Die Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel und die Bergische Universität Wuppertal wurden – wie alle anderen Hochschulen ebenfalls – vom gesundheitspolitisch sinnvollen und notwendigen Shutdown noch vor dem eigentlichen Semesterbeginn im April diesen Jahres, überrascht. Binnen kurzer Zeit wurden „Ersatzlösungen“ für die mannigfachen Lehrangebote erarbeitet, einige Veranstaltungen mussten auch auf das Wintersemester verschoben werden. Wieder andere Veranstaltungen wurden – mit Blick auf die Veranstaltungsstruktur beinahe vollständig und unter Zeitdruck – den neuen Bedingungen angepasst. „Krisenmanagement“ war das geläufige Stichwort – gerade auch mit Blick auf die religionspädagogische Lehre.

Mittlerweile liegen den Verfassern hochschulinterne Evaluationen der Lehrveranstaltungen aus dem Sommersemester 2020 vor, die interessante Perspektiven eröffnen. Dabei ergibt sich ein durchaus ambivalentes Bild: Bei allen technischen Unzulänglichkeiten der digitalen Lehre wurde der Einsatz und das Engagement der zuständigen IT-Administration und der Lehrenden, die sich auf diese neuen Formate eingelassen haben, wohlwollend und meist positiv vermerkt. Gleichzeitig wurde aber von den Studierenden in diesem Zusammenhang geäußert, dass es sich bei den gegenwärtig angebotenen, vielfältigen Formen digitalen Lernens und Arbeitens doch „eigentlich nur – der Situation geschuldete – Ersatzlösungen“ gehandelt habe. Interessanterweise wurde aber die Frage nach der Persistenz des digitalen Lernens – mit Blick auf den zukünftigen Lehrbetrieb – sehr unterschiedlich eingeschätzt. Dabei wurden Weiterentwicklungen des digitalen Lernens mit Blick auf jederzeit und prinzipiell an allen Orten verfügbare Audio bzw. Videopodcasts als Wunsch („Wissen to go“), aber auch als Desiderat hervorgehoben. Andererseits wurde aber auch das Problem der „Resonanz“, d.h. die Frage der physischen Nähe, des direkten face-to-face-Austausches, aber auch der gemeinsamen Spiritualität namhaft gemacht. Nachdrücklich sind den Lehrenden mehrere Voten, Aspekte und Fragen der Studierenden in Erinnerung geblieben:

An der Kirchlichen Hochschule:

  • Geht Abendmahl auch digital? Und wie kann bzw. sollte dieses „digitale Abendmahl“ gefeiert werden?

  • Wie kann die christliche Auferstehungshoffnung digital formuliert werden und in welchen digitalen Räumen und Dimensionen könnte Auferstehung gehofft werden?

  • Ereignet sich – mit Blick auf die Kirchliche Hochschule/Wuppertal – in den digitalen Lehrveranstaltungen so etwas wie eine communio sanctorum und könnte die digital vermittelte Nähe und Distanz unter Gottes Wort ein zukunftsfähiges Modell von Kirche und Gemeinde sein?

An der Bergischen Universität Wuppertal:

  • Sind Präsenz und Leiblichkeit auch online möglich?

  • Warum ist der Einbezug von Leiblichkeit auch für die digitale Religionsdidaktik wichtig?

Insgesamt ergibt sich daraus folgende Fragestellung:

Wie kann religionspädagogische Lehre, die nun digital stattfindet, Resonanz, Präsenz und Leiblichkeit ermöglichen?

Dieser „Holzschnitt“ von Distanz und Nähe soll im Folgenden aus der Perspektive der Studierenden kurz umrissen werden. Aus der Binnenperspektive der Studierenden wird das Thema „Leib und Körper“ bzw. „Leiblichkeit“ vor der Folie der Digitalisierung verstärkt ins theologische Gespräch eingebracht. Dies geschieht nach Meinung der Autoren in Richtung auf drei Dimensionen hin:

1 Die systematisch-theologische Dimension

Die altkirchlichen Bekenntnisse (Nicaenum, Nicaeno-Constantipolitanum, Athanasium) halten – bei allen unterschiedlichen Lehrunterschieden – an der gegenplatonisch formulierten, leibseelischen Einheit der Person fest. Christologisch im Bekenntnis zur Inkarnation Gottes in Jesus von Nazareth, sakramententheologisch mit Blick auf das Sakrament des Abendmahls, ekklesiologisch mit Blick auf die Bestimmung des Wesens der Kirche, sowie eschatologisch mit Blick auf die Auferstehung des Leibes und der leibseelischen Einheit über den individuellen Tod hinaus.

Aus der Perspektive der Studierenden mündete die Herausforderung „Digitalisierung“ in die Aufforderung an die Lehrenden, diese Kernbestände christlichen Glaubens im Gespräch mit den Studierenden insbesondere mit Blick auf ihre zukünftige Berufspraxis als Pfarrerinnen und Pfarrer, Lehrerinnen und Lehrer, Diakoninnen und Diakonen gewissermaßen neu zu vermessen und mit ihnen gemeinsam eine Hermeneutik der digitalen Theologizität zu entwickeln und auch digital zu erproben. An dieser Stelle ist auch auf die kommunikationsethische Fragestellung „Digitalisierung = anything goes?“ hinzuweisen. Hier wurde von den Studierenden insbesondere auf das gesellschaftspolitische Problem eines digitalen Prekariats auf der einen Seite, aber auch auf die Frage des „digital-gläsernen“, gewissermaßen jederzeit und an allen Orten „öffentlichen“ Menschen hingewiesen. (Haberer 2015; Haberer 2017).

2 Praktisch-theologische bzw. religionspädagogische Perspektive

Noch im Februar 2019 formulieren Judith Könemann und Saskia Wendel mit Blick auf das Theologem „Leib/Körper“ im wissenschaftlich-religionspädagogischen Lexikon im Internet (WiReLex) – nach Durchmessung der wichtigsten Beiträge – sehr eindeutig:

„Doch trotz dieser mehrdimensionalen systematisch-theologischen Relevanz des Leibthemas in der christlichen Theologie finden sich in der Religionspädagogik und Religionsdidaktik bisher vergleichsweise wenig explizit auf die Dimension Leib/Körper ausgerichtete Überlegungen. Das wird z.B. daran deutlich, dass das Stichwort Leib/Körper im WiReLex zum ersten Mal Berücksichtigung findet; weder findet sich ein entsprechendes Stichwort im Handbuch religionspädagogischer Grundbegriffe (1986) noch im Lexikon der Religionspädagogik (2001). Das Themenfeld Leib/Körper begegnet innerhalb der Religionspädagogik/Religionsdidaktik bisher eher in der Reflexion auf die affektive Dimension von Lehr-/Lernprozessen und als impliziter Moment anderer Bereiche, so etwa im Kontext von Reflexionen zum Thema Gender, zu Aspekten der Performanz, der Ästhetik oder des Raumes.“ (Könemann&Wendel, 2016).

Im weiteren Fortgang ihrer Darlegungen betonen Könemann/Wendel die Akzentuierungen der religionspädagogischen/fachdidaktischen Forschung zur Dimension Leib/Körper mit Blick auf Schule und Unterricht:

„In der Religionspädagogik und Religionsdidaktik wird die Dimension Körper/Leib bisher eher unter den Stichworten und der Berücksichtigung ganzheitlichen Lernens, der affektiven Dimension oder der sinnlichen Erfahrung aufgegriffen und reflektiert. Ausdrücklich erfolgt dieses unter besonderer Berücksichtigung der religiösen Erfahrung in den korrelations- […] und symboldidaktischen Ansätzen […] in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für die Korrelation von Glaubenswelt und Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, für das Anknüpfen an existentiellen Grunderfahrungen, ist die affektive Dimension und die sinnliche Erfahrung wesentlich. Gerade die Symboldidaktik betont das Sinnliche des Erlebens und des Erfahrens in der Auseinandersetzung mit dem Symbol noch einmal in besonderer Weise. Im außerschulischen Feld der Jugend- und Erwachsenenbildung sowie in Gemeindezusammenhängen trägt der Ansatz der Biographiearbeit […] und des Bibliodramas […], und des Bibliologs […] der sinnlichen Erfahrung und der affektiven Dimension, die sich auch in körperlichen Prozessen niederschlägt, in hohem Maße Rechnung. Besondere Berücksichtigung finden die sinnliche Wahrnehmung und das Lernen mit allen Sinnen sowie die Verarbeitung von sinnlicher Erfahrung durch den Körper dann vor allem im Ansatz der Kirchenraumpädagogik […]. Gerade die Erschließung von sakralen Räumen erfolgt mit allen Sinnen und kann die in Körperpraxen eingeschriebenen Erinnerungen an sakrale Räume reflektieren.“ (Könemann&Wendel, 2016).

Doch eine Überwindung der jahrelangen protestantischen leibfeindlichen Tendenzen ist notwendig und möglich: „Die lange Zeit evangelische Kirchen bestimmende Verbindung mit einem gegenüber dem Körper distanzierten bürgerlichen Lebensstil steht den leibbezogenen neutestamentlichen Perspektiven der anbrechenden Gottesherrschaft entgegen“ (Grethlein 2012, S. 209), „[d]abei erweisen sich Bezüge auf die leibliche Dimension als grundlegend für religiöse Kommunikation.“ (Grethlein 2012, S. 95). Die Kommunikation des Evangeliums vermag eine Überwindung der Leiblichkeit zu ermöglichen, z. B. durch den Einbezug der Leiblichkeit: Singen, gemeinsames Essen und Trinken, Beten mit der Körperhaltung und Gebärden, Segnen, Jesu heilende Hände, Tanzen oder sich bewegen zu Liedern. (Grethlein 2012,543). Nun stellt sich die Frage, wie man diese Kommunikation des Evangeliums mit der Betonung der Leiblichkeit in der digitalen Lehre erreichen kann, wenn sich schon normale Lehrveranstaltungen schwer tun, Leiblichkeit zu ermöglichen? Dies war auch unsere anfängliche Skepsis.

Die Lösung liegt unseres Erachtens in der Betonung von Resonanz und Präsenz: Der Begriff der „Resonanz“, durch Hartmut Rosa geprägt, kann auch für die digitale religionspädagogische Lehre aufgegriffen werden. Rosa versteht unter Resonanz „eine durch Affizierung und Emotion, intrinsisches Interesse und Selbstwirksamkeitserwartung gebildete Form der Weltbeziehung, in der sich Subjekt und Welt gegenseitig berühren und zugleich transformieren.“ (Rosa 2017, S. 298) Gemeint ist damit das „prozesshafte In-Beziehung-Treten mit einer Sache.“ Dabei enthalte „Resonanz [...] einen Moment der Offenheit und der Unverfügbarkeit, das sie von Kompetenz unterscheidet. Kompetenz ist Aneignung, Resonanz ist Anverwandlung der Welt. Ich verwandle mich dabei auch selbst.“ (Rosa 2017, S. 7). Hier wird deutlich, dass Rosa mit dem Begriff der Anverwandlung ein existentielles Berührtwerden bzw. Verändertwerden meint, wenn z.B. biblische Texte oder religiöse Themen nicht nur von uns oder den Schülern gelesen werden, sondern umgekehrt die Texte auch uns – in gegenseitiger Verwandlung – „lesen“.

Daher kommt uns als Lehrkräften oder Dozenten mit unserer Fähigkeit zur Resonanz, mit unserer Leiblichkeit und unserer „Präsenz“ (M. Meyer-Blanck 2007, S. 227) die Aufgabe zu, nicht nur Repräsentationsfunktion zu haben, sondern auch Resonanzboden zu sein und Resonanz im Religionsunterricht und auch in der religionspädagogischen Lehre zu ermöglichen:

„Denn in kommunikativen Berufen geht es darum, ob jemand für seine Sache und als Mensch Resonanz findet und zwar in eben diesem Spannungsfeld: Ein Kommunizieren ohne die Person („rein sachlich“) ist ebenso illusionär wie die Erwartung, rein als Person Resonanz zu finden.[...] Personen zeigen und verbergen sich, aber gerade so geben sie etwas zu sehen und bringen etwas zum Klingen.“ (Meyer-Blanck 2007, S. 227–228)

Wenn ich mich als Person emotional einbringe, authentisch lehre, was ich glaube und wobei ich Zweifel habe, wenn ich mich nicht scheue, mich mit meinem Leib in die digitale Lehre einzubringen, mein Bücherchaos im heimischen Arbeits- oder Wohnzimmer nicht durch einen virtuellen Hintergrund ersetze, wenn meine Katze und meine Kinder eventuell in einer Zoom-Sitzung mit involviert sind,  dann ermögliche ich auch Offenheit bei den Studierenden, dann scheuen auch sie nicht, sich einzubringen, ihre Kamera eingeschaltet zu lassen und auch persönliche religiöse Bezüge von Wohnzimmer zu Wohnzimmer zu ziehen.

Damit treten wir mit unserer Leiblichkeit, die digital ermöglicht wird, in eine sinn- und seinsstiftende Weltbeziehung, wie es Hartmut Rosa ausführt:

„Eine elementare Analyse der Arten und Weisen, in denen Menschen in Beziehung zur Welt treten, sie erfahren und wahrnehmen, in ihr handeln und sich in ihr orientieren, kann nicht umhin, mit dem Leib zu beginnen. Die naheliegendste und grundlegendste Antwort auf die Frage, wie wir in die Welt gestellt sind, lautet: Mit den Füßen. Wie stehen auf der Welt, wir fühlen sie unter uns. Sie trägt uns: Die Gewissheit, dass der Boden auf dem wir stehen, trägt, gehört zu den fundamentalsten Bedingungen der ontologischen Sicherheit.“ (Rosa 2017, S. 83).

In diesem Sinne stehe ich auch in der digitalen Lehre mit meinen Füßen auf der Welt, ich stehe präsent auf dem Boden und fühle mich dadurch – trotz der Digitalität – vollkommen leiblich und kann Resonanz ermöglichen. Dadurch können auch die Studierenden oder die Schüler in meinem Religionsunterricht „auf eigenen Beinen in der Welt stehen“ (Rosa 2017, S. 85), eine „Welthaltung“ (Rosa 2017, S. 95) und eine Haltung zu Gott und den biblischen Texten entwickeln, „Resonanzbeziehungen“ (Rosa 2017, S. 281) und damit eine Beziehung zu den Mitmenschen und auch Gott ermöglichen

3 Religionspädagogische Praxis mit Resonanz und Leiblichkeit

Im Seminar „Inklusion – Diagnostik und Individuelle Förderung im Religionsunterricht  anhand der Thematik Gottesvorstellungen`“ führten wir mit der Expertin Prof. Anna-Katharina Szagun ein besonders nachdrückliches Experiment mit den Studierenden zu ihrem eigenen religiösen Gewordensein sowie zu ihrer persönlichen Gottesvorstellung durch. Vor der Sitzung erhielten die Studierenden den Arbeitsauftrag, dass sie verschiedene Materialen zum Gestalten aus der Natur, ihrer Wohnung, aus ihrem Alltag vor sich auf einem Tablett für die Zoom-Sitzung bereitlegen sollen. Nach einer kurzen Einleitung in der Zoom-Galerie gestalteten die Studierenden zum Satz: „Gott ist heute für mich wie...“ in Einzelarbeit, mit ausgeschalteter Kamera, aber mit Ton, damit der Kontakt zueinander möglich war, ihre persönliche Gottesvorstellung. Nach ca. 10 Minuten gingen sie in Kleingruppen in die Breakout-Rooms und stellten dort ihre Gottesvorstellung den Mitstudierenden vor bzw. ließen diese interpretieren. Nur dort gab es den persönlichen Austausch. Im Plenum wurde anschließend ausschließlich über die Methode und Umsetzungsmöglichkeiten sowie die Wandelbarkeit der Gottesvorstellung im Alltag und Lebenslauf diskutiert. Anschließend fotografierten die Studierenden ihre Gottesvorstellungen, sodass sie in die Präsentation für die nächste Seminarsitzung – anonym – eingebunden werden konnten. Obwohl dies auf freiwilliger Basis war, haben alle Studierende ihre Gottesvorstellung geschickt und diese Sitzung als besonders eindrücklich evaluiert.

Abb.1

 

Abb.2

Abb.3

 

Abb.4

Abb.5

 

Der persönliche Bezug und das eigene religiöse Gewordensein wird auch an der Erklärung der Studentin zu der oben abgebildeten Gottesvorstellung deutlich:

„Bunte Stoffkugeln = Gott gestaltet mein Leben bunt, bringt Farbe in triste Zeiten

 

Roter Faden = Mein Glaube an Gott zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben (Taufe, Konfirmation, Studium der evangelischen Religion, Religionslehrerin)/ Gott gibt mir aber auch ein (Rettungs-)Seil, an dem ich mich festhalten kann.

Stein = Fels in der Brandung, mein Glaube ist unerschütterlich und allen Schwierigkeiten trotzend

Regenbogen = als ein Zeichen der Treue Gottes (ewiger Bund Gottes mit den Menschen), sowohl ich bin mit meinem Glauben Gott treu, aber auch er ist uns Menschen treu und gibt uns Halt/ Hoffnung in schweren Zeiten.

POW! = Gott ist allmächtig und allwissend

Strahlen in der Mitte = Gott ist Licht, sein Strahlen gibt uns Kraft.“

Im Seminar „Grundlagen Religionspädagogik“ erhielten die Studierenden folgenden Arbeitsauftrag zu Luthers Schulschriften: sie sollten sich im Sinne der Methode des Texttheaters – abgeleitet aus der fachdidaktischen Perspektive der performativen Religionsdidaktik – einen Satz aus Luthers Forderungen aussuchen, Schulen einzurichten. In den Breakout-Rooms wurde das Texttheater in ca. 8-10 Min. eingeübt – wobei die Dozentin und die anderen Studierenden nicht wussten, für welchen Satz sich die jeweiligen Gruppen entscheiden würden. Anschließend wurden in der Galerieansicht dem Plenum die unterschiedlichen Texttheater vorgeführt. Da in der Galerieansicht die Gruppenmitglieder einer Gruppe selten nebeneinander in einem digitalen Fenster zu sehen sind, ist der Effekt beim Vorführen wie bei einem Flashmob: man weiß nicht, wo das nächste Gruppenmitglied als nächstes agiert bzw. wenn mehrere gleichzeitig vorspielen, ist es wirklich spannend, wie das synchrone Handeln und Sprechen über dem Bildschirm verteilt ist. Es ist in jedem Fall wichtig, dass man das Texttheater zweimal vorspielt, damit man sich beim wiederholten Male mehr auf den Inhalt konzentrieren kann.

Beziehungsräume zum Text entstanden in den Breakout-Rooms, Beziehungsräume unter den Studierenden ebenfalls in den Kleingruppenarbeiten. Leiblichkeit zeigte sich beim Vorführen, da die Studierenden zum Beispiel auch aufstanden oder viel mit Gestik und Mimik arbeiteten. Unerwartete Resonanz entstand bei der Diskussion der Ergebnisse. So entschied sich eine Kleingruppe für den Satz: „Er ist ein Fürst und Gott der Welt!“ Dieser Satz stammt aus dem Kontext, dass der Teufel das junge Volk verderben möchte. Völlig unerwartet wurde dieser Satz ausgesucht – die Dozentin hatte sich andere vermeintlich „gewichtigere“ Aussagen im Sinne des Seminarziels zu Luthers Forderungen erwartet. Doch die Interpretation zeigte anschließend, dass dieser Satz viel Gesprächspotential bot: denn es wurde z.B. aus der Sicht der Studierenden so dargestellt, als ob der Teufel wie Gott wäre, was den Teufel mächtig erscheinen ließ und dessen Mächtigkeit – auch für Luther – deutlich aufzeigte. Hier zeigte sich, dass durch die unwägbare Methode im digitalen Raum auch Resonanz im Miteinander zwischen Studierenden und Dozentin eröffnet wurden und die Dozentin auch eine neue Sichtweise auf den Text bekam.

4 Conclusio

In Bezug auf die Leitfragen dieses Beitrags votieren beiden Autoren vor dem Hintergrund ihrer Unterrichtspraxis und ihrer Hochschullehre für folgende Aspekte:

  • Verstärkt durch die Corona-Pandemie werden zukünftig nicht mehr negierbare, spannende aber auch anspruchsvolle Herausforderungen erkennbar, die auf der einen Seite die Hermeneutik des christlichen Glaubens in ihren Kernelementen betreffen, auf der anderen Seite aber auch das Thema „Leib und Körper“ in der religionspädagogischen und fachdidaktischen Fachdiskussion zu einem zentralen Forschungsgegenstand werden lassen. Weiterhin liegen grundlegende kommunikationsethische Fragen des digitalen Zeitalters – anything goes? – zur Bearbeitung an. Letztlich gemahnt die Corona-Pandemie auch daran, zentrale Forschungsergebnisse mit Blick auf beide Aufgabenstellungen auch digital und öffentlichkeitsrelevant in Kirche und Gesellschaft zu transportieren.

  • Digitale Lehre ist eine zwar räumlich distanzierte Lehre, welche aber Resonanz und die „Anverwandlung der Welt“ ermöglichen kann und ermöglichen sollte. Voraussetzung für Resonanz ist die Präsenz, welche über die Leiblichkeit, Offenheit und Authentizität des Lehrenden Intensität und bisweilen auch Luthers Unverfügbarkeit in digitalen Seminaren ermöglichen kann. Voraussetzung dafür ist, dass ich mich auf digitale Experimente und Flops einlasse und Einblicke in die Privatheit meiner Person gebe. Insgesamt zeigt sich, dass durch verschiedene Methoden Resonanz, Leiblichkeit und unerwartete Beziehungsräume eröffnet werden können, was Online-Seminare spannend, unwägbar und offen werden lässt.

Literaturverzeichnis

Grethlein, Chr. (2012). Praktische Theologie, Berlin/Boston: De Gruyter.

Haberer, J. (2015). Digitale Theologie. Gott und die Medienrevolution der Gegenwart, München: Kösel.

Haberer, J. (2017). Macht und Ohnmacht in der digitalen Gesellschaft. Digitalisierung zwischen Gut und Böse. URL: https://rpz-heilsbronn.de/Dateien/Arbeitsbereiche/GPM/GELB/2020/04_Haberer.pdf [Zugriff: 20.09.2020.

Könemann J. & Wendel, S. (2016). Leib und Körper. In: WiReLex (2016), URL: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100282 [Zugriff am 20.09. 2020].

Meyer-Blanck, M. (2007). Maske und Angesicht – Klang und Resonanz. Zu einer Religionspädagogik einer Person, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie59, S. 225–234.

Rosa, H. (2017) Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp.

Prof. (apl.) Dr. Stefanie Pfister, Lehrerin für die Fächer Evangelische Religionslehre, Deutsch und Sport, Gesamtschule Ahlen und außerplanmäßige Professorin, Seminar für Praktische Theologie und Religionspädagogik, WWU Münster Dr. theol. Matthias Roser, Wiss. Assistent am Lehrstuhl für Praktische Theologie, Kirchliche Hochschule Wuppertal