1 Einleitung
In diesem Beitrag möchte ich mich aus einer sozialwissenschaftlichen, genauer gesagt kommunikationswissenschaftlichen, Perspektive mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen. Der Beitrag ist in drei Abschnitte gegliedert. Zunächst werde ich erörtern, was Wissenschaftskommunikation aus Perspektive der (kommunikationswissenschaftlichen) Forschung ist. Anschließend werde ich die Rolle der Wissenschaftskommunikation im Kontext von Medien und Politik beleuchten und dabei die Spannungsfelder aufzeigen, die in diesen Bereichen entstehen. Danach möchte ich aktuelle Trends und die damit verbundenen Herausforderungen darstellen – die sich vor allem dadurch ergeben, dass Wissenschaftskommunikation in digitale Informationsumwelten eingebettet ist.
2 Was ist Wissenschaftskommunikation?
Beginnen wir also mit der Frage: Was ist Wissenschaftskommunikation? Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre, so wird deutlich, dass Wissenschaftskommunikation im öffentlichen Diskurs zu einem zentralen Thema geworden ist. Dies bedeutet nicht, dass Wissenschaftskommunikation zuvor keine Rolle spielte, aber insbesondere während der Corona-Pandemie hat sie nochmal erheblich an Bedeutung in der öffentlichen Debatte gewonnen (Fähnrich & Schäfer, 2020). Zahlreiche Wissenschaftler*innen und Wissenschaftsformate haben in dieser Zeit eine hohe Sichtbarkeit erlangt. Christian Drosten ist hier zweifelsohne das bekannteste Beispiel. Auch der YouTube-Kanal „MyLab“ der Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim ist sicherlich eines der Formate, das während der Pandemie eine stark gestiegene Bekanntheit erreicht hat. Beide Formate wurden vielfach ausgezeichnet und haben in der Pandemie die Diskussion um die Bedeutung und die Gestaltung von Wissenschaftskommunikation maßgeblich geprägt.
Diese Phase hat zahlreiche Diskussionen darüber ausgelöst, warum Wissenschaftskommunikation bedeutsam ist und wie sie gestaltet werden sollte. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, welche Funktionen Wissenschaftskommunikation erfüllen muss. Bereits vor der Pandemie, jedoch verstärkt durch die Corona-Krise, wurden politische Initiativen zur Förderung der Wissenschaftskommunikation ins Leben gerufen. Ein Beispiel hierfür ist die „Factory WisKomm“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, ein Think Tank, der sich mit der Schaffung adäquater Rahmenbedingungen für verantwortungsvolle Wissenschaftskommunikation befasst (Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF], 2024). Ziel dieser Initiative war es, unter anderem den Kompetenzaufbau zu fördern und neue Ansätze zur Qualitätssicherung zu entwickeln. Auch die Förderung von Maßnahmen zur Wissenschaftskommunikation wurde intensiv diskutiert.
Zunächst möchte ich darlegen, was unter Wissenschaftskommunikation zu verstehen ist. Ich orientiere mich dabei an einer, zumindest im deutschsprachigen Raum, weit verbreiteten Definition von Schäfer et al. (2015, S. 13). Sie definieren Wissenschaftskommunikation als „alle Formen von auf wissenschaftliches Wissen oder wissenschaftliche Arbeit fokussierter Kommunikation“. Diese Kommunikation kann sowohl innerhalb als auch außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft stattfinden und umfasst die Produktion, den Inhalt, die Nutzung und die Wirkung wissenschaftlicher Kommunikation (Schäfer et al., 2015, S. 13).
Da diese Definition sehr breit ist, stellt sich die Frage, ob wir den Gegenstand der Wissenschaftskommunikation differenzierter fassen können. Hierzu bieten die Unterscheidungen von Dogruel und Beck (2017) einen hilfreichen Ansatz. Sie differenzieren zwischen interner und externer Wissenschaftskommunikation. Interne Wissenschaftskommunikation umfasst alle Formen der Kommunikation, die innerhalb des Systems Wissenschaft stattfinden, also beispielsweise in wissenschaftlichen Organisationen wie Universitäten. Diese lässt sich weiter unterteilen in formale und informelle interne Wissenschaftskommunikation. Formale interne Kommunikation umfasst etwa wissenschaftliche Publikationen, die sich an andere Wissenschaftler*innen richten. Informelle Kommunikation findet hingegen im Rahmen von alltäglichen Gesprächen unter Kolleg*innen statt, beispielsweise in der Kaffeepause oder im Flurgespräch (Dogruel & Beck, 2017). Die externe Wissenschaftskommunikation richtet sich an Akteure außerhalb des Wissenschaftssystems, beispielsweise an die breite Öffentlichkeit. Hier lässt sich zwischen fremdvermittelter und selbstvermittelter Kommunikation unterscheiden. Fremdvermittelte Kommunikation meint den Wissenschaftsjournalismus, der über wissenschaftliche Themen berichtet. Selbstvermittelte Kommunikation hingegen bedeutet, dass Wissenschaftler*innen oder wissenschaftliche Organisationen selbst kommunizieren. Dies wiederum kann interessengeleitet oder nicht-interessengeleitet geschehen. Nicht interessengeleitete Kommunikation fokussiert überwiegend die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse, während interessengeleitete Kommunikation beispielsweise der Reputationssteigerung von Wissenschaftsorganisationen dient (Dogruel & Beck, 2017), zum Beispiel wenn über Auszeichnungen von Wissenschaftler*innen berichtet wird. Diese Unterscheidungen sind allerdings analytischer Natur und nicht immer völlig trennscharf.
In diesem Beitrag soll es vorrangig um externe Wissenschaftskommunikation gehen. Es stellt sich die Frage: Was geschieht, wenn wir als Wissenschaftler*innen wissenschaftliche Ergebnisse an nicht-wissenschaftliche Akteure vermitteln? Es lassen sich im Wesentlichen drei Ziele ausmachen: Erstens die Wissensvermittlung, das sogenannte „Public Understanding of Science“. Diese basiert auf der Annahme, dass es in der Bevölkerung ein Wissensdefizit gibt, das durch Wissenschaftskommunikation ausgeglichen werden kann (Bauer et al., 2007). Zweitens spielt das „Public Engagement“ eine wichtige Rolle, also die Beteiligung der Öffentlichkeit an wissenschaftlichen Diskursen (Schäfer et al., 2020). Drittens, insbesondere für Wissenschaftler*innen an öffentlichen Institutionen, geht es um Legitimation, das heißt um die Frage, wie die Öffentlichkeit über den Einsatz von Steuergeldern für wissenschaftliche Forschung informiert wird (Schäfer et al., 2015).
3 Wissenschaftskommunikation im Kontext von Medien und Politik
Wissenschaftskommunikation steht im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Politik und Medien. Die Interrelationen mit den Systemen Politik und Medien beeinflussen die Art und Weise, wie Wissenschaftskommunikation abläuft und welche Herausforderungen sich daraus ergeben. Betrachten wir zunächst das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik. Wissenschaftskommunikation ist nicht nur die bloße Vermittlung von Fakten, sondern hat immer auch politische Implikationen, entsprechend versteht Scheufele (2014, S. 13585) „science communication as political communication“. Sein Ansatz verdeutlicht, dass wissenschaftliche Themen fast immer auch politische, moralische und rechtliche Implikationen haben. Dies führt dazu, dass Wissenschaftskommunikation in politische Kontexte eingebettet ist. Zum einen bedeutet dies, dass wissenschaftliche Erkenntnisse im politischen Raum mit anderen Interessen konkurrieren (Scheufele, 2014). Zum anderen müssen wir uns bewusst machen, dass die Rezeption wissenschaftlicher Informationen stark von den politischen Einstellungen und moralischen Überzeugungen des Publikums geprägt ist (Druckman & Bolsen, 2011; Roh et al., 2015). Dies beeinflusst, wie wissenschaftliche Informationen aufgenommen und verarbeitet werden.
Ein weiteres Spannungsfeld besteht in der Beziehung zwischen Wissenschaft und Medien. Wissenschaft und Journalismus folgen unterschiedlichen Logiken (Peters, 2013), vor allem auch, wenn man sie als unterschiedliche Systeme konzipiert (Kohring, 2005). Wissenschaftler*innen streben danach, komplexe Sachverhalte detailliert und differenziert darzustellen, während Journalist*innen dazu neigen, diese Komplexität zu reduzieren, um sie verständlicher zu machen (Peters, 2013). Diese unterschiedlichen Funktionsweisen können zu Herausforderungen führen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse medial aufbereitet werden (Kohring, 2005).
4 Wissenschaftskommunikation in digitalen Medienumgebungen
Nachdem wir nun die grundlegenden Spannungsfelder zwischen Wissenschaft, Politik und Medien erörtert haben, möchte ich mich den aktuellen Trends und Problemfeldern in der Wissenschaftskommunikation zuwenden. Die Digitalisierung hat Wissenschaftskommunikation grundlegend verändert. Wissenschaftler*innen haben heute über soziale Medien oder Plattformen wie YouTube die Möglichkeit, direkt mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dies eröffnet zahlreiche neue Chancen, bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich (Schäfer, 2017b).
Für eine theoretische Einordnung eignet sich das Modell von Neuberger et al. (2023), das anschaulich darstellt, wie sich Wissenschaftskommunikation in den letzten Jahren durch die Digitalisierung verändert hat. Traditionell konnte man den Prozess der Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen als ein lineares Modell verstehen. Wissenschaftler*innen als Hauptakteure schufen neues Wissen und traten als Sprecher*innen und Quellen auf. Der Journalismus spielte dabei eine zentrale Rolle in der Verifizierung, Verbreitung und Vermittlung des Wissens an das Publikum. Dieses Publikum hatte in der Regel keinen direkten Zugang zu den Wissenschaftler*innen selbst und war somit auf die journalistische Vermittlung angewiesen (Neuberger et al., 2023). Der gesamte Prozess verlief also weitgehend einseitig und hierarchisch strukturiert.
Mit der Digitalisierung hat sich dieses Modell jedoch grundlegend gewandelt. Der Zugang zu wissenschaftlichen Informationen ist nun breiter und offener geworden. Es sind längst nicht mehr ausschließlich Wissenschaftler*innen, die als Quellen für neues Wissen fungieren (Neuberger et al., 2019). Auch andere Akteure können (wissenschaftliches) Wissen schaffen und verbreiten. Darüber hinaus ist der Journalismus nicht mehr die einzige Instanz, die die Dissemination von Wissen steuert. Das Interaktionspotenzial hat sich durch digitale Medien erheblich erhöht, was dazu führt, dass die Kommunikation nicht mehr nur in eine Richtung verläuft. Auch das Publikum kann aktiv an der Wissensproduktion und -verbreitung partizipieren (Neuberger et al., 2021). Durch diese Entwicklung verschwimmen die traditionellen Rollen und Grenzen, wie wir sie aus der klassischen Wissenschaftskommunikation kennen. Wissenschaftskommunikation ist heute offener, vielfältiger und dynamischer, was neue Herausforderungen und Chancen mit sich bringt.
Ein wesentlicher Aspekt der digitalen Wissenschaftskommunikation ist die Vielfalt der Akteure. Jede*r kann potenziell wissenschaftliches Wissen erzeugen, überprüfen, verbreiten und erwerben. Wissenschaftler*innen können sich über etablierte Formate wie den „Tag der offenen Tür“ äußern, aber auch Plattformen wie Twitter oder YouTube für die Kommunikation nutzen (Brossard & Scheufele, 2013). Auch aktivistische Akteure, wie etwa „Fridays for Future“, verwenden digitale Medien, um sich zu wissenschaftlichen Themen zu äußern (Uldam & Askanius, 2013). Politische Akteure haben ebenfalls die Möglichkeit, ihre Positionen zu wissenschaftlichen Fragen direkt über soziale Medien zu kommunizieren.
Mit der zunehmenden Digitalisierung hat sich auch die Vielfalt der Kommunikationsformate erweitert. Blogs, Mikroblogs und wissenschaftliche Netzwerke wie Academia.edu oder ResearchGate ermöglichen den Austausch wissenschaftlicher Informationen (Mahrt & Puschmann, 2014). Plattformen wie YouTube, auf denen wissenschaftliche Organisationen wie zum Beispiel die NASA eigene Kanäle betreiben, bieten ebenfalls neue Möglichkeiten der Vermittlung (Allgaier, 2020). Darüber hinaus werden Gamification-Elemente und Serious Games eingesetzt, um die Öffentlichkeit direkt in die wissenschaftliche Arbeit einzubinden (Füchslin, 2016). Solche Formate fördern das Engagement, können jedoch auch zu einer Überflutung mit Informationen führen, die für viele schwer zu verarbeiten ist (Metag & Gurr, 2023; Volk et al., 2024).
Ein weiteres Problem, das durch die Digitalisierung verstärkt wird, ist der Einfluss von Algorithmen auf die Verbreitung wissenschaftlicher Informationen. Algorithmen bestimmen, welche Inhalte Nutzer*innen angezeigt werden, basierend auf ihren Interaktionen (Likes, Shares, Kommentare) (Just & Latzer, 2017). Dadurch kann es zu einer Verstärkung bestimmter Inhalte kommen, während andere weniger sichtbar sind. Dies birgt das Risiko, dass qualitativ hochwertige wissenschaftliche Inhalte aufgrund mangelnder Resonanz in den Hintergrund treten, während populäre, aber möglicherweise weniger fundierte Beiträge stärker hervorgehoben werden (Brossard & Scheufele, 2022).
Die digitalen Interaktionsmöglichkeiten bieten sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits ermöglichen sie es, die Öffentlichkeit stärker in den wissenschaftlichen Diskurs einzubinden. Andererseits können negative Kommentare und destruktive Diskussionen die Wahrnehmung wissenschaftlicher Inhalte verzerren (Schäfer, 2017b). Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte den sogenannten „Nasty-Effekt“ (Anderson et al., 2014): Negative Kommentare unter einem wissenschaftlichen Artikel führten dazu, dass die Wahrnehmung des Artikels bei den Rezipient*innen polarisierter war als bei demselbem Artikel mit neutralen oder positiven Kommentaren. Dies verdeutlicht, wie stark die Rezeption wissenschaftlicher Informationen durch die Online-Kommunikation beeinflusst werden kann (Metag, 2017).
Ein weiterer Trend in der Wissenschaftskommunikation ist die zunehmende Nutzung von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) (Schäfer, 2023). Diese Technologien ermöglichen es, große Datenmengen zu analysieren und wissenschaftliche Inhalte effizienter zu erstellen. KI wird bereits in der Wissenschaftskommunikation eingesetzt, etwa zur automatisierten Erstellung von Social-Media-Beiträgen oder Nachrichtenartikeln. Während dies die Effizienz steigern kann, birgt es auch Risiken. Ein zentrales Problem ist die Genauigkeit der durch KI generierten Inhalte. Da KI-Systeme auf Trainingsdatensätzen basieren und kein tiefes Verständnis für die Daten haben, kann es zu Fehlern und Ungenauigkeiten kommen (Schäfer, 2023). So haben generative KI-Modelle beispielsweise häufig erfundene wissenschaftliche Referenzen erstellt. Obwohl sich diese Technologie weiterentwickelt hat, bleibt das Risiko bestehen, dass Fehlinformationen verbreitet werden.
Die Digitalisierung hat auch zu einem Anstieg der „Inzivilität“ in der Wissenschaftskommunikation geführt, also zu negativen und beleidigenden Kommentaren, die bis hin zu Hassrede reichen können (Anderson et al., 2016; Gervais, 2015). Besonders während der Corona-Pandemie wurden Wissenschaftler*innen, die sich öffentlich äußerten, vermehrt Ziel solcher Angriffe (Nölleke et al., 2023). Dies führte dazu, dass Unterstützungsstellen wie „SciComm Support“ (https://scicomm-support.de/) eingerichtet wurden, um betroffene Wissenschaftler*innen zu beraten und zu unterstützen.
Eine aktuelle Studie des Projekts KAPAZ (Blümel, 2024) zeigte, dass 45 % der befragten Wissenschaftler*innen bereits Formen von Wissenschaftsfeindlichkeit erlebt haben. Diese reichten von herablassenden Äußerungen und Anzweiflungen bis hin zu ernsthaften strafrechtlich relevanten Angriffen. Die Studie verdeutlicht, dass diese Erfahrungen emotional stark belasten und das Vertrauen in die eigene Arbeit untergraben können (Blümel, 2024). Maßnahmen zur Stärkung der Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten werden daher zunehmend gefordert.
Neben diesen Herausforderungen in der digitalen Kommunikation stellt sich die Frage nach der Rolle des traditionellen Wissenschaftsjournalismus im digitalen Zeitalter. Dieser ist in den letzten Jahrzehnten mit vielen Herausforderungen konfrontiert (Fahy & Nisbet, 2011). Viele Wissenschaftsressorts wurden geschlossen, und die Auflagen wissenschaftlicher Zeitschriften sind deutlich zurückgegangen (Schäfer, 2017a). Wissenschaftsjournalismus ist kostspielig, da er auf umfassenden Recherchen basiert, und wird daher häufig als erstes eingespart, wenn Medienhäuser ihre Budgets kürzen (Bauer et al., 2013). Dies führt dazu, dass Wissenschaftsjournalismus in vielen Fällen nur noch von weniger spezialisierten Journalist*innen betrieben wird, die zusätzlich andere Ressorts abdecken müssen. Einige Initiativen, wie etwa die „RiffReporter“ oder „The Conversation“, versuchen, diesem Trend entgegenzuwirken, sind aber auf Stiftungen und Mitgliedsbeiträge angewiesen.
Parallel zur Krise des Wissenschaftsjournalismus wurde die institutionelle Kommunikation wissenschaftlicher Organisationen ausgebaut und professionalisiert (Fähnrich et al., 2019; Serong et al., 2017). Viele Institutionen legen großen Wert auf strategische Kommunikation, die Zahl der veröffentlichten Pressemitteilungen steigt und sie sind auch auf Social Media aktiv (Metag & Schäfer, 2019; Sörensen et al., 2023). Der Wissenschaftsjournalismus, der eigentlich eine kritische und einordnende Funktion übernehmen sollte, sieht sich einer immer professioneller werdenden, strategischen Kommunikation gegenüber, was zu einem Ungleichgewicht führen kann.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter erheblich verändert hat. Die Digitalisierung hat neue Möglichkeiten eröffnet, aber auch neue Herausforderungen geschaffen. Während sich das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft insgesamt auf einem hohen Niveau befindet (Wissenschaft im Dialog, 2023), zeigt sich, dass die Menschen zunehmend auf digitale Medien zurückgreifen, um sich über wissenschaftliche Themen zu informieren. Plattformen wie YouTube, Wikipedia und soziale Netzwerke spielen eine zentrale Rolle in der Informationsvermittlung (Wissenschaft im Dialog, 2021). Allerdings bergen diese digitalen Informationsumgebungen auch Risiken, wie die Verbreitung von Fehlinformationen und die Einflussnahme durch Algorithmen.
Letztlich zeigt sich, dass Wissenschaftskommunikation heute ein dynamisches und vielschichtiges Feld ist (Neuberger et al., 2021). Erfolgreiche Wissenschaftskommunikation erfordert nicht nur die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen (Schäfer & Metag, 2021), sondern auch ein tiefes Verständnis für die mediale und politische Landschaft, in der sie stattfindet (Scheufele, 2013). Die Digitalisierung hat die Spielregeln verändert und erfordert von Wissenschaftler*innen eine Anpassung ihrer Kommunikationsstrategien. Trotz der Herausforderungen bieten die neuen digitalen Formate jedoch auch zahlreiche Potenziale, insbesondere durch ihre Interaktivität und die Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen.
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Prof. Dr. Julia Metag, Professorin für Kommunikationswissenschaft, Universität Münster.