunterricht mehr Teilnehmendenzahlen als der evangelische oder katholische Religionsunterricht. An den Gymnasien haben katholischer und evangelischer Religionsunterricht mehr Teilnehmendenzahlen, die Entwicklungstendenz entspricht aber in verlangsamter Form der an den Grundschulen. Während der islamische Religionsunterricht an den Grundschulen einen Zuwachs an Teilnehmenden verbuchen kann, geht die Anzahl der Teilnehmer*innen an den Realschulen plus und an den Gymnasien nach einem Anstieg zurück.

Neben religionssoziologischen Faktoren spielt für den Ethikunterricht und den islamischen Religionsunterricht auch die Versorgung mit entsprechend ausgebildeten Lehrkräften eine Rolle.

Konfessionelle/religiöse Zusammensetzung der Teilnehmenden am RU/EU im Schuljahr 2021/2022 (Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz)

Tab. 1:Konfessions-/Religionszugehörigkeit an allen Schularten im RU/EU

Tab. 2:Konfessions-/Religionszugehörigkeit an Grundschulen im RU/EU

Tab. 3:  Konfessions-/Religionszugehörigkeit an Realschulen plus im RU/EU

Tab. 4:  Konfessions-/Religionszugehörigkeit an Gymnasien im RU/EU

Erkennbar ist, dass der Anteil konfessionsfreier Schüler*innen je nach Schulform bis zu einem Viertel im Religionsunterricht beträgt, im katholischen Religionsunterricht ist der Anteil kleiner, hier mag die lange betonte Trias noch einen Einfluss haben. In konfessionell-/religiöser Hinsicht ist die Zusammensetzung der Schüler*innen vor allem im Ethikunterricht heterogen, wo sich der Anteil muslimischer und konfessionsfreier Schüler*innen in etwa angleicht; auch der Anteil katholischer und evangelischer Schüler*innen im Ethikunterricht ist sichtbar, aber sehr klein. Unklar ist, ob die konfessionsgebundenen Schüler*innen aus Mangel eines Alternativangebotes am Ethikunterricht teilnehmen oder aus personell-inhaltlichen Gründen.

Anhand der Zahlen ist auch zu sehen, dass der Anteil der konfessionsfreien Schüler*innen im evangelischen Religionsunterricht in den Grundschulen im Vergleich zu den anderen Schultypen am höchsten ist. Insgesamt (alle Schultypen) beträgt der Anteil konfessionsfreier Schüler*innen im evangelischen Religionsunterricht ca. 14,7% und liegt damit deutlich unter dem von Domsgen und Witten (2022, S. 50) vermuteten Durchschnitt von 22–25% in Deutschland. An den Grundschulen sind es 21,4%, an Realschulen plus 9,8% und an den Gymnasien 11,1%; unklar ist, ob der höhere Anteil an den Grundschulen eine Entwicklungstendenz oder das häufigere Fehlen des Alternativfaches Ethik anzeigt. Aufschluss darüber geben die Antworten der befragten Schüler*innen.[3] Der Anteil an den Sekundarschulen ist mit dem in Bayern (ca. 10%) ungefähr vergleichbar (vgl. Schwarz, 2019, S. 169).

Empirische Untersuchungen zum (evangelischen) Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz fehlen weitgehend (so auch Altmeyer et al., 2020, S. 311–312), zu den Perspektiven von Schüler*innen ganz. Zu nennen ist hier allein die Studie von Klaus Kießling, Andreas Günter und Stephen Pruchniewicz „Machen Unterschiede Unterschiede?“, die an Primarstufen (zum Teil allerdings in Hessen) im Bistum Mainz zu gemischtkonfessionellen Lerngruppen durchgeführt wurde und die Perspektiven der Lehrkräfte untersucht (Kießling, Günter & Pruchniewicz, 2018).

Bekannt ist, dass der Religionsunterricht an Grundschulen am besten besucht wird, (Domsgen & Witten, 2022, S. 40); zum Teil hängt das sicher mit dem Mangelangebot des Alternativfaches Ethik zusammen, wie er in einigen Bundesländern noch besteht (Domsgen & Witten, 2022); konzeptionell unterscheidet er sich von den weiterführenden Schulen durch das Heterogenitätsspektrum, das so in keiner weiterführenden Schule begegnet (Domsgen & Witten, 2022, S. 38). Für Grundschulen ist die oben bereits erwähnte Studie zum katholischen Religionsunterricht von Anton Bucher (2000) zu nennen, der die Akzeptanz und Effizienz des Faches aus der Sicht der Schüler*innen untersucht hat. Im Ergebnis zeigte sich, dass die religiöse Sozialisation der stärkste Prädikator für die Akzeptanz des Faches an der Grundschule ist (Bucher, 2000, S. 52).

Zu den Gründen für die fehlende quantitative Forschung an Grundschulen können zum einen befürchtete Schwierigkeiten mit der Genehmigungspraxis zählen, zum anderen aber auch die Annahme, dass die Kinder aufgrund ihres Entwicklungsstandes und Sprach- wie Schreibvermögens möglicherweise Schwierigkeiten beim Beantworten eines Fragebogens haben. Aber auch die Überzeugung, dass eine Relevanzstudie aufgrund des etwaigen positiven Images des Religionsunterrichts bei Grundschüler*innen nicht not-wendig ist, könnte eine Rolle spielen.

Im Kontext von Relevanzstudien sind vor dem beschriebenen Hintergrund Fragen nach der Motivation, nach dem Erleben des Faches und seiner Relevanz zentral (zum Überblick vgl. Schwarz, 2019, S. 54­–58), denn „[z]u den Aufgaben des Religionsunterrichts als ordentlichem Unterrichtsfach gehört die Initiierung von Lernprozessen und deshalb auch die Herstellung und Begünstigung von Motivation“ (Schwarz, 2020, S. 300). Von daher ist es (empirisch) von Bedeutung, sowohl die Besuchsmotivation als auch die Faktoren, die die Ausprägung bedingen, zu erheben und zu analysieren.

Motivationstheoretisch kann die Ausprägung von Motivation mit Hilfe unterschiedlicher Modelle erklärt werden. Die Grundstruktur des sogenannten erweiterten kognitiven Motivationsmodells besteht aus „der wahrgenommenen Situation, einer möglichen Handlung, dem Ergebnis dieser Handlung und den Folgen, die das Handlungsergebnis mit bestimmter Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen wird.“ (Schwarz, 2020, S. 300). Wichtig ist die Erweiterung des ursprünglichen Modells durch Heckhausen, der die tätigkeitszentrierten Anreize ergänzte (Schwarz, 2020). Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan hingegen setzt bei den Bedürfnissen des Menschen nach Kompetenzerleben, nach Autonomie/Selbstbestimmung und nach sozialer Eingebundenheit an. Dazu zählt, dass wichtige Bezugspersonen Anteil an den Lernprozessen nehmen, dass die Bedürfnisse befriedigt, die Autonomiebestrebungen der Lerner*innen unterstützt und die Erfahrung individueller Kompetenz ermöglicht werden (Schwarz, 2020).

In vorhergehenden Relevanzstudien ist der Zusammenhang zwischen dem Erleben des Faches und der Fachmotivation bestimmt worden. So zeigt Bucher (2000, S. 53) differenziert die Abhängigkeit der Einschätzung des Faches vom Binnengeschehen (Lehrkraft, Themen) und der religiösen Sozialisation auf; Schwarz (2019, S. 158) beschreibt in ihrer Studie für die Sekundarstufe I ebenfalls den Zusammenhang zwischen Erleben und Besuchsmotivation, besonders eng mit der Besuchsmotivation waren die erlebten Lernemotionen Langeweile und Spaß verbunden, wobei die zweitgenannte Lernemotion stark an die Lehrkraft geknüpft war.

Gleichzeitig sind die Motivation zum Besuch des Faches und die dem Fach zugeschriebene Relevanz bei aller auch statistisch erkennbaren Verbundenheit voneinander zu differenzieren. Formal lässt sich Relevanz als eine not-wendige Verbindungs- und/oder Beziehungskategorie für als hilfreich bewertete (Neu-)Verknüpfungen verstehen (Schwarz, 2020). Religionspädagogisch wird Relevanz mit Wert-, Sinn- und Aneignungsfragenverknüpft und als Schlüsselkategorie religiöser Bildung eingeordnet (Schwarz, 2020). Diese religionspädagogische Einordnung zeigt auf, dass kaum ein zweites Fach zum einen öffentlich Plausibilisierungsstress (vgl. der gleichnamige Titel und die Analysen bei Domsgen und Witten, 2022) ausgesetzt ist und gleichzeitig einen so hohen, weil oftmals als existentiell markierten, Relevanzanspruch an sich selbst hat (vgl. Lorenzen, 2020, S. 75–94; Domsgen, 2012, S. 98).

Festgehalten werden kann, dass die Relevanzfrage eingebunden ist in die Spannung zwischen der Nichtherstellbarkeit von Relevanz auf der einen Seite – weil Relevanz eine „subjektiv und situativ bestimmte Größe (ist, S.S.), die sich in Form der Abwägung vollzieht“ und deshalb autorekursiven Charakter besitzt – und dem Ziel, relevante religionsbezogene Bildungsprozesse anzustoßen, auf der anderen Seite (Schwarz, 2020, S. 308). 

Empirisch ist – so zumindest die Ergebnisse aus der bayerischen Schüler*innenstudie – die Relevanzeinschätzung des Faches stark mit der Besuchsmotivation, mit christlich-religiösen Themen, Zielen und der Notenrelevanz verbunden. Die dem Fach zugeschriebene Relevanz hängt demnach eng mit der Akzeptanz des christlich-religiösen Profils des Faches, dem erlebten Unterrichtsgeschehen wie mit der religiösen Selbstverortung der Schüler*innen zusammen (Schwarz, 2019; Schwarz & Dörnhöfer, 2016; ähnlich auch Domsgen et al., 2021). Insofern dem Fach bescheinigt wird, irrelevant zu sein, wird dies mit der fehlenden Bedeutsamkeit für den beruflichen, gesellschaftlichen, schulischen oder persönlichen Bereich begründet (vgl. Schwarz, 2019, S. 288–294). Relevanztheoretisch gesprochen erkennen die Schüler*innen dann keine hilfreichen (Neu-)Verknüpfungen mit ihren Lebens- und/oder Glaubensfragen.  

Ein häufig wiederholtes Image des Religionsunterrichts ist das des „Laberfaches“. Empirische Befunde scheinen dieses „Vor-Urteil“ dann zu bekräftigen, wenn das Anforderungsniveau von 85,9% als mindestens eher genau richtig oder leicht eingeschätzt wird (Schwarz, 2019, S. 261) oder Ergebnisse aus der Unterrichtsforschung auf die geringe kognitive Aktivierung verweisen (Pirner, 2013; Englert, Hennecke & Kämmerling, 2014, S. 147; ähnlich Riegel & Leven, 2018, 186­­­–187), wobei die Thematik nicht nur das Fach Religionsunterricht betrifft (Pirner, 2013; Porzelt, 2021).

Bislang verbleiben die Antworten der Schüler*innen zu den genannten Akzeptanz- und Relevanzaspekten wie auch die Interpretationen der Studiendurchführenden fast ausschließlich im fachlichen Binnendiskurs[4], weil kaum vergleichbare Studien aus anderen Fächern existieren und sich die Lernenden zum Religionsunterricht, nicht aber über andere Fächer äußern. Von daher ist offen, ob/wie sehr sich die Einschätzung des Faches von der anderer Fächer (nicht) unterscheidet. Kontextualisierungen der fachbezogenen Einschätzung erfolgten bislang vor allem über die Frage nach dem Lieblingsfach (expl. dazu: Schwarz, 2019; Bucher, 2000), über den Vergleich der Besuchsmotivation Religionsunterricht und Schule (expl. dazu: Schwarz, 2019; Hanisch, 2005a; Hanisch, 2005b), die Schulnoten (Riegel & Zimmermann, 2022) und durch parallel im Religions- wie im Ethikunterricht erhobene Perspektiven auf das jeweilige Fach (Schweitzer, Wissner, Bohner, Nowack, Gronover & Boschki, 2018; Schweitzer, Wissner, Bohner, Nowack, Gronover & Boschki, 2020).

Ungeklärt ist aber, wie sich die dem Fach zugeschriebene (Noten-)Relevanz, Interessantheit (oder Langeweile) oder das Anforderungsniveau aus der Sicht der Schüler*innen zu anderen Fächern verhält.

Resonanzstudien werden zum Teil methodisch kritisch rezipiert, vor allem im Blick auf die Erhebung der religionsbezogenen Einstellungen und Voraussetzungen der Schüler*innen, das gilt vor allem für die Frage nach dem Gottesglauben (vgl. dazu Schwarz, 2019, S. 92–98). Um der Vergleichbarkeit der Ergebnisse, der Bewährtheit wie der begrifflichen Alltagsnähe wegen wird dieses Item auch in der hiesigen Studie eingesetzt (Ebd.). Ein weiterer Hinweis bezieht sich auf die Frage nach der Angemessenheit der statistischen Auswertung, insofern meistens Klumpenstichproben vorliegen, denen eine hierarchische Struktur inne liegt (Ahlers, 2016). Jedoch gibt es bei der Befragung von Schüler*innen kein anderes Stichprobendesign, das mit vergleichbarem Aufwand eine Zufallsstichprobe ermöglicht. Problematisch kann ein solches Stichprobendesign gerade dann sein, wenn innerhalb der jeweiligen Klumpen eine starke Homogenität des Antwortverhaltens vorherrscht und/oder nur wenige Klumpen in der Stichprobe enthalten sind. Mit Hilfe der Mehrebenenanalyse kann die hierarchische Struktur fehlerminimierend berücksichtigt (Ahlers, 2016, S. 110) und können etwaige Unterschiede zwischen den Lerngruppen herausgefunden werden. Dieses Verfahren wird bislang eher selten in der Religionspädagogik angewendet, vor allem im Kontext außerschulischer religiöser Bildung (Ilg, 2010; Ilg & Lüdtke, 2011) und in wenigen Interventionsstudien (z.B. Schweitzer & Bucher, 2020; Schweitzer et al., 2018; Schweitzer et al., 2020).

2 Forschungsinteresse und methodisches Design

2.1 Desiderate und Forschungsfragen

Mit der hier vorgestellten Studie wird folgenden Forschungsdesideraten begegnet:  

a. fehlende empirische Untersuchung zum evangelischen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz (aus der Sicht von Schüler*innen)

b. fehlende empirische Untersuchung zum evangelischen „klassisch“ konfessionellen Religionsunterricht aus der Sicht von Schüler*innen an Grundschulen (in Rheinland-Pfalz) seit 1997

c. eine fächerübergreifende und fächerbezogene Kontextualisierung der Facheinschätzung hinsichtlich Anforderungsniveau, Interessantheit, Relevanz und Anstrengung

d. methodische Anwendung der Regressions-/Mehrebenenanalyse, um herauszufinden, ob/inwiefern Lerngruppenunterschiede für die Beantwortung/Einschätzung des Faches eine Rolle spielen und welche Faktoren welchen Anteil an der Gesamtvariation haben.

Die Forschungsfragen für die exemplarische Auswahl von Fragestellungen in diesem Artikel lauten vor dem Hintergrund:

Zur Besuchsmotivation und zum Erleben des Religionsunterrichts

  1. Wie gern besuchen die Schüler*innen den ev. Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz an Grundschulen, Realschulen plus und an Gymnasien?

  2. Welche Faktoren/Variablen (Alter, Geschlecht, Schultyp, Region, Gottesglaube) tragen zur Erklärung der Besuchsmotivation bei? Hängt die Besuchsmotivation mit unabhängigen Faktoren (Alter, Geschlecht, Schultyp, Region, Gottesglaube) zusammen?

  3. Wie erleben die Schüler*innen den Religionsunterricht?

  4. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen der Besuchsmotivation und dem Erlebten im Religionsunterricht?

  5. Welche Faktoren/Variablen (Alter, Geschlecht, Schultyp, Region, Gottesglaube) tragen zur Erklärung des Erlebens des Religionsunterrichts bei?

  6. Welchen Einfluss hat die Homogenität innerhalb der jeweiligen Lerngruppen auf die Einschätzung des RUs und lässt sich anhand einer adäquaten Modellierung eine bessere Erklärung der Variation der Untersuchungsvariablen erreichen?

Zur Einschätzung des Faches im Fächervergleich

  1. Wie schätzen die Schüler*innen die Fächer Mathematik, Deutsch, Musik und Religionsunterricht hinsichtlich Akzeptanz, Interessantheit, Anforderungsniveau und Anstrengung ein?

  2. Hängt die Einschätzung der Fächer mit unabhängigen Faktoren (Alter, Geschlecht, Schultyp, Region, Gottesglaube) zusammen?

  3. Welcher Aspekt hat die meiste Aufklärungskraft hinsichtlich der Facheinschätzung Religion im Vergleich zu anderen Fächern und lässt sich anhand einer adäquaten Modellierung der (potenziellen) Homogenität der Lerngruppen eine bessere Erklärung der Variation der Untersuchungsvariablen erreichen?

2.2 Methodisches Design und Stichprobe

Da, wie bereits dargestellt, die Gemeindestruktur in Rheinland-Pfalz sowohl bezüglich ihrer Größe als auch bezogen auf die konfessionelle Mehrheit durchaus heterogen ist, wurde als Stichprobenansatz ein balanciertes Stichprobendesign nach Deville und Tillé (2004) angewendet. Als Populationsparameter, nach denen die Bruttostichprobenzusammensetzung optimiert wurde, dienten der Anteil der Protestanten innerhalb der Gemeinden, die Verteilung nach städtischer oder ländlicher Gemeinde, die regionale Zugehörigkeit sowie die Schulart, aufgeteilt nach Grundschule, Realschule plus sowie Gymnasium.

Das Stichprobendesign wurde als zweistufige Klumpenstichprobe angelegt, bei der in einem ersten Schritt eine entsprechende Schule mit gleichen Wahrscheinlichkeiten und im Anschluss mindestens eine Religionsgruppe der entsprechenden Kassenstufen 9 und 10 (Realschule plus und Gymnasium) oder 3 und 4 (Grundschule) ausgewählt wurde. Innerhalb der Klasse wurden im Anschluss alle Schüler*innen, die am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen, befragt.

Brutto wurden 300 der insgesamt 1.269 rheinland-pfälzischen Schulen ausgewählt (Primäre Erhebungseinheiten). Der Feldstart war im Januar 2020. Die Befragung wurde aufgrund der im Zuge der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen und der damit verbundenen Schulschließungen erheblich erschwert, wodurch einmal die Feldzeit ausgeweitet werden musste sowie der Rücklauf aufgrund der Mehrbelastung einiger Schulen unterhalb des Erwarteten geblieben ist. Feldende war daher der Dezember 2020. Somit resultierte die Bruttostichprobe in einem Netto von 82 Schulen bzw. einer Ausschöpfung von 27,3% [Response Rate 1 nach AAPOR auf Schulebene; siehe AAPOR (2016)].

Die Nettostichprobe setzte sich dabei aus Schüler*innen aus 59 Grundschulen, 10 Realschulen plus sowie 12 Gymnasien zusammen.[5] Insgesamt wurden dabei ca. 1.600 Schüler*innen befragt. Nach Bereinigung unvollständiger Fragebögen verblieben noch ca. 1.400 Schüler*innen, die zur Analyse der obigen Fragestellungen betrachtet werden konnten. Darunter ca. 61% Grundschüler*innen, ca. 13% Schüler*innen der Realschulen plus sowie 26% Gymnasiast*innen. Der Anteil männlicher und weiblicher Schüler*innen ist dabei vergleichbar.

Die Untersuchung der Schüler*innen erfolgte quantitativ mittels papiergestützter Fragebögen. Diese wurden im Zuge des Religionsunterrichts vor dem Beginn der Schulschließungen wegen Corona durch studentische Hilfskräfte ausgegeben und wieder eingesammelt. Nach den Schulschließungen führten die Religionslehrkräfte die Befragung entweder selbst durch und sandten die Fragebögen wieder zurück oder nahmen mit ihren Realschul-/Gymnasialklassen online an der Befragung teil oder haben ihre Teilnahme abgesagt.

Das Erhebungsinstrument beinhaltete neben soziodemografischen Charakteristika wie Alter und Geschlecht auch Fragen zur Besuchsmotivation, zum Erleben des Religionsunterrichts, zu den Themen und Zielen des Faches, zur Einschätzung des Fachprofils im Vergleich zu anderen Fächern, zum Anforderungsniveau, zu Wunschfragen und zu den religionsbezogenen Voraussetzungen der Schüler*innen. Um der Vergleichbarkeit wegen wurden Items zum Teil aus der bayerischen Vorgängerstudie übernommen (Schwarz, 2019), für die Grundschüler*innen vereinfacht und zum Teil modifiziert wie erweitert (detailliert dazu in Schwarz, vorauss. 2023).

Um zu prüfen, ob regionale Partikularitäten sowie die Gegebenheiten an unterschiedlichen Schulen und Schulformen einen Einfluss auf die zuvor dargestellten Fragestellungen haben, wurde ein mehrschrittiges Untersuchungsvorgehen verwendet. In einem ersten Schritt wurde die Korrelationsstruktur aller für die späteren Modellschätzungen relevanten endogenen und exogenen Variablen berechnet.

Im Anschluss wurden unterschiedliche Modelle der jeweiligen endogenen Variable berechnet, um zu bestimmen, wie und ob die hierarchische Struktur der Daten, die durch die regionale Schichtung sowie der Klumpung von Schüler*innen in Klassen in Schulen gegeben ist, einen Einfluss auf die Güte der Schätzung hat. Beginnend wurde jeweils ein multiples Regressionsmodell unter der Berücksichtigung von Schulart, Alter, Geschlecht, Gottesglaube sowie der Schulnummer als regionale Einheit geschätzt. Darin genestet wurde die Modellschätzung unter Ausschluss der Schulnummer wiederholt. Der Vergleich dieser beiden Modelle diente der Prüfung, ob regionale Faktoren einen Unterschied in dem Anteil der erklärten Variation der endogenen Variablen haben.

Darauffolgend wurde, um die hierarchische Struktur der Daten stärker im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen, ein Mehrebenenmodell gerechnet. Eine solche Vorgehensweise bietet sich gerade dann an, wenn Daten innerhalb einer hierarchischen Struktur, wie in dem hiesigen Fall, vorliegen, bei der die Untersuchungseinheiten in einer höheren Einheit gegliedert sind (vgl. Gelman & Hill, 2009). In der hier betrachteten Erhebung sind Schüler*innen (Ebene 1) in Klassen innerhalb einer Schule (Ebene 2) zusammengefasst. Aufgrund des Stichprobendesigns lässt sich demnach die Schulnummer als Ebene 2-Variable zur Gliederung der Schüler*innen heranziehen. Die zugrundeliegende Annahme zur Durchführung dieser Art der Modellierung ist, dass Untersuchungseinheiten der niedrigeren Ebene (Schüler*innen) in ihrem Antwortverhalten nicht völlig unabhängig voneinander sind. Diese Homogenität des Antwortverhaltens der Schüler*innen (niedrigere Ebene) innerhalb der Klassen/Schulen (höhere Ebene) wird anhand des sog. Intra-Klassenkorrelationskoeffizienten (Intraclass Correlation Coeffitient (ICC)), der gewöhnlich zwischen 0 und 1 liegt, ausgedrückt (vgl. Kish, 1965). Im vorliegenden Fall wird der Heterogenität auf höherer Ebene bei der Betrachtung des Achsenabschnitts genüge getragen (Random-Intercept Model). Auf niedrigerer (Individual-)Ebene werden sog. Fixed-Effects untersucht, deren Achsenabschnitt dann in Abhängigkeit der höheren Ebene (Schulen) unterschiedlich variieren kann. Im vorliegenden Fall wurden Alter, Geschlecht, Schultyp und Gottesglaube als Fixed-Effects verwendet. In einem letzten Schritt wurde dann das gleiche Mehrebenenmodell getrennt nach Schulart untersucht.

Im Anschluss wurde unter der Zuhilfenahme des Akaike Informationskriteriums (AIC) eine Modellentscheidung unter den jeweils 4 Modellen getroffen, um zu beurteilen, welches der Modelle die Variation der jeweilig untersuchten, exogenen Variablen am besten erklärt. Unter den Modellen wurde jeweils dasjenige, das den geringsten Wert des AIC aufweist, als dasjenige ausgewiesen, das den höchsten Erklärungsgehalt an den jeweiligen abhängigen Variablen hat. Getrennt hiervon ist die Untersuchung des Mehrebenenmodells unterschieden nach Schultyp zu betrachten. Da diesem eine Veränderung der Anzahl an Beobachtungen und unter Umständen eine Veränderung der Variation der abhängigen Variablen zugrunde liegt, sind die drei separat gerechneten Modelle nicht direkt mit denjenigen, die über alle Schultypen gerechnet wurden, vergleichbar.

Vergleichbar, wenn auch ein wenig verändert, wurde der Frage nach dem Religionsunterricht im direkten Fächervergleich nachgegangen. Dazu wurden die beiden abhängigen Variablen des Interesses am Religionsunterricht und die empfundene Relevanz des Religionsunterrichts näher in mehreren multiplen Regressionsmodellen sowie in vergleichbaren Mehrebenenmodellen untersucht. Hierbei wurden sowohl die zuvor verwendeten exogenen Variablen zur Erklärung der Variation herangezogen als auch das Interesse, die Schulnote und das Relevanzempfinden der Fächer Musik, Deutsch und Mathematik.

Die hier im Näheren betrachteten Analysen wurden unter der Zuhilfenahme des Programmes R Version 4.0.2 (vgl. R Core Team, 2021) sowie dessen Bibliotheken lme4 und ggplot2 durchgeführt.

3 Darstellung der Ergebnisse

Aufgrund des begrenzten Platzes werden die Ergebnisse[6] bereits in der Darstellung zu Ergebnissen aus vergleichbaren Studien ins Verhältnis gesetzt. Als vergleichbar gelten Studien, die sich ebenfalls auf den „klassischen“ konfessionellen Religionsunterricht beziehen und eine ähnliche Skalierung der Items aufweisen.

3.1 Motivation zum Besuch des Religionsunterrichts und Erleben des Faches

Tab. 5Besuchsmotivation – Wie gern gehst du in den Religionsunterricht?

Anhand der Tabelle (5) ist zu erkennen, dass die Mehrheit der Schüler*innen (61,5%) den Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz mindestens gern besucht, über 90% besuchen ihn mindestens teilweise gern; letztgenannte Zustimmung trifft auf fast alle Schultypen zu (an den Gymnasien sind es 89,2%). Der numerisch hohe Wert ergibt sich jedoch insbesondere durch den vergleichsweise hohen Anteil von Grundschüler*innen innerhalb der Stichprobe.

Im Vergleich der Schultypen zeigt sich, dass die Grundschüler*innen den Religionsunterricht am liebsten besuchen. Die Motivation zum Besuch ist an den Realschulen plus und an den Gymnasien noch einmal etwas geringer. Mit den Ergebnissen von Bucher sind die Befunde nicht eindeutig vergleichbar, da der Autor nach der Beliebtheit gefragt hatte und die Mittelkategorie mit weder/noch etwas anders formuliert war, gleichwohl gaben 77,3% der Grundschüler*innen bei Bucher an, dass das Fach mindestens beliebt sei (Bucher, 2000, S. 36); im Vergleich dazu besuchen 69,9% der befragten Grundschüler*innen in Rheinland-Pfalz das Fach mindestens gern. Im Vergleich zu Ergebnissen aus dem Sekundarschulbereich in Bayern, wo ca. 43% den Religionsunterricht mindestens gern besuchen, und in der Studie zum katholischen Religionsunterricht von Bucher (2000, S. 58), wo 47,5% (RS); 53% (GY) den Religionsunterricht mindestens gern besuchen (16% mindestens ungern), gehen die Schüler*innen aus Rheinland-Pfalz etwas lieber in den Religionsunterricht (50,9%/49%).

Weniger gut vergleichbar sind die Ergebnisse mit denen aus Sachsen-Anhalt, da die Antwortausprägungen aus einer Viererskalierung bestehen, wodurch die Mittelkategorie wegfällt (Realschule mind. gern: 88% - mind. ungern: 15,9%; Gymnasien mind. gern: 83,7% - mind. ungern 16,3%; Domsgen et al., 2021, S. 109); in der Tendenz zeigt sich aber auch in Sachsen-Anhalt, dass die Teilnehmer*innen an den Gymnasien ihre Besuchsmotivation etwas verhaltener ausdrücken.

 Anhand der Korrelationsanalyse (Tab. 7) ist außerdem zu sehen, dass der Zusammenhang zwischen Besuchsmotivation und Schultyp signifikant und mit einer mittleren Stärke ausgeprägt ist; etwas stärker ist er mit dem Alter. Eine hohe Korrelation ergibt sich für die Besuchsmotivation und den Gottesglauben (Tab. 7); der als signifikant zu bestimmende Zusammenhang mit dem Gottesglauben ist auch in der bayerischen und der sachsen-anhaltischen Studie erkennbar (Schwarz, 2019, S. 156; Domsgen et al., 2021, S. 109–110), wobei er in Rheinland-Pfalz etwas stärker ausgeprägt ist.

Tab. 6Erleben des Religionsunterrichts – Korrelation mit der Besuchsmotivation und Zustimmung

In Tabelle 6 sind in den beiden rechten Spalten die mittleren Zustimmungen zu dem, was und wie die Schüler*innen das Fach erleben, zu lesen. Zunächst ist auffällig, dass die meisten Items mit einer hohen Zustimmung bedacht werden. Sehr gut erkennbar ist, dass die größte Zustimmung zwei personalen Faktoren des Religionsunterrichts gilt, zum einen der erlebten Beziehungskompetenz (Freundlichkeit), zum anderen einer fachdidaktischen Kompetenz (Erklären können). Von daher ist eventuell die hohe Zustimmung dazu, die Aufgaben im Fach als bewältigbar zu erleben, nachvollziehbar. Sichtbar ist, dass alle positiven personenbezogenen Erlebnisaspekte des Faches wie auch die atmosphärischen Aspekte eher zustimmend bewertet werden.

Die Bewertung des Binnengeschehens ist mit den unabhängigen Faktoren verbunden (vgl. Tab. 7), wobei Schultyp und Alter eng verknüpft, die Korrelationen mit dem Alter jedoch noch stärker ausgeprägt sind. Hier fließen vermutlich auch die Altersunterschiede innerhalb der Sekundarschulen mit ein. In diesem begrenzten Rahmen seien die auffälligsten genannt: Zunächst ist zu sehen, dass die stärkeren Korrelationen mit dem Schultyp, dem Alter wie auch dem Gottesglauben einhergehen. Die mit Abstand stärkste Korrelation ist die zwischen der Einstellung zum Gottesglauben und dem Interesse an den Themen Jesus und Gott. Wer den Gottesglauben für sich ablehnt, gibt mit großer Wahrscheinlichkeit an, sich nicht für die Thematik Gott und Jesus zu interessieren und vice versa. Klar erkennbar ist weiterhin, dass es sowohl die inhaltliche Dimension des Faches als auch die mit dem Fach verbundenen Lerneffekte sind, die mit dem steigenden Alter, eher an den Sekundarschulen als an den Grundschulen, und mit der Aussage, dass man nicht an Gott glaubt, deutlich kritischer eingeschätzt werden. Auffallend ist weiterhin, dass die älteren Schüler*innen weniger oft zu erleben scheinen, dass der Religionsunterricht neue Inhalte anbietet. Für den Grundschulbereich ist bemerkenswert, dass die jüngeren Schüler*innen öfter erleben, dass es im Religionsunterricht für sie zu laut ist.

Große Übereinstimmung ist hingegen im Blick auf die Anforderungen (inkl. Noten) wie die Beziehungsebene (zur Lehrkraft wie zu den Mitschüler*innen) zu konstatieren.

Im Vergleich zu den Häufigkeitsangaben hinsichtlich des Erlebens sind die Korrelationen mit der Besuchsmotivation etwas anders gelagert (vgl. Tab. 6, beide linken Spalten), wenngleich fast alle Erlebensaspekte mindestens stark mit der Besuchsmotivation verbunden sind. Ausgenommen davon sind die Lautstärke (starke Disziplinprobleme scheinen nicht erlebt zu werden), das Nachdenken und die Möglichkeit, im Fach eher an die Freizeit zu denken. Am engsten mit der Besuchsmotivation verbunden ist die inhaltliche Einschätzung des Faches und die erlebte fachdidaktische Kompetenz der Lehrkraft in Bezug auf die Inhalte. Bedeutsam ist für SchülerInnen im Zusammenhang mit der Besuchsmotivation, ob sie dabei etwas für ihr Leben und etwas Neues lernen können.

Tab. 7:  Besuchsmotivation/Erleben des Religionsunterrichts und Korrelation mit unabhängigen Variablen

Wie zuvor geschildert, wurde in einem ersten Schritt ein gewöhnliches multivariates Modell einmal inklusive der Schulnummer als unabhängige Variable und einmal ohne diese Variable gerechnet. Tabelle 8 stellt die Ergebnisse inklusive anonymisierter Schulnummer dar[7]. Der Vergleich zeigt bei beiden Modellen, dass der Gottesglaube einen positiven, signifikanten Einfluss auf die Besuchsmotivation hat. Darüber hinaus ist abzulesen, dass es durchaus einige regionale Einheiten (dargestellt anhand der Schulnummer) gibt, die signifikant zur Erklärung der Variation der Besuchsmotivation herangezogen werden können. Dass das Alter lediglich in dem Modell ohne Schulnummer einen signifikanten Einfluss zu haben scheint, lässt sich vermutlich als Artefakt werten. Da innerhalb der Stichprobe direkt die Schulnummer mit einer Klasse(-nstufe) verbunden ist und die Schüler*innen in dieser gewöhnlich in einem ähnlichen Alter sind, ist die zusätzliche Variation des Alters bereits mit der Schulnummer abgedeckt. Da die Kollinearität der beiden Variablen Alter und Schulnummer so groß ist, scheint es demnach weniger sinnvoll, beide in einem Modell zu verwenden. Um jedoch zu gewährleisten, dass das Modell ohne Schulnummer in demjenigen mit Schulnummer genestet ist, wurde diese Variable beibehalten.

Tab. 8:  Multivariate Regression zur Besuchsmotivation des RU mit und ohne Schulnummer

Der direkte Modellvergleich zeigt ebenfalls anhand des AIC, dass unter diesen beiden Modellen dasjenige, das die Schulnummern inkludiert, vorzuziehen ist. Somit stellt die Modellbildung als Mehrebenenmodell, wie sie in Tabelle 9 dargestellt ist, die nächste logische Konsequenz dar.

Tab. 9:  Mehrebenenanalyse zur Besuchsmotivation des RU. Ebene 1: Schüler*innen, Ebene 2: Schulnummer

Auch hier zeigt sich der signifikante Einfluss des Gottesglaubens auf die Besuchsmotivation. Im direkten Modellvergleich zu dem gewöhnlichen multivariaten Modell schneidet dieses allerdings schlechter als dasjenige ab, das ebenfalls die Schulnummern berücksichtigt, jedoch besser als dasjenige, das die regionalen Einheiten gar nicht einbezieht. Die mögliche Ursache lässt sich in der Betrachtung des Intraklassenkorrelationskoeffizienten (ICC) finden, der als durchschnittliche Homogenität der Cluster mit einem Wert von 0,14 zeigt, dass diese noch relativ heterogen sind. Diese Heterogenität kann auch durch das Zusammenfassen der unterschiedlichen Schulformen bei einziger Gliederung der höheren Ebene nach Schulnummer entstehen. So wurde zuvor bereits dargestellt, dass sich die Besuchsmotivation in Abhängigkeit der Schulform durchaus unterscheidet. Daher wurde in einem letzten Schritt das gleiche Mehrebenenmodell getrennt nach Schulform wiederholt. Die Ergebnisse sind dabei in Tabelle 10 abzulesen.

Tab.10Mehrebenenanalyse zur Besuchsmotivation getrennt nach Schultyp. Ebene 1: Schüler*innen; Ebene 2: Schulnummer

Die Betrachtung des AIC zur Beurteilung der Modellgüte zeigt hier für jedes der drei Modelle eine klare Verbesserung der Schätzung. Als möglicher Grund kann hier die gesteigerte durchschnittliche Homogenität zumindest bei Realschule plus und bei Schüler*innen an Gymnasien angeführt werden. Auch ermöglicht dies eine differenziertere Betrachtung für welchen Schultyp welche Faktoren einen signifikanten Erklärungsgehalt haben. So ist unter Grundschülern neben Gottesglaube nun auch Alter und Geschlecht unter den Variablen, die einen signifikanten Einfluss auf die Besuchsmotivation haben. Ebenfalls interessant ist, dass keine der hier aufgeführten Variablen einen signifikanten Einfluss auf die Motivation unter den Realschüler*innen zu haben scheint. Die Motivation scheint hier hauptsächlich durch die höhere Ebene erklärt zu werden, was neben der Regionalität auch mit weiteren Faktoren wie bspw. Lehrkompetenz etc. in Verbindung stehen kann.

Die Ergebnisse bezüglich des Erlebens des Religionsunterrichts waren bei der Analyse vergleichbar. Auch hier zeigte sich erst nach der Trennung durch den Schultyp der direkte Vorzug eines Mehrebenenmodells und auch hier konnte unter den Variablen, die untersucht wurden, lediglich der Gottesglaube (annähernd) durchgehend als signifikante Erklärung der Variation angeführt werden.

3.2 Facheinschätzung im Fächervergleich

Tab. 11:  Fachwahrnehmung hinsichtlich Anforderungsniveau, (Noten-)Relevanz und Interessantheit im Fächervergleich

Im Fächervergleich ist zu sehen, dass die Fächer Mathematik und Deutsch schwerer eingeschätzt werden als Musik und Religion, wobei Religion von den Grundschüler*innen schwerer eingeschätzt wird als Musik. Mathematik wird von den älteren Schüler*innen noch einmal als schwerer wahrgenommen, das erlebte Anforderungsniveau in Deutsch wird bei den älteren Schüler*innen ähnlich eingeschätzt, während der Religionsunterricht von den Realschüler*innen und Gymnasiasten als leichter wahrgenommen wird.

Ähnlich sind die Ergebnisse im Blick auf die Übungsnotwendigkeit, die in Mathematik und Deutsch am höchsten ist, in Mathematik von den Realschüler*innen und Gymnasiasten noch einmal als höher eingeschätzt wird; in Deutsch bleibt die Zuschreibung ähnlich hoch, nur die Gymnasiasten schätzen die Notwendigkeit zur Übung etwas geringer ein. Während die Notwendigkeit zur Übung in Musik an allen drei Schultypen ähnlich hoch ist, wird diese Notwendigkeit im Blick auf Religion von Realschüler*innen wie Gymnasiasten als etwas geringer wahrgenommen.

Die Mathematiknote wird in allen drei Schultypen als gleich relevant eingeschätzt, die Deutschnote scheint den Gymnasiasten etwas weniger bedeutsam als den Real- und Grundschüler*innen. Sowohl hinsichtlich des Musik- wie des Religionsunterrichts nimmt die Bedeutung der Note bei den älteren Schüler*innen an Realschulen und Gymnasien ab.

Im Blick auf die Interessantheit ist im Vergleich der Fächer eine sehr große Nähe zu sehen, jedoch wird der Religionsunterricht an den Grundschulen wie auch an den Gymnasien als das etwas interessantere Fach wahrgenommen. Bereits von den Grundschüler*innen werden Deutsch und Mathematik als sehr relevant eingeschätzt, während Religion, und noch stärker Musik, als weniger wichtig wahrgenommen werden. Allen vier Fächern wird von den älteren Schüler*innen weniger Relevanz attestiert, die Relevanzzuschreibung nimmt sowohl im Blick auf den Musik- wie auch auf den Religionsunterricht stärker ab. Zu erkennen ist, dass die Note vor allem bei den älteren Schüler*innen noch etwas stärker betont wird als die Relevanz des Faches an sich.

Tab. 12:  Facheinschätzung – Korrelation mit unabhängigen Variablen

Die Einschätzung der Fächer ist nicht unabhängig vom Alter und der Einstellung zum Gottesglauben. Auch in dieser Tabelle (12) ist wieder zu erkennen, dass die stärkeren Korrelationen sowohl die Variable Schultyp, Alter als auch die Einstellung zum Gottesglauben betreffen.

Während die Einschätzung des Anstrengungs- und Anforderungsniveaus in Religion vor allem mit dem Alter (und weniger stark mit dem Schultyp) verbunden ist, hängt vor allem die Zuschreibung der Bedeutsamkeit des Faches wie der Interessantheit mit der Einstellung zum Gottesglauben zusammen; gleichzeitig sind weniger starke Zusammenhänge aber auch mit der Relevanz und Interessantheit des Faches Musik zu erkennen.

Ablesbar sind auch schultypspezifische Zusammenhänge hinsichtlich der zugeschriebenen Anforderung. Während in Mathematik und Deutsch die Anforderung in den Sekundarschulen höher eingeschätzt wird, ist es die Übung in Religion und Deutsch sowie die Schwere des Faches, die stärker von den Grundschüler*innen erlebt wird.

In Ergänzung zur Gesamteinschätzung zeigen die Korrelationen deutlich, dass sich die fachbezogenen Einschätzungen mit dem Alter verändern und dass die Facheinschätzung in Religion sehr stark mit der Glaubenseinstellung verbunden ist. Ähnliche Tendenzen lassen sich auch im Blick auf das Fach Musik erkennen.

Zur Untersuchung des Fächervergleichs wurde ein zur Testung der Besuchsmotivation analoges wenn auch leicht verändertes Vorgehen gewählt. Besonders von Interesse waren hier die beiden Variablen Interesse am RU sowie das Relevanzempfinden des RUs. Für beide wurde initial ein multivariates Regressionsmodell gerechnet. Zusätzlich zu den zuvor verwendeten Variablen wurde ebenfalls das Relevanzempfinden für sowie das Interesse an den Fächern Deutsch, Musik und Mathematik in die Schätzung mitaufgenommen.

Auch hier zeigte sich, dass einige der Schulnummern sowohl für das Relevanzempfinden als auch für das Interesse einen signifikanten Einfluss zu haben schienen. Jedoch ist bei der Mehrebenenanalyse ebenfalls zu erkennen, dass es im Vergleich zur multivariaten Einfachen Regression einen schlechteren Model-Fit zu geben scheint (gemessen am AIC). Demnach scheint auch hier das einfache, lineare Modell bevorzugt zu sein. Die Begründung ist ähnlich geartet wie diejenige der Besuchsmotivation. Mit einem ICC zwischen 0,01 und 0,08 war die durchschnittliche Homogenität der Cluster jedoch erheblich geringer als in der vorherigen Betrachtung. Demnach scheint eine regionale Gliederung beim Interesse und dem Relevanzempfinden des Religionsunterrichts von geringer Bedeutung zu sein. Auch die Trennung nach Schulart führte hier zu keiner starken Verbesserung der Modellschätzung.

Fernab der regionalen Gegebenheiten scheinen vielmehr der Gottesglaube sowie das Relevanzempfinden und das Interesse an den Fächern Musik und Deutsch in einem deutlichen und signifikanten Zusammenhang mit dem Relevanzempfinden und dem Interesse am Religionsunterricht zu stehen.

4 Interpretation der Ergebnisse

Ausgehend von der Besuchsmotivation kann von einem beliebten Fach auf Seiten der Schüler*innen gesprochen werden. Im Blick auf die Grundschüler*innen scheint sich außerdem die Beliebtheit seit der Bucher-Studie (2000) kaum verändert zu haben.

Die soziale Dimension des Faches wie das Anforderungsniveau werden als positiv und zugänglich erlebt (die personale Dimension so auch bei Bucher (2000) und Englert et al. (2014). Stärker mit der Besuchsmotivation verbunden ist allerdings die inhaltliche Dimension des Faches: zum einen die Interessantheit der Themen und zum anderen der erlebte Lern- und Verstehenseffekt. Das bedeutet, dass die Motivation auch mit der sozialen Eingebundenheit und Kompetenzerleben verknüpft ist (Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan, vgl. Schwarz, 2020), stärker aber mit dem Ergebnis und den persönlichen Folgen der (Lern-)Handlungen (erweitertes kognitives Motivationsmodell nach Heckhausen, vgl. Schwarz, 2020) sowie dem Bezug zu dem Inhalt (intrinsische Motivation, v.a. Interesse) verbunden wird. Vor dem Hintergrund kann die Bedeutung der Inhaltsfrage im Religionsunterricht gar nicht überschätzt werden (vgl. Gojny, Schwarz & Witten, 2020).

Die Ergebnisse der Studie reihen sich außerdem auch in die Tradition der Vorgängerstudien ein, als insbesondere die Einstellung zum Gottesglauben mit der Besuchsmotivation, dem Erleben des Faches wie auch der Facheinschätzung am stärksten verbunden ist und dieser unter den Prädikatoren den höchsten Anteil an der Varianzaufklärung hat (expl. dazu: Domsgen et al., 2021; Schwarz, 2019; Bucher, 2000). Hierbei kann auch ein Wechseleffekt zwischen der Entwicklung der Einstellung zum Gottesglauben und dem höheren Alter bei den Lernenden angenommen werden.

Durch den Vergleich der Facheinschätzungen konnte die Einschätzung des Faches Religion kontextualisiert werden. Die Wahrnehmung der Fächer hinsichtlich des Anforderungsniveaus, der Anstrengungsnotwendigkeit, der Interessantheit und Relevanz scheint sowohl bei den Grundschüler*innen wie bei den Sekundarschüler*innen der Hauptfach- (Mathematik und Deutsch) und der Nebenfachlogik (Musik und Religion) zu folgen und somit auch von Schulbeginn an die Schullogik abzubilden (vgl. Schwarz, 2021, S. 46). Neben der internalisierten Schullogik ist aber auch die mit der altersbezogenen Entwicklung verbundene Präferenz für naturwissenschaftliche Weltzugänge für die Interpretation zu bedenken, da die älteren Realschüler*innen und Gymnasiasten mit ihren Einschätzungen häufig noch stärkere Unterschiede zwischen Deutsch, Mathematik und Musik wie Religion in ihrer Wahrnehmung erkennen lassen. Weltzugänge, die auf künstlerische und/oder deutungsbezogene Art und Weise Welt erschließen helfen und genuin mehrdeutig wie auf Mehrdeutigkeit angelegt sind, scheinen möglicherweise weniger plausibel und/oder notwendig. Möglich ist deshalb auch, dass der Relevanzbegriff stark mit der Schullogik verknüpft ist. Von daher wäre auch zu überlegen, ob die sogenannte Rede vom Einbruch des Gottesglaubens zwar aufgegriffen, aber fachübergreifend im Blick auf die Weltbildentwicklung und die Präferenz für Weltzugänge geweitet und sprachlich eher als Transformation beschrieben werden könnte. Gleichzeitig erscheint Religion im Vergleich auch als Fach, das für die Schüler*innen im Fächervergleich besonders Interessantes beinhaltet.

Methodisch konnte gezeigt werden, dass selbst wenn die regionale Gliederung in Schulen und Klassen gelegentlich einen Einfluss auf die Besuchsmotivation, das Erleben sowie das Relevanzempfinden und Interesse am Religionsunterricht zu haben scheint, eine Mehrebeneanalyse, die das Stichprobendesign und die Klumpung berücksichtigt, nicht immer zielführend zu sein scheint. Der Grund hierfür kann unter Umständen in der geringen Homogenität über die drei Schulformen hinweg auch innerhalb der regionalen Gliederungsebene gesehen werden. So scheinen die Unterschiede zwischen den Schulformen wohl zu groß zu sein. Erst die getrennte Mehrebenenanalyse nach Schulform zeigte hier, dass ein solches Modell bei der Einzelbetrachtung der Schultypen durchaus sinnvoll sein kann. Dies trifft insbesondere auf die Analyse der Grundschüler*innen zu. Der Grund hierfür kann in der Anzahl der Cluster in dieser Schulform gefunden werden. So sollte die Anzahl der Cluster auf höherer Ebene „nicht zu gering“ sein, was innerhalb dieser Erhebung zwar auf die Grundschulen, nicht jedoch auf die Gymnasien und Realschulen plus zutrifft.

Bei der Modellierung nach Relevanzempfinden und Interesse am Religionsunterricht im Vergleich zu anderen Schulfächern zeigt sich, dass selbst die Trennung nach Schulform hier zu keiner Verbesserung der Schätzung im Mehrebenenmodell führt. Es zeigt sich somit, dass die durchschnittliche Homogenität (ICC) innerhalb der Klumpen als leitendes Merkmal in der Entscheidung zur Verwendung eines solchen Mehrebenenmodells ebenso relevant ist wie eine hinreichend große Anzahl an Clustern auf höherer Ebene. Dies trifft in der vorliegenden Arbeit jedoch lediglich für die Grundschulen innerhalb der Stichprobe zu. Für diese lässt sich jedoch zeigen, dass die Verwendung eines Mehrebenenmodells durchaus Vorteile birgt. Analog wäre daher denkbar, dass durch eine künftige Studie, die mehr Cluster in der Sekundarstufe beinhaltet, ein ähnliches Ergebnis erzielt werden kann. Aufgrund der Antwortausfälle, die vor allem durch die Pandemiesituation zustande gekommen sind, war dies in der vorliegenden Studie jedoch nicht möglich.

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Susanne Schwarz, Professur für Evangelische Theologie mit dem Schwerpunkt Religionspädagogik/-didaktik des Religionsunterrichts an der Universität Koblenz-Landau, Standort Landau

Matthias Sand, nach seinem Studium der Ökonomie mit Schwerpunkt „Wirtschafts- und Sozialstatistik“ an der Universität Trier promovierte Matthias Sand 2018 an der TU Dresden zu Gewichtungsverfahren in komplexen Stichprobendesigns mit mehreren Auswahlgrundlagen. Seit 2013 berät Herr Sand bei GESIS, dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Forschende in der Umsetzung und Auswertung von (komplexen) Erhebungen sowie der Umsetzung von Modellanalysen

 

  1. Ein herzliches Dankeschön für die schnelle und kompetente formale Unterstützung geht an Fabian Stöcklin!

  2. Vgl. www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/rheinland-pfalz-warum-schueler-den-religionsunterricht-abschaffen-wollen-a-1296768.html [Zugriff: 28.07.2022].

  3. Die nichtevangelischen Schüler*innen werden nach dem Grund ihrer Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht gefragt; die Ergebnisse lassen sich dann auch zu den bayerischen (Schwarz, 2019) und denen aus Sachsen-Anhalt (Domsgen et al., 2021) ins Verhältnis setzen. 

  4. Ausgenommen hiervon ist die Motivation zum Besuch des Faches, die oft zur Schulmotivation ins Verhältnis gesetzt wird. 

  5. Eine der Grundschulen musste aufgrund fehlender Angaben aus der Stichprobe ausgeschlossen werden.

  6. Die angegebenen Korrelationen sind alle als signifikant getestet.

  7. Aufgrund der Länge der Tabelle wurde der Übersichtlichkeit halber die Anzahl der Schulnummern gekürzt. Diese sowie alle anderen Tabellen können jedoch gerne vollständig auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.