1 Hinführung
Im Jahr 1993 wurde die „Gemischte Kommission für die Reform des Theologiestudiums, Fachkommission II Lehramtsstudiengänge“ (FK II) zusätzlich zur bereits bestehenden Fachkommission I für das Pfarramtsstudium im Kirchenamt der EKD in Hannover eingerichtet. Beide bearbeiten selbstständig die ihnen zugeordneten Studiengänge unter dem organisatorischen Dach einer „Gemischten Kommission“, die alle Vorlagen formell beschließt. Die arbeitsteilige Organisation liegt darin begründet, dass Pfarramtsstudiengänge an Evangelisch-theologischen Fakultäten einerseits und Lehramtsstudiengänge an Evangelisch-theologischen Fakultäten und Instituten andererseits aufeinander abgestimmt werden müssen. Die Gemischte Kommission ist, so gesehen, das kirchliche Pendant der von der Konferenz der Kultusminister (KMK) im Jahr 1978 eingerichteten Studienreformkommission und damit legitimes Gremium für die Reform theologischer Studiengänge. Insofern sind für die Konzeption und die Durchführung der im Kontext der Bologna-Reform modularisierten Studiengänge, aber auch der Studiengänge mit Staatsexamensabschluss beide Institutionen (KMK und FK II) und die von ihnen erstellten Vorgaben maßgeblich. Ob diese zielführend rezipiert und praktisch sinnvoll umgesetzt wurden, wird und wurde bisher u. a. im Rahmen von nicht-öffentlichen Akkreditierungsverfahren theologischer Studiengänge überprüft.
Zu Beginn der im Jahr 2015 neu konstituierten FK II standen verschiedene Fragen im Raum: Wie nehmen die Fakultäten und Institute die in der FK II erstellten Texte wahr (z. B. den EKD-Text 96 zur „Theologisch-Religionspädagogischen Kompetenz“ und den EKD-Text 126 „Zur Weiterentwicklung von Lehramtsstudiengängen Evangelische Religionslehre“)? Werden diese Texte in Studienordnungen und Lehrangeboten für das Lehramtsstudium „Evangelische Theologie / Religionspädagogik“ tatsächlich rezipiert? Lässt sich eine Rezeption an den Inhalten der Studienordnungen und Lehr-Angebote aufweisen? Und welche Erwartungen haben die Fakultäten und Institute an die Arbeit der Fachkommission?
Um diese Fragen beantworten zu können, wurde eine Umfrage konzipiert, die sich auf die folgenden drei Ebenen bezieht:
1) auf die Selbsteinschätzung der Rezeption der KMK- und EKD-Vorgaben,
2) auf die Abfrage zur Umsetzung der Vorgaben und
3) auf die Wünsche und Erwartungen an die Arbeit der Fachkommission II.
Während es umfassende Untersuchungen zu Religionslehrerinnen und -lehrern zur Zeit des Studiums, des Referendariats und vor allem zu ihrer aktiven Tätigkeit gibt, in denen u. a. Zieldimensionen religionspädagogischen Handelns abgefragt werden[1], finden sich bislang kaum Untersuchungen zur Selbsteinschätzung der universitären Ausbildung durch Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. Auch die Rezeption, Implementierung und Wirkung relevanter Ausbildungsdokumente wurden bislang nicht eingehend untersucht. Die von der FK II initiierte Online-Umfrage kann dieses Desiderat nicht einlösen, aber erste Wege weisen, wie eine methodisch reflektierte Rezeptionsforschung in Zukunft aussehen könnte.
2 Konzeption und Durchführung der Befragung
In den rechtsverbindlichen Anforderungen der KMK von 2008 / 2012 sind verschiedene Bereiche angesprochen, die leitend für die Konzeption des Online-Fragebogens waren.
In einem ersten Teil sollte der Umfang von Studienangebot und Infrastruktur vergleichend abgefragt werden. Dabei ging es darum, die Lehrämter zu erfassen, für die die jeweiligen Fakultäten bzw. Institute ausbilden, und abzufragen, mit welchem Personal sie das tun. Daneben interessierte sich die FK II dafür, welche Angebotsformate zur Studieneinführung existieren, inwieweit ein landeskirchliches Programm zur Studienbegleitung angeboten wird und ob Kooperationen mit einer katholisch-theologischen Einrichtung und / oder einem islamischen Institut bestehen.
In einem zweiten Teil bewegte sich die Umfrage auf der Ebene der Selbsteinschätzung, um einen Überblick zu gewinnen, inwieweit die KMK-Anforderungen bei der Konzeption, der (Re- oder System‑)Akkreditierung und bei der Planung eigener Lehrveranstaltungen eine Rolle gespielt haben. Dasselbe wurde bezüglich der EKD Texte 96 und 126 abgefragt.
In einem dritten Teil sollte geklärt werden, inwiefern bestimmte Vorgaben in den verschiedenen lehramtsspezifischen Studiengängen eingehalten werden z.B. im Angebot einer Pflichtveranstaltung für Bibelkunde, zur Reformationsgeschichte, zu neuzeitlicher Kirchengeschichte und Ökumene
Darüber hinaus interessierte die Mitglieder der FK II, ob und wie die in den Vorgaben genannten aktuellen Themen „konfessionelle Kooperation“, „interreligiöses Lernen“ und „Inklusion“ Bestandteil studienrelevanter Module sind.
Zur konkreten Rezeption der Vorgaben aus dem EKD-Text 96 zur „Theologisch-Religionspädagogischen Kompetenz“ in den drei Ausbildungsphasen (Studium, Referendariat und Berufseingangsphase) wurden die studienrelevanten Inhalte schulformspezifisch erhoben. Dazu gehören Pflichtseminare zum Selbstkonzept künftiger Religionslehrkräfte (vgl. Teilkompetenz 1), zu konfessionskundlichen Grundpositionen (vgl. TK 5), zu religionswissenschaftlichen und philosophisch-weltanschaulichen Grundpositionen sowie „religiösen Aspekten der Gegenwartskultur“ (TK 6), zur Medienkompetenz (TK 7) und zur Wahrnehmungs- und Diagnosekompetenz (TK 9).
Zudem wurde erfragt, ob es Kooperationen mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen bzw. Konfessionen im Rahmen der Veranstaltungen gibt und ob Wahlfreiheit für Studierende besteht, interdisziplinäre Veranstaltungen zu besuchen. Gemäß dem EKD-Text 96 soll auch das Thema „evangelische Schule“ in irgendeiner Weise im Studium der evangelischen Theologie für das Lehramt berücksichtigt werden; deshalb wurde auch dieses Item aufgenommen.
Bezüglich der Leistungsüberprüfung ist es sinnvoll und notwendig, dass unterschiedliche Modi von Leistungsnachweisen im Studium herangezogen werden. So ist sicherzustellen, dass Studierende nicht ausschließlich schriftlich oder ausschließlich mündlich geprüft werden. Dies war deshalb ebenfalls Gegenstand der Befragung.
Grundsätzlicher näherte sich der letzte Fragenblock der Situation an den Hochschulen, indem die dringlichsten „Baustellen“ bei Studiengängen und Lehrangeboten in den Blick genommen wurden. Dabei sind Aspekte zur Infrastruktur, zur Qualität der Lehre und zur Auswahl der Studierenden in der Konzeption des Fragebogens berücksichtigt worden.
Am Ende der Online-Befragung, die vom Rechenzentrum der Goethe-Universität in Frankfurt am Main umgesetzt und nach einem Probelauf im Mai 2018 freigeschaltet wurde, steht der Aspekt der Erwartungen an die Arbeit der FK II. Hier konnten Anfragen, Themen für weitere Empfehlungen, Best-Practice-Beispiele oder Ähnliches genannt werden. Am Ende des Fragebogens wurde Raum für grundsätzliche Rückmeldungen angeboten.
Die Befragung fand in zwei Zyklen statt. Die Fakultäten und Institute wurde jeweils durch ein Anschreiben des Vorsitzenden des Evangelisch-theologischen Fakultätentages, Prof. Dr. Bernd Schröder, und des Vorsitzenden der Konferenz der Institute für Evangelische Theologie, Prof. Dr. Martin Hailer, gebeten, an der Befragung teilzunehmen; der Brief wurde Ende Januar mit der Bitte um Bearbeitung bis zum 1. März 2018 versandt. Weil der Rücklauf zu diesem Zeitpunkt bei ca. 70 % lag, aber große Fakultäten sich bisher nicht beteiligt hatten, erfolgte eine zweite Bitte um Teilnahme, so dass der Rücklauf danach erfreulicherweise auf fast 90 % anstieg. Insgesamt haben sich 15 von 18 Fakultäten[2] und 31 von 34 Instituten[3] beteiligt.
Die Daten lagen anschließend allen Mitgliedern der FK II zur Auswertung und Interpretation vor. Je nach individueller thematischer Schwerpunktsetzung der Arbeit in der FK II übernahmen einzelne Mitglieder die Bereiche zur Auswertung. Diese Struktur liegt auch der folgenden Darstellung zugrunde. Schaubilder wurden nicht zu allen Ergebnissen verwendet, so dass die beschriebenen Ergebnisse nicht immer mit den Tabellen oder Abbildungen korrespondieren.
3 Studienangebot und Infrastruktur
3.1 Schultypen, für die Studienangebote bestehen
In der Frage der Studienangebote gibt es zwischen Fakultäten und Instituten zwar deutlich unterschiedliche Schwerpunkte, jedoch keine harten Grenzen: Jede Fakultät bildet für das gymnasiale Lehramt aus. Dies ist an etlichen Instituten ebenso der Fall.
Absolut wie relativ betrachtet, studiert das Gros künftiger Gymnasiallehrkräfte an Fakultäten und nicht an Instituten. Dass umgekehrt das Schwergewicht des Grundschullehramtsstudiums an Instituten zu finden ist, verwundert nicht. Exklusivität – in diesem Fall: Ausbildung nur für das gymnasiale oder nur für das Lehramt an Grundschulen – ist mit jeweils nur einer Einrichtung äußerst selten. Einige wenige Sonderfälle sind bundeslandspezifisch zu erklären (z.B. die „Regelschule“ in Thüringen) oder betreffen terminologische Unterschiede, v.a. den zwischen Förder- und Sonderschule bzw. zwischen Förder- und Sonderschulpädagogik.Tab. 1: Studienangebot nach Schultypen (Mehrfachantwort möglich)
Schultyp | Anzahl | % aller |
Grundschule | 34 | 74 |
Förderschule | 18 | 39 |
Sek I (ohne Gymnasium) | 34 | 74 |
Gymnasium | 31 | 67 |
Berufsbildende Schulen | 24 | 52 |
Andere | 3 | 7 |
3.2 Alter der gültigen Studienordnungen
Bezogen auf das Alter der gültigen Studienordnungen lassen sich zwei Trends feststellen:
(1) Legt man das Datum Ende 2011 zugrunde, dann sind die Studienordnungen für Förderschule und Gymnasium eher länger (50 % bzw. 47 % vor 2012), die der anderen Schultypen eher kürzer in Geltung (GS: 38 %, Sek I: 35 %, BK: 42 % vor 2012).[4]
Betrachtet man die Ergebnisse kumulativ, sind nur 61% nach 2012 entstanden. 39% der Studienordnungen sind älter als 2012. Tab. 2: Alter der gültigen Studienordnungen (alle Einrichtungen)
Jahre | Anzahl | in % | Kum. |
2000 - 2002 | 1 | 2 | 2 |
2003 - 2005 | 2 | 5 | 7 |
2006 - 2008 | 7 | 17 | 24 |
2009 - 2011 | 6 | 15 | 39 |
2012 - 2014 | 10 | 24 | 63 |
2015 - 2017 | 15 | 37 | 100 |
Gesamt | 41 | 100 |
3.3 Lehrpersonal
Alle Ausbildungseinrichtungen wurden nach dem Personaltypus ihrer Lehrkräfte befragt. Die dabei am häufigsten vertretene Form ist die Professur, dicht gefolgt von den befristeten wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Lehrbeauftragten.
Abb. 1: Lehrpersonal der Einrichtungen nach Personaltyp in %
Hier sind v.a. die aus der Abbildung nicht direkt ersichtlichen Unterschiede zwischen Fakultäten und Instituten wichtig: Die Fakultäten weisen mit 87 % wesentlich mehr nicht befristete Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus als die Institute mit 45 %. Der Unterschied dürfte sich noch einmal verstärken, wenn die sechs baden-württembergischen Pädagogischen Hochschulen herausrechnet werden, an denen der akademische Mittelbau fast durchgängig entfristet ist. Ebenfalls deutlich höher als an Instituten ist der Einsatz von Privatdozenten / Privatdozentinnen bzw. apl. Professorinnen und Professoren an Fakultäten. Hier scheint die Sondersituation der Institute in Sachen Gewinnung wissenschaftlichen Nachwuchses spürbar zu sein.
3.4 Angebote zur Studieneinführung
In den ersten Semestern des Studiums sollen die Studierenden mit den Grundlagen ihrer Fächer vertraut gemacht werden. Mit fünf verschiedenen Veranstaltungsformaten, zwei davon an über drei Vierteln aller beteiligten Einrichtungen, ist die Sondersituation der Studieneingangsstufe offenbar flächendeckend gut im Blick.
Abb. 2: Angebotsformate zur Studieneinführung (Mehrfachantwort möglich)
3.5 Landeskirchliche Programme zur Begleitung Studierender
Bei einer bundesweiten Fachtagung zum Thema „Landeskirchliche Begleitung Studierender“ (Bonn, 8.-10.5.2019) wurde der Wille, hier flächendeckend präsent und tätig zu sein, deutlich artikuliert. Entsprechende Grundsatzerwägungen seitens der EKD wurden vorgelegt. Die gestellte Frage „Gibt es an Ihrer Institution ein landeskirchliches Programm zur Begleitung Studierender?“ ist aus gegenwärtiger Sicht nicht ganz glücklich formuliert, da die diversen landeskirchlichen Programme Wert darauf legen, ein erkennbar kirchliches und nicht von den Universitäten verantwortetes Angebot zu sein. Der Umfragebefund, dass ein solches Programm an 57 % der Standorte gegeben ist, dürfte kirchlicherseits als alarmierend niedrig eingestuft werden.
Die Angebote sind regional sehr unterschiedlich, was sich auch in der Intensität des Begleitungsangebots zeigt. Offen diskutiert wird dabei auch, ob die kirchliche Begleitung ein freiwilliges oder ein verpflichtendes Angebot sein sollte.
Als Beispiele werden genannt „Mentorat – persönliche Beratung und Begleitung“, „Informationen über Vocatio“, „Reflexionen des Berufswunschs Religionslehrer/-in“, „Nachdenken über die Frage, wie wissenschaftliche Theologie den persönlichen Glauben beeinflusst“, „Impulse für die Praxis“, „Einführung in die ‚kollegiale Fallberatung‘“, „Einführung in die Mediothek“, „Vorstellung der Unterstützungssysteme für den RU (PI, Schulreferate, Bezirksbeauftragte)“, „Unterstützung bei der Suche nach Praktikumsplätzen in kirchlichen Arbeitsfeldern für das Außerschulische Praktikum“, „regelmäßige, wiederkehrende Treffen der Studierenden mit Vertretern der Landeskirche im Landeskirchenamt“, „Gutscheinheft für Besuch von persönlichkeitsbildenden Veranstaltungen“.
4 Allgemeine Rezeption der Vorgaben
4.1 Rolle der KMK-Anforderungen
Die Frage nach der Rolle der KMK-Vorgaben wurde im Online-Fragebogen aufgefächert:
a) bei der Konzeption von Studienordnungen,
b) bei der (Re-)Akkreditierung / Systemakkreditierung und
c) bei der Planung eigener Lehrveranstaltungen.
Abb. 3: Bereiche, bei denen die KMK-Anforderungen eine Rolle gespielt haben
Auf den ersten Blick haben die KMK-Vorgaben bei der Konzeption von Studienordnungen eine außerordentlich große Rolle gespielt. Bei 86 % der Rückmeldungen der Institute und Fakultäten wurden sie berücksichtigt, auch wenn der Grad der Berücksichtigung zunächst offenbleibt. Deutlich geringer, aber immer noch recht hoch ist die Zahl der Angaben bei den Items „(Re)Akkreditierung“ bzw. „Systemakkreditierung“ und „Planung einer Lehrveranstaltung“. Sie liegt bei fast drei Viertel der Rückmeldungen.
Bei den Antworten in den Freifeldern differenziert sich das Bild. Zunächst fällt auf, dass nur wenige Institutionen Art und Umfang der Berücksichtigung wunschgemäß konkretisiert haben. Dabei werden die Modulhandbücher und ‑kataloge als prominente Orte der Rezeption mehrfach erwähnt.
Die meisten Angaben beschränken sich auf allgemeine Äußerungen („Rücksicht auf Kompetenzen“, „sind im Blick“, „es erfolgte ein Abgleich“, „allgemeiner Bezug“, „explizit umgesetzt“, „Vergleich“, „Orientierungsrahmen“, „Integration in Studien- und Prüfungsordnungen“, „teilweise Evaluation von Lehrveranstaltungen“ etc.). In mehreren Fällen ist der antwortenden Person nicht bekannt, in welcher Weise die KMK-Vorgaben rezipiert wurden („ist mir nicht bekannt“, „unbekannt“, „kein weiterer Einblick möglich“, „nicht informiert“). Statt konkreter Angaben zur Rezeption werden z.T. weitläufige Aussagen zum konsekutiven Studium, zum Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik oder zur rechtlichen Situation in einem Bundesland (z. B. Bayern) gemacht. Dabei fällt auf, dass die KMK-Vorgaben dann als verbindlich respektiert werden, wenn in ministeriellen oder universitären Rechtssetzungen auf sie Bezug genommen wird. Es äußern sich mehrere Institutionen aber auch kritisch zu den KMK-Vorgaben, verweigern deren Rezeption oder geben an, dass die Vorgaben nicht berücksichtigt wurden:
- Die Kompetenzen spielen „faktisch erwartungsgemäß kaum eine Rolle“.
- „KMK-Anforderungen sind nicht hilfreich.“
- „Eigene Lehrveranstaltungen folgen der Freiheit von Forschung und Lehre.“
- „In den Besprechungen der Planenden mit dem Kollegenkreis spielten sie keine Rolle. Im kollegialen Austausch waren sie bisher nicht relevant.“
- „Konkretisierung nicht möglich, da das entsprechende Anforderungsprofil ohnehin abgedeckt wird.“
Klarer ist das Ergebnis zu Item b) zusammenzufassen: Hier wird mehrfach ins Feld geführt, dass noch keine (Re-)Akkreditierungen erfolgt seien, man sich gerade im Prozess der Akkreditierung befinde oder landesspezifisch (z. B. bei Staatsexamina im Lehramt) keine Akkreditierungen vorgesehen sind. Diese Angaben können die geringere Zahl von Nennungen bei diesem Item erklären.
4.2 Rolle der EKD-Texte 96 und 126
Zahlenmäßig deutlich geringer als in 4.1 zur Bedeutung der KMK-Anforderungen fallen die Ergebnisse zu den EKD-Texten aus. Der Spitzenwert zur Rezeption der Texte von drei Vierteln wird nur bei dem Item a) „Konzeption von Studienordnungen“ erreicht, während bei b) „Akkreditierungen“ nur 60 %, bei der „Planung eigener Lehrveranstaltungen“ nur 68 % genannt sind.
Abb. 4: Prozesse, bei denen die EKD-Anforderungen eine Rolle gespielt haben
Im Einzelnen werden verschiedene Formulierungen aus 4.1 wörtlich wieder aufgenommen. Auch die Angaben zu fehlenden Akkreditierungen, Unkenntnis und zu verbindlichen Landesvorgaben wiederholen sich. Wie in 4.1 werden teilweise auch sehr allgemeine Feststellungen getroffen.
Gleichwohl deuten mehrere Äußerungen darauf hin, dass insbesondere der EKD-Text 96 dort, wo er rezipiert wurde, eine bedeutend größere Rolle spielt als die KMK-Vorgaben: „Das Papier ist sehr hilfreich, es hat eine ausgezeichnete Struktur und ermöglicht einen differenzierten Blick auf die Umsetzung kompetenzorientierter Bildungsgänge auf der Grundlage der Professionsforschung.“ In dieselbe Richtung zielen Angaben, in denen sehr detailliert aufgeführt ist, wie der Text aufgenommen wurde:
- bei der Überprüfung von Studienordnungen und Studiengängen,
- in einer Vernetzungsgruppe, offenbar gemeinsam mit Vertretern der Studienseminare,
- bei grundlegenden Überlegungen zur Gestaltung der Studiengänge; „die Modulhandbücher und fachspezifischen Bestimmungen wurden auf die Vorgaben hin erstellt“; bei der Grundkonzeption von Lehrveranstaltungen,
- im Blick auf die Ziele „theologisch-religionspädagogische Kompetenz“, „religionspädagogische Reflexionsfähigkeit“ sowie weiterer Teilkompetenzen,
- „Vorgaben wurden bis in den Wortlaut hinein umgesetzt.“
- „in Lehrveranstaltungen und das Fachpraktikum eingewandert“.
Kritisch konnotiert wurde der Text etwa durch den Hinweis, dass der Berichterstatter „vorwiegend fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen halte und die ,Theologischen Standards‘ von EKD-Text 96 sehr allgemein gehalten sind“.
4.3 Berücksichtigung länderspezifischer oder landeskirchlicher Vorgaben in den Studienordnungen
Erwartungsgemäß wird bei dieser zusätzlichen Frage zum einen auf die staatlichen Vorgaben auf der Gesetzes- und Verordnungsebene verwiesen, die dann auf der nächst niederen Ebene von den Universitäten in Rahmenstudienordnungen, Musterprüfungsordnungen und Vorgaben für die Modularisierung umgesetzt werden. Kirchliche Vorgaben werden nur im Blick auf spezifische Leitlinien für den Religionsunterricht (1x), die Vocatio (2x) sowie das Desiderat konfessioneller Kooperation im Religionsunterricht (1x) genannt.
Die Sondersituation des Religionsunterrichts in Hamburg wird ausführlich dargestellt. Obwohl die Inhalte des „RU für alle“ bisher rechtlich ausschließlich von der Landeskirche verantwortet werden und künftig alle hierbei aktiven Religionsgemeinschaften daran beteiligt werden sollen, besteht die Behörde für Schule und Berufsbildung auf einer Fakultas als Voraussetzung für den (Vorbereitungs-)Dienst. Diese Fakultas soll jeweils in der Konfession erworben werden, der der Bewerber / die Bewerberin angehört. Als zweite Bedingung ist die förmliche Beauftragung durch eine Religionsgemeinschaft erforderlich.
5 Konkrete Rezeption der Vorgaben der KMK
In der Umfrage wurden verschiedene Vorgaben der KMK nach Schultyp abgefragt.
5.1 Lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen zur Bibelkunde
Die KMK-Vorgaben nennen unter der Rubrik „Studieninhalte“ für ein Lehramtsstudium für Sekundarstufe I „Zentrale Texte und Zusammenhänge (Bibelkunde)“. Im Bereich der Sekundarstufe II wird ein „größerer Vertiefungsgrad der für Sek. I genannten Inhaltsbereiche“ gefordert.
Die Mehrheit der Studiengänge (60 % Förderschule – 80 % Berufsschule) bietet lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen in Bibelkunde an. Auffällig ist, dass im Bereich der Sekundarstufe I im Verhältnis mehr als doppelt so oft Pflichtkurse an den Instituten im Gegenüber zu den Fakultäten (81 % gegenüber 38 %) angeboten werden. Gründe für diese Unterschiede sind nicht offensichtlich erkennbar. Vermutlich sind an Fakultäten die Bibelkunde-Lehrangebote für Pfarramts-Studierende auch für Lehramtsstudierende geöffnet, so dass es dort keine explizit „lehramtsspezifischen Pflichtveranstaltungen“ gibt.
5.2 Lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen zur Reformationsgeschichte
Die KMK-Vorgaben nennen unter der Rubrik „Studieninhalte“ für ein Lehramtsstudium für Sekundarstufe I „Reformationsgeschichte“. Im Bereich der Sekundarstufe II wird ein „größerer Vertiefungsgrad der für Sek. I genannten Inhaltsbereiche“ gefordert.
Eine knappe Mehrheit der Studiengänge bietet lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen in Reformationsgeschichte an. Im Bereich Förderschule sind es nur 45 %. Institute, die Gymnasiallehrer ausbilden, geben allerdings deutlich häufiger als Fakultäten an, eine Pflichtveranstaltung anzubieten.
5.3 Lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen zur neuzeitlichen Kirchengeschichte?
Die KMK-Vorgaben nennen unter der Rubrik „Studieninhalte“ für ein Lehramtsstudium für Sekundarstufe I „Neuzeitliche Kirchengeschichte“. Im Bereich der Sekundarstufe II wird ein „größerer Vertiefungsgrad der für Sek. I genannten Inhaltsbereiche“ gefordert.
Die Mehrheit der Studiengänge (50-64 %, wiederum mit einer Ausnahme im Bereich Förderschule mit 45 %) bietet lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen in neuzeitlicher Kirchengeschichte an. Vergleichbar zu Frage 5.2 geben auch hier Institute, die Gymnasiallehrer ausbilden, deutlich häufiger als Fakultäten an, eine Pflichtveranstaltung vorzuhalten. Legt man die Rahmenordnung für den Studiengang Magister Theologiae / Pfarramt zugrunde, sollte es an den Fakultäten i.d.R. allerdings ein sehr differenziertes Angebot im Bereich der Kirchengeschichte geben. Die Vermutung liegt nahe, dass es zwar ein ausdifferenziertes kirchengeschichtliches Angebot an den Fakultäten gibt, das auch von Lehramtsstudierenden besucht werden kann; innerhalb eines eher breit gefächerten kirchengeschichtlichen Lehrangebots wird aber eine Einzelveranstaltung („Neuzeitliche Kirchengeschichte“) eher nicht als verpflichtend festgelegt.
5.4 Lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen zur neuzeitlichen Ökumene
Die KMK-Vorgaben nennen unter der Rubrik „Studieninhalte“ für ein Lehramtsstudium für Sekundarstufe I verschiedene Aspekte der christlichen Ökumene („Die römisch-katholische Kirche als ökumenische Partnerin“) sowie weitere Aspekte der interreligiösen Ökumene („Geschichte, Inhalte und Formen des jüdischen Glaubens“, „Geschichte des christlichen Antijudaismus“, „Geschichte, Lehre, gegenwärtige Kultur des Islam – Herausforderungen für das Zusammenleben“, „Religiöse Gruppen und Vereinigungen“).
Etwa die Hälfte der Studiengänge (41-53 %, weniger Prozentpunkte als im Bereich der kirchengeschichtlichen Veranstaltungen) bietet lehramtsspezifische Pflichtveranstaltungen zur Ökumene an. An Instituten mit Berufsschullehrer-Ausbildung werden signifikant mehr Pflichtveranstaltungen in diesem Bereich vorgehalten. Offensichtlich wird im Bereich der Berufsschullehrer-Ausbildung damit dem Umstand Rechnung getragen, dass an diesen Schulen der reguläre konfessionsgebundene RU aufgrund der fehlenden konfessionellen Bindung der Schülerinnen und Schüler oft schwierig vorzuhalten ist bzw. durch konfessionelle Kooperationen ersetzt wird.
In der Zusammenschau (Abb. 5) fällt auf, dass am häufigsten Bibelkunde mit durchschnittlich knapp drei Viertel aller schulspezifischen Studiengänge als Pflichtveranstaltung in die Module integriert ist und entsprechend angeboten wird. Veranstaltungen zur Reformationsgeschichte, zur neueren Kirchengeschichte und zur neuzeitlichen Ökumene sind dagegen nur bei ca. 50 % der Studiengänge integrale Pflichtbestandteile. Gerade angesichts der Einführung des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts müsste beim Thema Ökumene dringend nachgebessert werden.
Abb. 5: Einhaltung der Vorgaben der KMK zu Pflichtveranstaltungen nach Schultyp
6 Konkrete Rezeption der Vorgaben aus EKD-Texten 96 und 126
Alle Einrichtungen wurden zu den Vorgaben der EKD-Texte 96 und 126 schulformspezifisch befragt:
6.1 Studien-Angebote zur Reflexion des Selbstkonzepts als künftige
Religionslehrkraft (TK 1)
Die Teilkompetenz 1 des EKD-Textes 96 lautet „Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Religiosität und der Berufsrolle“ und zielt darauf, ein berufliches Selbstkonzept als Religionslehrerin und Religionslehrer in Auseinandersetzung mit der eigenen Religiosität, der Berufsrolle und der religionspädagogischen Theorie zu entwickeln und darüber auskunftsfähig zu sein.
Die Gesamtauswertung der Angaben (Abb. 6) zeigt, dass die befragten Institutionen bei allen Studiengängen in sehr hohem Maße entsprechende Veranstaltungen angeboten haben (ca. 90 %). Da die Angaben zur globalen Rezeption der EKD-Anforderungen bei der Planung von Lehrveranstaltungen nur den Wert von 68 % erreichen, ist zunächst zu vermuten, dass dieser Veranstaltungstyp für die Institutionen ohnehin und auch ohne die EKD-Anforderungen von großer Bedeutung ist und eine durchgängige Praxis vorliegt. Allerdings subsumieren die Institutionen unter diesem Item mehrheitlich allgemeine Einführungskurse zum Studium sowie Kurse fachwissenschaftlicher, religionspädagogischer und fachdidaktischer Art. Es ist nicht erkennbar, ob die TK 1 mit ihrer spezifischen Fokussierung auf die eigene Religiosität und das berufliche Selbstkonzept bei den angegebenen Themen integrativ behandelt wird. Elfmal ist die TK 1 im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf das Praxissemester oder ein Praktikum genannt, so dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Religiosität und die Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts eher als eine vornehmlich für die konkrete Praxis relevante Kompetenz erscheinen. Nur in wenigen Fällen sind Veranstaltungen ausgewiesen, die einen expliziten Bezug zu der TK 1 haben, so z. B. „Wer bin ich? Was mache ich? Was glaube ich? Selbstverständnis und Rollenverständnis im Religionslehrerberuf SS 2016“ oder „Religion bei Religionslehrkräften – (k)ein Thema im Studium? SS 2017“.
Abb. 6: Einhaltung der Vorgaben der EKD-Texte zu ausgewiesenen Kompetenzen nach Schultyp
6.2 Pflichtseminar zu zentralen konfessionskundlichen Grundpositionen (TK 5)
Die Teilkompetenz 5 benennt die Fähigkeit zur religionsdidaktischen Auseinandersetzung mit anderen konfessionellen, religiösen und weltanschaulichen Lebens- und Denkformen. Aus dieser komplexen Teilkompetenz spricht das Item nur den Standard „Zentrale konfessionskundliche und ökumenische Fragestellungen benennen und erläutern“ an.
Die Angaben zur Häufigkeit von Pflichtseminaren zu dieser TK weisen für alle Lehrämter relativ niedrige Werte aus. Selbst beim gymnasialen Lehramt liegt die Häufigkeit nur bei 52 %. Dieses Ergebnis mag zum einen daran liegen, dass konfessionelle Profile zumindest in der Religionspädagogik, aber auch in den anderen theologischen Disziplinen immer weniger eine segregierende Rolle spielen, zum andern dürfte sich auch die faktisch vorhandene konfessionsübergreifende oder kooperative Praxis etwa in der Förderschule oder den berufsbildenden Schulen auf das Lehrangebot auswirken. Schließlich spiegelt sich darin auch ein gesellschaftlicher Trend zur Verwischung konfessioneller Ausprägungen von Religion. Augenscheinlich sehen die Institutionen hinsichtlich der Einrichtung pflichtmäßig zu belegender konfessionskundlicher Veranstaltungen im Unterschied zu den Vorgaben der EKD-Texte keinen besonderen Handlungsbedarf oder beschränken sich auf Wahlveranstaltungen.
6.3 Pflichtseminar zu religionswissenschaftlichen Grundpositionen (TK 5)
Dieses Item bezieht sich ebenfalls auf die TK 5 und hier auf den Standard „Wesentliche religionswissenschaftliche Fragestellungen und Themen darstellen“.
Angesichts der Tatsache, dass die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Religionen nicht nur in der Schule einen großen Stellenwert einnimmt, sondern auch die gesellschaftliche Pluralität insgesamt eine bedeutende Herausforderung darstellt, ist es nicht überraschend, dass – im Unterschied zu dem Item 6.2 – die Pflichtseminare zu religionswissenschaftlichen Grundpositionen erheblich häufiger genannt sind. Bemerkenswert ist allerdings, dass die höchsten Werte im gymnasialen Lehramt erreicht werden, obwohl hier die religiöse Pluralität der Schülerinnen und Schüler am geringsten ist. Im Blick auf den Befund religiöser Heterogenität in den verschiedenen Schulformen müssten insbesondere im Studium für das Lehramt an der Grundschule und der Sekundarstufe I die Pflichtveranstaltungen deutlich verstärkt werden.
6.4 Pflichtseminare zu philosophisch-weltanschaulichen Grundpositionen
(TK 5)
Der zugehörige Standard zu diesem Item lautet: „Gegenwärtig wirksame philosophische und weltanschauliche Grundpositionen beschreiben und ihre Auswirkungen analysieren“.
Die Häufigkeitswerte zu diesem Item liegen bei den Lehrämtern für die Grundschule, die Sekundarstufe I und das Gymnasium nur geringfügig höher als bei dem Item 6.2. Bis auf das gymnasiale Lehramt bleiben die Nennungen unter 50 %. Zu erwarten wäre, dass zumindest im gymnasialen Lehramt die Voraussetzungen für eine fundierte Dialog- und Diskurskompetenz (TK 11 und 12) durch entsprechende Pflichtveranstaltungen geschaffen würden, da künftige Lehrkräfte sich lehrplangemäß etwa mit Formen des Atheismus befassen müssen und zudem ständig mit Alltagsformen naturwissenschaftlich-technisch geprägter, philosophisch aufklärerischer sowie religiös indifferenter oder ablehnender Denk- und Lebensweisen konfrontiert sind. Aber auch in den anderen Lehrämtern nehmen Kinder und Jugendliche mit einer konfessions- bzw. religionslosen oder atheistischen Biographie am Religionsunterricht teil und erfordern auf der Seite der Lehrkräfte ausgewiesene dialogische Kompetenzen. Nach der Fragestellung in 6.4 ist die Häufigkeit der Pflichtveranstaltungen zu dieser Thematik eher begrenzt; es ist aber zu beobachten, dass die Äußerungen in den Freifeldern die Thematik „philosophisch-weltanschaulicher Grundpositionen“ oft nennen. Dieser widersprüchliche Befund könnte daher auch an Unklarheiten im Blick auf die Fragestellungen in 6.4 und 6.5 liegen (s.u.).
6.5 „Religiöse Aspekte der Gegenwartskultur“ in (Pflicht-)Seminaren (TK 6)
Die Teilkompetenz 6 beschreibt die Fähigkeit zur Interpretation und didaktischen Entschlüsselung religiöser Aspekte der Gegenwartskultur.
Die Bedeutung dieses Themenbereichs wird durch die Häufigkeit der Pflicht-Angebote nachdrücklich bestätigt. Die Nennungen erzielen mit 94 % und 97 % in den Lehramtsstudiengängen Grundschule, Sekundarstufe I und Gymnasium Spitzenwerte, die die Werte bei Item 6.1 und 6.7 noch übertreffen. Angesichts der Tatsache, dass die religiöse Sozialisation von Kindern und Jugendlichen in dramatischem Maße abnimmt und der Religionsunterricht immer weniger auf Wissensbestände hinsichtlich religiös-kultureller Traditionen und Spuren zurückgreifen kann, ist die Häufigkeit der Nennungen entsprechender Bezüge in den Seminaren als außerordentlich erfreulich einzuschätzen. Man wird durchaus feststellen können, dass sich hier das Zentrum lehramtsspezifischer Studienangebote befindet, das auch Rückschlüsse auf die Selbstkonzeption der Religionspädagogik erlaubt. Sie fokussiert sich besonders auf die Wahrnehmung und Interpretation von Religiosität in unterschiedlichen Formen in aktuellen lebensrelevanten Kontexten.
Gemäß den Äußerungen in den Freifeldern nehmen eine Reihe von Veranstaltungen insbesondere aus der Religionspädagogik die Thematik dezidiert auf und befassen sich zum einen mit einem breiten Spektrum von Popkultur, Filmen, Musik, Kunst, Sport, Bibelrezeption, Literatur, Kinder- und Jugendliteratur und Computerspielen.
Zum andern stehen im Mittelpunkt eher systematisch-theologisch geprägter Veranstaltungen Atheismus, Fundamentalismus und Religionskritik, die Frage nach Gott und gelebter Glaube, neue Religionen und religiöse Bewegungen, religiöse Vielfalt und kulturelle Traditionen, religiöse Gegenwartsstrukturen und religionssoziologische Trends, Ethik und Theologie des Digitalen Zeitalters.
Allerdings ist nicht erkennbar, ob besondere Schwerpunkte für die künftige Tätigkeit der Studierenden als unumgänglich eingeschätzt werden. Vielmehr provoziert die extrem große Breite unterschiedlicher Themen die Frage, ob es sich bei der Teilkompetenz 6 vielleicht nur um eine Art Container handelt, der sich nicht nur dazu eignet, beliebige Themen darin zu platzieren, sondern auch die hohen Befragungswerte zu erklären, die mit diesem Item verbunden sind.
6.6 Medienkompetenz in (Pflicht-)Veranstaltungen (TK 7)
Die Teilkompetenz 7 bezieht sich auf „Wissenschaftsmethodische und medienanalytische Kompetenz“ und umfasst sowohl zentrale wissenschaftliche Methoden als auch verschiedene Arten unterrichtlicher Medien. Letztere steht im Fokus dieses Items.
Die Werte für Pflichtveranstaltungen zur Medienkompetenz liegen (außer bei der Förderschule) zwischen 62 und 68 % und erreichen damit immerhin ein Quorum von zwei Dritteln. Dennoch ist es angesichts der überwältigenden Bedeutung, die vor allem digitale Medien für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben, erstaunlich, dass nicht noch weitaus höhere Zahlen vorliegen. Dazu passt, dass die digitalen Medien in den Freifeldern nicht ein einziges Mal genannt werden; beim Item 6.5 wird zumindest einmal auf Computerspiele hingewiesen – insgesamt aber eine bedauerliche Studienlücke, die die künftigen Lehrkräfte mit einem schwierigen Problem ihrer Alltagspraxis allein lässt.
Thematisch befassen sich die Angebote vornehmlich mit Bildern und Filmen, also eher traditionellen Medien des Religionsunterrichts. Etwa gleichgewichtig werden Medien integriert in übergeordneten Veranstaltungen (als Querschnittkompetenz) behandelt bzw. als eigene thematische Veranstaltungen ausgewiesen. Fünfmal sind Medien als Gegenstände von Begleitseminaren zu Praktika bzw. von Werkstätten benannt. Angesichts der großen Zahl an Nicht-Nennungen in den Freifeldern erscheinen Aussagen, was genau in den Veranstaltungen thematisiert wird, nur eingeschränkt möglich.
6.7 (Pflicht-)Veranstaltungen, in denen die Wahrnehmungs- und Diagnosekompetenz im Blick auf die Religiosität / religiöse Entwicklung / Interessenlage von Schülerinnen und Schülern methodisch reflektiert geschult wird (TK 9)
Die Teilkompetenz 9 benennt die Religionspädagogische Wahrnehmungs- und Diagnosekompetenz und richtet sich auf die Wahrnehmung der Lebenswelten, der religions- und entwicklungspsychologischen Erkenntnisse sowie die Diagnose von individuellen Lernständen.
Die Häufigkeitswerte bei diesem Item liegen für alle Lehrämter zwischen 78 und 91 % und nähern sich damit den Spitzenwerten des Items 6.5 an. Dies ist möglicherweise auf die inhaltliche Nähe beider Items zurückzuführen, auch wenn sich 6.5 eher auf die thematischen Aspekte des Religionsunterrichts, 6.7 hingegen auf die diagnostischen Gesichtspunkte der Schüler-Religiosität bezieht. Gleichwohl lassen die sehr hohen Befragungswerte erkennen, dass die Mittelpunktstellung der Schülerinnen und Schüler als Subjekte des Unterrichts sich auch in einem entsprechenden Angebot niederschlägt.
Mehrheitlich gibt es zu diesem Item keine separaten Veranstaltungen, vielmehr findet es integriert in allgemeine Veranstaltungen zur Religionspädagogik und Religionsdidaktik seinen Ort. Zehnmal wird das Thema im Rahmen von Begleitseminaren zu Praktika bearbeitet, achtmal werden explizite Veranstaltungsthemen zu diesem Item (meist zu religiöser Entwicklung, weniger zu religiöser Sozialisation) ausgewiesen. Nur einmal wird eine Veranstaltung zu „Diagnose und individuelle Förderung“ angeboten. Es fehlen – jedenfalls nach den Nennungen in den Freifeldern – fast völlig Veranstaltungen zu den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, sieht man von dem Thema „Rituale im Jugendalter“ ab, das einmal vorkommt.
6.8 Fazit
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Befragung ist nicht sicher zu beurteilen, inwieweit die EKD-Texte (insbesondere Text 96) auf das Lehrangebot der Institutionen eingewirkt haben. Erfreulich ist, dass bestimmte thematische Veranstaltungen etwa zu 6.1, 6.5 und 6.7 in hohem Maße vorgehalten werden und die Institutionen damit den Desideraten an professionellen Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung entsprechen. Angesichts der aktuellen und künftigen Anforderungen an Lehrkräfte, die sich aus der religiösen Heterogenität der Schülerschaft, der Spezifik ihrer Lebenswelten und aus den vorherrschenden gesellschaftlichen Trends, Entwicklungen und Problemen ergeben, müssten die Angebote für künftige Lehrkräfte deutlich stärker auf die Erfahrungsräume der Schülerinnen und Schüler und auf ihre Kompetenzen, mit diesen Phänomenen umzugehen, bezogen werden. Kompetenzen religiöser Bildung können Kinder und Jugendliche nur dann erwerben, wenn Lehrkräfte die Wirklichkeit in den Religionsunterricht bringen und diesen der Wirklichkeit aussetzen. Veranstaltungen zu Säkularität und Traditionsbrüchen, Atheismus und Indifferenz, wissenschaftlich-technischen Denk- und Handlungsparadigmen und der Dialektik der Aufklärung, zu drohenden globalen Katastrophen und Gefährdungen des Lebens durch Gewalt, Krieg und Unrecht, Klimawandel, Umweltzerstörung und Wirtschaftssystem, zur Krise der Demokratien und zu Ambivalenzen des digitalen Zeitalters müssten obligatorisch in die Studiengänge der künftigen Lehrkräfte integriert werden, wenn der Religionsunterricht sich als religiös profiliertes Orientierungsfach für die Lernenden erweisen und behaupten will. Ausweislich der wiedergegebenen Konkretisierungen in den Freifeldern besteht im Blick auf die genannten Herausforderungen noch erheblicher Studien- und Handlungsbedarf.
7 Zentrale Themenbereiche wie konfessionelle Kooperation,
interreligiöses Lernen u.a.
Im folgenden Kapitel werden zentrale Themenbereiche wie konfessionelle Kooperation, interreligiöses Lernen, Inklusion und Modi der Leistungsüberprüfung fokussiert und dafür jeweils verschiedene Fragebereiche zusammengezogen.
Es wurde in Bezug auf die abgefragten Kooperationen per Internetrecherche geprüft, ob an den entsprechenden Seminaren bzw. an den Universitäten katholische oder islamische Theologien vorhanden sind. Bei den hier erfassten Einrichtungen gibt es bei mehr als drei Viertel (78 %) katholische Theologien und bei einem Viertel (26 %) islamische Theologien. Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass es nach den vorliegenden Daten für entsprechende Fragen (s. u.) keine Rolle spielt, ob entsprechende „Partnerinstitutionen“ vorhanden sind oder nicht. Das ist das Resultat der Datenlage und kann selbstverständlich vor Ort einen großen Unterschied machen. Aber: Oft scheinen die evangelischen universitären Einrichtungen auch außerhalb der Universitäten entsprechende Kooperationspartnerinnen und -partner zu suchen.
7.1 Konfessionelle Kooperation
7.1.1 Konfessionelle Kooperation in den Studienordnungen
Das Thema „Konfessionelle Kooperation“ hat einen bedeutenden Platz in der Lehramtsausbildung gewonnen. Das lässt sich daran ablesen, dass es in deutlich über 50 % der Fälle in Modulhandbücher, in die Studienordnungen oder in andere Vorgaben des Faches aufgenommen wurde (vgl. Abb. 7), und zwar unabhängig davon, ob die konfessionelle Kooperation mit einem katholischen Studiengang vor Ort praktiziert werden kann oder nicht. Konfessionelle Kooperation wird ohne signifikante Unterschiede auch dann zum Pflichtthema, wenn kein katholischer Kooperationspartner in Standortnähe vorhanden ist. Auffällig ist weiterhin, dass dies für alle abgefragten Schularten gilt.
Abb. 7: „Konfessionelle Kooperation“ Teil der Vorgaben, nach Schultyp
Obwohl man davon ausgehen kann, dass sich die Formen konfessioneller Kooperation in der Praxis von Schultyp zu Schultyp deutlich unterscheiden, erreicht die konfessionelle Kooperation als obligatorisches Thema in allen Lehramtsstudiengängen durchgehend Werte zwischen 52 und 75 %. Konfessionelle Kooperation wird, so kann man schließen, schulartübergreifend als Thema von grundsätzlicher Bedeutung erkannt, allerdings nicht flächendeckend umgesetzt. Dabei spielt es statistisch keine Rolle, ob die EKD-Texte 96 und 126 im Rahmen der Akkreditierung relevant waren.
Im Bereich des Lehramts an Berufsbildenden Schulen wird allerdings eine signifikante Differenz zwischen den Angaben von Instituten und Fakultäten sichtbar. Während Institute im Kontext von Berufsschulstudiengängen mit 76 % das Thema „konfessionelle Kooperation“ überdurchschnittlich oft in den Fachvorgaben bestätigen, tun dies Fakultäten im gleichen Studiengang mit nur 57 %.
7.1.2 Kooperationen mit anderen Konfessionen im Rahmen von Veranstaltungen
Im Durchschnitt kooperieren 70 % aller befragten Fakultäten und Institute im Rahmen von religionspädagogischen Studiengängen mit anderen. 38 % davon kooperieren gelegentlich, 41 % regelmäßig wiederkehrend und 22 % ständig.
Dieser Wert liegt erwartungsgemäß höher als der, der die Anerkennung von Credit-Points beschreibt. Hier kommen auch weitere Kooperationspartner in Betracht. Dabei dominiert, wie erwartet, die Kooperation mit der römisch-katholischen Konfession. Aber auch die orthodoxen Kirchen werden mehrfach genannt. Insgesamt unterscheiden sich die Quantitäten in den verschiedenen Schularten nur marginal. Allein die Förderschule liegt mit einem Wert von 50 % gelegentlicher Kooperationen auf erkennbar niedrigerem Niveau. Eine differenzierte Betrachtung ergibt, dass ca. 50 % aller Fakultäten und Institute regelmäßig oder ständig im Rahmen von Veranstaltungen kooperieren.
Die Freifeldantworten beschreiben neben Kooperationsformen in Veranstaltungen auch Kooperationen auf institutioneller Ebene: ein gemeinsamer Fachbereich, ein gemeinsames Vorlesungsverzeichnis oder gemeinsame Sekretariatsstrukturen. Im Bereich der Lehre wird zunächst rein pragmatisch der gegenseitige Lehrexport als gewinnbringend genannt. Die kooperativen Lehrveranstaltungen selbst werden häufig als „ökumenisch“ oder „konfessionsübergreifend“ tituliert. Hier steht offensichtlich kein dialogisches Prinzip Pate, sondern die gemeinsame Arbeit an einem weitgehend „konfessionsneutralen“ Feld oder Thema (etwa das Praxissemester).
Die Verantwortung für Veranstaltungen dieser Art, die eine konfessionsgemischte Teilnehmerschaft erlauben oder sogar ausdrücklich adressieren, liegt nicht selten bei einer einzigen Konfession. Davon zu unterscheiden sind Lehrveranstaltungen, die in paritätischer Besetzung zweier (oder mehrerer) Konfessionen in einem engeren Sinne konfessionell-kooperativ angelegt sind, also von zwei Lehrenden gemeinsam konzipiert und durchgeführt werden. Dazu zählen insbesondere gemeinsam verantwortete Lehrveranstaltungen, die die Vielfalt oder Gemeinsamkeit der Konfessionen selbst thematisieren, etwa Veranstaltungen zu „Heterogenität“ oder „Inklusion“. Schließlich findet ausdrücklich Erwähnung, dass manche Formate der Kooperation vor allem von der persönlichen Begegnung und Zusammenarbeit der Lehrenden getragen sind.
7.1.3 Wechselseitige Anerkennung von studienrelevanten Credits im Bereich
der katholischen Theologie
Die Möglichkeit des Erwerbs von Leistungspunkten in der katholischen Theologie setzt voraus, dass am selben Standort oder in unmittelbarer Nähe neben der evangelischen Theologie ein entsprechender Studiengang angeboten wird. Das ist bei knapp 80 % aller Einrichtungen, in denen für das Lehramt in evangelischer Theologie ausgebildet wird und die an der Befragung teilgenommen haben, der Fall. Nur rund einem Fünftel der Einrichtungen ist diese Möglichkeit – aufgrund externer Gegebenheiten – versagt. Eine evangelisch-katholische Kooperation bezüglich der Leistungsanrechnungen ist also in den meisten Fällen möglich und sogar naheliegend.
Betrachtet man nun diejenigen Institute und Fakultäten separat, an deren Standort man Theologie beider Konfessionen studieren kann, ergibt sich den Angaben zufolge, dass an mehr als jedem zweiten dieser Studienstandorte creditrelevant konfessionell kooperiert wird: 48 % der Einrichtungen betreiben grundsätzlich eine entsprechende Zusammenarbeit. Umgekehrt und kritisch gewendet bedeutet das, dass annähernd die Hälfte aller Einrichtungen, die die Möglichkeit zur wechselseitigen Anerkennung von Credits haben, davon keinerlei Gebrauch macht.
In welcher Form wird die Anerkennung von Leistungspunkten in der katholischen Theologie oder die wechselseitige Anerkennung praktiziert? Aufschlussreich sind diesbezüglich die Freifeldantworten der Befragung. Sie sind zwar nicht repräsentativ und erlauben keine quantitativen Zuordnungen, zumal die Anzahl leerer Felder zu diesem Item mit knapp über 50 % recht hoch ist. Dennoch illustrieren die vorliegenden Angaben sehr eindrücklich eine enorme Vielfalt an Kooperationsformen. Zugleich lässt sich indirekt, mitunter sogar explizit ablesen, welche Bedenken hinsichtlich der Anerkennung von Credits im anderen Fach bestehen. Mehrere frei formulierte Antworten thematisieren, wie das Verfahren der Anerkennung am Standort formal geregelt ist, und bemängeln, dass es noch keine „rechtssichere Grundlage“ gebe. Zudem teilen sie die Sorge mit, dass die Eigenständigkeit der Fächer in der allgemeinen Wahrnehmung verloren gehe und letztlich eine Zusammenlegung von Lehrstühlen drohe. An mehreren Standorten wird der Erwerb von Credits in der anderen Konfession dadurch formal abgesichert, dass Prüfungsleistungen vorab genehmigt, vom Institutsleiter oder der Institutsleiterin abgezeichnet oder generell nur im eigenen Haus abgelegt werden.
Weiterhin geht aus den Antworten deutlich hervor, dass die Anerkennung von Credits in der Regel wechselseitig etabliert ist. In einem Fall wird allerdings ausdrücklich beklagt, dass eine Integration des Lehrangebots in das eigene Lehrangebot nur einseitig von der evangelischen Theologie erfolge. Abgesehen davon ergibt sich, wie bereits oben erwähnt, eine große Bandbreite creditrelevanter Kooperationen. Die Anrechnungsmöglichkeiten von Lehrveranstaltungen unterscheiden sich dem Umfang nach beträchtlich:
- Es können einzelne Veranstaltungen der anderen Konfession, mit oder ohne Prüfungsleistungen, besucht werden.
- Lehrveranstaltungen der anderen Konfession werden in bestimmten Bereichen anerkannt (Sprachen, Exegese).
- Lehrveranstaltungen der anderen Konfession werden generell, aber unter Ausschluss einzelner Angebote anerkannt (Einführung in das Theologiestudium, Systematik-Einführung).
- Die Zahl von Leistungsnachweisen in der anderen Konfession wird durch eine Obergrenze limitiert (maximal 50 %).
- Es gibt einen gemeinsamen Studiengang „Christliche Studien“, bei dem ein konfessioneller Schwerpunkt vorab gewählt wird und dann eine Belegungspflicht von Veranstaltungen in der jeweils anderen Konfession besteht (25 %).
7.1.4 Fazit
Insgesamt wird eine recht breite Praxis an konfessioneller Kooperation erkennbar. Die Zahlen zeigen aber auch, dass die wechselseitige Anerkennung von Lehrveranstaltungen keinesfalls den Standardfall darstellt. Dass dies in bestimmten Disziplinen oder Themenbereichen inhaltlich naheliegt, dokumentieren vereinzelte Regelungen in der Praxis. Wegweisend könnte die teilweise bereits praktizierte Umkehrung der Begründungspflicht sein: Einzelne Veranstaltungen sind von der wechselseitigen Anerkennung auszuschließen, nicht umgekehrt. Auch die Prüfungsleistung sollte, so einzelne Forderungen, bei anerkannten Veranstaltungen im je anderen Fach möglich sein. Grundlegend dafür scheint eine transparente, formelle und rechtssichere Regelung der wechselseitigen Anerkennung und die Credit-Verwaltung durch die je eigene Konfession zu sein. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, um den Bestand von Lehrstühlen zu erhalten.
7.2 Interreligiöses Lernen
7.2.1 Interreligiöses Lernen in den Studienordnungen nach Schularten
Die Herausforderungen für das interreligiöse Lernen stellen sich nicht nur in den Regionen der Bundesrepublik Deutschland (Stadt / Land, Ost / West etc.), sondern auch in den Schulformen sehr unterschiedlich dar. Signifikant unterscheidet sich beispielsweise die Situation an beruflichen Schulen in Ballungszentren wie Frankfurt am Main von anderen Schulformen: 13 % der Schülerinnen und Schüler im evangelischen Religionsunterricht an Frankfurter Vollzeitberufsschulen sind evangelisch, 14 % katholisch und 72 % geben eine andere oder keine Konfession bzw. Religion an.[5]
Vor dem Hintergrund der spezifischen Situation an beruflichen Schulen überrascht die Selbstauskunft der befragten Fakultäten und Institute: Zwar geben 74 % der befragten Einrichtungen für berufsbildende Schulen an, dass das Interreligiöse Lernen Teil der curricularen Vorgaben sei, doch ist dieser Wert im Vergleich zu den Einrichtungen für andere Schulformen am niedrigsten (vgl. Abb. 8).
Abb. 8: Interreligiöses Lernen als Teil der curricularen Vorgaben
Betrachtet man nur die Selbstauskünfte der befragten KIET-Institute, so ist im Bereich der Sekundarstufe I und der Berufsbildenden Schulen „Interreligiöses Lernen“ deutlich häufiger Teil der Vorgaben als in den Fakultäten. Zusammenhänge zu den EKD-Texten 96 und 126 im Rahmen der (Re-)Akkreditierung / Systemakkreditierung existieren jedoch nicht, d. h. das „Interreligiöse Lernen“ wird auch dort als relevant erachtet, wo die beiden Texte nach der Selbstauskunft der befragten Einrichtungen nicht rezipiert wurden (und vice versa).
Ebenso wenig lässt sich ein Zusammenhang zu der Frage erkennen, ob an einer Universität eine islamische Theologie ansässig ist oder nicht.
7.2.2 Kooperationen mit anderen Religionen im Rahmen von Veranstaltungen
Auch wenn Kooperationen auf der Ebene der Studien- und Modulordnungen (einschließlich der wechselseitigen Anerkennung von studiengangrelevanten Credits) noch selten sind, gibt es in allen Schulformen eine hohe Zustimmungsrate zu der Frage, ob auf der Ebene von Einzelveranstaltungen Kooperationen mit anderen Religionen bestehen.
Abb. 9: Kooperationen mit anderen Religionen in Veranstaltungen nach Schultyp
Auch wenn bildungspolitische Texte der EKD eine wichtige Orientierungsfunktion haben, darf deren Wirkung bei der Erarbeitung und Verabschiedung konkreter Studien- und Modulordnungen oder bei der Lehrplanung nicht überschätzt werden: Wie bei der Frage nach der Bedeutung interreligiösen Lernens in den curricularen Vorgaben gibt es auch bei der Frage nach der Kooperation mit anderen Religionen in Einzelveranstaltungen keinen Zusammenhang zur Verwendung bzw. Nichtverwendung der EKD-Texte 96 und 126 im Rahmen der (Re-)Akkreditierung / Systemakkreditierung. Die Kooperationsbereitschaft mit anderen Religionen steht auch in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob an der entsprechenden Universität ein islamisches Theologiestudium möglich ist oder nicht.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die Herausforderungen für das interreligiöse Lernen in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik Deutschland (Stadt / Land, Ost / West etc.) unterschiedlich darstellen (vgl. dazu die Beobachtungen in 7.2.1). Einen Eindruck von dieser Situation geben auch die freien Antworten zu der Frage, ob es Kooperationen mit anderen Religionen im Rahmen von (Einzel-)Veranstaltungen gibt. Die besondere Herausforderung in Mecklenburg-Vorpommern bestehe nicht im Dialog mit anderen Religionen, sondern „im Umgang mit Konfessionslosigkeit und den damit verbundenen Herausforderungen“ – so die Selbsteinschätzung einer befragten Fakultät in dieser Region. Gleichwohl können, wie das Dresdner Beispiel zeigt, auch in Ostdeutschland Lehrveranstaltungen wie „Weltreligionen im Religionsunterricht“ (mit Exkursionen zur Jüdischen Gemeinde Dresden, zur Türkisch-muslimischen Gemeinschaft und zum Vietnamesisch-Buddhistischen Zentrum) zum regelmäßigen Lehrangebot gehören. In Kassel finden, um ein weiteres Beispiel zu nennen, nicht nur im Rahmen der „Einführung in die Religionspädagogik“ kooperative Sitzungen statt, sondern auch Studientage für Studierende, Referendare und Lehrer u. a. mit der Muslimischen Hochschulgemeinde Kassel sowie der dortigen jüdischen Gemeinde. Zudem nehmen einzelne Imame an bibelwissenschaftlichen und systematisch-theologischen Veranstaltungen teil.
Fakultäten, an denen (wie in Frankfurt am Main) Professuren für Religionswissenschaft (mit Forschungsschwerpunkt Islam) und jüdische Religionsphilosophie angesiedelt und in Studium und Prüfung fest eingebunden sind, eröffnen ebenfalls besondere Kooperationsmöglichkeiten. Auch die Berliner Angebote im fakultätseigenen Schwerpunkt der christlich-jüdischen Studien (Institut Kirche und Judentum) und der Berliner Studien zum Jüdischen Recht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät sind in diesem Zusammenhang als Beispiele für interreligiöse Kooperationen innerhalb einer theologischen Fakultät zu erwähnen. Die freien Antworten auf die Frage, auf welcher Ebene Kooperationen mit anderen Religionen stattfinden, verweisen auch sonst auf die Vielfalt an Möglichkeiten neben den Pflicht- und Wahlmodulen im Studium, darunter sog. Lernwerkstätten, Exkursionen, Ringvorlesungen, christlich-islamische Studientage, Angebote von Gastwissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftlern und der Besuch von externen Lernorten (Synagogen, Moscheen etc.).
7.2.3 Kooperationspartner der Institutionen
In den freien Antworten werden Muslime am häufigsten als Kooperationspartner genannt, gefolgt von Juden und nur wenigen Angaben zu weiteren Religionen. Die freien Antworten decken sich damit weitgehend mit der Selbstauskunft der beteiligten Einrichtungen zu der Freifeld-Frage, mit welchen Religionen kooperiert werde:
Tab. 3: Kooperation andere Religionen in Prozent der Institutionen (Mehrfachantwort möglich)
Religion | Anzahl |
Judentum | 22 |
Islam | 25 |
Buddhismus | 6 |
Anzahl leere Felder | 14 |
23 % kooperieren gelegentlich, 63 % regelmäßig wiederkehrend und 13 % ständig mit Institutionen anderer Religionen. In der Frage der Verbindlichkeit gibt es keine Unterscheidung zwischen Fakultäten und Instituten.
Tab. 4: Grad der Verbindlichkeit, Kooperation andere Religionen
Anzahl | in % | Kum. | |
gelegentlich | 7 | 23 | 23 |
regelmäßig | 19 | 63 | 87 |
ständig | 4 | 13 | 100 |
Gesamt | 30 | 100 |
|
7.2.4 Kooperationen mit Instituten / Fakultäten zum Erwerb studiengangrelevanter Credits
Das Strukturmodell des EKD-Textes 96 für die Kompetenzen von Religionslehrerinnen und -lehrern wurde aus den fachlichen und fachdidaktischen Anforderungen ihres Berufsfeldes abgeleitet. Zu diesen Anforderungen gehört u. a. die Fähigkeit, sich an fächerverbindenden Kooperationen (u. a. mit dem IRU) in der Schule und am „Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen und Weltanschauungen“ beteiligen zu können (EKD-Text 96, 20). Die daraus abgeleitete „Interkonfessionelle und interreligiöse Dialog- und Kooperationskompetenz“ (TK 11) soll daher, so die Empfehlung aus dem Jahr 2008, bereits während des Studiums erworben werden.
Auch wenn in diesem Zusammenhang kooperative Lehrformate im Studium und eine Zusammenarbeit mit islamischen Einrichtungen in dem EKD-Text nicht explizit erwähnt werden, liegt deren theologische, religionspädagogische und hochschuldidaktische Notwendigkeit auf der Hand. Ausgehend von diesem Problemhorizont, bezog sich daher ein Item auf die Frage, inwieweit bereits Kooperationen mit einem Institut für islamische Theologie bestehen und studiengangrelevante Credits erworben werden können.
Die Auswertung der Selbstauskünfte verweist in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Entwicklungsaufgabe: Eine Zusammenarbeit mit islamischen Instituten praktizieren bisher nur vier (9 %) der befragten Einrichtungen, und nur 17 % der Einrichtungen, deren Universität über eine islamische Theologie verfügen, arbeiten zusammen. In den Freifeldern wird in diesem Zusammenhang zudem darauf hingewiesen, dass oft „noch ohne rechtssichere Grundlage […] Vorlesungen gegenseitig besucht und anerkannt“ werden und neben den Textwelten des AT und NT vor allem Veranstaltungen der Religionswissenschaft im Zentrum gemeinsamer Angebote stehen.
7.2.5 Fazit
Insgesamt ergeben sich aus den Beobachtungen zum Antwortverhalten bei den Items zum interreligiösen Lernen eine Reihe von Entwicklungsaufgaben, die die Fachkommission II in ihrer Stellungnahme „Interreligiöse Kompetenz – Perspektiven und Empfehlungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von evangelischen Religionslehrkräften“ aufgreift und thematisiert. Dazu gehört zunächst die Empfehlung, Module zur interreligiösen Kompetenz von Religionslehrerinnen und -lehrern in das Studium verbindlich zu integrieren (bisher ist dies, wie gezeigt, nur bei einer Minderheit der Einrichtungen der Fall) und kooperative Pflichtveranstaltungen zum religionswissenschaftlichen Überblickswissen anzubieten. Zudem sollte an Universitäten mit Fachbereichen für jüdische und islamische Theologie die Möglichkeit zum Besuch von Lehrveranstaltungen dieser Fachbereiche ausgebaut und die Anrechnung von Kreditpunkten festgelegt werden. Die Möglichkeiten interreligiöser Begegnungen, Dialoge und weiterer Formate des interreligiösen Begegnungslernens werden bisher noch nicht an allen Studienstandorten ausgeschöpft. Im Zentrum der interreligiösen Kooperation an den befragten Einrichtungen stehen der Islam und das Judentum, wofür es gute theologische, pädagogische und hochschuldidaktische Gründe gibt. Gleichwohl sollte nicht aus dem Blick geraten, dass für den interreligiösen Dialog (und entsprechende kooperative Lehrveranstaltungen) auch andere Religionen in Betracht kommen können und sollten.
7.3 Inklusion
Etwa die Hälfte der ausbildenden Einrichtungen macht Vorgaben zum Themenschwerpunkt Inklusion. In Instituten ist in den Studiengängen Lehramt für die Grundschule und für die Berufsbildenden Schulen „Inklusion“ häufiger Teil der Vorgaben als in Fakultäten. Nach der vorliegenden Datenlage gibt es sonst keinen Zusammenhang zwischen dem Themenfeld „Inklusion“ und dem Typ der universitären Einrichtung.
Abb. 10: „Inklusion“ als Teil der Vorgaben nach Schultyp
Es gibt bislang nur wenig explizite Veranstaltungen zur Inklusion. Genannt werden ein Projekt zu Heterogenität und Inklusion, das regelmäßig stattfindet, sowie Veranstaltungen zur religiösen Heterogenität, zur Diagnosefähigkeit und individuellen Förderung. Hier scheint es sich um Didaktikveranstaltungen zu handeln. Folgerichtig wird daher auch mitgeteilt, dass Inklusion im Rahmen von fachdidaktischen Angeboten mitbedacht wird, ohne ausdrücklich bei der Ausschreibung einer Lehrveranstaltung erwähnt zu werden. Außerdem wird die FK II bei der Behandlung von Inklusion in der Lehre um Unterstützung gebeten. Hier könnten Best-Practice-Beispiele sicher gut weiterhelfen.
7.4 Leistungsüberprüfung
In Bezug auf die in den Vorgaben geforderte Vielfalt der Leistungsüberprüfungsmodi ist festzuhalten, dass im Studiengang für das Lehramt für die Grundschule Hausarbeit, mündliche Prüfung, Klausur, Unterrichtsentwurf, Referate mit über 90 % Bestandteil der Modulhandbücher sind. Selbst Portfolios und Essays, so die Angaben, sind noch zu 88 % bzw. 76 % dort festgeschrieben. Die Höhe der Werte erstaunt, eine Gegenprüfung in der Realität ist allerdings nicht möglich.
Abb. 11: Modi der Leistungsüberprüfung im Lehramtsstudiengang Grundschule
Das Ergebnis entspricht in etwa dem Lehramtsstudium für die Sek. I (Werte über 95 % für Hausarbeit, Klausur, mündliche Prüfung, Unterrichtsentwurf, gefolgt von 92 % Referat, 88 % Portfolio und 73 % Essay).
In der Gymnasiallehrerausbildung ist die Hausarbeit zu 100 % festgeschrieben; mündliche Prüfungen, Unterrichtsentwürfe und Referate liegen bei über 90 %, gefolgt von Portfolios (82 %) und Essays (80 %). Das Bild gleicht weitgehend dem der Berufsschullehrerausbildung.
Erfreulich ist auch das Ergebnis, dass z.B. im Gymnasialstudiengang 97 % der Institutionen angeben, dass drei verschiedene Prüfungsmodi im Studium garantiert zur Bewertung herangezogen werden, Ähnliches gilt für 97 % der Ausbildungsstätten für Grundschullehrerinnen und -lehrer und zukünftige Sekundarstufe I-Lehrkräfte, 94 % der Förderschul- und 95 % der Ausbildungsstandorte für das Lehramt an beruflichen Schulen.
Als weitere Modi werden zusätzlich genannt: Lerntagebuch, (Lern-)Poster, multimediale Präsentation, Projekt- oder Forschungsbericht besonders im Praxissemester.
7.5 Sonstiges wie Praxisphasen, (teil-)virtualisierte Lehrveranstaltungen, Thema „evangelische Schule“
Praxisphasen sind in allen Standorten Teil der Ausbildung, mentorenunterstützte Lehrveranstaltungen gibt es an 77 % der Standorte, wobei alle Fakultäten angeben, solche anzubieten, aber nur 64 % der Institute. (Teil-)virtualisierte Lehrveranstaltungen finden bisher allerdings nur an 36 % der Standorte Verwendung.
Die Teilkompetenz 12 von EKD-Text 96 benennt als zentrales Thema „evangelische Schule“ („Die Bedeutung von Schulen in evangelischer Trägerschaft für das Bildungssystem einschätzen und erläutern“). Dies wurde in der Befragung abgefragt: Hier kann als Defizit festgehalten werden, dass das Thema nur bei rund einem Drittel aller Ausbildungseinrichtungen in den verschiedenen Studiengängen eine Rolle spielt.
8 Baustellen und Erwartungen an die FK II / EKD
In diesem Fragenteil wurde einerseits nach „Baustellen“ gefragt und andererseits danach, welche Art der Unterstützung sich die Befragten von der FK II wünschen. Diese und die anschließende Freifeldfrage wurden a) nur vereinzelt ausgefüllt und geben b) nur die Meinung der Person wieder, die den Fragebogen ausgefüllt hat. Wie bei den anderen Items kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Antworten repräsentativ für den jeweiligen Standort sind. Dies schränkt hier (und in anderen Zusammenhängen) die Validität des durch die Antworten entstehenden Bildes ein.
Abb.12: Wahrgenommene Probleme (Infrastruktur) der Einrichtungen (Mehrfachantwort möglich)
8.1 Probleme
Als wahrgenommene Probleme beklagen die Institute wesentlich öfter (87 %) mangelhafte personelle Ausstattung als die Fakultäten (53 %). Beide Werte sind aber auf einem verhältnismäßig hohen Niveau. Auch die finanzielle Ausstattung wird von der Hälfte der Institutionen als problematisch wahrgenommen. Die bauliche (37 %) und die mediale (20 %) Ausstattung wurden weniger häufig genannt.
Als Probleme in der Lehre werden von 63 % der Befragten die „Berücksichtigung ,neuer‘ Herausforderungen“, von 35 % „die Verbesserung von Konzeption und Durchführung einzelner Lehrveranstaltungen“, von 24 % die „tatsächliche Umsetzung der Vorgaben“ und von 22 % die „hochschuldidaktische Qualifikation der Lehrenden“ angegeben. In den Freifeldern werden darüber hinaus die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Schaffung von mehr Wahlmöglichkeiten für die Studierenden und die „qualifizierende Integration des nicht-hauptamtlichen Lehrpersonals in die Lehre“ genannt.
In Bezug auf die Studierenden werden vor allem (54 %) deren Vorkenntnisse beklagt und darauf verwiesen, diese z.B. durch Vorkurse zu verbessern. Eine Verkleinerung der Lerngruppen wünschen sich 39 %, eine striktere Vorauswahl der Studienanfänger über Noten bzw. Eingangstests 22 %.
8.2 Erwartungen an die FKII
Eine deutliche Mehrheit (59 %) der Einrichtungen wünscht sich Empfehlungen von Gremien wie der FK II. Der wichtigste Ertrag solcher Empfehlungen scheint zu sein, dass die einzelnen Standorte sich an deutschlandweite Standards halten (mehrfach werden in diesem Zusammenhang exemplarisch die Sprachanforderungen erwähnt) und miteinander kooperieren wollen. Die eigenen Studierenden sollen an andere Standorte problemlos wechseln können.
Der gemischte Charakter der Kommission (umfasst Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie in der Praxis und in kirchlichen Funktionen Tätige) ist nicht eigens genannt, aber gelegentlich implizit vorausgesetzt, etwa indem der Kommission eine Kenntnis der faktischen Verhältnisse im Religionsunterricht unterstellt wird. Auch die Identifizierung von Zukunftsaufgaben für Studium und Berufsausbildung scheint als Korrektiv geschätzt zu werden, da die etablierten Diskurse und Organe, denen man sich verpflichtet weiß, primär forschungsorientiert sind. Die Auseinandersetzung mit der neuesten Forschung gilt als Hauptaufgabe des akademischen Studiums. Es wird davor gewarnt, die Priorität der Forschung vor der Lehre aufzugeben.
Gewünscht wird konkrete Unterstützung im Falle neuer Aufgaben. Die Einführung von umfangreichen Modulhandbüchern und die regelmäßigen Akkreditierungen und Reakkreditierungen im Zuge des BA- / MA-Systems haben zusätzlichen Arbeitsbedarf geschaffen. Angesichts dessen, dass die Stellenstruktur der Standorte diesem Bedarf kaum gerecht werden kann, wünschen sich 71 % „Best-Practice-Beispiele“ vermutlich mit dem Ziel, Zeit und Geld beim Erarbeiten von passenden Lösungen zu sparen. Veränderungen des laufenden und bewährten Systems müssen generell optimal in den Workflow der Forschung und Lehre eingepasst werden, wenn sie nachhaltigen Bestand haben sollen.
Was die Veränderung in der Lehre angeht, so lastet das bestehende Curriculum den Workload der Studierenden voll aus. Erschwerend kommt hinzu, dass die Voraussetzungen, die die Studierenden an die Universität mitbringen, gerade auch im Bereich der religiösen Sozialisation, im Großen und Ganzen zurückgehen, gleichzeitig die Geschwindigkeit, die Ausdifferenzierung und die Internationalisierung der Forschung ständig zunehmen. Resultat ist, dass auf keinen Fall neue Lehrveranstaltungen hinzukommen können, wenn der Workload nicht erhöht werden soll. Neue Themen wie Inklusion, interreligiöser Dialog, nonkonforme Religiosität, Entwicklung neuer Prüfungsformen u.a. müssen entweder durch Umformung bestehender Lehrveranstaltungen oder durch Wegfall etablierter Lehrformate kompensiert werden.
Gewünscht wird auch die Unterstützung im Falle der zunehmenden Bürokratisierung der Evaluation des Studienbetriebes. Die ständigen (Re-)Akkreditierungen werden immer aufwendiger, verlangen den Einsatz immer komplexerer Methoden der Evaluation und stellen immer höhere Anforderungen an die Beschreibung differenzierter Bildungsprozesse. In diesem Bereich Methoden- und Begriffskompetenzen zu entwickeln, die von den Standorten deutschlandweit einheitlich gebraucht werden können, wird von einigen Fakultäten und Instituten als zentrale Aufgabe gesehen.
Das Freifeld wurde zum einen dazu genutzt, um Klarstellungen anzufügen, wie man die Antworten eingeschätzt haben wollte. Erwähnenswert ist vor allem der Hinweis, dass aktuelle Themenstellungen gerne in bestehende Lehrveranstaltungen eingebaut werden, ohne dass sich deren Titel ändert. Die Abfrage des Titels könne deshalb einen falschen Eindruck erwecken.
Auch einige Wünsche wurden benannt, die einen Eindruck davon vermitteln, wo einzelnen Standorten besonders „der Schuh drückt“: Man erhofft sich etwa politischen Druck, um Standorte mit zu geringer Ausstattung personell aufzustocken. Oder man möchte die Stärken des traditionellen Studiensystems stärker gewürdigt sehen. Es bestehe durchaus die Gefahr, dass die theologische Substanz und persönliche Reife gefährdet wird, die man durch die Beschäftigung mit den großen Problemkonstellationen der Christentumsgeschichte gewinnt, wenn man modischen Neuerungen zu viel Platz einräume. Oder man möchte die vielfältigen Anforderungen gerne für den Fall priorisiert haben, dass nicht alles gleichzeitig zu schaffen sei.
Außerdem wird die Förderung der Mobilität der Studierenden erwähnt, die durch das BA- / MA-System eher abgenommen habe. Grundlage der Mobilität sei die Etablierung von Standards, um die Anrechnung von Credits und Prüfungsergebnissen zu erleichtern. Außerdem müssen die Studienordnungen flexibel genug sein, um Studienortwechsel ohne Probleme zu ermöglichen. Bundesweite Tagungsangebote oder Summer-Schools für Studierende könnten ebenfalls helfen.
Manche Herausforderungen des Religionsunterrichts, so die vereinzelt formulierte Kritik, scheint der Fragebogen nicht im Blick gehabt zu haben, so etwa das Problem der Konfessionslosigkeit. Auch eine stärkere Berücksichtigung der faktischen Situation des Religionsunterrichts wird eingefordert. Darunter hat man wohl zu verstehen, dass der Religionsunterricht faktisch, etwa im Falle von Lehrer- oder Schülermangel, im rechtlichen Graubereich durchgeführt wird.
9 Ergebnisse und Anfragen
1. Betrachtet man das Alter der Lehramtsstudienordnungen kumulativ, sind 39 % der Studienordnungen älter als 2012, nur 61 % sind nach 2012 entstanden, d. h. nur ca. zwei Drittel sind vor 2012, also in den letzten sieben Jahren, überarbeitet worden. Angesichts der vielfältigen neuen Herausforderungen wie konfessionelle Kooperation, interreligiöses Lernen, Inklusion u.a. lässt das auf die Notwendigkeit einer Aktualisierung von etwa einem Drittel der Studienordnungen an deutschen Fakultäten und Seminaren schließen. Dies kann hier als dringende Arbeitsaufgabe festgehalten werden. (zu 3.2)
2. Nur an knapp zwei Dritteln der Standorte (57 %) gibt es ein landeskirchliches Programm zur Begleitung Studierender. Der Zustand, dass eine solche kirchliche Begleitung Studierender an fast der Hälfte aller Standorte noch nicht etabliert ist, dürfte kirchlicherseits als alarmierend niedrig einzustufen sein. (zu 3.5)
3. Die rechtlich verbindlichen KMK-Vorgaben spielten für die große Mehrheit (86 %) der befragten Einrichtungen bei der Konzeption von Studienordnungen, bei knapp drei Vierteln (73 %) bei der (Re-)Akkreditierung / Systemakkreditierung, bei 70 % bei der Planung eigener Lehrveranstaltungen eine Rolle. Damit wird ein zentrales, rechtsverbindliches Dokument von 14 % der Einrichtungen allerdings bei der Konzeption von Studienordnungen, bei über einem Viertel bei der Akkreditierung (28 %) ignoriert. (zu 4.1.)
4. In der Zusammenschau der Berücksichtigung der KMK-Vorgaben, bezogen auf Ausbildungsinhalte, fällt auf, dass im Schnitt am häufigsten Bibelkunde – je nach Schulform zwischen 60-80 % – als Pflichtveranstaltung in die Module integriert ist und entsprechend angeboten wird. Veranstaltungen zur Reformationsgeschichte, zur neueren Kirchengeschichte und zur neuzeitlichen Ökumene sind dagegen nur bei etwa der Hälfte der Studiengänge integraler Pflichtbestandteil, d. h. im Umkehrschluss fehlen die in der Vorgabe ausgewiesenen Veranstaltungen zu zentralen Themen der Lehramtsausbildung bei fast der Hälfte der Institutionen. Dieser Sachverhalt hätte bei Akkreditierung bzw. der Reakkreditierung angemerkt werden müssen. (zu 5.1–5.4)
5. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei der konkreten Rezeption der Vorgaben aus den EKD-Texten 96 und 126. Auch hier wurden die Vorgaben in unterschiedlicher Intensität umgesetzt: Während Studienangebote zur Selbstreflexion der Religionslehrkräfte bei über 80 % der Einrichtungen bestehen, fehlen explizite Lehrveranstaltungen zum Thema Inklusion bei knapp über der Hälfte von ihnen, vielleicht auch weil das Thema nur implizit Berücksichtigung findet. Auch der Anteil der Institutionen, die Pflichtveranstaltungen zu neuzeitlicher Ökumene, neuzeitlicher Kirchengeschichte und Reformationsgeschichte anbieten, müsste erhöht werden. (zu 6 und 7.3)
6. Im Durchschnitt kooperieren 70 % aller religionspädagogischen Studiengänge der befragten Fakultäten und Institute praktisch im Rahmen von Veranstaltungen mit anderen Konfessionen, z. B. auch um Leistungspunkte zu erwerben. Dieser Anteil ist kleiner als der, der interreligiös kooperiert (s.u.).
7. Konfessionelle Kooperation wird gleichsam schulartübergreifend als Thema von grundsätzlicher Bedeutung erkannt, allerdings in knapp der Hälfte der Studiengänge nicht integriert. Während z. B. 76 % der Institute im Studiengang Berufsschule das Thema „konfessionelle Kooperation“ überdurchschnittlich oft in den Fachvorgaben integrieren, tun dies Fakultäten zum gleichen Studiengang mit einem niedrigeren Wert von nur 56 %. Diese deutliche Diskrepanz könnte mit einer stärkeren Nähe der Institute zur konkreten Schulrealität und dem Erfordernis, auf aktuelle Entwicklungen zeitnah zu reagieren, erklärt werden.
8. Aus den Freifeldantworten wird deutlich, dass die Anrechnungsmöglichkeiten von katholischen Lehrveranstaltungen sich dem Umfang und dem Vorgehen nach beträchtlich in den befragten Einrichtungen unterscheiden. Hier sind zentrale Leitlinien zur Vereinheitlichung erforderlich. (zu 7.1)
9. 84 % der Einrichtungen kooperieren im Durschnitt der Schulformen in unterschiedlichen Veranstaltungen mit Institutionen anderen Religionen. Davon arbeiten 23 % der befragten Einrichtungen gelegentlich, 63 % regelmäßig wiederkehrend und 13 % ständig zusammen. In der Frage der Verbindlichkeit gibt es keine Unterscheidung zwischen Fakultäten und Instituten. (zu 7.2)
10. Inhaltlich benennt die Teilkompetenz 12 des EKD-Textes 96 als zentrales Thema „evangelische Schule“ („Die Bedeutung von Schulen in evangelischer Trägerschaft für das Bildungssystem einschätzen und erläutern“). Dieses spielt allerdings nur bei einem Drittel aller Studiengänge eine Rolle. (7.5)
11. Als wahrgenommene Probleme beklagen die Institute wesentlich häufiger die mangelhafte personelle Ausstattung als die Fakultäten (88 % gegenüber 53 %). Beide Werte sind aber auf einem verhältnismäßig hohen Niveau. Auch die finanzielle Ausstattung wird von der Hälfte der Institutionen als problematisch angesehen, die bauliche (37 %) und die mediale (20 %) sind weniger häufig genannt. Deutlich ist, dass in der Lehre die neuen Herausforderungen z. B. durch Inklusion, konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, interreligiöses Lernen von fast zwei Dritteln der Befragten als schwierig wahrgenommen werden, gerade weil die bestehenden Curricula den Workload der Studierenden schon voll auslasten. Zugleich wird das sinkende Niveau vor allem der Studienanfänger beklagt. (8.1)
12. Als Erwartung an die FK II formuliert eine deutliche Mehrheit (59 %) der Einrichtungen den Wunsch nach Empfehlungen, die deutschlandweite Standards festlegen, um eine Vergleichbarkeit der Leistungen zu garantieren und das Wechseln der Studierenden zu ermöglichen. Außerdem wünschen 71 % der Befragten „Best-Practice-Beispiele“, und zwar vermutlich mit dem Ziel, Ressourcen beim Erarbeiten von passenden Lösungen zu sparen und niederschwellig umsetzbare Anregungen zu bekommen. (8.2)
Gemischte Kommission für die Reform des Theologiestudiums –
Fachkommission II Lehramtsstudiengänge
Dr. Hermann Diebel-Fischer, Dresden (bis Okt. 2018)
Barbara Förster, Freiburg (bis Okt. 2018)
Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Hannover (Vorsitzende, seit Feb. 2019)
Professor Dr. Martin Hailer, Heidelberg (ständiger Gast, bis Okt. 2019)
Professor Dr. David Käbisch, Frankfurt am Main (Vorsitzender)
Oberkirchenrätin Martina Klein, Erfurt (seit Feb. 2019)
Oberkirchenrat Dr. Friedhelm Kraft, Berlin, (bis Feb. 2019)
Professor Dr. Andreas Kubik-Boltres, Osnabrück (ständiger Gast, seit Okt. 2019)
Professor Dr. Rochus Leonhardt, Leipzig
Studiendirektor Rainer Merkel, Göttingen
Tabea Mielitz, Tübingen (seit Okt. 2019)
Oberlandeskirchenrätin Dr. Gudrun Neebe, Kassel
Oberkirchenrat Matthias Otte, Hannover (Geschäftsführer)
Professor Dr. Aaron Schart, EssenDr. Michael Schneider, Frankfurt am Main
OKR Professor Dr. Christoph Schneider-Harpprecht, Karlsruhe (Vorsitzender bis Sep. 2018)
Professor Dr. Bernd Schröder, Göttingen (ständiger Gast, bis Okt. 2019)
Professor Dr. Helmut Schwier, Heidelberg (ständiger Gast, seit Okt. 2019)
Danielle Simon, Münster (seit Okt. 2018)Torben Stamer, Hannover (wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Christoph Straub, Albstadt
Oberkirchenrätin Henrike Tetz, Düsseldorf (seit Feb. 2019)
Dr. Christian Wetz, Oldenburg (seit Okt. 2018)
Mirjam Zimmermann ist Professorin für Religionspädagogik/Fachdidaktik, Universität Siegen.
Z. B. Andreas Feige u.a., ,Religion‘ bei ReligionslehrerInnen. Religionspädagogische Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis in empirisch-soziologischen Zugängen, Münster/W. 2001; Christhard Lück, Beruf Religionslehrer. Selbstverständnis – Kirchenbindung – Zielorientierung. Arbeiten zur Praktischen Theologie, Bd. 25, Leipzig 2003; Heide Liebold, Religions- und Ethiklehrkräfte in Ostdeutschland. Eine empirische Studie zum beruflichen Selbstverständnis, Münster/W. 2004; Andreas Feige / Werner Tzscheetzsch, Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat? Unterrichtliche Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis von evangelischen und katholischen Religionslehrerinnen und -lehrern in Baden-Württemberg. Eine empirisch-repräsentative Befragung, Ostfildern 2005; R. Englert u.a., Innenansichten des Referendariats. Wie erleben angehende Religionslehrer/innen an Grundschulen ihren Vorbereitungsdienst? Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung (religions-)pädagogischer Handlungskompetenz, Forum Theologie und Pädagogik Bd. 14, Berlin 2006; Daniela Popp, Religion und Religionsunterricht in Europa. Eine quantitative Studie zur Sicht europäischer Religionslehrerinnen und -lehrer, Münster/W. 2013; Christoph Gramzow / Helmut Hanisch, Das Fach evangelische Religion im Freistaat Sachsen aus der Sicht der Unterrichtenden. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung und eines Symposiums, Leipzig 2015; Uta Pohl-Patalong u.a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt. Eine empirische Studie zum evangelischen Religionsunterricht in Schleswig-Holstein, Bd. 1, Stuttgart 2016; Uta Pohl-Patalong u.a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt II. Perspektiven von Schülerinnen und Schüler, Bd. 2, Stuttgart 2017; Martin Rothgangel / Christhard Lück / Philipp Klutz, Praxis Religionsunterricht. Einstellungen, Wahrnehmungen und Präferenzen von ReligionslehrerInnen. Religionspädagogik innovativ, Bd. 10, Stuttgart 2017; Manfred Pirner / Daniela Wamser, Perspektiven und Herausforderungen des Lehrerberufs. Eine empirische Befragung von Religionlehrenden in Bayern, Stuttgart 2020 (im Erscheinen).
Eberhard Karls Universität Tübingen, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Georg-August-Universität Göttingen, Goethe-Universität Frankfurt a. Main, Humboldt-Universität zu Berlin, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Ludwig-Maximilian-Universität München, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Philipps-Universität Marburg, Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Ruhr-Universität Bochum, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universität Hamburg, Universität Rostock, Universität Kie
Bergische Universität Wuppertal, C. v. Ossietzky-Universität, Europa-Universität Flensburg, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Justus-Liebig-Universität Gießen, Leibniz Universität Hannover, Leuphana Universität Lüneburg, Martin-Luther-Institut der Universität Erfurt, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Pädagogische Hochschule Freiburg i. Br., Pädagogische Hochschule Heidelberg, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Pädagogische Hochschule Weingarten, TU Braunschweig, TU Dortmund, TU Dresden, Universität Augsburg, Universität Bielefeld, Universität des Saarlandes, Universität Duisburg-Essen, Universität Hildesheim, Universität Hohenheim, Universität Kassel, Universität Koblenz-Landau, Universität Osnabrück, Universität Paderborn, Universität Regensburg, Universität Siegen, Universität Würzburg, Universität zu Köln
Nicht aus der Tabelle ersichtlich.
Quelle: HESIS – Hessisches Schulinformationssystem. Stichtag: 1. November 2017.