1 Hinführung

In Deutschland gibt es an den Universitäten Tübingen, Münster, Osnabrück, Frankfurt am Main/Gießen, Erlangen-Nürnberg, Paderborn und Berlin Zentren bzw. Institute für islamische Theologie, an denen neben Theologinnen und Theologen auch islamische Religionslehrkräfte ausgebildet werden. Die ersten Absolventinnen und Absolventen des Faches sind nach dem Referendariat mittlerweile als Lehrkräfte im Schuldienst eingestellt worden.

An allen Standorten der islamischen Theologie gehören Module der Behandlung anderer Religionen zu den in den Curricula der islamischen Religionslehrerausbildung verankerten Vorgaben. Ähnlich wie in den Lehrplänen für den katholischen und evangelischen Religionsunterricht gehören Themenfelder, in denen andere Religionen behandelt werden, auch zu den inhaltlichen Schwerpunkten des islamischen Religionsunterrichts. Hierbei geht es darum, Schülerinnen und Schülern einen sensiblen Umgang mit anderen Religionen und Weltanschauungen zu vermitteln (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 17–18). Auch wenn die Beschäftigung mit „anderen Religionen“ seit langem zu den Inhalten des schulischen Religionsunterrichts gehört und innerhalb der christlichen Religionspädagogik – schon wegen der zunehmenden Pluralisierung der Gesellschaft – Konzeptionen dazu entwickelt worden sind, wie das interreligiöse Lernen im Religionsunterricht umgesetzt werden kann, gibt es in der Hochschuldidaktik bislang nur wenige erprobte Ansätze (vgl. Kürzinger, 2017 und Riedl, Ourghi & Petzold-Hussein, 2018)

Die berufliche Handlungssituation verlangt von den islamischen Religionslehrkräften, dass sie die anderen Religionen in ihrem Unterricht thematisieren und dazu Lernarrangements in ihrem (späteren) Religionsunterricht gestalten. Um diese Lernprozesse systematisch und gezielt planen, organisieren und durchführen zu können, muss das interreligiöse Lernen in der Ausbildung der Lehrkräfte entsprechenden Raum einnehmen. Vor dem Hintergrund dieser realen beruflichen Anforderung wird an dieser Stelle angefragt, wie die Studierenden im Rahmen der universitären Ausbildungsphase auf diese Aufgabe vorbereitet werden.

Dieser Beitrag geht daher der Frage nach, wie die einzelnen Standorte der islamischen Theologie diese Anforderung in ihren Modulhandbüchern inhaltlich umsetzen und welche Zugänge zu fremden Religionen dort zu erkennen sind. Modulhandbücher steuern als zentrale didaktische Dokumente die Lehr- und Lernaktivitäten an Hochschulen und beschreiben den Aufbau, die Inhalte und die Kompetenzen, die Studierende des jeweiligen Faches erwerben sollen (Kerres & Schmidt, 2011, S. 173–174). Da Modulhandbücher die Anlage und Organisation eines Studiengangs darstellen, erlaubt deren Analyse Rückschlüsse auf die „Studienrealität“ des Faches an den Universitäten, auch wenn diese nicht zwangsläufig identisch mit der Beschreibung im Modulhandbuch ist. Entsprechend stellen die Modulbeschreibungen des didaktischen Umgangs mit anderen Religionen einen Ausschnitt aus den tatsächlichen Angeboten des jeweiligen Standortes dar, da in den Veranstaltungen durchaus andere Zielsetzungen bestehen können. Ferner ist mit den Kompetenzbeschreibungen noch nichts darüber ausgesagt, inwiefern die Gestaltung der Lernumgebung zu der avisierten und weiteren Kompetenzerweiterung geführt hat. Hinzu kommt, dass solche Modulbeschreibungen eine recht kurze Gültigkeit haben und häufig im Zuge von Akkreditierungsverfahren geändert werden.

Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, werden in diesem Beitrag die Modulhandbücher für islamische Gymnasiallehrkräfte an den Standorten Frankfurt am Main, Osnabrück, Münster und Tübingen herangezogen. Der Vergleich dieser vier Standorte für islamische Theologie bietet sich zum einen an, da diese Standorte die meisten Studierenden für den islamischen Religionsunterricht (IRU) ausbilden, in deren Bundesländern auch IRU als reguläres Unterrichtsfach eingeführt worden ist. Zum anderen haben diese Standorte mit der Einteilung des Studiums in die Phasen Bachelor und Master auch die Studieninhalte modularisiert. Ihre Modulhandbücher beschreiben den Aufbau der Studiengänge, die Inhalte der Lehrangebote, die Lernziele und die geforderten Prüfungsleistungen und den zeitlichen Aufwand für die einzelnen Module. Da in Bayern der islamische Religionsunterricht derzeit noch als Modellversuch und die Religionslehrerausbildung in Erlangen-Nürnberg über die Drittfachregelung läuft, wird dieser Standort für islamische Theologie bei der Auswertung nicht herangezogen. Das Vorgehen wird dabei so gestaltet, dass im ersten Schritt die Modulbeschreibungen aus hochschuldidaktischer Perspektive betrachtet und die darin beschriebenen Kompetenzen analysiert werden. Im zweiten Schritt wird dann der Versuch unternommen, den in den Modulen beschriebenen hermeneutischen Zugang zum Fremden zu analysieren. Für die in den Modulen beschriebene Auseinandersetzung mit den fremden Religionen werden für die Analyse der Zielsetzungen die Stile der Fremdbegegnung nach Heinz Streib herangezogen. Diese phänomenologische Perspektive von Streib eignet sich für die Analyse der Konstruktion des Fremden in besonderer Weise, da in seinen Stilen der Fremde eine produktive Bedeutung erhält, indem er die Erfahrung des Fremden als Herausforderung und als Anlass für Neugierde und Lernbegier versteht (Streib, 2005, S. 231). Die Analysen erlauben so eine Systemevaluation über den curricularen Rahmen der Module zu den Fremdreligionen und zeigen über die Standorte hinweg die Steuerungsqualitäten, um die verschiedenen Muster in ihren Zugängen verorten zu können.  

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass der Blickwinkel der Verfasserin eine religionspädagogische und damit eine partikulare Perspektive ist, die den Fokus der Betrachtung von der Begegnung und dem Zusammenleben der verschiedenen Religionen im öffentlichen Raum der Schule aus betrachtet. Die Interreligiosität in diesem Bereich ist nicht freiwillig initiiert, sondern faktisch gegebene Realität, da sich die Akteure in diesem Feld – sowohl Lehrer, Schüler als auch die Eltern – gerade in ihrer Pluralität der religiös- weltanschaulichen und politischen Positionen auszeichnen. Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Fragmentierungen und Gegensätzlichkeiten können die Begegnungen und der Dialog aufgrund medial und politisch geführter Diskurse als fruchtbar, aber auch als erhebliche Belastung wahrgenommen werden.

2 Rahmenbedingungen der Module „andere Religionen“

Die Module „Andere Religionen“ an den Standorten der islamischen Theologie zeigen bereits in der Einbettung der Modulstruktur diverse Unterschiede.

Tab. 1: Übersicht über die Rahmenbedingungen des Moduls „Andere Religionen“ an den Standorten für islamische Theologie

Standort

Titel

Modulzuständigkeit

SWS

Fachsemester

Frankfurt

Religionen und Islamischer Religionsunterricht

Lehrstuhl für Religionspädagogik

6

6./7.

Münster

Intra- und interreligiöse Theologie

Lehrstuhl für schiitische Theologie und Lehrstuhl für Religionspädagogik

5

5./6.

Osnabrück

Interreligiöse und interkulturelle Studien

Lehrstuhl für Religionspädagogik

4

3./4.

Tübingen

Der Islam und die anderen Religionen

Lehrstuhl für islamische Glaubenslehre

4

3./4.

An allen Studienorten sind die Module zu anderen Religionen im Bachelorstudium zu besuchen, die Dauer variiert zwischen 4 und 6 SWS. Bemerkenswert ist auch ihre Verankerung im Studium als Pflichtveranstaltung. In Osnabrück und Tübingen ist eine der zu besuchenden Veranstaltungen als Importveranstaltung geplant, die den Dialog der Religionen an den genannten Universitäten hervorhebt. Sowohl die Zuordnungen der Module zu den Lehrstühlen als auch ihre Titel zeigen erste inhaltliche Akzente: In Frankfurt wird das Modul dem Lehrstuhl für Religionspädagogik zugeordnet und zeigt bereits im Titel durch die Kombination von „Religionen“ in der Pluralform mit „islamischer Religionsunterricht“ einen klaren Bezug auf die schulische Situation.

In Tübingen hingegen ist das Modul dem Lehrstuhl für islamische Glaubenslehre zugeordnet und verdeutlicht mit dem Titel eine rein theologische Ausrichtung und setzt den Islam zu den anderen Religionen in Beziehung. In Münster und Osnabrück liegt der Schwerpunkt auf interreligiöser Theologie bzw. Studien, allerdings bilden diese Veranstaltungen in Münster zusammen mit intrareligiösen und in Osnabrück mit interkulturellen Veranstaltungen ein Modul.

3 Kompetenzen und Kompetenzerwartungen in den Modulhandbüchern

Um analysieren zu können, welche Kompetenzerwartungen in den Modulhandbüchern für die Auseinandersetzung mit anderen Religionen formuliert werden, möchte ich im ersten Schritt den zugrunde gelegten Kompetenzbegriff erläutern: Hierbei folge ich der in den Erziehungswissenschaften verbreiteten weiten Kompetenzdefinition von Weinert. Kompetenzen umfassen nach Weinert „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften, damit die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll genutzt werden können“ (Weinert, 2001). Weinert berücksichtigt in seiner Definition zum einen das Können und zum anderen auch motivationale und soziale Aspekte in den individuellen Personenmerkmalen, die im Verlauf von Bildungsprozessen erworben und die Bewältigung von unterschiedlichen wissenschaftlichen, berufspraktischen und gesellschaftlichen Problemstellungen durch Handlungsvollzug ermöglichen sollen.

Um die Qualität der Lernergebnisse untersuchen zu können, orientiere ich mich an den Formulierungen der „Learning-Outcomes“. Die Qualität der Lehre bleibt davon unberührt und gibt nur Auskunft darüber, welche Steuerungsqualität sich darin abbildet. Unter Learning-Outcomes werden im Allgemeinen Aussagen darüber verstanden, was Studierende nach dem Besuch der Veranstaltungen eines Moduls in der Lage sind zu tun bzw. welche Handlungsfähigkeiten bei den Studierenden initiiert worden sind. Dahinter steht die Perspektive, welche Lernergebnisse angestrebt werden und nicht, welche Inhalte vermittelt worden sind (Universität Würzburg, 2010, S. 4). Learning Outcomes betonen zudem, im Unterschied zu Learning-Outputs, den Wert des Prozesses selbst, der auf das Lernergebnis vorbereiten soll (Reis, 2015, S. 20). Nach Oliver Reis muss eine sinnvolle Kompetenzerwartung bei der fachlichen Analyse „[…] eine Operation vorbilden, die einen Verhaltens- mit einem Inhaltaspekt koppelt. Der Verhaltensaspekt drückt sich meist in den Tätigkeitsverben aus, der Inhaltsaspekt in theoretischen Konzepten, Modellen, Methoden, Theoriesystemen“ (Reis, 2015, S. 22). Reis beschreibt ein Learning-Outcome als eine Verknüpfung aus einer „[…] Tätigkeit (Was wird getan?) mit einem Instrument (Womit wird getan?) für die Bewältigung einer bestimmten Situation (Wozu wird etwas getan?)“ (Reis, 2015, S. 22).

Für die inhaltliche Analyse, was die Studierenden nach den Modulhandbüchern in der Lage sind zu tun, wurde zunächst eine Übersicht über das, was gemäß den Modulhandbüchern über andere Religionen gelernt werden soll, erstellt. Die inhaltliche Ausrichtung stellt sich demnach wie folgt dar:

Tab. 2: Übersicht über die zu vermittelnden Inhalte zu anderen Religionen an den Standorten für islamische Theologie

Standort

Inhalte

Frankfurt

„Vorlesung oder Seminar mit dem Schwerpunkt Judentum, Christentum oder Religionswissenschaft I×

- Ausgewählte Aspekte des Judentums oder Christentums in systematisch-theologischer, philosophischer, ethischer, historischer, institutionenkundlicher oder gegenwartsbezogener Hinsicht – oder alternativ Grundlagen der Religionswissenschaft

Vorlesung oder Seminar mit dem Schwerpunkt Judentum, Christentum oder Religionswissenschaft II×

- Ausgewählte Aspekte des Judentums oder Christentums in systematisch-theologischer, philosophischer, ethischer, historischer, institutionenkundlicher oder gegenwartsbezogener Hinsicht – oder alternativ Grundlagen der Religionswissenschaft (hier kann der Schwerpunkt aus obiger Inhaltsauswahl beibehalten und vertieft werden; es kann aber auch ein neuer Schwerpunkt gegenüber der Inhaltsauswahl in der LV I gewählt werden)“ (Goethe Universität Frankfurt am Main, 2015, S. 14)

Münster

„Gegenstand der Vorlesung ‚Einführung in andere Theologien‘ ist die Beschäftigung mit anderen Religionen. Im Vordergrund stehen Einführungen in das Christentum und in das Judentum. Die Studierenden bekommen außerdem einen Überblick über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Religionen. Sie vermittelt den Studierenden Perspektiven auf theologische Fragestellungen und regt sie dazu an, zu den behandelten Themen eigene Reflexionen aufzuarbeiten.“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019, S. 1681)

„Im Seminar ‚Interreligiöser Dialog‘ beschäftigen sich die Studierenden mit der Wichtigkeit eines friedlichen Miteinanders. Kommunikation ist neben einer inneren Zufriedenheit, die wichtigste Grundlage für ein friedliches Miteinander.“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019, S. 1683)

Osnabrück

„- biblische Grundlagen christlichen Denkens

- Grundzüge christlichen Denkens in der Gegenwart (Systematik und exemplarische Inhalte)

- Traditionsvermittlung und religiöse Sozialisation in Familie, Gemeinde und Schule

- Möglichkeiten und Perspektiven interreligiöser Begegnung an den Lernorten Schule und Gemeinde

- Religiosität im Spiegel pluraler Lebenswelten.“ (Universität Osnabrück, 2018, S. 35)

Tübingen

„Inhalt des Moduls ist die Vermittlung der Darstellung anderer Religionen nach muslimischer Auffassung, die Darlegung der Annäherung und der Dispute zwischen den Weltreligionen, sowie die Erläuterung der Spätantike als Ära der Auseinandersetzung dreier monotheistischen Religionen.

- Einführung in religionswissenschaftliche Grundbegriffe und Fragestellungen.

- Überblick über eine (oder mehrere) nichtmuslimische Religionen.“ (Eberhard Karls Universität Tübingen, 2017, S. 16)

Die Betrachtung der Inhalte zeigt zunächst, dass an allen Standorten der inhaltliche Schwerpunkt auf den beiden monotheistischen Religionen Christentum und Judentum gelegt wird. Dies ist in besonderer Weise von Bedeutung, dass damit an Religionen angeknüpft wird, die tatsächlich in der Lebenswelt der Studierenden vorzufinden sind. Im Modulhandbuch aus Frankfurt werden die einzelnen Aspekte konkret genannt, unter denen die anderen Religionen betrachtet werden sollen: Dazu gehören der Zugang aus systematisch-theologischer, philosophischer, ethischer, historischer, institutionenkundlicher oder gegenwartsbezogener Hinsicht (Goethe Universität Frankfurt am Main, 2015, S.14). In Münster hingegen tauchen andere Religionen, wo die anderen Religionen in einem Modul mit intrareligiöser islamischer Theologie betrachtet werden sollen, auf, um einen Überblick über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Religionen Christentum und Judentum zum Islam zu bekommen. In der zweiten Veranstaltung, die mit der Religionssoziologie bzw. -psychologie zusammen ein Modul bildet, liegt der Fokus auf der Wichtigkeit eines friedlichen Miteinanders, ohne dabei inhaltliche Akzente zu setzen (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019, S. 1683). Hier zeigt sich bereits eine Besonderheit der Konzeption an der Universität Münster. Das Modul versucht intrareligiöse Verschiedenheiten als Lernort für interreligiöse Begegnungen zu profilieren. Dabei bleibt es allerdings bei recht vagen Beschreibungen der inhaltlichen Dimension, wenn vorgegeben wird, dass „den Studierenden Perspektiven auf theologische Fragestellungen“ aufzuzeigen und sie anzuregen sind, „zu den behandelten Themen eigene Reflexionen aufzuarbeiten“. Ferner sollen sich „die Studierenden mit der Wichtigkeit eines friedlichen Miteinanders“ beschäftigen.

In Osnabrück hingegen werden die inhaltlichen Schwerpunkte recht differenziert konkretisiert mit u.a. biblischen Grundlagen christlichen Denkens oder Grundzügen christlichen Denkens in der Gegenwart (Systematik und exemplarische Inhalte) sowie Möglichkeiten und Perspektiven interreligiöser Begegnung an den Lernorten Schule und Gemeinde. Tübingen ist der einzige Standort, der in seiner Beschreibung vorgibt, dass die Zugänge zu anderen Religionen aus muslimischer Auffassung, also aus der Binnenperspektive der Muslime und nicht aus der Perspektive der fremden Religion anzubahnen sind. Tübingen verwendet für andere Religionen den Begriff der „nichtmuslimischen Religionen“ und entwirft ein dichotomisches Bild von Religionen, die entweder muslimisch oder nichtmuslimisch sind und auf die Innenperspektive der Fremdreligion verzichtet. Dass Tübingen die Begegnung mit der Fremdreligion auch durch die personelle Begegnung sucht, ist durch die zweite Veranstaltung erkennbar: Diese ist als Importveranstaltung aus der katholischen oder evangelischen Theologie deklariert, womit die Beschränkung der Modulbeschreibung auf die muslimische Perspektive hinfällig wird (Eberhard Karls Universität Tübingen, 2017, S. 16). Zudem nähert sich der Standort Tübingen anderen Religionen auch historisch an, indem die Annäherung und die Dispute zwischen den Weltreligionen in der Spätantike verortet werden, womit erneut die oben eingeforderte Positionalität verschwindet. Beim genannten Überblick über die nichtmuslimischen Religionen wird nicht weiter spezifiziert, welcher Schwerpunkt dabei zu legen ist, wobei sich durch die Importbestimmung im Blick auf die zweite Lehrveranstaltung ja der Einbezug der christlich-theologischen Perspektive gewissermaßen gesetzt ist. Hier müsste eine Erweiterung der Lernziele vorgenommen werden, welcher Lernzuwachs durch die Begegnung mit der Fremdperspektive erzielt werden soll.

4 Analyse der Lernziele/ Kompetenzen zu anderen Religionen

Im nächsten Schritt wird analysiert, welche Lernziele bzw. Kompetenzen die Modulbeschreibungen für die Auseinandersetzung mit anderen Religionen vorgeben. In Anlehnung an Reis sind hier die Analysekriterien, womit und wozu etwas über andere Religionen gelernt wird (Reis, 2015, S.22). Hierbei wird bezugnehmend auf die Kompetenzdefinition von Weinert (2001) untersucht, welche Kompetenzfacetten – Wissen, Können, aber auch motivationale und soziale Aspekte – in den Kompetenzbeschreibungen auftauchen. Diesem breiten Verständnis von den zu erwerbenden fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen folgend differenziert sich die Zuordnung in Fachkompetenz, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz, die auch der nationale Qualifikationsrahmen vorgibt (Technische Universität Darmstadt, 2010, S. 2–3).

Tab. 4: Übersicht über die Lernziele bzw. Kompetenzen in den Modulbeschreibungen zu anderen Religionen

Standort

Erworbene Kompetenzen/ Lernziele

Frankfurt

„Mit grundlegenden Aspekten nicht-islamischer Religionen, Schwerpunkt Christentum und Judentum aus theologischer und religionswissenschaftlicher Perspektive vertraut sein

- Grundlegende Fragen der jeweiligen Theologien darstellen und unter vertiefenden Gesichtspunkten erörtern

- Religionsdialogische und religionsvergleichende Ansätze mit besonderem Blick auf das interreligiöse und interkulturelle Lernen kennen und gegenwartstheologisch erörtern

- Religionswissenschaftliche Theorien zu Entstehung und Funktion religiöser Systeme kennen und darlegen

- Exemplarische Fragestellungen des Religionsgesprächs oder religionswissenschaftlicher Theoriebildung auch mit Blick auf pädagogische Aspekte oder auf die didaktische Analyse, Schwerpunkt Gymnasium erörtern.“ (Goethe Universität Frankfurt am Main, 2015, S. 14)

Münster

„- Sie sind in der Lage, andere Religionen, aber auch andere islamische Strömungen, in ihrer Pluralität und Partikularität wahrzunehmen, und arbeiten Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede heraus.“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019, S. 1681).

- Die Studierenden entwickeln eigenständig interdisziplinäre Fragestellungen, sie erkennen den wechselseitigen Einfluss zwischen Religion und Gesellschaft und ordnen diesen in den heutigen Kontext ein.“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019, S. 1683)

Osnabrück

„- Kenntnisse der biblischen Grundlagen christlichen Denkens

- Kenntnisse der Grundzüge christlichen Denkens in der Gegenwart

- Kenntnisse der Grundlagen religiöser Sozialisation in Schule, Familie, Kirche und Moschee

- Fähigkeit zur Entwicklung interreligiöser Dialog-Konzepte in der Schule

- Konfliktlösungskompetenzen in interreligiösen und interkulturellen Bezügen“ (Universität Osnabrück, 2018, S. 35).

Tübingen

„- Die Studierenden sind in der Lage aufgrund ihrer Kenntnisse anderer Religionen konstruktiv in den Dialog mit Angehörigen anderer Religionen zu treten.

- Sie können Grundfragen und Ansätze anderer Religionen und des Islam aufeinander beziehen und Gemeinsamkeiten und Differenzen darstellen.

- Sie können den Bezug der eigenen Ideengeschichte zu anderen theologischen Ideengeschichten reflektieren.“ (Eberhard Karls Universität Tübingen, 2017, S. 16)

Die formulierten Lernziele an allen Standorten zeigen zunächst, dass die Vermittlung fachlicher Kompetenzen, somit Kenntnisse bzw. Wissensstrukturen, einen deutlichen Raum einnehmen. Hinzu kommen noch weitere Kompetenzen: In Osnabrück wird neben dreien auf Kenntnisse fokussierten Lernzielen auch ein Lernziel zur Methodenkompetenz genannt, das die Entwicklung der Fähigkeit zu interreligiösen Dialog-Konzepten in der Schule vorsieht. Ferner ist eine Sozialkompetenz vorgesehen, die zur Konfliktlösung in interreligiösen und interkulturellen Bezügen beitragen soll. Zu den Standorten Frankfurt und Osnabrück ist zudem festzuhalten, dass sie bei der Lernzielformulierung das künftige Arbeitsfeld Schule ihrer Studierenden im Blick haben und entsprechende Zielvorgaben mitformulieren. In Frankfurt wird der Bezug zur Schule in zwei Lernzielen aufgegriffen: Zum einen sollen die Studierenden „exemplarische Fragestellungen des Religionsgesprächs oder religionswissenschaftlicher Theoriebildung auch mit Blick auf pädagogische Aspekte oder auf die didaktische Analyse, Schwerpunkt Gymnasium“ erörtern und zum anderen „religionsdialogische und religionsvergleichende Ansätze mit besonderem Blick auf das interreligiöse und interkulturelle Lernen kennen und gegenwartstheologisch“ (Goethe Universität Frankfurt am Main, 2015, S. 14) erörtern.

Osnabrück formuliert das Lernziel konkreter und zielt auf die „Entwicklung interreligiöser Dialog-Konzepte in der Schule“ (Universität Osnabrück, 2018, S. 35) ab. In Münster und Tübingen hingegen fehlt diese Kontextualisierung durch die Berücksichtigung der schulischen Anforderungen im Sinne von übenden und praxisbezogenen Erfahrungen. Tübingen hingegen misst den Kenntnissen über andere Religionen eine positiv praktische Bedeutung bei, die die Studierenden befähigt, „[…] konstruktiv in den Dialog mit Angehörigen anderer Religionen zu treten“ (Universität Tübingen, 2017, S. 16).

Die Analyse der Lernergebnisse wird auch unter der Fragestellung betrachtet, zu welchen Kompetenzen diese zugeordnet werden können und welche Handlungsfähigkeiten bei den Studierenden nach den Lernzieltaxonomiestufen nach Bloom (1972) initiiert worden sind. Die von Bloom vorgenommenen sechs Taxonomiestufen unterscheiden sich im Grad der Komplexität und zeichnen sich durch die Unterscheidung in die Bereiche Reproduktion, Wissenstransformation und Handeln aus. Reis empfiehlt in Anlehnung an Iller und Wick für die Modellierung der Lerngegenstände die Unterscheidung in die Kategorien Ressourcen, Reflexionen und Handeln, die die Bereiche von Bloom auf die Konstruktqualität übertragen: „Es wird überprüft, 1. ob den Lernenden das notwendige Wissen in ausreichender Breite und Tiefe zur Verfügung steht (= Ressource), 2. ob sie es in kognitiven Operationen vernetzen, kritisch prüfen, anwenden und weiterentwickeln können und ob sie Situationen so lesen können, dass das Wissen nutzbar wird (= Reflexionen) sowie 3. ob sie dann auch in der Lage sind, in einer durch das Wissen präfigurierten äußeren Handlung realen Situationen gerecht zu werden (= Handlung)“ (Reis, 2015, S. 28). Die von Reis entworfene Struktur dient bei der Betrachtung der Lernziele in den Modulhandbüchern als psychologisches Kriterium der Analyse, inwieweit diese Kategorien in den Formulierungen berücksichtigt wurden, um als Learning-Outcome ineinanderzugreifen und es als Gesamthandlung zu prägen.

Ein vergleichender Blick auf die Lernziele zeigt, dass an allen vier Standorten der islamischen Theologie Grundlagen des Christentums vermittelt werden. Ein Berufsfeldbezug, mit dem auf die späteren beruflichen Anforderungen Bezug genommen wird, ist hingegen nur in den Modulhandbüchern von Frankfurt und Osnabrück anzutreffen. Grundsätzlich wäre die Kopplung an die Frage „Wozu Veranstaltungen zu anderen Religionen?“ wünschenswert, wenn durch die Hervorhebung des beruflichen Horizonts die Relevanz des Moduls betont wird und Studierende auf diese Weise erkennen, welche Kompetenzen für ihren angestrebten Beruf in diesem Bereich benötigt werden.

Es ist an dieser Stelle auch zu fragen, welches Wissen und welche Haltungen von Bedeutung sind, um darauf theologische bzw. religionspädagogische Kompetenzen aufzubauen, die erforderlich sind, damit die Lehrkräfte bei der Vermittlung entsprechender Inhalte die Lernziele des Lehrplans im Hinblick auf andere Religionen im islamischen Religionsunterricht umsetzen können. Dieser Aspekt ist aber nicht nur auf die Situation der islamischen Theologie bzw. Religionspädagogik zuzuspitzen, sondern auch ein Anliegen der christlichen und jüdischen, wie die Lehrkräfte eine Dialogfähigkeit entwickeln, mit der sie unter schulischen Bedingungen den Dialog der Schülerinnen und Schüler, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen initiieren und gestalten können.

Die Einordnung der Lernziele in den Modulhandbüchern in die einzelnen Taxonomiestufen zeigt, dass die erste Stufe Erinnern/Wissen an allen Standorten zu finden ist. Den größten Anteil an Lernzielen zu der ersten Taxonomiestufe weist der Standort Os­nabrück mit drei von fünf formulierten Lernzielen auf, in denen „Kenntnisse der biblischen Grundlagen christlichen Denkens, der Grundzüge christlichen Denkens in der Gegenwart und der Grundlagen religiöser Sozialisation in Schule, Familie, Kirche und Moschee“ (Universität Osnabrück, 2018, S. 35) erworben werden sollen. Auch wenn hierbei die Operatoren in Form von Verben fehlen, die die Lernziele konkreter im Hinblick auf das fassen würden, was die Studierenden nach Abschluss des Moduls zu tun in der Lage sein sollen, kann aufgrund der Formulierung davon ausgegangen werden, dass hier die Vermittlung von Fachkenntnissen angestrebt wird. Positiv ist hierbei nur, dass eine Differenzierung der inhaltlichen Dimensionen vorgenommen wird.

Die tabellarische Einordnung der Lernergebnisse in die einzelnen Taxonomiestufen verdeutlicht, dass die Mehrheit der Lernziele in die Bereiche Erinnern/Wissen, Verstehen und Anwenden einzuordnen sind, die nach Reis in den Bereich der Ressourcen fallen. Zum Bereich der Reflexion finden sich Lernziele nur in den Modulhandbüchern aus Frankfurt und Tübingen. Der Wissensbereich als Ressource dominiert vor allem in Osnabrück, während die Bereiche Reflexion und der Handlungen eher weniger beachtet werden. Hinzu kommt, dass die Taxonomiestufen nicht einen kumulativen Aufbau im Sinne einer fachstrukturellen Abfolge des Kompetenzerwerbs eines fachlichen Kompetenzzuwachses bei den Studierenden aufzeigen.

Tab. 5: Einordnung der in den Modulhandbüchern genannten Lernziele in die Taxonomiestufen nach Bloom

 

Erinnern / Wissen

Verstehen

Anwenden

Analysieren

Beurteilen /Bewerten

Erweitern/ Erschaffen

Frankfurt

2 x

3 x

 

 

3 x

 

Münster

1 x

 

1 x

1 x

 

 

Osna-brück

3 x

 

2 x

 

 

 

Tübingen

1 x

1 x

1 x

 

1 x

 

5 Zugang zum Fremden

Im nächsten Schritt wird der Frage nachgegangen, wie in den Modulhandbüchern für islamische Theologie die fremden Religionen wahrgenommen und für das eigene Leben bzw. die künftige Religionslehrerrolle verarbeitet werden (sollen). Als Analyseinstrument für die Konstruktion des Fremden bediene ich mich der „Stile der Fremdbegegnung“ von Heinz Streib, „für deren Aktualisierung Faktoren wie funktionale Erwartungen und Bedürfnisse und situative Bedingungen eine entscheidende Rolle spielen.“ (Streib, 2005, S. 236). Streibs Modell dient dabei der Beschreibung unterschiedlicher hermeneutischer Zugangsweisen zum Fremden, und mit seiner Hilfe kann gezeigt werden, welches Entwicklungspotenzial in der Gestaltung der Lerninhalte und Lernziele in den Modulhandbüchern liegt.

Streib entwickelt in seinem Modell fünf Stile: Den ersten Stil bezeichnet er als „Fremdheit als xenophobische Angst“, die zu Aggression oder Flucht verleitet. Im zweiten Stil der „Fremdheit als xeno-polemische Furcht“ wird auf entsprechende Erfahrungen polemisch oder abwertend reagiert, während im dritten Stil „Fremdheit als Dissonanz“ wahrgenommen und dabei versucht wird, entweder das Differente abzuwehren, mit dem Eigenen zu harmonisieren oder als Exotismus auf Distanz zu halten. Beim vierten Stil der „Fremdheit als Andersheit“ wird die Differenz deutlich wahrgenommen und entweder reflexiv an das Selbstkonzept assimiliert oder hiervon abgegrenzt. Der fünfte Stil schließlich ist „Fremdheit als Widerstand und Herausforderung“ und versteht Fremdheit als „Mehrwert“ für die eigene Identität, die jedoch für das Individuum auch sperrig und widerständig sein kann und Fremdheit damit nicht aufhebt (Streib, 2005, S. 237).

Am Standort für islamische Theologie in Tübingen ist das vordergründige Ziel die Vermittlung von Kenntnissen über „nichtmuslimische Religionen“ nach „muslimischer Auffassung“ (Eberhard Karls Universität Tübingen, 2017, S. 16). Aus diesem Zugang resultiert die Frage, inwieweit diese vereinnahmend wirkende Perspektive, aus der eigenen Religion heraus auf den Anderen zu schauen, die Studierenden dabei unterstützen kann, eine Differenzsensibilität und eine Deutungskompetenz zu entwickeln, die den anderen in seiner Andersartigkeit würdigt und wertschätzt. Mit Blick auf die Stile von Streib ist hier nicht geklärt, ob eine exklusive Abwertung der anderen Religion aus der eigenen Perspektive und eine Überlegenheit der eigenen Religion (Streib, 2005, S. 237) angedacht ist (2. Stil), oder ob komplexer aus der eigenen Position die Fremdheit der anderen Religion zum Bildungsmoment wird (4. Stil). Die Nicht-Klärung in den geforderten Praktiken ist hier durchaus ein Problem.

Das Modulhandbuch am Standort Münster lässt auf der Inhaltsebene zunächst erkennen, dass es mit im Vordergrund stehenden Einführungen „einen Überblick über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Religionen“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019, S. 1681) herausarbeiten möchte. Die Modulbeschreibung baut zunächst eine Vertrautheit auf, um die fremde Religion in der Kategorie ‚bekannt‘ zu subsumieren. Die Vermittlung der Unterschiede hingegen lässt das Befremdliche im Fremden wahrnehmen. Positiv an diesem Zugang ist anzumerken, dass gerade im sozialen Raum die Gemeinsamkeiten von Bedeutung sein können, wenn es darum geht, die Zusammengehörigkeit innerhalb einer Gruppe, wie etwa in der Schule, zu fördern. Gemeinsamkeiten können so einen gemeinschaftsfördernden Charakter annehmen. Daher lässt sich diese Modulbeschreibung dem dritten Stil nach Streib, der „Fremdheit als Dissonanz“, zuordnen, da das Gefühl der Fremdheit gegenüber der anderen Religion zugunsten einer Harmonie mit der fremden Religion zurückweicht, in der die Zielvorgabe „die Wichtigkeit eines friedlichen Miteinanders“ ist. Hier müsste noch einmal im Sinne eines Prozesscharakters verdeutlicht werden, auf welche Art und Weise den Studierenden dieser Weg eröffnet wird, wenn gerade kontroverse Deutungskonzepte, wie etwa die Wahrheitsfrage, im Raum stehen und die Spannung auszutragen und zu gestalten ist.

Einen anderen Weg geht die Universität Osnabrück in ihrer Modulbeschreibung: Hier werden die „Entwicklung interreligiöser Dialog-Konzepte“ und „Konfliktlösekompetenzen in interreligiösen und interkulturellen Bezügen“ (Universität Osnabrück, 2018, S. 35) entwickelt, die die personale Identität und damit einen kritisch-reflexiven Zugang zur fremden Religion berücksichtigen. Hier erlangen nicht nur harmonisierende, sondern auch konfliktträchtige Ansätze eine Bedeutung, die sowohl religiöser als auch kultureller Natur sein können. Demnach lässt sich dieser Ansatz in den vierten Stil „Fremdheit als Andersheit“ nach Streib einordnen, in der dem Dialog eine produktive Bedingung zugesprochen wird, dass in der Begegnung mit dem Fremden das Gegensätzliche der Religionen zur Tage tritt und möglicherweise auch ein Konfliktpotenzial in sich birgt. Dies ist in der Begegnung zu kommunizieren und zu reflektieren, sodass das produktive Potenzial der Fremdheitserfahrung entfaltet werden kann.

In Frankfurt hingegen geht es zum einen um grundlegende Fragen der jeweiligen Theologien sowie um „religionsdialogische und religionsvergleichende Ansätze mit besonderem Blick auf das interreligiöse und interkulturelle Lernen“, die die schulischen Aspekte mitberücksichtigt. Dabei wird „Fremdheit als Andersheit“ ebenso nach dem vierten Stil nach Streib konstruiert, bei dem die anderen Religionen aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt und erörtert werden. Hierbei dominiert in den Formulierungen das breit gefächerte Wissen, das bei der Kultivierung von Fremdheit als kognitive Ressource dient. An dieser Stelle bleibt die offene Frage, wie die Begegnung mit der fremden Religion reflektiert gestaltet werden kann, um das Lernen im Dialog als möglichen Entwicklungsschritt aufzuzeigen. Möglich wäre an dieser Stelle die Erweiterung durch einen Perspektivwechsel, der die Differenzen der individuellen und traditionellen Deutung auflöst und zu einem fruchtbaren Moment der Erfahrungen mit Fremdheit wird.

6 Fazit

Die in diesem Beitrag vorgenommene Analyse hatte das Ziel, den curricularen Rahmen der Module zu den Fremdreligionen in der islamischen Religionslehrerausbildung aufzuzeigen. Die hier aufgezeigten Zugänge werden im Folgebeitrag Oliver Reis u.a. „Mindsets religiöser Pluralität als Faktor in der (islamischen) Religionslehrer*innenbildung“ bei der Analyse der Mindsets zur religiösen Pluralität der Lehrenden an den Standorten für islamische Theologie einbezogen. Dabei wird u.a. analysiert, inwieweit die in den Curricula aufgezeigten Muster sich standortübergreifend im Umgang im interreligiösen Dialog in der Hochschullehre abbilden.

Zum Umgang mit Fremdreligionen in den Curricula der islamischen Religionslehrerausbildung kann zum Abschluss festgehalten werden, dass an allen Standorten für islamische Theologie Module zu anderen Religionen als Pflichtveranstaltungen von den Studierenden zu belegen sind. Daher ist die Thematisierung anderer Religionen im Rahmen der Hochschule durchaus als Pionierleistung zu würdigen, dass die Institute für islamische Theologie eine grundsätzlich offene und wertschätzende Haltung dem Christentum und dem Judentum gegenüber aufzeigen und ihre Studierenden sogar zur Teilnahme an Lehrveranstaltungen zu diesen verpflichten. Dieser Aspekt gehört in der Ausbildung von christlichen Religionslehrkräften, aber auch in den Herkunftsländern der in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslimen, nicht unbedingt zu den inhaltlichen Standards.

Die Gestaltung dieser Module zeigt allerdings große Unterschiede sowohl in den inhaltlichen Schwerpunkten, als auch den Lernzielen. Die Kompetenzanforderungen lassen erkennen, dass die Lernziele eine starke Fokussierung auf das fachliche Wissen vorsehen, während Reflexionen und Handeln weniger beachtet werden. Auch wenn Hochschulen der klassische Ort sind, wo das Fachwissen im Fokus der Ausbildung steht, ist an dieser Stelle zu fragen, wie die künftigen Rollen- und Reflexionskompetenzen in Anbetracht des Zusammenlebens im Kontext Schule stärker gefördert werden können.

Zudem fehlen in den Modulhandbüchern interreligiöse religionsdidaktische Kompetenzen, die neben inhaltlichem Fachwissen und psychologischen-pädagogischen Perspektiven auf die Lernvoraussetzungen von Heranwachsenden auch praxisrelevante Kenntnisse über religionsdidaktische Konzeptionen des interreligiösen Lernens ermöglichen (vgl. Höger, Ourghi & Petzold-Hussein, 2018, S. 260).

Förderlich wäre an allen Standorten die Gestaltung der Kompetenzerwartungen in Form von Learning-Outcomes, da sich bei den vorliegenden Formulierungen eine Kopplung des Inhaltsaspekts an den Verhaltensaspekt nicht ausdrückt. Beim Inhaltsaspekt fehlt an manchen Standorten die Verknüpfung mit dem künftigen Arbeitsfeld, nämlich der Schule, mit Hilfe des Moduls die Studierenden auf ihre berufliche Tätigkeit vorbereitet werden sollen. Das Fachwissen sollte in berufsfeldbezogene Anforderungen der künftigen Religionslehrerrolle eingebunden sein und Bezüge zur Begegnung der Religionen im öffentlichen Raum der Schule aufbauen. Alina Bloch arbeitet in ihrer Untersuchung, dass im Bereich der Erwachsenenbildung, insbesondere im Bereich der religiösen Bildung in der Erwachsenenbildung intensiv geforscht wurde. Sie moniert, dass zum Bereich des interreligiösen Lernens innerhalb der Hochschullehre zwar in der Fachliteratur angemerkt wird, dass versierte Lehrkräfte für den Bereich des interreligiösen Lernens in der Schule von Nöten sind, jedoch darüber hinaus gehende Ansätze bislang fehlen (Bloch, 2018, S. 91–92).

Die Begegnung der Religionen in der Schule, aber auch im Religionsunterricht ist eine faktisch gegebene interreligiöse Wirklichkeit, da in diesem Raum sowohl Menschen mit unterschiedlichen Religionen als auch die Thematisierung von anderen Religionen im Religionsunterrichts dazu auffordern, dem Fremden auf personeller oder inhaltlicher Ebene zu begegnen.

Daher wäre als Ausgangssituation für die Formulierung von Modulbeschreibungen zu fragen, welches Wissen, welche Haltungen oder welche Fertigkeiten Studierende benötigen, um handlungsfähig in diesem Bereich werden können. Bislang fehlt in den Modulbeschreibungen dieser Perspektivenwechsel in den Curricula und zieht sich durch bis zum konkreten Lehrerhandeln, die die Kompetenzen der Lehrkräfte fördern, komplexe Dialoge eröffnen zu können.

Denkbar wäre bei der Gestaltung von Modulbeschreibungen ausgehend von der beruflichen Relevanz dieser Dimension die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kompetenzen als prozessbezogene Handlungsergebnisse zu gestalten.

Als künftige Aufgabe der Religionspädagogiken sowie Theologien erwächst daraus die Initiierung des Fachdiskurses darüber, welche fachlichen, didaktischen oder methodischen Kompetenzen zum Umgang mit fremden Religionen in der Religionslehrerausbildung aller Theologien bzw. Religionspädagogiken anzubahnen sind, wie die Module zu Fremdreligionen zu gestalten sind und welche Rolle dabei die gesamtgesellschaftliche Situation einnehmen soll.

Geht man aber über den Religionsunterricht hinaus und greift den Umgang mit Religionen als Heterogenitätsdimension im Sinne eines weiten Inklusionsbegriffes auf, ist ein differenzsensibler Umgang der Auftrag jeder Lehrkraft, in ihrem Bildungshandeln achtsam und wertschätzend mit religiöser Heterogenität umzugehen (Simojoki & Kühn, 2019, S. 21). Bis allerdings eine religionssensible Bildung zu den Kompetenzen aller Lehrkräfte – unabhängig von der Fächerkombination und Ausbildung – gehört, wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen.

Literaturverzeichnis

Bloch, A. (2018). Interreligiöses Lernen in der universitären Religionslehrerausbildung: Eine qualitative Studie zum studentischen Umgang mit der Wahrheitsfrage der Religionen. Berlin: LIT Verlag.

Bloom, B. S. (1972). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim: Beltz Studienbuch.

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Hoeger, C., Ourghi, A.-H. & Petzold-Hussein, A. (2018). Lehramtsstudierende zur Gestaltung interreligiöser Bildungsprozesse im Religionsunterricht befähigen. Christlich-islamische Kooperation an der PH Freiburg hochschuldidaktisch reflektiert. In H. J. Riedl & A.-H. Ourghi (Hrsg.), Interreligiöse Annäherung. Beiträge zur Theologie und Didaktik des interreligiösen Dialogs (S. 251–284). Berlin: Peter Lang.

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Simojoki, H. & Kühn, J. (2019). Religionssensible Bildung in der inklusiven Bildung. In H. Lindner & M. Tautz (Hrsg.), Heterogenität und Inklusion. Reflexionen und Anwendungen für die Religionspädagogik. Praxisband (S. 19–34), Berlin: LIT-Verlag.

Streib, H. (2005). Wie finden interreligiöse Lernprozesse bei Kindern und Jugendlichen statt? Skizze einer xenosophischen Religionsdidaktik. In P. Schreiner, U. Sieg & V. Elsenbast (Hrsg.), Handbuch Interreligiöses Lernen (S. 230–243). Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

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Weinert, F. E. (Hrsg.) (2001). Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim und Basel: Beltz Pädagogik.

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gesamtschulen.pdf [Zugriff:20.01.2020].

 

Naciye Kamcili-Yildiz, islamische Religionspädagogin am Seminar für islamische Theologie an der Universität Paderborn.