1 Einleitung
Wie kann aus der Perspektive von Lehrkräften der Religion das Lehren und Lernen mit digitalen Medien gefördert werden? Welche Einstellungen bringen sie hierfür mit? Welche Erfahrungen haben sie mit dem Einsatz digitaler Medien im Klassenraum gemacht? Diesen Fragen geht das Forschungsprojekt Religious Education Laboratory digital (RELab digital) nach. Hier nun erweitern wir RELab digital und präsentieren Ergebnisse aus einer Studierendenbefragung zur Einschätzung des Einsatzes digitaler Medien im Religionsunterricht.
Ab 2017 wurde innerhalb von RELab digital an der Universität Würzburg Unterrichtsmaterial für Testzwecke entwickelt, um den Umgang von Lehrkräften mit diesem zu erheben. Das Projektteam arbeitete darüber hinaus daran, das begriffliche Konstrukt der digitalen Kompetenz kritisch-konstruktiv auf die Religionspädagogik und die unterrichtliche Praxis zu beziehen (Der didaktische Abschlussbericht erscheint open access Ende 2021). Hierfür wurden zum einen Beobachtungen an Mittelschulen in Bayern und Hessen durchgeführt und zum anderen Interviews mit den in teilnehmenden Projektschulen lehrenden Lehrkräften geführt (vgl. Adam, Nord & Wagner, 2021; Nord & Palkowitsch-Kühl, 2017a; b). Auf diese Weise können die kontextabhängigen, praxisbezogenen Handlungsformen von Lehrkräften in Bezug auf den digitalen Medieneinsatz im Religionsunterricht nachvollzogen werden. Aus den Schulbesuchen wurde deutlich, dass (a) technische Herausforderungen/Schwierigkeiten oder andere, mit dem Medium verbundene Störungen, den Unterrichtsfluss behindern und (b) des Öfteren sozusagen eine Pannenerwartung gegenüber digitalen Medien seitens der Lehrkräfte vorhanden ist (vgl. Adam et al., 2021). Digitale Medien beeinflussen Religionslehrkräfte zudem in mindestens drei Hinsichten: dem Zeitaufwand, da gerade mit digitalen Medien unerfahrene Lehrkräfte die Aneignung als aufwendig beschreiben; der Erfahrung, da Lehrkräfte mit wenig Erfahrung im Bereich digitaler Medien oft weniger selbstbewusst im Umgang mit diesen sind; und den eigenen Kompetenzen, da Lehrkräfte mit geringer Medienkompetenz die Effektivität des Einsatzes von digitalen Medien anzweifeln (vgl. ebd.). Vor dem Hintergrund dieser Teilergebnisse der Hauptstudie RELab digital lässt sich außerdem auch genereller fragen: Warum setzten Religionslehrkräfte digitale Medien im Unterricht unserer Einschätzung nach (noch wenig) ein? Die Studie arbeitet methodisch mit einer Verbindung von qualitativer und quantitativer Unterrichtsforschung.
2 Praxissoziologische Anknüpfungspunkte
Wie bereits erläutert, wird die oben genannte Studie RELab digital, die sich auf Lehrkräfte bezog (Nord & Palkowitsch-Kühl, 2017a; b; Adam et al., 2021), hier um die Perspektive der Studierenden ergänzt. Dabei wird angeschlossen an praxissoziologische Studien, die innerhalb von RELab digital durchgeführt wurden. Aus dieser Forschung können hier folgende im Unterrichtsgeschehen soziologisch-qualitativ erarbeiteten Beobachtungen eingespielt werden:
Themen, die über digitale Medien vermittelt werden, drohen insbesondere dann in den Hintergrund der Aufmerksamkeit zu rutschen, wenn der Einsatz digitaler Medien noch nicht eingeübt worden ist (vgl. Adam et al., 2021). Die Herausforderung für die Lehrkraft besteht konkret darin, den Einsatz digitaler Medien in die herkömmliche Erwartungsstruktur von Kommunikationsabläufen zu übersetzen. Rollenkonstellationen können sich zumindest zeitweise ändern, wenn digitale Medien im Schulunterricht eingesetzt werden. Schüler*innen können alternatives Wissen über digitale Medien haben, das der Lehrkraft in Teilen vielleicht nicht zur Verfügung steht (vgl. ebd.). Schüler*innen können zu Expert*innen im Umgang mit Medientechnik werden. Die Herausforderung für die Lehrkraft besteht in solchen Fällen offensichtlich darin, diese veränderte Rollenkonstellation so zu (re-)strukturieren, dass sie das Unterrichtsgeschehen im Sinne einer moderierenden und auch fachlich erfahrenen Wissensvermittlung weiterhin anleiten kann. Zu diesen verschiedenen Aspekten sind folgende Musterantworten erhoben worden, so etwa zum Thema Einübung:
„Ich muss mir alles aneignen. Und wenn ich es nur einmal im halben Jahr mache, habe ich es bis dahin wieder vergessen. Und in der Zeit, wo halt noch mein Sohn noch da war, konnte ich halt immer fragen. Aber als der dann weg war, bzw. wenn ich dann halt nach einem halben Jahr wiedergekommen bin mit derselben Frage, hat er gesagt ‚schreib es dir endlich auf‘.“ [AI-S1, Z. 429–432]
Sodann wurde das Thema des Einsatzes digitaler Medien im Schulunterricht als eine zeitliche Herausforderung dargestellt. Wenn der Einsatz dieser Medien erst übersetzt und für das Kommunikationsgeschehen im Klassenzimmer anschlussfähig gemacht werden muss, kostet dies Zeit – Zeit, die im Hinblick auf die Wissensvermittlung im Unterricht zunächst einmal fehlen kann (vgl. Adam et al., 2021). Eine Religionslehrkraft äußert diesbezüglich:
„Ich habe mal eine ganze Woche Ferien dazu gebraucht, dass das dann so aussah wie ich das haben wollte. Ich habe mir das dann danach auch nochmal angeguckt und gemerkt: ich hätte das einfach viel schneller per Hand geschrieben. Da wäre ich fünfmal schneller gewesen als das digital zu machen.“ [AI-S1, Z. 440–443]
Die Infrastruktur wurde häufig als mangelhaft beschrieben, weil die technischen Bedingungen an Schulen oftmals noch nicht so ausgereift sind, wie es beim Einsatz digitaler Medien im Religionsunterricht nötig ist, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Auch hierdurch entstehen Verlagerungen von Aufmerksamkeiten (von der Wissensvermittlung auf den Technik-Einsatz), die dann in Bezug auf die Unterrichtspraxis wieder fehlen können. Eine Religionslehrkraft äußert diesbezüglich:
„Also meine Rolle hat sich schon verändert, weil ich öfter zugeben muss: ‚Da muss ich jetzt selber schauen, das Problem kenne ich nicht.‘ Oder in die Runde frage: ‚Hat des irgendjemand schon, kennt da irgendjemand die Lösung?‘, oder so. Ich muss weg von dieser ich bin der allwissende Lehrer, ich kann alles. Sondern ich muss schon in die Rolle mich auch trauen zu gehen, zu sagen ‚das weiß ich jetzt auch nicht‘. Ich muss immer eine Lösung, also eine Handlungsmöglichkeit haben, wie man damit umgeht, aber ich kenn nicht immer die Lösung, das technische Problem jetzt zu lösen.“ [EI-1, Z. 2720–2726]
In Relation zu diesen qualitativen Erkenntnissen aus RELab digital stellt sich die Frage, welche Einstellungen angehende Religionslehrkräfte zu digitalen Medien haben und wie sie ihre diesbezüglichen Kompetenzen einschätzen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die befragten Studierenden als die jüngere Generation mit einer größeren Medienaffinität eine andere Einstellung zu digitalen Medien haben als die bisher befragten Lehrkräfte.
3 Theorien und Forschungsfragen
In der für die Zielgruppe der Studierenden der Religionspädagogik quantitativ angelegten Fragebogenerhebung (vgl. hierzu den zweiten maßgeblich von Carsten Gennerich verfassten Beitrag in diesem Heft) wird zurückgegriffen auf Dominik Petkos Studie „Teachers’ pedagogical beliefs and their use of digital media in classrooms: Sharpening the focus of the ‘will, skill, tool’ model and integrating teachers’ constructivist orientations“ (Petko, 2012). Theoretische Grundlage ist das sogenannte Will, Skill, Tool-Modell (vgl. Knezek & Christensen, 2016). Dieses ist ein bewährtes theoretisches Gerüst, das spezifische Bedingungen erklären soll, warum Lehrkräfte digitale Medien im Unterricht nutzen. Vorangegangene Studien von Dominik Petko haben gezeigt, dass die drei Faktoren Einstellung der Lehrkraft, Kompetenzen der Lehrkraft und zur Verfügung stehende Ausstattung einen hohen Grad der Unterschiede, was die Integration von digitalen Medien im Unterricht angeht, erklären (vgl. ebd.). In unserem Beitrag wird Petkos Fragebogen bezogen auf digitale Medien für Studierende eingesetzt.
Das Modell wird mit dem iPAC Konzept in Verbindung gebracht, welches eine Rahmung bietet, mobiles Lernen in Bildungsszenarien strukturell einzubinden (Kearney, Schuck, Burden & Aubusson, 2012). Es zeigt durch seine drei „signature pedagogies“ Personalisierung, Authentizität und Zusammenarbeit verschiedene pädagogische Eigenschaften und Ansprüche auf, die das Lernen mit mobilen Geräten ausmachen und mit sich bringen (Kearney, Burden & Schuck, 2020). Diese Dimensionen werden durch die Ausgestaltung räumlicher und zeitlicher Grenzen beeinflusst (Kearney, Burcke, Schuck, 2019). Innerhalb des iPAC Frameworks (Burden & Kearney, 2018) werden diese drei Grundstrukturen in jeweils mehrere Teilaspekte unterteilt. Sie können dazu genutzt werden, die Nutzung von mobilen Geräten durch Lernende zu messen und zu evaluieren (Kearney et al., 2019). Die Grundstrukturen sind dabei stark auf Partizipation und auf individuelle Vielfalt ausgerichtet.
In Anwendung dieser zwei Messkonzepte von Einstellungen zu digitalen Medien fragen wir: Welche Einstellungen haben werdende Religionslehrkräfte, also Studierende, im Vergleich zu bereits praktizierenden Religionslehrkräften zum mobilen Lernen und zum Einsatz digitaler Medien im Religionsunterricht und wie schätzen sie ihre Kompetenzen im Einsatz digitaler Medien ein? Ebenso fragen wir nach den Begründungsmustern, die für die Studierenden im Vordergrund stehen. Hieraus können dann in der Diskussion Hinweise und Anregungen für die Aus- und Fortbildung von Religionslehrkräften und zur Nutzung digitaler Medien im Religionsunterricht abgeleitet werden.
4 Daten und Methoden
Im Folgenden werden die Datenerhebung sowie der Datensatz kurz beschrieben; daran anschließend erfolgen deskriptive Analysen, die mögliche Einflussfaktoren auf die Bereitschaft Studierender, digitale Medien im Unterricht einzusetzen, identifizieren sollen.
4.1 Stichprobe
Der hier verwendete Datensatz beruht auf einem Fragebogen, der Studierenden der Religionspädagogik an der Universität Würzburg sowie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und der Evangelischen Hochschule Darmstadt zur Beantwortung vorgelegt wurde. Die Befragungen wurden mittels des Online-Tools EvaSys der Universität Würzburg durchgeführt. Eine erste Welle der Befragung erfolgte im Jahr 2018 an der Universität Würzburg und der EH Darmstadt; hieraus resultierten 78 beantwortete Fragebögen. In einer zweiten Welle wurden weitere Studierenden der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und der Universität Würzburg im Jahr 2020 befragt; hieraus ergaben sich 81 bearbeitete Fragebögen, so dass der Datensatz insgesamt über 159 Beobachtungen verfügt. Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs und der Tatsache, dass die teilnehmenden Studierenden nicht einer Zufallsstichprobe entsprechen, lassen sich im Folgenden keine für eine Grundgesamtheit repräsentativen statistischen Schlüsse ziehen. Es sollen aber einige Muster und Zusammenhänge in den Daten aufgezeigt werden, die als Tendenzen bezüglich der Einstellungen der Studierenden und als Anregung für weitere Forschung verstanden werden können.
Tab. 1: Überblick über die Variable Geschlecht
Geschlecht | Häufigkeit | Prozentual |
Weiblich | 125 | 78,6 |
Männlich | 27 | 17,0 |
Fehlende Werte | 7 | 4,4 |
Gesamt | 159 | 100 |
Tabelle 1 zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten weiblich ist. Die teilnehmenden Studierenden gaben an, zu folgenden Konfessionen zu gehören: Tab. 2: Übersicht über die Variable Konfession
Konfession | Häufigkeit | Prozentual |
Evangelisch | 122 | 76,7 |
Ev.-freikirchlich | 15 | 9,4 |
Katholisch | 14 | 8,8 |
Muslimisch | 1 | 0,6 |
Konfessionslos | 2 | 1,3 |
Anderes | 1 | 0,6 |
Fehlende Werte | 4 | 2,5 |
Gesamt | 159 | 100 |
Tabelle 2 zeigt, dass die Mehrzahl der Befragten evangelisch sind. Mit jeweils knappen 9 % sind auch freikirchliche Studierende und katholische Studierende in unserer Stichprobe vertreten.
Des Weiteren gaben 145 der Teilnehmenden an, Lehramt zu studieren, 11 an einer Schule zu arbeiten, weitere 12 in einer Kirchengemeinde, einem Dekanat oder Kirchenkreis zu arbeiten sowie sechs für einen kirchlichen Dienst wie Pfarramt, Diakonie oder Gemeindepädagogik zu studieren. Mehrfachnennungen waren hier möglich.
4.2 Der Fragebogen
Die in dieser Studie analysierten Frageblöcke umfassen Einstellungen zum und Erfahrungen mit dem Einsatz digitaler Medien im Religionsunterricht. Darüber hinaus werden einige demographische Angaben erhoben.
Der Fragebogen startet mit einem Block von zehn Fragen, in denen die Befragten zur Attraktivität des mobilen Lernens im Unterricht befragt wurden: „Bitte beurteilen Sie die nachfolgenden methodischen Möglichkeiten nach Ihrer Attraktivität für Ihren Religionsunterricht.“ Mögliche Antworten waren beispielsweise „Die Schülerinnen und Schüler arbeiten zusammen, um ein digitales Produkt zu erstellen“ oder „Tauschen digitale Inhalte miteinander aus“, wobei jeweils eine zwischen fünf Ausprägungen von 1 = “Gefällt mir gar nicht“ bis 5 = “Gefällt mir sehr gut“ abgestufte Beantwortung möglich war. In diesem ersten Abschnitt sind die Skalen zur Messung der drei Dimensionen mobilen Lernens nach Kearney et al. (2012) vertreten. Die Merkmalsdimensionen Personalisierung, Authentizität und Zusammenarbeit werden mit insgesamt 10 Items auf einer 5-Rating-Skala abgefragt.
Im zweiten Frageblock kommen die Komponenten der Lehrendenkompetenzen (Skill) und der Lehrendenüberzeugungen (Will) des oben beschriebenen Will, Skill, Tool-Modells der Technikanwendung zum Einsatz. Die Bedingungsfaktoren der Ausstattungsfragen (Tool) wurden von uns nicht abgefragt, da es sich um eine Studierendenbefragung handelt und hier eine Einschätzung zu Tool-Komponenten höchstens auf Praktikumserfahrungen zurückverweisen kann. Auch Abfragen zum Bereich des interaktionalen Lehrverhaltens (Pedagogy) (vgl. Adam et al., 2021; Knezek & Christensen, 2016) in Bezug auf digitale Medien wurden bewusst ausgelassen, da der Anschluss an die von Petko unternommene Studie, die dieses nicht berücksichtigt, nicht gefährdet werden sollte (vgl. Petko, 2012, S. 1351–1355). Mittels dreier Subskalen mit einer 5-Punkte Rating-Skala werden die Komponenten der Lehrendenkompetenzen (Skill) gemessen (vgl. Petko, 2012): Zwei Items umfassen medienpädagogische Kompetenzen, neun weitere Items die mediendidaktischen Kompetenzen und insgesamt drei Items die anwendungsbezogenen Kompetenzen.
Drei weitere Subskalen sollen die Lehrendenüberzeugungen (Will) beschreiben. Dafür wurden sechs Items zur Unterrichtsqualität, fünf Items zur Effizienz und ebenfalls fünf Items zur allgemeinen Einschätzung gebildet. Abschließend wurden noch einige demographische Angaben erhoben (siehe Tab. 1 u. 2).
4.3 Deskriptive Analyse
Für unsere Fragestellung ist eine deskriptive Analyse der Items angezeigt. Tabelle 3 stellt die Einstellungen der Studierenden zum Einsatz mobilen Lernens im Religionsunterricht dar.
Tab. 3: Prozentuale Verteilung, Mittelwerte und Standardabweichungen der Skalen zum mobilen Lernen
Insgesamt zeigt sich in Tabelle 3 eine hohe Attraktivität von Aktivitäten des mobilen Lernens im Bereich des Religionsunterrichts seitens der befragten Studierenden. Insbesondere den Items, die nach einem authentischen Lernen fragten, wurden eine hohe Attraktivität zugesprochen: „lernen an einem Ort, der zum Thema passt“ (M = 4,22; S = 0,98), „machen das Lernen relevant für ihr Leben“ (M = 4,42; S = 0,88) und „arbeiten ähnlich wie ein Experte“ (M = 3,94; S = 1,00). Items der Gruppe „Zusammenarbeit“ bis auf „arbeiten zusammen, um ein digitales Produkt zu erstellen“ (M = 4,13, S = 0,925) wurden als nicht ganz so attraktiv empfunden („tauschen digitale Inhalte aus“ (M = 3,72, S = 1,01) und „nehmen face-to-face/online an Gesprächen über die auf dem Bildschirm gezeigten Arbeiten teil“ (M =3,06)). Das zuletzt genannte Item weist die höchste Streuung auf (S = 1,19). Der Aspekt der Personalisierung von Unterricht(-sprozessen) seitens der Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht stößt allgemein eher auf Zustimmung, was sich in den Items „wählen, wie sie lernen möchten“ (M = 3,80, S = 1,05) und „entschieden, was sie lernen wollen“ (M = 3,77, S = 1,04) zeigt.
Tab. 4: Prozentuale Verteilung, Mittelwerte und Standardabweichungen der Skalen zu den digitalen Kompetenzen
Tabelle 4 zeigt, dass die Studierenden gerade ihre Anwendungskenntnisse („eigene Praxis“) im Bereich Präsentation (M = 4,23, S = 0,77) und Recherche (M = 4,23, S = 0,69) als gut einschätzen. Hier ist die Streuung recht gering. Im Bereich der medienpädagogischen, -didaktischen und -technischen Kompetenzen schätzen die Befragten ihre Kompetenzen geringer ein. Dies betrifft die Items „Schülerinnen und Schüler bei der Herstellung interaktiver oder multimedialer Dokumente“ anzuleiten (M = 2,67, S = 1,02, „Didaktik“), „Online-Lerneinheiten mithilfe einer Lernplattform [zu] erstellen und durch[zu]führen“ (M = 2,60, S = 1,11, „Kompetenzen gesamt“) und „Schülerinnen und Schüler mit Lernsoftware üben oder experimentieren [zu] lassen (M = 2,78, S = 1,10, „Didaktik“). Das sind auch die Bereiche, in denen Studierende vermehrt angaben, über „keine Kenntnisse“ zu verfügen (bei den Lernplattformen jede*r Fünfte, bei den anderen beiden etwa jede*r Zehnte).
Über Kenntnisse „um digitale Medien methodisch-didaktisch sinnvoll in der Lehre einzusetzen“ verfügen nach der Selbsteinschätzung etwa 48 % über „gute“ bzw. „sehr gute“ Kenntnisse und gut 37% schätzen ihre Kenntnisse auf einem mittleren Niveau ein.
Tab. 5: Prozentuale Verteilung, Mittelwerte und Standardabweichungen der Skalen zu den Einstellungen gegenüber digitalen Medien
In Tabelle 5 werden die Einstellungen der Studierenden bezüglich unterschiedlicher Aspekte digitaler Medien im Unterricht aufgezeigt. Im allgemeinen Bereich wird eine positive Grundhaltung gegenüber digitalen Medien, deren Einsatz im Unterricht „wichtig ist“, erkennbar (M = 4,28, S = 0,76, „Wichtigkeit“). 65,2 Prozent der Befragten stimmten der Aussage, dass „Kenntnisse digitaler Medien […] für das spätere Berufsleben der Schüler/innen unerlässlich“ sind, völlig zu und 28,5 Prozent eher zu.
Dass digitale Medien die Unterrichtsqualität verbessern, bejahen bei Addition der beiden obersten Antwortkategorien 68 % (M = 3,82, S = 0,92, „Unterrichtsqualität“). Und gut 96 % sind der Meinung, dass ein Unterrichtsthema dadurch interessanter wird (M = 4,44, S = 0,57). Auch das Thema der Effizienz stößt eher auf Zustimmung seitens der Studierenden; sowohl bei der eignen: „Durch den Einsatz von digitalen Medien kann ich meine Arbeitseffizienz steigern“ (M = 3,52) als auch der der Schülerinnen und Schüler (M = 3,48).
Der zeitliche Aspekt ist laut der befragten Gruppe weniger relevant. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten stimmen der Aussage „Ich habe zu wenig Zeit, um digitale Medien im Unterricht einzusetzen“ mindestens eher nicht zu (57 %). Auch ist eine generell ablehnende Haltung gegenüber digitalen Medien kaum wahrzunehmen: „Wenn ich nicht muss, unterrichte ich lieber ohne digitale Medien“ stimmten nur etwa jede*r Fünfte mindestens eher zu (19,6 %), die Mehrheit lehnte diese Meinung eher ab (45,6 %).
Dem mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht verbundene große Mehraufwand wird von jeweils 3 % der Befragten deutlich verneint und von 25 % eher verneint. Die meisten Befragten sind mit 41 % unentschieden. 5 % der Befragten stimmen dem Item zu (M = 3,04).
5 Zusammenfassung und weiterführende Fragen
Auch wenn die vorliegende Untersuchung keinen Repräsentativitätsanspruch erheben kann, ist es möglich, die Ergebnisse den Erkenntnissen der oben referierten Lehrkräftebefragung gegenüberzustellen. Der Brückenschlag zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung im Kontext dieser Professionsstudie zeigt unterschiedliche Wahrnehmungen digitaler Medien auf. Während in den Interviews mit bereits in der Schule tätigen Lehrkräften diese als „Zeitfresser“ wahrgenommen werden (vgl. Adam et al., 2021), zeigt sich bei der Studierendenstichprobe das gegenteilige Bild. Die subjektiven Wahrnehmungen und Bewertungen seitens der Lehrpersonen (Will), deren Kompetenzen (Skill) und die infrastrukturellen Gegebenheiten (Tool) werden in den Gruppen unterschiedlich wahrgenommen. Dies spricht dafür, dass die jüngeren Studierenden digitale Medien inzwischen als relativ selbstverständliche Option für den Unterricht wahrnehmen und nicht mehr in dem Maße mit Aneignungsschwierigkeiten rechnen oder sich konfrontiert sehen als jene Lehrerkräfte, die derzeit unterrichten und von uns im Rahmen des RELab digital Projekts befragt wurden. Hierfür können freilich verschiedene Ursachen in Anschlag gebracht werden. Die Einstellungen und Meinungen der Studierenden könnten sich z.B. weniger stark von schulischen Mängeln in der digitalen Infrastruktur beeinflusst zeigen oder die befragte Gruppe könnte sich ihrerseits von diesen weniger abhängig sehen, da sie das Internet im Alltag mobil und ohne Einschränkungen zu nutzen gewohnt sind. Hier ist also zur Klärung dieser Spannung zwischen beiden Forschungsergebnissen weitere Forschung nötig.
Es scheint ferner so, dass die zukünftigen Lehrkräfte eine Positionierung hin zu einer postdigitalen Haltung zeigen. Sie sehen Aktivitäten des mobilen Lernens im Bereich des Religionsunterrichts als hoch attraktiv an, zugleich wird dem Bereich der Items, die nach einem authentischen Lernen fragten, hohe Zustimmung gegeben. So wurden die Orte, an denen gelernt wird und die Lebensrelevanz hervorgehoben. Digitales Lernen fördert in der der Perspektive der Studierenden offensichtlich auch die Aufmerksamkeit für außerschulische Lernorte innerhalb der Religionsdidaktik.
In Bezug auf die Selbsteinschätzung ihrer medienpädagogischen und -didaktischen Kenntnisse zeigen die Studierenden an, dass sie sich weniger kompetent im Bereich der Nutzung von Online Lernplattformen sowie im Bereich des Online-Learning sehen. So kann als eine weitere Herausforderung für die Forschung wie für die Lehre innerhalb der Religionspädagogik gesehen werden, den Umgang mit bestehenden Angeboten bzw. weitere Neuentwicklungen in diesem Bereich innerhalb der universitären Lehre zu testen und zu reflektieren.
Schließlich zeigt sich in den Befragungsitems zum Computereinsatz ein souveräner und unaufgeregter Umgang mit digitalen Medien. Es ist klar, dass der Religionsunterricht mit und über sie arbeitet, es werden überwiegend Chancen im Einsatz digitaler Medien im Religionsunterricht gesehen. Doch zeigt die relativ große Gruppe, die sich darüber unklar ist, ob digitale Medien im RU einen Mehraufwand bedeuten, dass durchaus Fragen offen zu sein scheinen. Liegt dies daran, dass die Studierenden sich hier aufgrund der für sie noch mangelnden Schulpraxis kein Bild machen konnten und also doch die nicht erhobene Dimension der Tools Auswirkungen zeigt? Den Einfluss und die Bedeutung von Ausstattungsfragen in der digitalen Lehre zu erheben, bleibt also für weitere Forschungen virulent. Hier zeigt sich schließlich auch, dass die quantitative Befragung erneut Bedarf für qualitative Studien schafft, die die Argumentationsmuster genauer in den Blick nehmen kann, welche die Studierenden und damit angehenden Lehrkräfte zu diesem Thema äußern.
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Oliver Adam, Institut für Politikwissenschaft und Soziologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Jürgen Deniffel, Institut für Politikwissenschaft und Soziologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Ilona Nord, Institut für Evangelische Theologie, Religionspädagogik und kulturwissenschaftliche Religionsforschung, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Carsten Gennerich, Institut für Theologie, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Jens Palkowitsch-Kühl, Evang.-Luth. Dekanat Aschaffenburg