Das vorliegende Themenheft von Theo-Web greift einige zentrale Aspekte auf, die sich durch diese Gemengelage ergeben, versucht sie in religionspädagogisch relevante Kategorien einzuordnen und kritisch zu reflektieren. Welche Einsichten erschließen sich, wenn man Fragen nachgeht, die etwa mit Stichworten wie „Jugend“ oder „Generationengerechtigkeit“ benannt werden? Wir fragen nach dem möglichen Beitrag der Religionspädagogik nicht nur zum produktiven Umgang mit Krisen, den damit verbundenen Ängsten und nicht zuletzt mit den realen Folgen dieser Krisen, sondern auch inwiefern jene Diskurse, die sich mit den Krisen beschäftigen, funktionalisiert werden.

Das Theo-Web-Themenheft firmiert unter dem Titel „Letzte Generation“ und bezieht sich damit auf die gegenwärtige Selbstbezeichnung einer Gruppe von Klimaaktivist:innen, die selbstverständlich nicht die ganze junge Generation repräsentieren. Typisch scheint jedoch eine eher pessimistische Sicht auf die eigene Zukunft zu sein, was durch die Kriege in der Ukraine und in Nahost ebenso verstärkt wird wie durch wirtschaftliche Faktoren, wie z.B. Inflation und Mangel an bezahlbaren Wohnungen, also auch die Sorge um die eigene materielle Zukunft. Das bestätigt die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“.  Neu an den politischen Äußerungen der jungen Menschen ist, dass die Eltern- und Großelterngeneration sowohl als Profiteure eines von Umweltgedanken unbelasteten Lebensstils wie  auch als  Akteuren politischer und wirtschaftlicher Macht in einer Weise zur Verantwortung gezogen werden, wie es seit 1968 – damals mit einem anderen inhaltlichen Fokus – nicht mehr der Fall war. Folgerichtig wird der Gedanke der Generationengerechtigkeit von mehreren Beiträgen dieser Ausgabe reflektiert. 

Die Klimabewegung selbst verändert sich. Inzwischen haben Greta Thunbergs Äußerungen zum Nahostkonflikt zu einer Distanzierung der deutschen „Fridays for Future“ von ihr geführt. Geblieben ist, dass die „Letzte Generation“ unübersehbar eine endzeitliche Dimension ins Spiel bringt, die den Ernst der Lage und unmittelbare Handlungsnotwendigkeit unterstreicht. Die Frage, ob und wie auf diesem Hintergrund christliche apokalyptische Vorstellungen pädagogisch produktiv sein können, ist ebenfalls Thema einiger Beiträge.

Die Herausgebenden des special issue sind sich der Gefahr bewusst, die mit dem Aufgreifen aktueller Themen in der Wissenschaft besteht, nämlich eine gewisse Blindheit gegenüber vorangegangenen bzw. noch bestehenden Diskursen, die bereits inhaltlich und strukturell Ähnliches reflektieren. Tatsächlich ist das zentrale Anliegen der „Letzen Generation“, nämlich die unmittelbaren und zukünftigen Gefahren des Klimawandels, religionspädagogisch seit einiger Zeit Thema der religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE). Magdalena Breit rekonstruiert den religionspädagogischen Forschungsdiskurs um rBNE, indem sie die thematischen Konturen der vergangenen Jahre herausarbeitet und auf die noch bestehenden Forschungsdesiderate verweist. Ebenfalls rekonstruktiv geht Maike Domsel in ihrem interdisziplinär angelegten Überblick vor, der die Thematisierung von Krisen in bildungswissenschaftlichen, psychologischen und soziologischen Zeitschriften zwischen 2020 und 2023 nachzeichnet. Claudia Gärtner reflektiert die apokalyptische Stimmung in der „Letzten Generation“ auf dem Hintergrund biblischer Apokalyptik und lotet dabei das Potenzial apokalyptischen Denkens für eine politisch orientierte religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung aus. Cosima Quirl geht aus erziehungswissenschaftlich-philosophischer Perspektive der Frage der Generationengerechtigkeit nach. Die Tragweite der Klimakrise, so ihre These, erfordere ein über die anthropologische Verengung hinausreichendes posthumanistische Verständnis von Generationalität. Für Simone Birkel bedeutet die rBNE mehr als das Aufgreifen eines aktuellen Themas in der Religionspädagogik, sondern ein radikales Umdenken in der religiösen Bildung, damit die gesellschaftlich notwendige Transformation durch Bildung wirklich angestoßen oder unterstützt werden kann. Boris Kalbheim thematisiert die inneren Widersprüche der „Letzten Generation“ und arbeitet Anliegen und Zielsetzungen heraus, die als grundsätzliche Anfragen an gesellschaftliche Systeme zu lesen sind und damit den Klimaschutz überschreiten. Alexander Maier arbeitet in seinem bildungshistorischen Zugang Parallelen zwischen der heutigen Klimabewegung und der Jugendbewegung des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts heraus, insbesondere im Hinblick auf die apokalyptischen Vorstellungen. Ebenfalls auf apokalyptische Vorstellungen der „Letzten Generation“ geht Simone Ziermann ein und erinnert an das hoffnungsgebende Potenzial christlicher Apokalyptik in religiösen Bildungsprozessen.

Lena Tacke, Vanessa Henke, Stephanie Spanu und Jan-Simon Zimmermann verweisen auf die besondere Bedeutung der Partizipation in der universitären Lehrkräftebildung im Kontext der rBNE.

Die Klimakrise hat gerade in jungen Menschen Gefühle von Zukunftsangst und Handlungsdruck hervorgerufen, die Grundlage für ihr politisches Engagement geworden sind. Georg Bucher nimmt die Klima-Emotionen zum Ausgangspunkt religiöser Bildung. Julia Lemke, Magdalena Buddeberg und Vanessa Henke verweisen darauf, dass die durch Krisen hervorgerufenen Emotionen zu einer tiefgreifenden Hoffnungslosigkeit führen können. Die Erfolgsaussichten einer rBNE hängen grundlegend auch davon ab, ob es gelingt, diese Emotionen im Bildungsprozess ernst zu nehmen und aufzugreifen.