1 Medien- und religionspädagogische Relevanz des Films
Die Premiere des Films „Avatar“ (USA, 2009) ist schon einige Jahre her. Fans dürften bereits gespannt auf die geplante Fortsetzung des Films warten. U.a. in kunst-, medien- und religionspädagogischer Perspektive ist es aus mehreren Gründen lohnend und zukunftsträchtig, an den Film zu erinnern und ihn erneut zu besprechen: Erstens ist nicht nur eine Fortsetzung von „Avatar“ geplant, sondern es wird an mehreren Fortsetzungen gearbeitet. Die mediale Präsenz der Avatar-Geschichte wird also in den nächsten Jahren weiterhin aktuell gehalten werden, was sich speziell in kunst-, medien- bzw. religionspädagogischer Perspektive als äußerst chancenreich erweisen könnte. Die erneute Besprechung des Films antizipiert zukünftige mediale (Groß-)Ereignisse und soll als Vorlage dazu dienen, diese in einer Bildungsperspektive rasch und fundiert fruchtbar machen zu können: Die prospektive Dimension von Erziehung und Bildung bezieht sich auf das Potenzial von Menschen, nämlich auf deren Entdeckung, Entfaltung und Kultivierung, aber auch auf das, was auf Menschen zukommt und zukommen könnte, um damit verantwortungsvoll, produktiv etc. umgehen zu können (Heinrichs, 1972, S. 20–22) oder um es ggf. verhindern oder herbeiführen zu können, wenn dies erforderlich und machbar ist (Kumher, 2019). Zweitens handelt es sich bei „Avatar“ um einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, um einen Blockbuster par excellence. „Was die Welt bewegt und damit auch unsere Schüler [und Schülerinnen, Studierenden], kann der Schule [Hochschule, Universität etc.] nicht gleichgültig sein. Das Miterleben der Gegenwart ist eine Grundaufgabe neuzeitlicher Bildung“ (Heinrichs, 1972, S. 72) – ebenso wie der Rückblick in die Geschichte und die Antizipation der Zukunft. Die Beschäftigung mit dem Film ist in dieser Perspektive auch deshalb wichtig, weil er als (Film-)Kunst eine Bildungsmacht (Kumher, 1977, S. 15) darstellt. Die Analyse und Besprechung des Films „Avatar“, die gerade angesichts einer „Blockbuster-Kultur“ (Lüddemann, 2011, S. 13–14 nach Birnbaum, 2000) und deren Fortentwicklung sinnvoll ist, dient u.a. der gezielten Förderung von Medienkompetenz. Drittens spricht der Film Themen wie Umweltzerstörung und interkulturelle Verständigung an, die nach wie vor aktuell und relevant sind (und dies auch zukünftig sein werden), wobei die Blockbuster-Thematik insbesondere mit interkultureller Verständigung, aber auch mit Kulturimperialismus zu tun hat. Angesichts von zahlreichen Kriegen und der massiven Bedrohung unserer Lebensgrundlage – der Erde – erscheint es geboten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, u.a. um zukünftigen Generationen auf diesem Planeten eine humane Perspektive zu bieten, selbst wenn es sich bei diesen Möglichkeiten um Medien der Populärkultur, in diesem Fall Blockbuster, handelt, die kontrovers diskutiert werden können (Barg, 2019, S. 10–11). Als Kunst (Filmkunst, Unterhaltungskunst etc.) und als Exponent populärer Kultur ist der Film schließlich ein Anreiz dazu, um Wartezeit (Corona-Krise) konstruktiv zu nutzen und eine religionspädagogische Perspektive weiterzuentwickeln, die sich speziell mit populärer Kultur und Medien beschäftigt, um damit wiederum nicht zuletzt die Zeit bis zum Erscheinen der Avatar-Fortsetzungen zu überbrücken.
2 Inhalt des Films
Der Film spielt in der Zukunft und erzählt die Geschichte des Soldaten Jake Sully (Sam Worthington), der aufgrund einer Querschnittslähmung seinen Dienst beenden musste. Der Ex-Marine Sully nimmt an einem Forschungsprojekt auf dem Planeten Pandora teil. Pandora ist eine hauptsächlich bewaldete Welt, die viele Tier- und Pflanzenarten beherbergt und auf dem die Menschen begonnen haben, den für sie wertvollen Rohstoff namens Unobtanium in großen Mengen abzubauen. In Einklang mit der Natur leben die Stämme der Na‘vi, mit denen die Menschen in Konflikt geraten sind, da sich die Na‘vi gegen die industrielle Ausbeutung ihres Planeten zur Wehr setzen. Die Na‘vi sind eine humanoide Lebensform, haben eine blaue Hautfarbe, sind ausgewachsen größer als Menschen und leben in enger Verbundenheit mit der Tier- und Pflanzenwelt ihres Planeten. Sie glauben an Eywa, eine Gottheit, von der sie meinen, dass sie aus allem besteht, was existiert, und dass von ihr sämtliche Lebensenergie stammt.
Jake Sully arbeitet im sogenannten Avatar-Programm, bei dem es um die Erforschung der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner geht, um letztlich eine diplomatische Lösung für den bestehenden Konflikt zwischen Menschen und Na’vi zu finden. Aus Sicht der machthabenden Menschen bedeutet dies, die Na’vi zum friedlichen Abzug aus den Gebieten zu bewegen, die Unobtanium beherbergen. Im Film handelt es sich bei den Avataren um künstlich hergestellte Na‘vi-Körper, deren Erbgut eine genetische Mischung aus menschlicher und extraterrestrischer DNA ist. Die künstlich erzeugten Na’vi-Körper können von je einem menschlichen Geist gesteuert werden, wobei der Körper des steuernden Menschen in eine Art Schlafzustand versinkt und in einer Art Sarg schutzlos zurückbleibt. Die Ähnlichkeit zwischen Avatar und Na‘vi soll die Möglichkeit eröffnen, die Na‘vi möglichst unmittelbar in ihrem eigenen Lebensraum zu erforschen. Der Unterschied zwischen Avatar und Na’vi bleibt jedoch erkennbar und die Avatare werden von den Na’vi passend als „Traumwanderer“ bezeichnet. Leiterin des Avatar-Projektes ist die Wissenschaftlerin Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver), die nicht nur von der Erforschung der Pandora-Welt fasziniert ist, sondern sich auch für die Entwicklung einer tragfähigen Beziehung zwischen Na’vi und Menschen einsetzt.
Durch das Avatar-Programm kommt Sully tatsächlich in Kontakt mit einem Na’vi-Stamm. Trotz ihrer schlechten Erfahrungen mit den Menschen und obwohl die Na’vi wissen, dass es sich bei Jake um einen Traumwanderer handelt, geben sie Jake – aufgrund eines Ereignisses, das als religiöses Zeichen interpretiert wird – die Möglichkeit, ihr Leben kennenzulernen. Dadurch lernt Sully die Welt der Na’vi immer mehr schätzen. Er verliebt sich in die Häuptlingstochter, Neytiri (Zoë Saldaña), und besteht die Prüfungen der Na’vi, die ihn schließlich zu einem stimmberechtigten Mitglied des Stammes machen. Die Militärs nutzen jedoch die Informationen, die Sully durch seinen Kontakt mit den Na’vi gewinnt, für ihre Zwecke und setzen ihren Plan in die Tat um, den Heimatbaum der Na’vi zu zerstören, weil sich darunter ein großes Unobtanium-Vorkommen befindet. Als die Zerstörung beginnt, sucht Sully diese aufzuhalten, was nicht gelingt. Daraufhin wechselt er endgültig die Seiten und beschließt, den Na’vi in ihrem Verteidigungskampf beizustehen. In diesem Zusammenhang schafft er es, eine alte Legende erneut Wirklichkeit werden zu lassen. Die Idee des verborgenen Welt-Erretters (Meier, 1989) scheint im querschnittsgelähmten Ex-Marine auf, dem es anfangs niemand zugetraut hätte, nun als Erlöserfigur verschiedene Na’vi-Stämme zu einen und die Rettungsaktion für Pandora und seine Heiligtümer zu beginnen. Die Militärs, die den Aufstand der Na’vi anhand von Satellitenbildern vorausahnen, planen einen Präventivschlag, bei dem sie ein zentrales Heiligtum der Na’vi zerstören wollen, den sogenannten Baum der Seelen, der eine Art kollektives Gedächtnis darstellt. Im Endkampf wird das Heiligtum gerettet und die menschliche Streitmacht besiegt. Bis auf wenige Ausnahmen müssen die Menschen Pandora verlassen und Jake Sully wird in einer religiösen Zeremonie endgültig in seinen Avatar-Körper transferiert.
3 Analyse der Religionshaltigkeit des Films
Bemerkenswert ist es, dass im Film Religion an mehreren Stellen explizit eine Rolle spielt: Die Na‘vi werden als religiöse Lebewesen gezeigt. So spricht eine Ureinwohnerin, die Häuptlingstochter Neytiri, eine Art Gebet, bevor sie ein verwundetes Tier tötet. Sie hatte Tiere verwundet bzw. getötet, um Jake zu retten, trauert jedoch über den Tod der Tiere und ist wütend auf Jake, weil dieser die Tiere durch sein unkundiges Verhalten erst auf sich aufmerksam gemacht hatte. – Heiligtümer der Na‘vi sind entscheidende Handlungs- und Kraftorte. Eine religiöse Zeremonie beschwört die Muttergottheit. Die religiösen Handlungen treten im Film zudem positiv in Erscheinung, als Achtung vor der Natur, als Ja zum Leben, als Erfahrung der Gemeinschaft und Geborgenheit etc. Das explizite Vorkommen von Religion in diesem Film ist zwar kein Einzelfall, wenn man andere Kinoproduktionen ins Auge fasst (Kumher, 2016), bleibt aber mit Blick auf die Religion der Na’vi und das Avatar-Projekt bemerkenswert.
In der Filmgeschichte wird die Natur auf Pandora bzw. die Religion der Na’vi von Grace Augustine wissenschaftlich zu erklären versucht (Eckstrand, 2014, S. 197). Aus Sicht der Filmanalyse und Filminterpretation hat Simon Spiegel (2011) mit Blick auf Star-Wars-Episoden in diesem Zusammenhang von einer „Naturalisierung“ gesprochen: Während die Macht in der Ur-Trilogie (Episode IV-VI) noch deutlich magische Züge trägt, findet sie in der zweiten Trilogie (Episode I-III) zumindest eine partielle wissenschaftliche Erklärung. Die Naturalisierung mag ein Zeichen der Zeit sein, aus religiöser Perspektive wird sie dem Mysterium in der Filmgeschichte allerdings nicht gerecht, da das Göttliche für die Na’vi Lebenssinn stiftet und mehr ist als eine wahrnehmbare Seite. Aus religiöser Sicht dürfte sich das Göttliche nicht in der Transparentmachung von Zusammenhängen auf Pandora erschöpfen. Durch eine sachliche, nüchterne und naturwissenschaftliche Beobachterperspektive ist auf Pandora nur begrenzt etwas gewonnen. Die fremde Welt droht durch eine solche Perspektivendominanz ein Stück weit entzaubert und zum (exotischen) Untersuchungsobjekt reduziert bzw. degradiert zu werden, auch wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiterhin von der Natur Pandoras fasziniert bleiben. Die Frage nach der Vereinbarkeit einer naturwissenschaftlichen Perspektive mit einer religiösen Perspektive ist auch mit Blick auf die Realität (und speziell für religiöse Bildung) sehr bedeutsam.
Beim Avatar-Programm liegt der Clou des Films. Der Avatar ist hier nicht die Herabkunft eines Gottes in Menschengestalt, sondern der Transfer eines menschlichen Geistes in eine künstlich erzeugte Kreuzung zwischen Mensch und Na’vi, welche fast genau wie ein Na’vi aussieht (insofern liegt hier also ebenfalls eine Art Naturalisierung der Avatar-Idee vor!). Doch auch diese neue Variante der „alten“ Avatar-Figur bringt Erlösung. Dadurch, dass die Einnahme einer Teilnehmerperspektive gegenüber der Einnahme einer Beobachterperspektive zunehmend begünstigt wird, beginnt bei dem Protagonisten, der sich als Avatar unter die Na‘vi begibt, ein Wandlungsprozess. Die Auskundschaftung einer fremden Spezies führt zum Verständnis und zum Seitenwechsel. Dieser Prozess endet schließlich sogar damit, dass ein Mensch zu einem Na‘vi wird. Das Leben im künstlich generierten Körper einer anderen Spezies, was einen Perspektivenwechsel begünstigt und ein Mehr an Empathie ermöglicht, führt zu Mitleid, zur Erkenntnis und letztlich zur Transformation. Auch wenn es letztlich nicht zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts zwischen Na’vi und Menschen kommt, ist die Avatar-Figur für eine friedliche Perspektive vielversprechend, da sie ein tieferes Verständnis der fremden Lebensform ermöglicht. Freilich ist durch den Avatar auch Missbrauch möglich, wenn er zur Spionage und zur Beherrschung eingesetzt werden soll – wie es dem Befehlshaber des Militärs auf Pandora, Colonel Miles Quaritsch (Stephen Lang), vorschwebt.
Das Gegenbild zum Avatar-Programm, das ursprünglich zum Lernen und für Verständigung konzipiert ist, sind die Kampfroboter der Menschen. Während es beim Avatar-Programm darauf ankommt, gewissermaßen in die Haut bzw. in den Körper der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner zu schlüpfen, um sie unmittelbar kennenlernen zu können, sind die Menschen in den Kampfrobotern von Waffensystemen und Schutzvorrichtungen umgeben – was in mehrfacher Hinsicht für eine friedliche Begegnung, die sich durch Offenheit auszeichnet, ungeeignet ist. Die Kampfmaschine ist für die kriegerische Auseinandersetzung gebaut und gibt nur eine eingeschränkte Sicht frei, die noch dazu durch die Zieloptik formatiert wird: Diese ist dazu konzipiert, mögliche Feinde zu erfassen und zu vernichten (vgl. den Film „Lebanon“ [Israel/Deutschland/Frankreich/Libanon, 2009]) – und nicht für eine ganzheitliche Wahrnehmung bestimmt, geschweige denn dafür, Freundinnen und Freunde zu finden.
Wenn Religion sich nicht der Sprache der jeweiligen Kultur bedient, der sie etwas mitteilen will, bleibt sie womöglich unverstanden. Um Menschen heutzutage zu erreichen, ist es deshalb notwendig, auch die Sprache der populären Kultur zu sprechen. Der Regisseur James Cameron hat es verstanden, einen Film zu konzipieren, der durch und durch ein Produkt der Popkultur ist, und der zugleich religiösen Lebenssinn und religiöse Rettungskraft anzudeuten vermag: So erwachen z.B. religiöse Legenden zu neuem Leben und religiöse Riten entfachen gemeinschaftsstiftenden Geist. Die fiktive Na’vi-Religion vermag es, Interesse an ihren möglichen – realen – Vorbildern zu wecken. Sie ist im Kino salonfähig, da sie Lebenssinn stiftet und mit Sensibilität für Natur einhergeht – auch wenn diese Religion teilweise sehr archaisch anmuten mag. Es ist bemerkenswert, wenn es der Hollywood-Filmindustrie gelingt, an den Wert von Religion und an die Folgen industriellen Größenwahns zu erinnern. Die Popkultur liefert hier mögliche Hinweise darauf, welches Potenzial Religionen haben mögen, das zur Bewahrung der Natur taugt.
Anders als in „Aliens“ (USA, 1986) erzählt James Cameron eben nicht die Geschichte einer die Menschheit bedrohenden Lebensform, die für die Menschen der schrecklichste Gegner ist. In „Avatar“ sind die Menschen selbst die Aliens und die Bedrohung. Die Menschen werden von den Na’vi auch explizit als „Aliens“ bezeichnet. Umgekehrt dehumanisieren die menschlichen Anführer die Na’vi als Wilde. Da die Anführer der Menschen ihren Glauben an eine baldige diplomatische Lösung des Konflikts mit den Na’vi verlieren, setzen sie letztlich auf die militärische Lösung, um an den wertvollen Rohstoff zu gelangen, der Profit verheißt. Das Desinteresse und die Abneigung der Na’vi gegenüber den Menschen resultieren aber vielmehr daraus, dass die machthabenden Menschen keine Sensibilität für Pandora an den Tag legen, diesen paradiesischen Planeten aufgrund seines Gefahrenpotenzials als „Hölle“ verkennen, ihn auf das Vorkommen von Unobtanium reduzieren und zu seiner Erlangung Gewalt, Verwüstung und letztlich Krieg in Kauf nehmen. Wie andere Alien-Filme reiht sich „Avatar“ in eine Serie von Filmproduktionen ein, die auf unterschiedliche Weise das Verhalten gegenüber Fremden spiegeln und sich insofern in interkultureller und interreligiöser Perspektive auf die gesellschaftliche Realität übertragen lassen (Kumher, 2010).
4 Blockbuster und die Förderung von Medienkompetenz
Die folgenden Überlegungen thematisieren und problematisieren Blockbuster und insbesondere den Film „Avatar“ mit Blick auf die Förderung von Medienkompetenz (Dieter Baacke nach Kretschmer-Elser, 2011, S. 29) – speziell in religiösen Bildungszusammenhängen, wobei hier mit Medienkompetenz ihre Dimensionen Medienkunde, Medienkritik, Mediennutzung und Mediengestaltung gemeint sind.
4.1 Medienkunde
Medienkunde meint hier die Analyse des Filmformats Blockbuster, in diesem Fall speziell die Analyse des Blockbusters „Avatar“ – und das damit verbundene Wissen über die Eigenart des Filmformats und des Mediums. Unter einem Blockbuster wird im Allgemeinen ein internationaler Erfolgsfilm verstanden (Barg, 2019, S. 10), wobei zwischen der Konzeption für den Erfolg und dem tatsächlichen Erfolg (gemessen an Einspielergebnissen) differenziert werden kann. Konzipiert sind Blockbuster für ein internationales Massenpublikum, wobei dafür Sorge zu tragen ist, dass der Film in verschiedenen Kulturen funktioniert bzw. nachvollzogen und ansprechend miterlebt werden kann. In diesem Zusammenhang lässt sich auch von Polyvalenz sprechen, die einem in kultureller Hinsicht diversen Publikum Zugänge zum Film ermöglicht (Kumher, 2016, S. 265–266). Um die Beliebtheit des Films und die Nachfrage nach dem Film möglichst sicherzustellen, treten in diesem Kinoformat in der Regel international bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler auf. Zudem liegt nicht selten ein Genremix vor, um verschiedene Geschmacksrichtungen zu befriedigen (Mikos, 2008, S. 59–60.328).
Für den großen Erfolg des Films „Avatar“ lassen sich darüber hinaus weitere Erklärungen finden, von denen im Folgenden einige genannt seien. Technisch ist er eine mitreißende 3D-Inszenierung, die ein Mehr an Immersion ermöglichen mag. Inhaltlich werden sich insbesondere popkulturell bewanderte Zuschauerinnen und Zuschauer u.a. an frühere Filme und erfolgreiches Bild- und Schriftgut erinnern – womit Intertextualität (Mikos, 2008, S. 60) angesprochen ist – und dadurch eventuell einen intellektuellen Mehrgenuss bei der Filmwahrnehmung haben. Der Film bietet nicht nur vordergründige Action. Er ermöglicht unterschiedliche Rezeptionstiefen: Vom Zuschauer bzw. der Zuschauerin hängt es ab, wie intensiv er bzw. sie sich mit der Leinwandproduktion befassen möchte bzw. kann, denn der Film entschlüsselt sich nicht allein nur durch die Bereitschaft, sich auf ihn einzulassen. Um möglichst alle Anspielungen und Problemgehalte zu verstehen, bedarf es eines ausreichenden Vorwissens (z.B. über andere Filme und Schauspielerinnen und Schauspieler). Das Publikum kann sich also durch die zahlreichen Special Effects (inklusive der beeindruckenden Landschaftsaufnahmen) faszinieren lassen und außerdem darüber nachdenken, inwieweit Avatar tatsächlich ernstzunehmende Zivilisationskritik übt, inwieweit der Regisseur mit bisherigen Motiven und Elementen seines „Werkes“ in dem Film ganz bewusst spielt (Clarke, 2014, S. 129–148), um Filmaussagen zu treffen, inwieweit er ältere Filme zitiert usw.
Der Film bedient gleichermaßen die Sehnsucht nach einer unversehrten Natur und die Angst vor ihrer rücksichtslosen Zerstörung aufgrund einer ungezähmten Profitgier. Er thematisiert das Scheitern und Glücken interkultureller Verständigung. Damit sind universale Themen angesprochen, die transnational von Bedeutung sind. Offenkundig ergreift der Film u.a. Partei für interkulturelle Verständigung und einen achtsamen Umgang mit der Natur und übt zugleich Kritik an zerstörerischer Profitgier, die keine Achtung gegenüber der Natur im Allgemeinen kennt noch gegenüber den Heiligtümern anderer Kulturen im Speziellen. Diese Positionierung dürfte mit Blick auf ein globales Publikum weitestgehend konsensfähig sein, zumal das Gehabe der Profitgierigen in „Avatar“ als ignorant, unverschämt und brutal dargestellt wird. Diese Beobachtungen können als Hinweis dafür gewertet werden, dass es bei einem Blockbuster darum geht, hinsichtlich eines weltweiten Publikums einen gemeinsamen Nenner zu finden. Vermutlich ist es letztlich die Melange aus den genannten Erklärungen, die Avatar so erfolgreich werden ließ.
Die Entscheidung, die Rolle der leitenden Wissenschaftlerin (Grace Augustine) beim Avatar-Projekt mit Sigourney Weaver zu besetzen, ist vor dem Hintergrund des Hollywood-Starsystems erklärbar, dessen Funktion u.a. darin gesehen werden kann, „eine bereits etablierte Persönlichkeit zur Verfügung zu stellen, die sich in die jeweiligen Anforderungen des Filmnarrativs eingliedern lässt“ (Blanchet, 2003, S. 24). Sigourney Weaver, die in den ersten vier Alien-Verfilmungen als Ellen Ripley außerirdischen Monstern tapfer die Stirn bietet, spielt in „Avatar“ eine Wissenschaftlerin und „Alienrechtlerin“, die zugleich an den Film „Gorillas in the Mist: The Story of Dian Fossey“ (USA, 1988) erinnert, in dem sie die Hauptrolle als Dian Fossey spielt. Das Inventar der Avatar-Verfilmung erinnert dagegen wiederum auffällig an „Aliens“ (USA, 1986).
Avatar lässt nicht nur an den Film „Gorillas im Nebel“ zurückdenken, sondern auch an „Dances with Wolves“ (USA, 1990) und „Pocahontas“ (USA, 1995) sowie an den Roman „Die denkenden Wälder“ von Alan Dean Foster und die Science-Fiction-Comic-Serie „Valerian und Veronique“ bzw. „Valérian et Laureline“ von Jean-Claude Mézières, Pierre Christin und Évelyne Tranlé. „Dances with Wolves“ führt wie „Avatar“ vor Augen, dass Begegnungen unter bestimmten Bedingungen Vorurteile abzubauen vermögen. Nicht nur das, Begegnungen können zu einer Transformation führen: Wie der nordamerikanische Soldat John Dunbar in „Dances with Wolves“ allmählich immer mehr zu einem Indianer wird, so wird Jake Sully mit der Zeit immer mehr zu einem Na’vi. Beide entdecken sich als Teil der Schöpfung und lernen die Würde alles Lebendigen zu schätzen und zu verteidigen. Dabei geht es um die (Wieder-)Entdeckung von Lebendigkeit, Sinnlichkeit und Aufmerksamkeit für Natur bzw. (Mit-)Schöpfung.
Der Kampf um die Dschungellandschaften Pandoras erinnert bisweilen an Vietnamkriegsfilme (z.B. „Apocalypse Now“ [USA, 1979]). Verstärkt wird diese Assoziation durch Kampfszenen, in denen die Menschen die Na‘vi mit Kampfmaschinen aus der Luft angreifen und durch ihre Waffen ein Feuermeer entfachen, das an die Wirkung von Napalmbomben denken lässt. Diese Assoziation drängt sich umso stärker auf, da die Kriegstreiber auf eine differenzierte Wahrnehmung etc. verzichten und versuchen, primitive Feindbilder zu etablieren.
4.2 Medienkritik
Als Blockbuster zielt der Film auf ein internationales Publikum und auf möglichst hohe Einspielergebnisse (allein um seine immensen Produktionskosten wieder einzuspielen). Auch wenn der Film offenkundig (Selbst-)Kritik (bzgl. der USA) übt, indem er einen rücksichtslosen Kolonialismus (Eckstrand, 2014, S. 190–200) und einen zügellosen Kapitalismus mit Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart anprangert und vor einer zukünftigen Wiederholung dieser Fehler warnt, bleibt der Film als Art von Kulturimperialismus zu problematisieren, womit Medienkritik als Dimension von Medienkompetenz angesprochen ist. In diesem Zusammenhang verdient die Beobachtung Aufmerksamkeit, dass es letztlich ein Mensch bzw. ein menschlicher Geist in einem künstlich erzeugten Körper ist (genetische Kreuzung aus Mensch und Na’vi), der als religiöse Legende in Erscheinung tritt und die Stämme der Na’vi im Kampf gegen die Menschen eint, um diesen Kampf dann maßgeblich anzuführen, was sich als spezielle Form von Kolonialismus werten lässt; die Na’vi sind offenbar selbst nicht dazu in der Lage, die Gefahr eigenständig abzuwenden, denn sie bedürfen des menschlichen Überläufers (Eckstrand, 2014, S. 190–200). Weiterhin ist der Film durch seine immens aufwändige Produktion und einen großen Werbeaufwand dazu geeignet, von anderen – kleineren (lokalen) – Kinoproduktionen abzulenken und bestimmte Sehgewohnheiten und Unterhaltungsvorlieben anzutrainieren. In diesem Zusammenhang sind die Kampf- bzw. Kriegssequenzen des Films bemerkenswert, die einerseits vergangenes und gegenwärtiges Fehlverhalten spiegeln mögen, andererseits aber virtuos – als Actionspektakel – inszeniert sind, mit den Zielen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, Emotionen zu wecken und zu überwältigen. Es ist in verschiedener Hinsicht problematisch, dass letztlich nur die kriegerische Auseinandersetzung die Rettung herbeizuführen vermag, u.a., weil aggressiv handelnde Filmfiguren für das Publikum als Modelle in Frage kommen mögen. Eine diplomatische Lösung erscheint im Film „Avatar“ zwar lange nicht ausgeschlossen, aber es finden sich im Film bereits zu Beginn einige Elemente, die die kriegerische Auseinandersetzung vorankündigen (foreshadowing/planting) und die die Wendung zum Endkampf plausibel erscheinen lassen (Blanchet, 2003, S. 29–30.256). Der Endkampf, der typisch für diverse Filme (z.B. „Star Wars“) und Computerspiele ist, bildet den Gipfel der Spannungskurve. Der Endkampf wird nicht selten dadurch dramaturgisch gesteigert, dass er zugleich oder nahezu gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen und an verschiedenen Schauplätzen stattfindet: Im Verlauf des Endkampfs, der (an verschiedenen Orten) kollektiv tobt (vgl. „Avatar“, „Star Wars“), tritt die Protagonistin bzw. der Protagonist gegen den Endgegner bzw. die Endgegnerin Person gegen Person an, wie es Jack Sully und Colonel Miles Quaritsch (Stephen Lang) in „Avatar“ in einem Duell tun, wobei Jack Sully letztlich von Neytiri gerettet wird. Eine Variation dieses Geschehens ist der Kampf einer Helden- bzw. Heldinnengruppe gegen einen Superschurken bzw. eine Superschurkin oder mehrere solcher Endgegnerinnen und Endgegner. – Das massive Vorkommen von Militär und kriegerischer Auseinandersetzung sowie die gewalttätige Lösung des Konflikts in „Avatar“ lassen es plausibel erscheinen, den Film als eine Art Kriegsfilm zu verstehen (Kumher, 2020b). Dies lenkt zudem die Aufmerksamkeit auf die Herkunft des Wortes Blockbuster, ein Begriff, der aus dem militärischen Bereich kommt und der eine Bombe meint, die einen ganzen Häuserblock zerstören kann (Blanchet, 2003, S. 254).
In Zusammenhang mit dem Ausfall einer diplomatischen Lösung in „Avatar“ ist zudem zu bemerken, dass der Ex-Marine bzw. Soldat Jack Sully als Avatar zwar die Na’vi und ihre Lebensweise zu verstehen und zu schätzen lernt und eine Transformation durchläuft, jedoch nur, um wieder zu einem Krieger zu werden, zu einem Krieger der Na’vi. Jack Sully stellt ernüchtert fest, dass er zwar davon geträumt habe, als Krieger Frieden zu bringen, aus diesem Traum aber angesichts der Realität aufwachen müsse.
Der Kult, der sich bisweilen um bestimmte Filme entwickelt und der zugleich forciert werden kann, nimmt z.T. „quasi-religiöse“ Züge an. In diesem Kontext ist auch das Merchandising bemerkenswert (Coen, 2002, S. 23–26), das an den Verkauf von Souvenirs und Devotionalien erinnert, wobei zu bemerken ist, dass im religiösen Bereich nicht nur der Handel mit Devotionalien z.T. entartet bzw. als Ausverkauf von Religion anmutet.
Eine kritische Deutung des Films (z.B. als Kriegsfilm und als Kulturimperialismus) darf wiederum nicht überdecken, dass er zugleich auch in der Tradition des Öko-Science-Fiction-Films (vgl. z.B. „Silent Running“ bzw. „Lautlos im Weltraum“ [USA, 1972], „Soylent Green“ bzw. „... Jahr 2022 ... die überleben wollen“ [USA, 1973]) steht und dass er gegen die Zerstörung von Natur, Kultur und Religion Partei ergreift. Auf dieser Linie ist u.a. zu bemerken, dass viel dafür spricht, dass die Na’vi nicht eine Natur- bzw. Weltdeutung (Escher, 2013, S. 42.45) haben, in der sie zwischen sich selbst und der sie umgebenden Natur unterscheiden bzw. in der sie Natur als Objekt verstehen, sondern sich selbst als Bestandteil davon bzw. von Eywa begreifen. Zudem zeigt der Film, was passieren kann, wenn der Mensch die „Büchse der Pandora“ öffnet und deren Gewalten reizt und entfesselt, wobei Pandora zugleich Hoffnung verheißt, insofern die Na’vi ein Vorbild für ein Leben im Einklang mit der Natur bzw. mit Eywa sind (Na’vi als Navi) und das Avatar-Programm eine Perspektive für interkulturelle (intergalaktische) Verständigung bietet. Pandora wird im Film als Hölle und als Paradies interpretiert, wobei das Ergebnis der Interpretation von der jeweiligen Perspektive abhängig ist (Escher, 2013, S. 42).
Die „Na’vi“ (blaue Hautfarbe) lassen sich auch als Spiegelung der „(US) Navy“ (navy blue bzw. Marineblau) begreifen, was zugleich als eine Anspielung auf die „Marines“ (marine water bzw. Meerwasser) in Frage kommt, zumal Marines auch auf Schiffen der US Navy arbeiten. Jack Sully wird als (ehemaliger) Angehöriger des US Marine Corps zum Überläufer und zu einem Na’vi, bleibt aber zugleich eine eigentümliche Mischung aus Marine und Na’vi.
Bei der Förderung von Medienkritik sind eine „Unterscheidung der Geister“ bzw. Differenzierungsvermögen und ggf. ausgewogene Beurteilungen wichtig.
4.3 Mediennutzung
Die Medienkritik, die an dem Film „Avatar“ geübt werden kann, ist in religionspädagogischer und zugleich filmpädagogischer Hinsicht eine Vorlage dafür, auf Serien und Filme aufmerksam zu machen, die eventuell weniger bekannt sind, aber in denen eine friedliche Konfliktlösung gelingt: Dass der Traum vom Frieden nicht aufgegeben werden muss, dass es Alternativen zur kämpferischen Auseinandersetzung – insbesondere als dramaturgisches Mittel – und zum Versagen der Diplomatie gibt, hat seitens populärer Kultur bei einem ähnlich gelagerten Konflikt beispielsweise die Fernsehserie „Stingray“ (USA, 1985-1987) in der Folge „Der heilige Stein“ (original: „The Neniwa“) gezeigt und dabei bewiesen, dass dies nicht mit Spannungsverlust einhergehen muss. Die einvernehmliche Lösung wird in dieser Folge letztlich mit Durchhaltevermögen, Verhandlung und Kreativität herbeigeführt.
Ziele einer Weitung des Blickfeldes für andere Serien und Filme sind nicht nur die Sensibilisierung für die Möglichkeit einer friedlichen Konfliktlösung und für Handlungsstrategien, die dafür taugen, sondern auch das Bemühen um eine Vermeidung einer Engführung der Mediennutzung; denn eine Engführung in dieser Angelegenheit mag zu einer Verarmung der menschlichen Erlebnisfähigkeit führen und speziell dazu, für bestimmte (natürliche) Phänomene und künstlerische Ausdrucksformen weniger empfänglich zu sein (eventuell deshalb, weil sie als wenig spektakulär und deshalb als langweilig erlebt werden).
4.4 Mediengestaltung
Die Medienkritik kann weiterhin ein Anlass dazu sein, mit dem Medium Film aktiv zu verfahren und es zu gestalten, wobei in diesem Fall eine Eingrenzung auf das Medium Film nicht unbedingt erforderlich ist. Im Anschluss an die Medienkritik bei „Avatar“ lässt sich zur Förderung von Mediengestaltung (als einer Dimension von Medienkompetenz) z.B. daran denken, Alternativ(bilder)geschichten zu „Avatar“ zu entwickeln, bei denen eine friedliche und spannende Konfliktlösung gelingt. Diese Geschichten müssen der Avatar-Filmerzählung nicht verhaftet sein, sondern es kann sich bei ihnen um kreative Auseinandersetzungen mit dem Film handeln, wobei gerade im Fahrwasser interkulturellen bzw. interreligiösen und globalen Lernens die Umsetzung der Avatar-Idee reizvoll ist (z.B. als Kurzfilm).
5 Schule des Hörens, Sehens und Fühlens
Auch wenn der Film „Avatar“ bestimmte Fragen, die in religiösen Bildungszusammenhängen relevant sind, noch tiefer hätte ausloten können (Hasenberg, 2010), und auch wenn er als Blockbuster nicht unproblematisch ist, bleibt er doch eine Steilvorlage, um über Wichtiges und Bildungsrelevantes ins Gespräch zu kommen und die angeschnittenen Themen zu vertiefen sowie um nach Lösungsmöglichkeiten für aktuelle und überzeitliche Probleme zu suchen. „Avatar“ beruht auf Erfahrungen der Menschheitsgeschichte und zugleich bleibt der Film eine Art Kinomärchen bzw. ein Fantasy-Science-Fiction-Spektakel. Bei dem Film handelt es sich um eine Art kommerzielles und konventionelles Hollywoodmärchen, das seinem Publikum wertvolle Impulse zum Nachdenken zu geben vermag. Dabei können die Reflexionen von Francis D’Sa (2006) eine Schule sein, um wertvolle Ansätze des Films zu erkennen, zu analysieren und zu vertiefen, um eine Mehrwahrnehmung und um ein Mehrverstehen zu ermöglichen (vgl. 6.4), aber auch um Kritikfähigkeit gegenüber dem Film zu fördern und um konstruktive, friedvolle Alternativen gerade zu bestimmten Teilen bzw. Wendungen des Films zu imaginieren:
Im Film wird deutlich, dass die Menschen nichts aus der Ausbeutung ihrer „Mutter Erde“ gelernt haben. Anstatt angesichts einer ausgebluteten Erde umzudenken, beginnen sie wie Wanderheuschrecken damit, den nächsten Planeten zu zerstören. Einen Gegenentwurf zu dieser Vorgehensweise stellt die Lebensweise der Na’vi dar. Leitmotivisch taucht in diesem Zusammenhang im Film das richtige Hinhören, Hinsehen und Hinfühlen auf. Die Bedürfnisse der Natur wollen wahrgenommen werden, weil auch die menschliche Spezies ein Teil von ihr ist und weil sie für ihr Gleichgewicht Verantwortung hat. Alles Lebendige ist wertvoll und verdient es, ins Gebet eingeschlossen zu werden. – Dies sind Elemente der Ökosophie, wie sie Francis D’Sa (2006) versteht: Ein Planet ist kein Produkt, das einseitig benutzt, domestiziert und reguliert werden darf. Das Gegenbild zu einer parasitären Lebensweise besteht in einer symbiotischen Lebenskunst, die sich dadurch auszeichnet, Lebenszeichen adäquat deuten und verstehen zu können, um im Einklang mit der Natur bzw. der Schöpfung zu leben. – Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einer Öko-Religion und christlicher (etc.) Religion sind in diesem Zusammenhang zu reflektieren, wobei der Dialog zwischen populärer Filmkultur und traditioneller Religionskultur für beide Seiten überaus fruchtbar sein kann (Herrmann, 2001, S. 217–221.232).
Der Kommentar aus dem Off, dass die Aliens (womit die Menschen gemeint sind) in ihre sterbende Welt zurückkehren, setzt beinahe den Schlusspunkt des Films. Eine der Filmbotschaften tritt an dieser Stelle nochmals deutlich hervor: Es ist die Warnung vor der weiteren Zerstörung des Planeten Erde, die in der Film-Historie in nicht weiter Zukunft nahezu abgeschlossen sein wird. Insofern darf der Film zugleich als Sensibilisierung für die leidende Natur bzw. Schöpfung verstanden werden und als Mahnruf. Dies knüpft nahtlos an die Beobachtung von D’Sa an, dass immer mehr Menschen auf den Schrei der Erde aufmerksam geworden sind und die Sakramentalität der Welt entdecken – wie sie von den Na’vi bereits aufgespürt worden ist. Diese neue bzw. uralte Aufmerksamkeit für die Schöpfung bietet laut D’Sa die Chance, das Friedens- und Rettungspotenzial der Religionen zu enthüllen und heilsam einzubringen.
Nicht zuletzt wirbt der Film für einen gelingenden interkulturellen Dialog, dessen Ausgangspunkte Offenheit und gegenseitige Lernbereitschaft sind. Im Film werden die Bemühungen um einen interkulturellen Dialog allerdings durchkreuzt und es erscheint als fraglich, ob der Seitenwechsel, den Jake Sully vollzieht, als Erfolg eines interkulturellen Dialogs verstanden werden darf, nicht zuletzt deshalb, weil er wiederum zum Krieger wird und seine Herkunftskultur ganz aufzugeben scheint. Auch an dieser Stelle ließe sich der Film mithilfe der Überlegungen von Francis D’Sa und seines Lehrers Raimon Panikkar vielfältig analysieren, weiterführen und vertiefen, was sich im Rahmen religiöser Bildung für interreligiöses und interkulturelles Lernen fruchtbar machen lässt. In dieser Perspektive kommt die Avatar-Figur im Speziellen wie im Allgemeinen als Verständigungsbrücke zwischen verschiedenen Religionen und Kulturen in den Blick. Jakes Avatar ist die Personifikation, das Symbol einer Fühl- und Lernbereitschaft. Das Misslingen der interkulturellen Verständigung im Film – trotz des Avatar-Programms – ist Anlass dazu, nach seinen Ursachen zu fragen und danach, welche Bedingungen und Spielregeln einen interkulturellen Dialog neben Offenheit und Lernbereitschaft lebendig halten und gelingen lassen (D’Sa, 2006; Panikkar, 1999). Der Seitenwechsel Jakes zu den Na’vi und sein Fortgang können sicherlich kontrovers diskutiert werden, allerdings gehört die Möglichkeit der Konversion zur – religiösen – Begegnung. Der (partielle) Verlust des eigenen Glaubensbekenntnisses, der Verlust des eigenen Lebens, aber auch die Möglichkeit, neu geboren zu werden, sind in Betracht zu ziehende Folgen dieser Begegnung (Panikkar, 1999, S. 199–200).
„Avatar“ mag vielleicht nur ein weiteres Kinomärchen sein, das die mächtigen Ungeheuer der sogenannten Zivilisation mit ihrer Zerstörungskraft sowie mögliche Gegengewalten heraufbeschwört. Aber vielleicht ist eine ständige Erinnerung notwendig, um endlich Folgendes zu beherzigen: „Fairy tales do not tell children that dragons exist. Children already know that dragons exist. Fairy tales tell children that dragons can be killed” (Gilbert Keith Chesterton).
Die Auseinandersetzung mit dem Blockbuster „Avatar“ soll nicht überspielen, dass es weitere Filme der populären Kultur gibt, deren religionsdidaktischer Einsatz speziell für interkulturelles, (inter-)religiöses (Schambeck, 2013) und globales Lernen (Bahr & Leimgruber, 2010, S. 484) sowie zur Förderung von Medienkompetenz vielversprechend ist. An dieser Stelle sei der Film „Outsourced“ (USA, 2006) erwähnt, weil er sich im Zuge der bisherigen Überlegungen ertragreich erschließen lässt. Dies liegt u.a. an den Gemeinsamkeiten, die bzgl. „Avatar“ und „Outsourced“ feststellbar sind. Zu den Gemeinsamkeiten gehört die kontrastreiche Darstellung zweier Kulturen (z.B. in puncto Religion), was bei „Outsourced“ auch durch ein Cover deutlich wird, das sich als eine Art Spiegelung begreifen lässt. Darüber hinaus kann in diesem Fall bei der Gestaltung von Filmbildern von Spiegelungen die Rede sein. Die Gemeinsamkeiten hängen damit zusammen, dass der Film „Outsourced“ größtenteils in Indien spielt und Hinduismus thematisiert sowie eine bestimmte Form des Kolonialismus zeigt, nämlich das Outsourcing.
6 Eine blaue Religionspädagogik
Johannes Heger (2018, S. 5–13) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Fernsehserie „Die Simpsons“ für eine religionspädagogische Auseinandersetzung vielversprechend ist – und aufgrund der gelben Farbe der Figuren in dieser Serie eine gelbe Religionspädagogik andenkt. In Anlehnung an Hegers Reflexionen zum Bildungspotenzial dieser Fernsehserie lässt sich bei „Avatar“ angesichts der blauen Hautfarbe der Na’vi nun an eine blaue Religionspädagogik denken, die für das Bildungspotenzial dieses Films (und seiner Fortsetzungen) im Speziellen und für das Bildungspotenzial populärer Kultur im Allgemeinen sensibel ist – mit dem Ziel, Konzepte zu entwickeln, wie dieses Potenzial im Rahmen religiöser Bildung gehoben und verwendet werden kann. In Anklang an die Überlegungen Hegers (2018) ist damit weder eine Überbewertung noch eine Unterbewertung popkultureller Universen gemeint, sondern es sind Auseinandersetzungschancen realisiert, die u.a. die Ziele haben, sich zu Religion und zu Blockbustern verhalten zu lernen. Damit ist die Kombination der Förderung verschiedener Kompetenzen angesprochen: religiöse, interreligiöse, interkulturelle Kompetenz sowie Medienkompetenz (Herrmann, 2001, S. 243).
Die Farbe Blau (bzw. Gelb, Grün etc.) ist hier ein Code für den Bezug auf populäre Kultur (Avatar, Die Simpsons, Matrix I-III etc.) und ihr Bildungspotenzial sowie speziell für den Bezug auf Fiktion und deren Bildungspotenzial. Fiktion (Fantasy, Fantasie etc.) kann sehr real sein, insofern sie Tatsächliches widerspiegelt (Escher, 2013, S. 43) und insofern es bei ihr um Wahrhaftigkeit geht. Die Farbe Blau markiert die Ernstnahme und Wertschätzung des Bildungspotenzials von populärer Kultur und der konstruktiven Inspiration, die von ihr in mehrfacher Perspektive (z.B. theologisch, pädagogisch) auszugehen vermag. Die Inspiration durch populäre Kultur kann z.B. darin bestehen, (blaue) Religionspädagogik als populäre Religionspädagogik zu konzipieren und beispielsweise (wissenschaftliche) Beiträge so zu verfassen, dass sie nicht nur von einem bestimmten Fachpublikum (Forschenden, Dozierenden, Studierenden) verstanden werden können, sondern für möglichst viele Menschen interessant sind, weil sie als Text (Bild, Film etc.) verständlich, gehaltvoll, konstruktiv, unterhaltsam etc. sind (ohne dass deshalb ihre wissenschaftliche Qualität darunter leidet). Zugleich sind mit dem Farbcode der Bezug zu Medien und das Bildungspotenzial von Medien angesprochen, was die Kooperation zwischen Religionspädagogik und Medientheologie nahelegt, denn u.a. Erkenntnisse bzgl. der jeweiligen Eigenart des Mediums, die beispielsweise das Vorkommen und die Kommunikation von Religion auf ganz bestimmte Weise formatiert, sind mit Blick auf (religiöse) Bildung und deren Konzeption bedeutsam.
6.1 Kooperation mit Medientheologie
Eine solche Religionspädagogik – sei sie nun gelb oder blau – pflegt die Kommunikation zwischen populären Filmkulturen (bzw. Medienkulturen) und traditionellen Religionskulturen um ihrer Erträge willen (Herrmann, 2001, S. 232) und ist hier in enger Kooperation mit einer Medientheologie gedacht, in deren Rahmen die mediale Tradierung von Religionen und Kulturen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reflektiert werden. Gegenstand dieser Reflexion sind u.a. die Interpretationen von Religionen und Kulturen in der populären Kultur sowie die Fortsetzung ihrer medialen Tradierung, Veränderung und Entwicklung. Hierbei lassen sich wenigstens zwei Gruppen von Medien populärer Kultur unterscheiden. Die eine Gruppe kennzeichnet sich vornehmlich durch die Tendenz, die orthodoxe Linie bestimmter Religionsgemeinschaften fortzuführen (was sich z.T. als Propaganda artikuliert), die andere Gruppe setzt die Tradierung gewissermaßen unorthodox und unautorisiert fort (was z.T. auch der Dominanz bestimmter Weltsichten das Wort reden kann). Eine „blaue“ Religionspädagogik sucht die medientheologischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet für Bildungsprozesse fruchtbar zu machen, nicht um in religiöser Perspektive zu vereinnahmen, sondern um das Vermögen zu fördern, sich in und gegenüber Religionen und (Medien-)Kulturen verantwortungsvoll verhalten zu können.
Bei „Avatar“ sind in diesem Zusammenhang zahlreiche religiöse Aspekte aufgefallen, insbesondere die Transformation der Avatar-Idee bzw. des entsprechenden Glaubens (vgl. 3), was zugleich als filmische Umsetzung der Weisheit begreifbar ist, das erst das Laufen in den Schuhen einer anderen Person eine (angemessene) Einschätzung über sie erlaubt. In der Perspektive religiöser Bildung ist dies z.B. eine Vorlage dafür, um im Fahrwasser eines abduktiven Ansatzes (Heil & Kumher, 2003) (inter-)religiöse Kompetenz (Schambeck, 2013) zu fördern. Diese umfasst auch, traditionelle religiöse Codes in Medien populärer Kultur identifizieren zu können – z.B. „Avatar“ – und ggf. erklären zu können, wie diese verändert worden sind (Heil & Kumher, 2003, S. 56–57) – z.B. künstlich erzeugte Kreuzung zwischen Na’vi und Mensch, die von einem menschlichen Geist gesteuert werden kann. Im Zuge der Förderung (inter-)religiöser Kompetenz lässt sich dabei erhellen, welche Bedeutung die traditionellen religiösen Codes haben und welche Bedeutung den veränderten Codes zukommt, wobei auch dem „Warum“ der Veränderung nachgegangen wird: „Durch Deutung sollen Hypothesen gebildet werden, um das im Film entstandene Neue zu erklären“ (Heil & Kumher, 2003, S. 56).
Im Rahmen von Medientheologie wird allerdings nicht nur erforscht, wie Religion medial tradiert und dabei ggf. verändert und entwickelt wird, sondern u.a. auch die Eigenart von Medien (s.o.). Darüber hinaus wird untersucht, wie Medien „Welt“ deuten, welche Bedeutungen ihnen seitens ihrer Produzentinnen und Produzenten sowie ihrer Rezipientinnen und Rezipienten zugeschrieben werden und wie sie, ihre Inhalte etc. in Gebrauch genommen werden (s.u.). Auch dies lässt sich für (inter-)religiöse Bildung fruchtbar machen.
6.2 Sensibilität für Produktzusammenhänge und -funktionen
Eine „blaue“ Religionspädagogik ist über Einzelprodukte bzw. Kunstwerke der populären Kultur und deren Analyse hinaus sensibel für die Artikel, die im Verbund mit einem besonders lancierten Produkt populärer Kultur (z.B. einem Blockbuster) herausgebracht werden (z.B. Songs, Computerspiele, Fanartikel bzw. Merchandising), betreibt deren Analyse und klärt ihre jeweiligen Bedeutungen. Sie kann die Firmen bzw. Institutionen, die die Produktpalette zu einem bestimmten Medienprodukt fördern und herstellen, erforschen, Zusammenhänge sichtbar machen und versuchen, einen (ideologiekritischen) Blick hinter die Kulissen zu werfen, insbesondere um Emanzipation zu fördern. Eng damit verbunden ist die Erforschung dessen, was der Konsum bzw. Genuss populärer Kultur bei seinem Publikum austrägt und wozu sie das Publikum in Gebrauch nimmt. Hierzu sind bereits erhellende Beobachtungen gemacht worden (Herrmann, 2001, S. 28–30.93). Es bleiben jedoch stets aktuelle Untersuchungen nötig, die klären, welchen Einfluss z.B. Filme auf das Publikum nehmen können, bzw. die klären, was die Rezipientinnen und Rezipienten in Auseinandersetzung mit den Medien konstruieren und wozu sie das Wahrgenommene (und die Fanartikel etc.) verwenden.
Im Fall von „Avatar“ ist hier in medientheologischer und befreiungstheologischer Perspektive z.B. bemerkenswert, dass sich protestierende Palästinenserinnen und Palästinenser als Na’vi geschminkt und verkleidet und damit den Film für ihren politischen Protest gegen Okkupation in Gebrauch genommen haben (Escher, 2013, S. 43). Durch die Verkleidung als Na’vi bzw. die Identifikation mit ihnen bzw. durch politisches Cosplay (Winkler, 2019) bestehen die Protestierenden auf eine Ähnlichkeit ihrer Lage mit der der fiktiven Na’vi und stellen sich damit zugleich in eine Linie mit realen Gruppen etc., die ähnliches Unrecht erlitten haben bzw. erleiden (Escher, 2013, S. 43). Durch die Verkleidung als Na’vi bzw. durch die Anspielung auf einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten (und die damit zusammenhängende mediale Kommunikation) wird das eigene Anliegen bzw. die eigene Not nochmals in besonderer Weise kommuniziert – und zwar global-popkulturell –, wodurch Menschen verschiedener Nationalitäten, die den Film gesehen und den Protest wahrgenommen haben, einen speziellen Zugang zu dem Anliegen der Protestierenden bekommen mögen. Die popkulturelle Verhüllung (hier als Na’vi) kann dazu dienen, das eigene Rollen- und Selbstverständnis kenntlich zu machen bzw. zu enthüllen (Nehrlich, 2013, S. 126–127; Langenhorst, 1999, S. 189–195).
Das Thema Religion liegt hier auch deshalb nahe, weil die Na’vi als religiöse Lebewesen gezeigt werden und ihre Religion bei der Auseinandersetzung mit den Menschen eine Rolle spielt. In Perspektive religiöser Bildung lassen sich Beobachtungen und Erkenntnisse bzgl. der Verwendung bestimmter Medien u.a. dafür nutzen, den Fragen nachzugehen, welche Medien für die Konstruktion der eigenen Religiosität bzw. des eigenen Worldviews bedeutsam sind und inwiefern sie jeweils daran Anteil haben, um auf diese Weise religiöse Kompetenz und damit auch Selbstreflexion zu fördern.
Im Kontext der Möglichkeiten der Medienverwendung ist auch an den Einsatz von populärer Kultur in diversen Bildungszusammenhängen zu denken und an die (eigene) Konzeption von populären Bildungsmedien (z.B. durch Lerngruppen).
6.3 Sensibilität für Zeitzeichen
Eine „blaue“ Religionspädagogik ist aufmerksam für besonders erfolgreiche Medienprodukte – wie „Avatar“ –, weil ihre Beliebtheit womöglich etwas widerspiegelt, was sich als „Zeichen der Zeit“, als Erfordernis begreifen lässt (z.B. die Sensibilität für den Wert von Natur in „Avatar“). Dabei kann es sich um mediale Hoffnungs- und Warnsignale handeln (Kumher, 2019, S. 101). Die Ergründung dieser Zeitzeichen oder sogar Erfordernisse mit Blick auf Bildungszusammenhänge erfolgt allerdings nicht unkritisch, auch deshalb, weil der Zusammenhang zwischen populärer Kultur und ihren Rezipientinnen und Rezipienten bidirektional ist: Einerseits hat populäre Kultur – wenigstens z.T. – Aufmerksamkeit für (aktuelle) Probleme, Sehnsüchte, Bedürfnisse etc. des (Massen-)Publikums, um dieses anzusprechen, und lässt sich insofern als eine Art Seismograf für das begreifen, was Menschen umtreibt. Andererseits kann populäre Kultur Sehnsüchte, Bedürfnisse etc. – u.a. durch einen großen Werbeaufwand – forcieren und bestimmte Trends, Sehgewohnheiten, Unterhaltungsmuster etc. begünstigen und hervorrufen, die nicht in jedem Fall unproblematisch sind. Angesichts der Konventionalität vieler Medien der populären Kultur bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob sie differenziertere gesellschaftliche Problemanzeigen beinhalten und ästhetisch zu irritieren vermögen (Herrmann, 2001, S. 232). Es braucht also gerade in pädagogischer Hinsicht eine „Unterscheidung der Geister“, bei der darauf geachtet wird, welche Inhalte, Geschichten und Botschaften Medien transportieren und wie sie diese darbieten, sowie zudem dafür sensibel ist, welche Gattung (z.B. Horror) und welches Format (z.B. Blockbuster) die Medien haben, da diese bei der Wahrnehmung und Verarbeitung des jeweiligen Mediums mehr oder weniger bedeutend sein können.
Zugleich achtet eine „blaue“ Religionspädagogik auf die Medien, die keine Kassenschlager sind, gleichwohl aber viel Bildungspotenzial haben, um sie mit Blick auf Bildungszwecke zu reflektieren und zu empfehlen.
6.4 Polyästhetik
Eine „blaue“ Religionspädagogik ist polyästhetisch (Leonhardt, 2018, S. 119–120; Hofbauer & Schwarzbauer, 2012). Dies betrifft die Analyse und den Genuss von Medien, insofern sie für verschiedene Sinneseindrücke und ggf. für deren Wechselspiel sensibel ist bzw. sensibilisiert und eine Mehrwahrnehmung anzielt. Sie weitet und vertieft die menschliche Erkenntnis- und Erlebnisfähigkeit, sie führt zu einer Öffnung, ggf. Wiederbelebung menschlicher Wahrnehmungs-, Fühl- und Denkkanäle. Die polyästhetische Ausrichtung meint zugleich die Steigerung und die Kultivierung der menschlichen Ausdrucksfähigkeit im Zusammenhang mit Medien. Konkret kann dies bedeuten, über das sprechen und schreiben zu können, das künstlerisch musizieren und visualisieren zu können etc., was Medien an Gefühlen, Ideen, Einstellungen etc. bergen und auszulösen vermögen. Dies impliziert die Förderung von Medienkompetenz und inspiriert bzw. weitet sie zugleich, z.B. insofern ein Medium in dieser Perspektive nicht nur bzgl. der Funktion(en) interessant ist, für die es konstruiert worden ist und die sich kompetent beherrschen lassen, sondern auch (ganz) andere Verwendungsmöglichkeiten denkbar sind, die auch aufgrund der Veränderbarkeit, Erweiterbarkeit, Ergänzbarkeit etc. des Mediums in Aussicht stehen. Damit sind Kunst und die Förderung des Möglichkeitssinns angesprochen (Kumher, 2020a). Auf dieser Linie wird beispielsweise ein Film als Relikt und Faktum einer bestimmten Zeit und Entwicklung (Kumher, 1977, S. 17) sowie als schillernde Kunst (Kulturleistung, Kunstprodukt, Kunstobjekt, Kunstwerk, plastische, gestaltbare und entwickelbare Kunst, Komposition vieler Gemälde, Lichtkunst, -kinetik, funktionslose Kunst, Unterhaltungskunst etc.) wahrnehmbar und begreifbar.
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Dr. theol. Ulrich Kumher, Lehrer für Gymnasien mit den Fächern Religion und Deutsch. Bisher: Lehrkraft an verschiedenen Schulen sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Universitäten, an der Universität Freiburg Akademischer Rat. Adresse: Dr. Ulrich Kumher, Landsberger Str. 15, 31141 Hildesheim, E-Mail: ulrichkumher, Tel.: 0171 6936088. @ gmx.de