Das Themenfeld Glaube über das reformatorische Schlagwort sola fide hinaus oder gar konkrete Erfahrungen im und mit dem Glauben in der Gegenwart finden sich derzeit nicht im Zentrum religionspädagogischer Debatten. Umso bemerkenswerter ist, dass dies in anderen Wissenschaftszweigen durchaus eine Rolle spielt, deren Ansätze auch auf die Religionspädagogik zurückwirken können. Der Thementeil dieser Heftausgabe setzt sich mit der potentiellen Bedeutung von solchen Glaubensvorgängen – sogenannten „Creditionen“ – für die Religionspädagogik auseinander.

Es ist bemerkenswert, dass die Anfänge dieser Theorie in der Religionspädagogik liegen, sich genauer gesagt dem Grazer Religionspädagogen Hans-Ferdinand Angel verdanken. Allerdings wurde der daran anschließende intensive und breite Diskurs um „Creditionen“ primär in anderen Disziplinen wie der Neuro- und Kognitionswissenschaften geführt und wird gegenwärtig von der Religionspädagogik kaum bis gar nicht zur Kenntnis genommen.

Um diesen für die Religionspädagogik auf den ersten Blick abständig erscheinenden Diskurs einordnen zu können, sind die Überlegungen von Martin Rothgangel zu den anthropologischen Leitbegriffen „Religiosität, Life Orientation und Credition“ vorangestellt. Im Anschluss daran gewährt der Beitrag von Hans Ferdinand Angel einen Einblick in die Genese und Grundzüge der Creditionenforschung. Der Beitrag von Michael Bauer nimmt den Creditionen-Ansatz als Ausgangspunkt, um nach der Relevanz für die Systematisch Theologie zu fragen, die Chancen eines davon ausgehenden Paradigmenwechsel zu diskutieren und mit Bezug auf die klassischen Felder der Dogmatik eine creditionssensible Anthropologie, Hamartiologie, Pneumatologie, Ekklesiologie usw. ins Gespräch zu bringen.

Ulrich Riegel & Simon Forstmeier diskutieren aus (religions-)psychologischer Sicht den mit dem Creditionen-Ansatz verbundenen Anspruch, den ursprünglich theologischen Begriff des Glaubens, psychologisch und neurowissenschaflich als anschlussfähig auszuweisen. Sie zeigen Ähnlichkeiten zum psychologischen Konzept der „Einstellung“ und eruieren Anschlussmöglichkeiten für die (Religions-)psychologie. Entscheidend für die zukünftige Relevanz der Creditionenforschung ist ihres Erachtens, ob die Entwicklung eines psychometrisch abgesicherten Instrumentariums gelingen wird. Ebenfalls mit empirischer Ausrichtung setzt Carsten Gennerich dem neuronalen Zugriff einen alternativen Zugang zum Glauben entgegen, indem er sich auf Emotionen im Umfeld von Gottesbildern bezieht und diese Emotionen in ein vierfach gegliedertes Wertefeld einträgt. Dies könne nach Ansicht des Autors dazu beitragen, emotionale Verstehensvoraussetzungen im Umfeld von Glauben und Gottesbildern auf Seiten der Schülerinnen und Schüler angemessener zu adressieren.

In der Sektion „Forschung und Diskurs“ sind jene zwei Beiträge enthalten, die von den insgesamt sieben eingereichten Beiträgen den double-blind peer-review-Prozess erfolgreich durchlaufen haben.

Margit Stein und Veronika Zimmer nehmen das Thema islamistischer Radikalisierung auf. 26 Dozierende von elf der insgesamt 13 Standorte für islamische Theologie in Deutschland wurden von ihnen daraufhin befragt, wie sie mit dem Thema Radikalisierung umgehen.

Steffen Leibold befasst sich mit der Problematik, dass die intrareligiöse Vielfalt von Schüler:innen im evangelischen Religionsunterricht unzureichend berücksichtigt wird. Vor diesem Hintergrund nimmt er Lehrpläne für den evangelischen Religionsunterricht in den Blick, stellt entsprechende Desiderate fest (z.B. Blickverengung auf katholische und evangelische Kirche in Deutschland) und entwickelt von da aus auf konstruktive Weise diverse Lösungsansätze.

Martin Schreiner hat auch für diese Ausgabe einen umfangreichen wie instruktiven Einblick in religionspädagogisch wichtige Neuerscheinungen erstellt – herzlichen Dank dafür.  

Am Schluss der Heftausgabe finden Sie Hinweise auf Tagungen und religionspädagogisch relevante Veranstaltungen, die dankenswerterweise von Melanie Binder erstellt wurden.

Ganz herzlich danken möchten wir dem Wiener Team in Person von Melanie Binder, Karin Sima, Marietta Behnoush, Beate Gusner-Hainisch und Thomas Szabó für die ausgezeichnete (Mit-)Arbeit!

 

Ihnen, liebe Leser*innen, wünschen wir eine inspirierte wie inspirierende Lektüre!

Karlo Meyer, Martin Rothgangel und Susanne Schwarz