1 Einleitung

Digitale Wissenschaftskommunikation ist in der universitären Religionspädagogik bereits weit gediehen: Viele Teams unterhalten Instagram-Accounts, sie kommunizieren auf Facebook ihre Veranstaltungen und Forschungsergebnisse. Forschungsprojekte und wissenschaftliche Gesellschaften, wie z. B. die Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik, versenden regelmäßig Newsletter und unterhalten Projekt-Homepages. Sie fördern damit die Aufmerksamkeit auf ihre Arbeiten und versprechen sich mehr öffentliche Resonanz, als wenn sie es allein beim Publizieren von Inhalten beließen. Ein Newsletter wie der der Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik intensiviert auf diese Weise ihre Mitgliederkommunikation und trägt stärker zum Aufbau einer stabilen Community bei, als es die einzelnen Tagungen für sich genommen können. Gerade die in ihm enthaltenen Personalia, Stellenausschreibungen und Publikationsanzeigen machen die Perspektiven der Arbeit einer wissenschaftlichen Gesellschaft sichtbar. Bereits an dieser Beschreibung zeigt sich, wie und dass sich in den letzten Jahren eine bei genauerer Betrachtung digital aufgebaute Wissenschaftskommunikation innerhalb der Religionspädagogik entwickelt hat. Diese ist, das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl auch sagen, bereits auf dem Weg, sich vielfältig zu vernetzen. So werden die konfessionellen Grenzen des religionspädagogischen Arbeitens immer weiter überschritten und Kooperationen, die auch digital sichtbar sind, angebahnt. Wissenschaftliche Religionspädagog:innen teilen ihre Forschungsergebnisse und ihre Lehrportfolios nicht nur intern innerhalb der religionspädagogischen Community, sondern ferner mit den Bildungsinstituten wie Schulen, Universitäten und Kirchen. Sie arbeiten aber auch über diese fachbezogenen Kontexte hinaus in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten in der Politik, der Kultur, der Medizin, dem Recht, der Wirtschaft und anderen Sektoren.

Versucht man diese Aktivitäten einzuordnen in die wissenschaftliche Reflexion auf digitale Wissenschaftskommunikation, zeigt sich allerdings, dass mit diesen nur ein Teilbereich von ihr erfasst wird, und zwar der der Distribution von Projekten, Events und den hier ausgetauschten Erkenntnissen. Die Distribution von wissenschaftlicher Kommunikation ist für sich genommen selbstverständlich eine eigene Betrachtung wert: Die Öffentlichkeitsarbeit der Universitäten zeigt dies bereits an. Sie stellen spezifische Unterstützungssysteme und Maßnahmen für die universitären Einrichtungen und Lehrstühle bereit. Aber dennoch verbleiben viele Aufgaben, vor allem hinsichtlich der Koordination des Contents, bei den religionspädagogischen Teams und insbesondere beim wissenschaftlichen Mittelbau und studentischen Mitarbeitenden. Dies beginnt bei der Pflege universitärer Websites, der Projekthomepages und reicht bis hin zur Realisierung von Podcasts oder Learning-Plattformen für Semesterveranstaltungen. Digitale Kommunikation ist auch an den Universitäten in den einzelnen Fächern noch ein „Add-On“, das zwar immer wichtiger wird, aber dessen Erarbeitung strukturell noch nicht so eingeholt ist, dass digitale Wissenschaftskommunikation auf einem angemessenen Niveau unternommen wird und es auch ein unterstützendes Controlling gäbe. Hier wären tatsächlich auch empirische Untersuchungen zum Ist-Stand einzuholen, die es - so weit zu sehen ist -, so noch nicht für das Fach gibt.

Aber es scheint neben den organisationalen Fragen prinzipiell unumgänglich, zu verstehen, dass der postdigitale Wandel der Disziplin im Bereich der Wissenschaftskommunikation mehr umfasst. Postdigitalität meint dabei, dass Digitalität alle Sektoren von einzelnen Gesellschaften wie auch ihre globalen Vernetzungen prägt bzw. letztere wesentlich auf ihr fußen, ohne dass Digitalität als solche explizit thematisiert würde. Postdigitalität beschreibt also keineswegs, dass die Ära der Digitalisierung hinter uns läge, sondern vielmehr, dass sie aus den Prozessen der Wissenschaftskommunikation nicht mehr wegzudenken ist. Sie durchzieht drei für die Diskussion um Wissenschaftskommunikation wesentliche Bereiche: Den der digitalen Generierung von Daten, den der kurz zumindest angesprochenen digitalen Distribution von Erträgen sowie den der digitalen Bewertung wissenschaftlichen (religionspädagogischen) Arbeitens (Schiefer-Rohs, 2024). So gesehen wird bereits fassbarer, dass Datenverarbeitungsprozesse tief in die Entwicklung von religionspädagogischen Forschungs- und Lehrprozessen eingelassen sind. Ohne digitale Infrastruktur, Apps für Methoden und Medien sowie geeignete digitale Endgeräte sind Forschung und Lehre kaum mehr vorstellbar.

Die umfassende Bedeutung, die die Digitalisierung erhalten hat, wirft aber auch die Frage nach ihren Grenzen auf: 1. In der wissenschaftlichen Diskussion wird dies in Bezug auf das Selbstverständnis der Theologie als hermeneutische oder bzw. und datenbasierte Disziplin thematisiert. 2. Die Religionspädagogik hat ferner bereits grundlegende Veränderungsprozesse im Bereich von Forschung und Lehre vollzogen. Dies zeigt eine erste Bestandsaufnahme. 3. Der Umgang mit diesen Veränderungsprozessen ist im Sinne einer postdigitalen Reflexion auf sie zu bewerten: „So weisen wiederum der Deutsche Ethikrat, aber auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen darauf hin, dass insbesondere bei der (automatischen) Verarbeitung von Daten ethische Überlegungen (mehr) Beachtung finden müssen.“ (Schiefer-Rohs, 2024, S. 358). 4. Der Religionspädagogik und der Theologie als Ganzes fehlt ein Weißbuch, eine Sammlung mit Vorschlägen zum Vorgehen im Bereich Wissenschaftskommunikation: Erste Anfänge in diese Richtung sind vom DIF (Arbeitsgruppe DiF-Theologie, 2023) gemacht worden, aber hier ist noch weiterer Bedarf. 5. Zu den bislang wenig explizit beforschten Feldern der Religionspädagogik gehören zudem Projekte im Bereich der Digital Humanities. Schließlich ergeben sich 6. spezifische Herausforderungen für die Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik (GwR): Sie betreffen die strategische Vernetzung von Projekten, Theorieentwicklung und die Absicherung und den Ausbau der universitären Präsenz der Religionspädagogik.

2 Zum Selbstverständnis der Theologie und ihrer Teildisziplin der Religionspädagogik zwischen datenbasierter und hermeneutischer Wissenschaft

Innerhalb der Volluniversitäten sind hoch verschiedene Wissenschaftskulturen unter den spezifischen Disziplinen ausgebildet worden. Für die Reflexion auf digitale Wissenschaftskulturen ist insbesondere die Bedeutung der Informatik für die Theologie und Religionspädagogik interessant. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass die Informatik die Wissenschaft von der systematischen Verarbeitung von Informationen, insbesondere mit Hilfe von Computern, ist. Die Theologie ist dagegen vielfach verstanden worden als die wissenschaftliche Theorie und Deutungspraxis menschlicher Lebensführung, gelebter Religion, und kirchlichen Handelns, der Christentumspraxis (z.B. Rendtorff, 2011).  Sie versteht sich gemessen an ihrer Genese, ihrer Geschichte und ihren gegenwärtigen Methoden in Forschung und Lehre nicht prioritär als eine datenverarbeitende Disziplin, sondern eher als eine Deutungspraxis.

Nicht allein die Theologie, sondern die Geisteswissenschaften insgesamt werden vielfach als hermeneutische Disziplin bezeichnet, während die Informatik – sehr vereinfacht gesprochen – als die Wissenschaft von der technisch entwickelten Datenverarbeitung zu verstehen sei. Hermeneutisches und datenbasiertes Arbeiten, wie etwa im Bereich der Informatik, unterscheide sich aber grundlegend. In einer sich datafizierenden Wissenschaftskultur erscheint eine solche Opposition allerdings wenig zukunftsfähig, da auch die Theologie und ihre Disziplin der Religionspädagogik zumindest in Teilen aus der Perspektive der Digitalisierung als datenbasierte Wissenschaft verstanden werden kann. Dabei bezeichnet die Datafizierung den Kern von Digitalisierungsprozessen, die technische Erfassung und Verarbeitung von Daten. Die Datafizierung der Theologie zu thematisieren, geht also an die Grundlagen ihrer Konstitution: Sie macht sichtbar, dass die Theologie mit ihrer hermeneutischen Kompetenz quasi von außen auch als eine datenbasierte Wissenschaft beschrieben werden kann, „deren Komponenten und Ergebnisse maschinell gestützt erzeugt und verbreitet werden können“ (van Oorschot & Krüger, 2024, S. 465).

 Abb1.: Schaubild 1: inord9/24

Legt man ein weites Verständnis von Daten zugrunde, ist es überdies auch von innen, aus theologischer Perspektive, nachvollziehbar, die Religionspädagogik als eine datenbasierte Wissenschaft zu verstehen: Digital vorliegende Daten in Form von religionspädagogischen Manuskripten, Texten und Editionen, die Verwendung digitaler Infrastruktur und nicht zuletzt auch die Nutzung digitaler Endgeräte sprechen hierfür. So gesehen zwingt die Frage nach dem Bezug der Theologie zur Datafizierung und insgesamt die Digitalisierung der Wissenschaft diese selbst, ihre technischen Strukturen und Medien sichtbar zu machen.

3 Digitalisierung in der Wissenschaftskommunikation: Eine Bestandsaufnahme

Digitalisierungsprozesse bestimmen in vielen Details seit langem den Umgang mit der Wissensgenerierung, der Wissenskommunikation und der Wissensbewertung innerhalb der Religionspädagogik. Die Pandemie hat gezeigt, dass einerseits physische Orte nicht von absoluter Bedeutung für eine Wissenschaftscommunity sind, dass sie aus Gründen zeitlicher Knappheit oder räumlicher Entfernung auch durch virtuelle Konferenzen zur Distribution, zur Bewertung und zur Diskussion ihrer Ergebnisse kommen. Viele wissenschaftliche Institutionen sind spätestens seit der Pandemie mit Videokonferenzsystemen ausgestattet worden, die agierenden Personen waren bereits vorher, aber sind seither auch deutlich sichtbar in hybriden Formaten wissenschaftlich tätig: Sie halten Vorträge vor Ort und werden zugeschaltet. Andererseits hat die Pandemie auch dafür sensibilisiert, dass eine präsentische Veranstaltung ein hohes Gut ist. Die körperliche Anwesenheit, die Nähe, die intensiveren Einblicke in Gesten und Haltungen, die Kommunikationen zwischen Tür und Angel resonieren für viele Menschen zumindest in Teilen anders als virtuelle Begegnungen. Es wurden rein digitale Tagungen, insbesondere im internationalen Kontext, etabliert, die sich interessanterweise nach einer Zeit doch zusätzlich wieder einen physischen Ort geben, zu dem auch eingeladen wird. Der deutschsprachige Teil des globalen Netzwerks der Digital Theology (GoNeDigiTal) geht so auf hybride Formen zu und will zudem explizit darüber nachdenken, was sich wie verändert, wenn Menschen digital Kontakt zueinander, zu Institutionen und zu Themen aufnehmen und unterhalten (FAU Erlangen).

Diese Forschungsgruppe zum Themenfeld sogenannter Digital Theology, die vor allem viele Systematische sowie Praktische Theolog:innen, Religionswissenschaftler:innen und Religionspädagog:innen umfasst, hat sich von vornherein international und transdisziplinär entwickelt, was ohne digitale Kommunikationstechniken nicht möglich geworden wäre. Diese Vernetzung hat es ferner gerade für deutsche Wissenschaftler:innen innerhalb der Wissenschaftskommunikation zentral werden lassen, auch in englischer Sprache zu publizieren. Der Wechsel der Forschungssprache ist dabei keine triviale Tatsache, sondern eine in die Struktur der theologischen Gedanken- und Argumentationsgänge eingreifende Veränderung. Sie wäre hier noch einmal eigens zu reflektieren. Computerlinguistische Forschungsmethoden sind innerhalb der Geisteswissenschaften von wachsender Bedeutung und diese Tatsache unterstreicht zusätzlich die Relevanz, die die Reflexion auf die Bedeutung von Sprache für Forschungsprojekte hat.

Mit dem zentralen Thema der sogenannten Digital Theology ist die Digitalisierung von Religionspraxen und Glaubenssystemen sowie ihrer Reflexion in den verschiedenen Theologien zum zentralen Thema geworden. Der Begriff der Digital Theology als Clusterbegriff ist dabei mit vielen Unschärfen verbunden und im Grunde eine Kurzform für Verstehensprozesse der Verhältnisbestimmungen von Theologien und Digitalität. Vier maßgebliche Schwerpunkte können dabei unterschieden werden:

3.1 Religionspädagogische Forschungsprojekte arbeiten seit Jahrzehnten datenverarbeitend.

Im Themenfeld der Digital Theology gilt dies auch, aber es gilt generell für viele religionspädagogische Forschungsbereiche, die sich inhaltlich gar nicht explizit auf die Digitalität von Religion und Kultur beziehen müssen. Analysetools wie die Software-Programme SPSS oder MAQDA unterstützen Datenanalysen von empirischen Forschungsprojekten. Diese gehören seit der empirischen Wende in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zum „state of the art“ der Disziplin der Religionspädagogik (Schlag & Schröder, 2020). Im Rahmen methodischer Reflexionen wird so z.B. gefragt, warum welche Methode für welche Forschungsfrage ausgewählt wurde. Zum Teil werden auch Risiken und Chancen datenverarbeitender Methoden für die eigene Forschungsfrage reflektiert. Ihre Bedeutung für die Formatierung von Forschungsfragen bleibt dabei aber – soweit zu sehen ist – noch weitgehend unberücksichtigt.

Es ist demnach unübersehbar, dass in allen Bereichen empirischer Forschung, auch der zur Digital Theology, innerhalb der Religionspädagogik aktiv Datenverarbeitung betrieben wird. Ob dies nun transparent gemacht und reflektiert wird oder nicht, hängt von den jeweiligen Forschungsinteressen bzw. der Bedeutung der Methode für die Erarbeitung des Projektes insgesamt ab.

Nicht unwesentlich für die Einordnung der Bedeutung datenverarbeitender Methoden in der Religionspädagogik ist zudem, dass die Religionspädagogik eine Verbunddisziplin ist. Sie hat ihre Arbeitsmethoden in vielen Fällen auch aus ihren Bezugsdisziplinen adaptiert. Dies gilt vor allem für die Soziologie, im Bereich der Digital Theology z.B. aber auch für die Medienwissenschaften, die Pädagogik, die Psychologie sowie andere Fachbereiche. Sie alle forschen und lehren datenverarbeitend und ihre Methoden sind in die Religionspädagogik auf nachhaltige Weise eingewandert. So ist digitale Datenverarbeitung und digitale Wissenschaftskommunikation die unübersehbare Grundlage der religionspädagogischen Forschungs- und Lehrpraxis.

3.2 Theologie wird in digitalen Räumen betrieben.

Zur Wissenschaftskommunikation der Religionspädagogik gehören Podcasts, Blogs, Online-Journale, Online-Lexika, Learning Plattformen sowie die bereits genannten virtuellen Konferenzen, Workshops oder selbstorganisierte Arbeitsgruppen. Aber auch die in den Akademien der Kirchen entstandenen Initiativen zur Wissenschaftskommunikation sind zu nennen. Sie waren immer physische Orte der Wissenschaftskommunikation im Bereich der Theologien und werden es hoffentlich auch bleiben. Sie haben mindestens seit der Pandemie vermehrt hybride Formate in ihre Programme aufgenommen.

3.3 Es finden theologische und ethische Reflexionen über Prozesse der Digitalisierung gesellschaftlichen Lebens innerhalb der Theologie statt.

Dieser Bereich bezieht sich einerseits auf ethische Fragestellungen, die sich aus der Digitalisierung ergeben, oder andererseits auf theologische Fragestellungen, die die religiöse Deutung, die der Digitalisierung zugeschrieben wird, analysiert und kommentiert. Stark reflektierte Themen sind seit nahezu einem Jahrzehnt z.B. das Cyberbullying, die Frage nach dem Umgang mit Fake News und das Thema von Identitätskonstruktionen auf Social Media. Das Gesamtphänomen Digitalisierung wird darüber hinaus auch im Kontext von Zukunftsszenarien entwickelt. Hier geht es z.B. um die Frage einer theologischen Anthropologie im Anthropozän oder um die Frage der theologischen Deutung des Transhumanismus (Beck et al., 2021 sowie Helmus, 2022).

3.4 Die Theologie befindet sich seit langem in einem digitalen Wandel ihrer Kategorien, Denkmodelle und Fragestellungen.

Diese vierte Dimension ist konzeptionell für das Fach vermutlich am drängendsten. Es geht darum, konzeptionelle Linien davon zu entwerfen, wie sich Kategorien, Denkmodelle und Fragestellungen theologischer Reflexion durch Digitalisierungsprozesse verändern. Im Bereich der Digital Theology hat man hier gerade im Bereich der Praktischen Theologie und Religionspädagogik bereits entlang von soziologischen und religionswissenschaftlichen Kategorien gearbeitet: Der soziale und individuelle Umgang mit religiöser Autorität, Authentizität, Identität, Vergemeinschaftung und auch z.B. Wahrheit sowie andere weitere Grundbegriffe des Verständnisses von Religion(en) scheinen sich durch Digitalisierungsprozesse zu verändern (Cheong & Campbell, 2024). Es ist deutlich zu sehen, dass sich die Deutungskonzepte zu einigen Themenfeldern der Theologie und in ihr der Religionspädagogik (Nord & Petzke, 2024) dynamisieren.

4 Ein Weißbuch für die Theologie und spezifisch für die Religionspädagogik

Es ist selbstverständlich anzunehmen, dass die Forschungs- und Lehrprozesse der Religionspädagogik durch die für sie zuständigen Personen verantwortlich und ethisch reflektiert durchgeführt werden. Doch es ist noch kaum zu sehen, dass sie hierbei ihre Kriterien transparent macht und sich dabei explizit an wesentliche Weißbücher der deutschen Regierung oder der EU anschließt. Als Fachdisziplin sollte sie explizit aussagefähig über ihre Leitlinien im Umgang mit Datenerschließung, -kommunikation sowie -bewertung sein. Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Arbeitsprojekten würde vereinfacht und das Fach könnte auch in Hinblick auf universitäre Ethik-Kommissionen kommunikationsfähig gemacht werden. Die Religionspädagogik diskutiert traditionell ethische Fragen und hat hier vielfältige Kompetenzen, die eingebracht werden können. Das Hochschulforum Digitalisierung des BMBF hat hier bereits einen Anfang gemacht mit „DiF“: „Handreichung Digitalisierung der Fachbereiche, Theologie und verwandte Disziplinen“ (Arbeitsgruppe DiF-Theologie, 2023). Doch auch hier sind keine ethischen Reflexionen in dem in diesem Beitrag gemeinten Sinne aufzufinden. Es bleibt also noch Arbeit zu tun.

5 Religionspädagogische Forschung im Bereich der Digital Humanities

Volltextdatenbanken und digitale Editionen standen am Anfang digitaler Forschung in der Theologie. Sogenannte Retrodigitalisierungen theologischer Werke sind in den letzten mindestens zwei Jahrzehnten entstanden. Inzwischen bearbeiten Forschungsprojekte im Bereich der Digital Humanities geisteswissenschaftliche Fragestellungen mit methodischen und prozessorientierten Verfahren aus der Informatik sowie auch teilweise aus anderen verwandten Fächern wie z. B. der Library und Information Science. Im Arbeitskreis historischer Religionspädagogik war von David Käbisch in diesem Jahr noch angeregt worden, zu diskutieren, wie etablierte historische Forschungsformate durch digitale Ressourcen und Arbeitstechniken weiterentwickelt und ausdifferenziert werden (AKHRP). Methoden, Arbeitstechniken und Tools der Digital Humanities, wie z.B. das Text Mining, verhießen ihm ein noch kaum gehobenes Erkenntnispotential für die Theologie. Gerade die Religionspädagogik und Praktische Theologie haben unmittelbare Beziehungen zu Zielgruppen, für die Open Acess und Open Science interessant sind.

Es besteht zudem die Herausforderung, auf Forschungsfragen aufmerksam zu werden, die mit informationstechnologischen Mitteln beantwortet werden können: Hierzu entsteht derzeit ein Forschungsbereich zur Computational Theology, den Christopher Nunn und Frederike van Oorschot auch im Rahmen eines ersten Handbuchs zum Thema aufbauen. Dabei ist selbstverständlich eine kritische Forschungs- und Lehrhaltung unbedingt gefordert. Dobson schrieb bereits 2019, dass die Digital Humanities eine kritische Hermeneutik brauchen, die insbesondere methodische Optionen und Interpretationen ermöglichen solle (Dobson, 2019). Es geht nicht darum, mit den Methoden, z.B. der Digital Humanities, naiv umzugehen; ihre Epistemik muss ebenso transparent erkennbar sein, wie ihre Forschungsziele im Horizont einer Religionspädagogik, die zu einer gelingenden Lebensführung des religiösen Subjekts beitragen will, reflektiert sein müssen. Aber auch unter diesen Konditionen lässt sich sehen, dass z.B. Methoden der Digital Humanities das Potential haben, auch genau solche Forschungsprozesse zu effektivieren und die Geltungsbereiche ihrer Ergebnisse zu erhöhen.

6 Schlussfolgerungen

Die mit diesem Beitrag gestellte Frage nach der Bedeutung der Digitalisierung von Wissenschaftskommunikation im Bereich der Religionspädagogik stellt zugleich die Frage nach der Kommunikation der Relevanz des Faches und der Forschung, die in ihm geleistet wird: Wird das Fach seine Fragehorizonte und seine Ansprüche an die Relevanz seiner Forschungsergebnisse verändern? Wenn ja, in welcher Weise und mit welchen Konsequenzen? Es sind viele verschiedene Forschungsinseln in der Religionspädagogik auffindbar. Die erwirtschafteten Ergebnisse folgen kaum einer Logik von Anschlusskommunikationen. Immerhin sind Vernetzungsinitiativen unter Forschenden sichtbar. Die Relevanz der Theologie und Religionspädagogik wird in Zukunft aber auch davon abhängen, wie komplex und umfassend die Fragestellungen bearbeitet werden können. Zur Bearbeitung von umfassenderen Forschungsfragen sind aber größere Gruppen von Forschenden nötig, als sie an einzelnen Forschungsstandorten häufig auffindbar sind. Forschungsverbünde sind es bereits jetzt und werden es in Zukunft wohl mehrheitlich werden, die in einer immer komplexer werdenden Welt erfolgreiche Wissenschaftskommunikation betreiben können. Vermutlich wird dabei das Rollenbild der einsamen gelehrten Forschenden nicht gleich aussterben, aber die Grenzen dieses Ideals sind kaum mehr zu übersehen. Zudem wird das Fach in Zukunft vermutlich weniger erfolgreich sein, wenn es auf miteinander konkurrierende Strategien setzt. Für die relativ kleinen Größen theologischer Fakultäten und Institute dürfte es ertragreicher sein, mehr kollaborative Strategien zur Synergetisierung ihrer Erträge zu unterhalten. Einer solchen Intensivierung von bereits vorhandenen Forschungsprozessen bzw. ihrer kollaborativen Fortentwicklung entspräche es dann auch, dass sich ihre Wissenschaftskommunikation sichtbarer und zielorientierter in der Öffentlichkeit zeige.

Literaturverzeichnis

Arbeitsgruppe DiF-Theologie (2023). Handreichung Theologie. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung. https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/Handreichung-dif-Theologie.pdf

AKHRP. Arbeitskreis für historische Religionspädagogik. URL: https://www.uni-frankfurt.de/71593642/Arbeitskreis

Beck, W., Nord, I., Valentin, J. (Hrsg.) (2021). Theologie und Digitalität. Ein Kompendium. Freiburg, Basel, Wien: Herder.GoNeDigiTal. Global Network for Digital Theology. URL: https://www.gonedigital.media/ [Zugriff: 17.11.2024].

Cheong,P. & Campbell, H. (2024). Digital Religion Futures. Propositions and Complexities in the Now and Not Yet. In P. Cheong & H. Campbell (Hrsg.), The Oxford Handbook of Digital Religion. Oxford: Oxford University Press.

Dobson, J. (2019). Critical digital humanities. The search for a methodology. Urbana, Chicago, Springfield: University of Illinois Press.

Helmus, C. (2022). Wie hältst du es mit der Technik?. URL: https://www.feinschwarz.net/wie-haeltst-du-es-mit-der-technik/ [Zugriff: 17.11.2024].

Nord, I & Petzke, J., Religious Education in the digital change. Concepts and reflections from a German context. DOI: https://doi.org/10.25972/OPUS-32858, revised version of https://doi.org/10.25972/OPUS-32280

Rendtorff, T. (2011). Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie. Tübingen: Mohr Siebeck.

Schiefer- Rohs, M. (2024). Liebe auf den ersten Blick. Überlegungen zum Vermessen von Hochschulen. Forschung & Lehre, 21, 358-359.

Schlag, T. & Schröder, B. (Hrsg.) (2020). Praktische Theologie und Religionspädagogik: Systematische, empirische und thematische Verhältnisbestimmungen. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt.

Van Oorschot, F. & Krüger, F. (2024). Theologie als Open Science? Theologische und informatische Perspektiven auf die Schnittstellen von Theologie und digitaler Forschung. Theologische Literaturzeitung, 49 (6), 461-468.

 

Prof. Dr. Ilona Nord, Professorin für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt auf Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts, Julius-Maximilians-Universität Würzburg.