Einleitung
John Hatties Studie Lernen sichtbar machen (2013) belegt, dass die Lehrenden-Lernenden-Beziehung einen signifikanten Effekt auf die Lernprozesse von Schüler*innen hat. Auch im deutschsprachigen Raum beschreiben Forscher*innen (Miller, 2011. Helmke, 2015. Lotz & Lipowsky, 2015. Liegle, 2017. Herrmann, 2019. Felten, 2020) die Bedeutung dieser Beziehungsgestaltung für gelingende Lernprozesse. Jene Lernenden-Lehrenden-Beziehung, die Gegenstand empirischer Untersuchungen war und in der Literatur beschrieben wird, ereignete sich erstens im Präsenzunterricht und damit in unmittelbarem, physischem Kontakt zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen und zweitens nicht explizit im Religionsunterricht. Während der CoViD-19-bedingten Schulschließung von März bis Juni 2020 war nun die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden nicht in der Präsenzform des (Religions-)Unterrichts möglich. Dort, wo als Alternative zum Präsenzunterricht digitale Lernangebote in synchroner oder asynchroner Form stattgefunden haben, ist davon auszugehen, dass die Lehrenden-Lernenden-Beziehung anders, weil eben nicht physisch unmittelbar, gestaltet wurde. Zu fragen ist nun, ob diese „andere“ Form der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden gleich bedeutungsvoll ist oder sein kann wie es die empirischen Befunde für den Präsenzunterricht nahelegen. Im Rahmen der hier skizzierten qualitativen Studie soll aus Perspektive der Schüler*innen für den Religionsunterricht beschrieben werden, wie sie eine gelungene Lehrenden-Lernenden-Beziehung charakterisieren und welche Bedeutung sie dieser für die Qualität des Religionsunterrichts und ihren Lernzuwachs im Religionsunterricht beimessen. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen im Religionsunterricht, der während der Schulschließung stattfand, sollen außerdem Impulse für einen digitalen Religionsunterricht[1] aus der Perspektive der Lernenden formuliert werden.
1 Die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung für das Lernen im Präsenzunterricht
Welche Faktoren begünstigen Lernprozesse? Diese Grundfrage beantwortet Hattie (2013) durch die Auswertung von mehr als 800 Meta-Analysen. Insgesamt 138 Faktoren identifiziert er, die Auswirkungen auf Lernprozesse haben. Diesen weist er sog. Effektstärken zu. Ab einem Wert von d=40 sind die Faktoren überdurchschnittlich wirksam, ab einem Wert von d=60 haben die Faktoren einen sehr starken Effekt auf Lernprozesse. Mit d=72 hat Hattie (2013, S. 142) die Beziehung zwischen Schüler*in und Lehrer*in als einen derjenigen Faktoren identifiziert, die am stärksten auf die Lernleistungen der Lernenden wirken. Zugrunde liegt Hattie für die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung die Auswertung der Studie von Jeffrey Cornelius-White (2007), der „119 Studien und 1450 Effekte, basierend auf 355 325 Lernenden, 14 851 Lehrpersonen und 2 439 Schulen ausfindig gemacht“ hat (Hattie, 2013, S. 142).
Für Cornelius-White ist die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden für das aktive Lernen der Schüler*innen elementar: „Die Wirkfähigkeit der positiven Lehrer-Schüler-Beziehung [sic!] ist entscheidend dafür, dass Lernen stattfinden kann“ (Cornelius-White, 2007, S. 123). Seines Erachtens ist diese Beziehung gekennzeichnet durch formatives Feedback und ein lernförderliches Klima. Für eine solche Beziehung ist es grundlegend, dass die Lehrenden den Lernenden zeigen, dass ihnen ihr Lernen wichtig ist, dass sie „ihre Perspektive verstehen, dies an die Lernenden zurückkommunizieren, so dass diese ein wertvolles Feedback in Bezug auf ihre Selbsteinschätzung bekommen, sich sicher fühlen und andere und den Stoff mit dem gleichen Interesse und der gleichen Anteilnahme verstehen lernen“ (Cornelius-White, 2007, S. 123). Im Anschluss an Cornelius-White sind für Hattie (2013, S. 151) „die wichtigsten Aspekte, welche die Lehrperson beisteuert, […] die Qualität der Lehrperson und die Art der Lehrer-Schüler-Beziehung“. Im deutschsprachigen Raum lassen sich die Ergebnisse der Hattie-Studie in verschiedenen Konzepten von Unterrichtsqualität wiederfinden bzw. einordnen (Klieme, 2019, S. 393-408. Klieme, Lipowsky, Rakoczy & Ratzka, 2006.), auf die an dieser Stelle nur verwiesen werden kann.
Interessant sind die empirischen Ergebnisse zur Bedeutung der Lernenden-Lehrenden-Beziehung auch im Hinblick auf die Frage der Bildungsgerechtigkeit: Wenn die Lernvoraussetzungen der Schüler*innen und der (immer noch für Lernerfolge maßgebliche) sozioökonomische und soziokulturelle Status ihrer Familien (Freitag & Schulz, 2018. Reiss et al. 2019, S. 131ff. IGLU 2016) sowie schulstrukturelle Gegebenheiten nur schwerlich veränderbar sind, so stellt die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ein überaus bedeutsames und effektvolles Instrument dar, um die Lernprozesse und -leistungen aller Schüler*innen positiv zu beeinflussen.
2 Ziel der Studie und Forschungsdesign
Ziel dieser qualitativen Studie ist es, in Form erster Tendenzen zu beschreiben, ob die (quantitativen) empirischen Befunde von Hattie und Cornelius-White auch für den Religionsunterricht zu bestätigen sind. Folgende Fragestellungen sollen Aufschluss sowohl über die Charakteristika einer (aus Perspektive der Lernenden) gelungenen Beziehung zwischen Religionslehrer*innen und -schüler*innen als auch über ihre Bedeutung für die Qualität des Religionsunterrichts und das Lernen im Religionsunterricht aus Sicht der Lernenden geben:
Wie charakterisieren Lernende eine gelungene Beziehung zwischen Religionslehrer*innen und -schüler*innen im Religionsunterricht in Präsenz?
Wie schätzen Lernende die Lehrenden-Lernenden-Beziehung für die Qualität des Religionsunterrichts ein?
Wie bewerten Lernende die Lehrenden-Lernenden-Beziehung für ihren Lernzuwachs im Religionsunterricht? (Hier wird Lernen, Lernzuwachs oder Lernertrag aus Perspektive der Lernenden subjektiv bewertet: Es geht nicht um eine Überprüfung des tatsächlichen Lernertrags im Sinne einer Wirkung von Unterricht, sondern um die [Selbst-] Einschätzung der Lernenden.)
Welche Erfahrungen der Lernenden während der CoViD-19-bedingten Schulschließung schärfen den Blick oder korrigieren die von den Lernenden im Religionsunterricht in Präsenz formulierten Wahrnehmungen?
Aufgrund der Breite der erhobenen Daten können auch erste Impulse für eine Didaktik des digitalen Religionsunterrichts[2] skizziert werden.
Die Wahrnehmungen der Lernenden wurden mithilfe qualitativer, teilstandardisierter Interviews erfasst. Als Interviewform wurde das problemzentrierte Interview nach Andreas Witzel (1982) gewählt. Als langjährig praktizierende Lehrerin bringe ich eine vertiefte Kenntnis der schulischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der untersuchten Orientierungen und Handlungen in den Kommunikationsprozess des Interviews mit ein, um die Explikationen der Interviewten verstehend nachvollziehen und am Problem orientierte Fragen bzw. Nachfragen stellen zu können, was für das Sinnverstehen dieser Interviewform grundlegend ist. Die Auswertung der Interviews orientiert sich am qualitativ-inhaltsanalytischen Vorgehen nach Philipp Mayring (2003). Die im Folgenden verwendeten Namen sind nicht die Klarnamen der Interviewpartner*innen. Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf die ausführliche Zitation mit Zeitangaben verzichtet: Diese können ebenso wie die (anonymisierten) Interviewtranskripte bei der Autorin erfragt und eingesehen werden.
Die Fallauswahl wird mit den Prinzipien der maximalen Varianz begründet, deren Ziel die Abbildung von kontrastierenden Feldtypen ist. Als Varianzmerkmale bei den Lernenden wurden Alter/Klassenstufe, Schulart sowie die Häufigkeit des digitalen Religionsunterrichts festgelegt. Um die Heterogenität der Wahrnehmungsmuster von Lernenden falltypologisch zu repräsentieren, wurde eine bewusste Fallauswahl getroffen, die vor Beginn der Interviews festgelegt wurde. Allerdings wurde diese Fallauswahl durch strukturell-organisatorische Gegebenheiten eingeschränkt: Nicht an allen Schulen fand während der CoViD-19-bedingten Schulschließungen Religionsunterricht statt. Außerdem waren auch nicht alle angefragten Schüler*innen zu einem Interview bereit, weshalb hier nur Ergebnisse aus Perspektive von Zehntklässler*innen an Realschulen und Gymnasien sowie Oberstufenschüler*innen an allgemein- und berufsbildenden Gymnasien vorgestellt werden können.
Im Juli 2020 wurden insgesamt 13 Schüler*innen an sechs verschiedenen Schulen zu ihren Erfahrungen im Religionsunterricht befragt. Zwei Schülerinnen besuchen die 10. Klasse einer Realschule im ländlichen bzw. im städtischen Raum. Elf Schüler*innen besuchen verschiedene Gymnasien: Zwei Schülerinnen und zwei Schüler besuchen die 10. Klasse zweier unterschiedlicher allgemeinbildender Gymnasien im ländlichen Raum. Zwei Schüler besuchen die 11. Klasse, einer an einem berufsbildenden Gymnasium im städtischen Raum, der andere an einem allgemeinbildenden Gymnasium im ländlichen Raum. Zwei Schülerinnen und drei Schüler besuchten die 12. Klasse zweier allgemeinbildender Gymnasien im ländlichen Raum: Sie wurden nach bestandenem Abitur interviewt.
Abb.1: Häufigkeit des digitalen Unterrichts
3 Erste Ergebnisse der Studie
Die hier vorgestellten Ergebnisse sollen erste Tendenzen der qualitativen Studie zu verstehen.
3.1 Charakteristika einer gelungenen Lehrenden-Lernenden-Beziehung im Religionsunterricht aus Perspektive der Lernenden
Die befragten Schüler*innen haben alle ein klares Bild von einer positiven Beziehung zwischen Religionslehrer*in und -schüler*in vor Augen. Sie beschreiben diese nicht als negative Problemanzeige im Sinne eines wünschenswerten Zustandes, sondern illustrieren an vielen Stellen, wie sie gelungene Beziehungen zu ihren Religionslehrenden erleben. Sehr bedeutsam ist für alle Befragten, dass die Religionslehrer*in (oftmals im Unterschied zu anderen Fachlehrer*innen) als Ansprechperson für Persönliches wahrgenommen wird, mit der man „offen über alles“ (Anna & Lukas) reden kann.
Dass Schüler*innen mit Religionslehrer*innen „über persönlichere Themen […] sprechen“ können (Frieder), wird zum einen durch das Unterrichtsfach begründet: Durch die Diskussionen im Fach Religion wird „das schnell persönlich durch […] emotionale oder traurige Erinnerungen“ (Lukas). Zum anderen wird die persönliche Komponente durch die Religionslehrperson begründet, weil sie „sich nicht nur für den Schüler, sondern auch für die Person interessiert“ (David). Aus Perspektive der Lernenden fragen Religionslehrer*innen „auch mal persönlich […], wie es den Schülern geht, kümmern sich […] um die Schüler“ (Anna), lassen sie „erzählen, was [ihnen] widerfahren ist“ (Lina), begleiten sie „auch […] nach der Stunde“ (Lena), reden „außerhalb des Klassenzimmers“ (David) und „über den Unterricht hinaus“ mit ihnen (Anna). Wie bedeutsam dieser Austausch von Persönlichem für eine gelungene Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ist, unterstreichen die Erfahrungen, die die befragten Schüler*innen während der CoViD-19-bedingten Schulschließung machten: Die Schüler*innen haben es sehr geschätzt, dass die Religionsperson per E-Mail nachgefragt hat, „wie es einem selber geht“ (Romy).
Teilen Lernende ihre persönlichen Erfahrungen mit den Religionslehrenden, erwarten sie, dass „der Lehrer damit auch angemessen“, „verständnisvoll“ und „respektvoll“ umgeht und „nicht […] extrem kaltherzig ist“ (Lukas). Die Beziehung wird dann als gelungen charakterisiert, wenn sie „auf gegenseitigem Vertrauen basiert“ (Jonas). Eine solche Religionslehrperson ist „sehr empathisch“ (David) und kann „auf die Schüler gut eingehen“ (Frieder). Sie ist „sehr offen und […] zurückhaltend, was […] das Vermitteln ihrer eigenen religiösen Ansichten betrifft und […] akzeptiert […], was die Schüler und Schülerinnen sehen“ (Konrad, Romy, David & Frieder). Die tolerante Haltung ist aus Perspektive der Lernenden in Fragen der persönlichen Glaubenspraxis besonders bedeutsam. Am Beispiel von Ellas sei dies illustriert. Sie berichtet von einer Schülerin, die im Religionsunterricht sagte, „sie glaubt halt nicht an Gott“, woraufhin ihr die Religionslehrerin „direkt so eine Predigt“ gehalten hat, „warum sie halt überhaupt in dem Unterricht ist“. Für Ella ist es wichtig, „dass man in einem Raum ist, in dem man seine Meinung äußern kann, ohne direkt […] verurteilt zu werden“.
Gute Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden gelingen Religionslehrenden, die sich gegenüber Schüler*innen freundlich, respektvoll und wertschätzend verhalten (Lena, Lukas, Moritz, Jonas & David). Für die Schüler*innen basieren solche Beziehungen auf gemeinsamer Zeit und Erlebtem auch außerhalb des Unterrichts, die Erinnerungen und Begegnungen ermöglicht, was „nicht nur […] eine Doppelstunde dauert, sondern sich […] aufbaut“ (Konrad). Dies belegen auch die von den Schüler*innen während des Fernunterrichts gemachten Erfahrungen eindrucksvoll: Obwohl sich die Religionslehrperson „nicht arg anders verhalten“ hat (Jonas & Ella), beschreiben die Befragten die Beziehung zu ihr mehrheitlich anders, in einzelnen Fällen gar „schwieriger“ (Jakob) oder „distanzierter“ (Ella). Übereinstimmend erklären sie dies mit den fehlenden persönlichen Begegnungen und Gesprächen (Lukas, David, Jonas, Anna, Romy & Jakob), die durch digitale Kommunikationsmittel wie Videokonferenzen oder E-Mails nicht möglich waren. Während man aus Sicht der Lernenden „in den Videokonferenzen nicht wirklich frei mit der Lehrerin reden [konnte], weil es ja dann alle gehört hätten“ (Jakob, Ella & Jonas), war es umgekehrt in diesem Setting für die Religionslehrperson „schwieriger, auf die Schüler einzugehen“ (Jakob). Auch der Austausch über E-Mail stellt keinen adäquaten Ersatz für das persönliche Gespräch dar, weil diese Kommunikationsform für die Schüler*innen „komischer“ oder „schwieriger“ war, um sich mit der Lehrperson auszutauschen (Moritz, Romy & Ella). In der Wahrnehmung der Lernenden führt die alltägliche Begegnung im Schulhaus dazu, dass man „sich halt öfters austauscht“ (Ella).
Fast die Hälfte der befragten Schüler*innen beschreibt eine gelungene Beziehung zwischen Religionslehrer*in und Schüler*in als eine Beziehung auf Augenhöhe (Romy, Anna, David, Moritz & Jonas). Die Formulierung auf Augenhöhe scheint für Schüler*innen keine Beschreibung einer egalitären Beziehung zu sein, denn „natürlich muss klar sein, dass die Lehrerin über den Schülern steht und dass die Schüler auf die Lehrerin hören müssen“ (Anna). Die Schüler*innen beschreiben dieses hierarchische Verhältnis als von gegenseitiger Akzeptanz und gegenseitigem Vertrauen geprägt (Romy & David), so dass sich Schüler*innen trauen, nachzufragen und zu erzählen und „man auch zusammen lachen kann“ (Greta, Anna & Frieder). In einer solchen Beziehung sind Lehrende und Lernende „nett zueinander, […] respektieren“ sich (Lena) und führen „gute Gespräche miteinander“ (Moritz). Ebenfalls impliziert sie, dass auch Schüler*innen die Person in den Lehrer*innen sehen: „dass […] ja da immer noch ein Mensch […] hinter dem Lehrer und dem Schüler [steckt], […] dass es ja nur […] ein ganz kleiner Teil vom Leben der beiden Schüler und Lehrer ist“ (David).
Die befragten Schüler*innen erwarten eine authentische und professionelle Haltung der Lehrperson gegenüber den Lernenden. Sie nehmen die Beziehung zur Lehrperson dann als gelungen wahr, wenn es der Lehrperson gelingt „auch außerhalb des Unterrichts […] so auf[zu]treten, wie […] im Unterricht […], also man sollte keinen Unterschied zwischen Klassenzimmer und Pausenhof oder auch Privatleben bemerken dürfen, weil […] das ein großer Vertrauensbruch sein kann, wenn man plötzlich merkt, der Relilehrer ist […] auf dem Dorffest ganz anders drauf […] als im Klassenzimmer und das […] ist schon wichtig, dass man weiß, dass das eine authentische Person ist“ (David). Aus Perspektive der Schüler*innen arbeiten solche Religionslehrende „auf der Basis von […] Professionalität“ (Konrad), die sich darin zeigt, dass sie „alle miteinbeziehen“ und niemanden bevorzugen (Romy) und „bei jeder Klasse neu“ anfangen, „nicht genervt von der Vorklasse“ sind, sondern „jedes Mal […] motiviert […] und freundlich in den Unterricht […] kommen" (Lina). Solche Religionslehrer*innen sollen „immer […] gute Laune haben, […] strahlend in den Unterricht reinkommen und die Schüler merken direkt wieder, ja, jetzt ist wieder ein guter Tag, dass man eben den Reliunterricht mit Freude und Spaß verbindet“ (Lukas).
Die Professionalität und Authentizität von Religionslehrenden zeigen sich in der Wahrnehmung von Schüler*innen auch in ihrer Kompetenz, ein konstruktives und mit ihrer Notengebung kongruentes Feedback zu geben. Die Bedeutung von Feedback unterstreichen auch die Erfahrungen, die die befragten Schüler*innen während des digitalen Religionsunterrichts damit gemacht haben. Ein regelmäßiges, konstruktives Feedback scheint nicht in allen Fächern gegeben worden zu sein. Die befragten Schüler*innen schätzen sowohl die Häufigkeit des Feedbacks der Religionslehrperson, die „öfters geschrieben [hat] als [Hauptfach-]Lehrer“(Ella) als auch die darin zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung der Leistung der Lernenden, die an den Rückmeldungen spüren konnten, „dass sie sich mit […] meinen Lösungen beschäftigt hat“ (Lukas). Generell finden die Schüler*innen es wichtig, dass „immer Rückmeldung zurückkommt“ (Romy & Lena), die in respektvoller, differenzierter und konstruktiver Form gegeben wird (Lena): Für sie ist es wichtig zu wissen, „ob es jetzt […] richtig war oder ob es gut war oder nicht“, weshalb Feedback „lieber als Kritik“ (Ella & Lina) und in Form von „Tipps […], was man beim nächsten Mal besser machen kann“ (Lena) geäußert werden soll. Feedback wird dann als unbefriedigend empfunden, wenn es unspezifisch und undifferenziert ist oder mit den erteilten Noten nicht übereinstimmt (Greta). Eine kongruente und transparente Notengebung ist aus der Perspektive der Schüler*innen nicht nur für ihre Mitarbeit und Motivation im Religionsunterricht relevant, sondern auch für die Beziehung zur Lehrperson. Einige Schüler*innen berichten vom Zusammenhang zwischen fehlender Notentransparenz und schlechtem Lehrenden-Lernenden-Verhältnis, „wenn die Klasse das Gefühl hat, dass der Lehrer zum Beispiel ungerecht benotet“ (Jakob, Greta & Frieder).
Nicht einheitlich äußern sich die Schüler*innen zu der Frage, ob die Beziehung zur Religionslehrer*in prinzipiell eine andere ist als zu anderen Fachlehrer*innen. Grundsätzlich scheint die Qualität der Beziehung zu Lehrenden darin unterscheidbar zu sein, ob jemand „nur seinen Job“ macht oder sich um den persönlichen Kontakt zu Schüler*innen bemüht (Jakob, Jonas & David). Bei Lehrenden, „die nur da sind, um ihren Job zu machen“ und „nicht auf die Person eingegangen“ sind, ist die Beziehung „eine schlechte“ (David & Jonas). Einig sind sich die Schüler*innen, dass sich die Beziehung zur Religionslehrperson in ihrer Qualität von anderen Fächern insofern unterscheidet, „dass eine Beziehung zwischen Lehrer und Schüler herrscht, weil es da halt auch um Themen geht, die man nicht mit einer Antwort beantworten kann“ (Jakob) und „Dinge zur Sprache kommen, die vielleicht auch den Kindern einiges bedeuten“ (David). Die Beziehung zur Religionslehrperson ist eine andere, weil sie „nicht so unpersönlich wie bei vielen anderen Lehrern“ (Lukas) und „tiefer [ist], da man mal schulische Probleme, die wir mit anderen Lehrern nicht klären können, besprechen kann“ (Jonas & David).
3.2 Die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung für die Qualität des Religionsunterrichts aus Perspektive der Lernenden
Die befragten Schüler*innen sind alle der Meinung, dass die Lehrenden-Lernenden-Beziehung für die Qualität des Religionsunterrichts eine größere Bedeutung hat als für andere Fächer (Moritz, Konrad & Lena). Begründet wird dies damit, dass die Beziehung zwischen Schüler*in und Lehrer*in im Religionsunterricht die Voraussetzung ist, damit sich "Schüler wohlfühlen über sensible Themen zu sprechen" (David), denn "in Reli ist dieses Gespräch zwischen Lehrer und Schüler wichtig" (Moritz, Lukas, Lina & Lena). Gerade im Vergleich zu anderen Fächern ist es in der Wahrnehmung der Lernenden wichtiger, "dass man dem Lehrer vertraut. [...] Weil man sich [...] traut, einfach viel mehr zu sagen" (Lena). Für David ist die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden im Religionsunterricht sogar so elementar, dass er sie als Ermöglichung allen unterrichtlichen Geschehens bewertet: "Die Beziehung legt fest, was in dem Unterricht möglich ist, [...] um den Religionsunterricht überhaupt als solchen zu ermöglichen". Für seine Vorstellung von gutem Religionsunterricht ist die "Beziehung zwischen Lehrer und Schüler [...] das allerwichtigste".
3.3 Die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung für das Lernen im Religionsunterricht aus Perspektive der Lernenden
Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden wird für den Lernzuwachs von den befragten Schüler*innen als wichtig bis sehr wichtig eingeschätzt. Sie begründen dies zum einen damit, dass die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden die Grundlage für die Motivation der Schüler*innen zur Mitarbeit im Unterricht ist. So macht es mit „einem netten Lehrer […], mit dem ich mich gut verstehe, […] mehr Spaß da zu lernen“ (Lukas & Moritz). Wenn Lena „mit dem Lehrer auskomm[t], dann […] gehe ich da auch gleich viel motivierter in den Unterricht rein und hab dann auch viel mehr Lust […] richtig mitzuarbeiten und da, ja, halt gute Arbeit abzuliefern“ (Lena et al). Gelingt es Lehrenden also eine gute Beziehung zu den Lernenden aufzubauen, so sind die Schüler*innen bereit, sich am Unterricht zu beteiligen, was sogar dazu führen kann, „dass du richtig dumme Sachen lernen musstest, aber den Lehrer so gemocht hast, dass du halt trotzdem gelernt hast“ (Lina). Die befragten Schüler*innen bewerten die Lehrenden-Lernenden-Beziehung als motivationales Anfangsmoment für ihren Lernzuwachs: Als jüngere Schüler*innen lernten sie „eher für den Lehrer“ (Frieder), denn „bei Lehrern, die ich mochte, da wollte ich was machen, […] wenn man ein gutes Verhältnis hat, macht man auch für den Lehrer […] lieber was“ (David). Allerdings betonen alle befragten Schüler*innen, dass sie inzwischen für sich, ihre Noten oder sogar für ihr Leben lernen.
Für die Lernenden resultiert aus ihrem Engagement im Unterricht ein höherer Lernzuwachs: Ist die Beziehung zur Lehrperson gut, so konzentriert der/die Schüler*in „sich […] dadurch viel besser […] und [betreibt] viel mehr Aufwand für den Unterricht an sich […] und dementsprechend ist natürlich auch der Lernzuwachs größer“ (Moritz & Jonas). Umgekehrt stellt Jonas fest, dass er bei Lehrenden, mit denen er „nicht klarkomm[t], weil sie sich halt nicht kooperativ verhalten, beziehungsweise ihren Unterricht durchziehen wollen“ weniger im Unterricht lernt. Eine als sehr negativ eingeschätzte Beziehung hat sogar zur Folge, dass Frieder für sich entschied, „dass ich das halt auch nicht lernen wollte, was er uns gesagt hat“. Differenziert bewerten die Lernenden die Art des Lernens, die mit der Qualität der Lehrenden-Lernenden-Beziehung korreliert: „Bei einer guten Beziehung ist es eher so ein dauerhaftes Lernen, dass ich schon im Unterricht die Zusammenhänge verstehe, […] eher ein nachhaltigeres Lernen“ (Jonas et al). Bei einer schlechten Beziehung „wäre [es] eher so ein Bulimielernen“ (Jonas).
Die Bedeutung der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden wird für den Lernzuwachs im Fach Religion eindeutig höher als in anderen Fächern bewertet, „weil eben im Reliunterricht […] mehr geredet wird, als jetzt still gelernt wird ist es auf jeden Fall wichtig, dass man eine gute Beziehung zwischen Schüler und Lehrer hat, weil sonst hat der Schüler auch nicht wirklich Lust mit dem Lehrer zu reden, […] wird dann im Prinzip relativ wenig Leistung erbracht“ (Lukas). David bestätigt ebenfalls, dass „das Entscheidende am Religionsunterricht […] gar nicht die Klausuren [sind], wo man was wissen und abspulen muss, sondern die Motivation teil zu haben und sich auch einzulassen und dann was Persönliches mitzunehmen aus dem Unterricht […]. Und wenn man eine gute Beziehung hat zu dem Lehrer, dann bleibt es einem auch ganz anders im Kopf und man ist offener und setzt sich dann vielleicht auch außerhalb des Unterrichts damit auseinander“ (David).
Die Lernenden beurteilen die Beziehung nicht als den alleinigen Faktor, der ihres Erachtens einen Effekt auf ihren Lernzuwachs hat. Sondern sie nennen weitere Faktoren für den Lernzuwachs, wie die Bedeutsamkeit der Unterrichtsthemen, die eigene Motivation und Lernhaltung, Kriterien der Unterrichtsgestaltung, die Interaktion mit Lehrenden und Lernenden, wie Diskussionen; das Motiv, gute Noten zu erhalten; die Fachkompetenz der Lehrperson sowie Klarheit der Aufgabenstellung und eine Feedbackkultur, die ihren Lernzuwachs im Religionsunterricht in unterschiedlicher Intensität beeinflussen. Aus der Fülle der Ergebnisse seien hier nur jene knapp skizziert, die sich unter der Bedeutsamkeit der Unterrichtsthemen subsummieren lassen. Können die Schüler*innen aus den Unterrichtsthemen Erkenntnisse für ihr eigenes Leben gewinnen, so beschreiben sie ihren Lernzuwachs als sehr hoch: „Mein Lernzuwachs im Religionsunterricht war bestimmt immer dann am höchsten, wenn […] ich nach der Stunde gedacht habe, jetzt hab´ ich was gelernt, was ich konkret auf ein politisches oder ein gesellschaftliches Phänomen anwenden kann, das ich selbst zur heutigen Zeit erleben kann“(Konrad). Die Lernenden betonen, dass sie dann am meisten im Unterricht lernen, wenn sie die Inhalte als für ihr Leben relevant empfinden (Lukas et al). Dazu zählen sie auch die didaktische Gestaltung der Unterrichtsinhalte: So „können [Lehrpersonen] die blödesten Aufgaben schön verpacken, sodass die Schüler Lust drauf haben“ (Anna & Lukas). Für die Befragten ist der Lernzuwachs, dann hoch, wenn „was Spannendes, was Neues, […] so anregend [ist], dass man sich nach der Stunde noch mit dem Thema beschäftigt und […] drüber nachdenkt“ (Lena & David) oder zu Hause daran weiterarbeitet (Lina).
3.4 Die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung und Impulse für die Gestaltung eines digitalen Religionsunterrichts aus Perspektive der Lernenden
Im Folgenden sollen einige Ideen der Lernenden für die Gestaltung und die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung für einen Religionsunterricht in digitalen Formaten skizziert werden. Dies geschieht aus der Überzeugung, dass „die Schüler viel nach Feedback“ gefragt werden möchten (David), weil sie sich als Expert*innen ihres Lernens begreifen und deshalb auch Impulse für die Gestaltung von (digitalen) Lernsettings formulieren können. Für die Schüler*innen war „Religion vor allem jetzt in der Zeit [der Schulschließung] sehr wichtig“ (Anna) und es „hat sehr viel geholfen, sich durch andere Impulse mit der Situation auseinanderzusetzen und das aus einer anderen Perspektive zu betrachten“ (David).
Religionsunterricht in digitaler Form kann aus Perspektive der Lernenden dann gelingen, wenn die Lehrperson bereit ist, „auch mal neue Methoden anzuwenden“ (David). Die Lernenden nennen eine Kombination von Videokonferenzen, Textarbeit, Diskussionen, Gruppenarbeit sowie „Videos […], die der Lehrer erstellt, dass die Schüler was Visuelles haben und was Persönliches“ (David, Konrad & Anna). Die Schüler*innen bewerten „Reliunterricht, der nur Aufgaben [beinhaltet], die man per E-Mail zugesendet bekommt“ negativ (Moritz). Sie bemängeln auch, dass im bislang erlebten Religionsunterricht während der Schulschließung keine Diskussionen stattgefunden haben, weshalb „eben genau das gefehlt hat, was im normalen Reliunterricht wichtig ist“ (Moritz & Anna). Für die Schüler*innen stellen Diskussionen das Kernelement des Religionsunterrichts dar, wenn sie feststellen, dass Religionsunterricht ohne Diskussionen „halt kein richtiger Unterricht“ ist (Ella & Lukas) oder überhaupt kein Unterricht, sondern nur „Aufgaben, die man abarbeitet“ (Anna). Damit betonen sie die elementare Bedeutung eines synchronen Austausches mit der Lehrperson: Begegnungen in digitalen Settings gewährleisten erst, dass Religionsunterricht als Unterricht wahrgenommen wird.
Als Ermöglichung einer synchronen Begegnung werden Videokonferenzen genannt, die allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sind: Erstens sollte die Lehrperson „vor allem motiviert sein […], weil wenn die Lehrer nicht motiviert für Videokonferenzen sind, dann macht das natürlich den Schülern auch keinen Spaß“ (Anna). Zweitens muss schulisch-strukturell dafür Sorge getragen werden, dass Videokonferenzen für die Lernenden zeitlich möglich sind. Ella schlägt ein Konzept „mit Online-Stundenplänen [vor], dass man halt auch wirklich weiß, wann save online Unterricht ist“, damit sich Videokonferenzen nicht überschneiden oder zu zahlreich sind (Anna). Drittens müssen schulische Akteur*innen gewährleisten, dass Lernende über die technischen Voraussetzungen verfügen, um an Videokonferenzen teilnehmen zu können. Dabei müssen sowohl Hardware-Probleme, wie ein „schlechtes Mikrofon […] oder eine schlechte Verbindung“ (Lukas) berücksichtigt und Software-Lösungen (Plattformen oder Meeting-Programme) gefunden werden, „die für alle gut funktionieren und [alle] gleich benutzen können“ (David). Es ist wichtig, „genug Zeit auf[zu]wenden, um […] sicher zu stellen, dass jeder Schüler gleich teilnehmen kann, also dass nicht irgendjemand da außen vor bleibt“ (David). Viertens sind für die Schüler*innen Videokonferenzen nur dann sinnvoll, wenn sie didaktisch abwechslungsreich gestaltet sind und man „nicht immer nur irgendwelche Aufgaben bespricht“ (Anna). Die Lehrperson muss „bei diesen Videokonferenzen versuchen […], die Schüler miteinzubeziehen“ (Moritz) und sich „ein System überlegen, wie man sich meldet“ oder wie gewährleistet werden kann, dass „alle dran kommen“ (Ella & Jakob). Dies ist besonders wichtig, weil sich im erlebten digitalen Religionsunterricht „alle angeschwiegen haben“ (Ella), die Schüler […] immer still waren, […] nur zugeschaut und zugehört haben (Moritz), „die Lehrerin […] viel geredet [und] Frontalunterricht […] durchgezogen“ hat (Jakob). Die Lernenden regen mehrheitlich an, die Videokonferenzen methodisch-didaktisch so zu gestalten, sodass eine aktive Mitarbeit aller Schüler*innen ermöglicht wird.
Von den Lernenden werden auch Aufgaben als Teil des digitalen Religionsunterrichts gewünscht, an die sie aber auch (didaktische) Anforderungen stellen: So müssen Lehrende eine Planbarkeit der Aufgabenbearbeitung ermöglichen, beispielsweise, indem sie den Schüler*innen „montags die Aufgaben“ zur Verfügung stellen, damit „man auch am Anfang der Woche planen kann, wann man was macht“ (Jonas) und die Aufgaben zeitlich flexibel bearbeiten kann, „auch um 21 Uhr mal in meinem Bett“ (Ella). Sinnvoll finden sie sowohl eine Varianz in der Bearbeitungsform der Aufgaben als auch die Möglichkeit einer intensiveren Beschäftigung mit Inhalten: Positiv erleben es die Lernenden, „Zeit zu haben, auch wirklich zu recherchieren, […] Sachen nachzuschauen und […] sauber dann auch auszuformulieren“ (Konrad) oder sich über einen längeren Zeitraum mit Inhalten in einer Form selbstständig zu beschäftigen, die „im normalen Reliunterricht nicht“ möglich wäre (Anna). Vor allem aber sollen Lehrende solche Inhalte bearbeiten lassen, die „den Schülern am Herzen“ liegen (David) und die „auf jeden Fall einen Reiz bieten, […] [weil es] die Schüler interessiert […], worin es irgendwie ein Problem gibt oder was wirklich gerade passt“ (Konrad).
Großen Optimierungsbedarf sehen die befragten Schüler*innen in der zeitnahen Kommunikation mit Religionslehrenden. Während der Schulschließung ist „eigentlich alles über Mail gelaufen“, was eine zeitnahe Beantwortung einer kurzen Verständnisfrage erheblich erschwert hat. Jonas schlägt vor, einen „Messenger [zu nutzen], dass man die Lehrer halt auch kurzfristig erreichen und Fragen stellen kann […] und dann die Antwort bekommt, wie es gemeint ist und es dann einfach in einem Block erledigen kann und nicht nochmal auf die Antwort warten muss“ (Jonas).
Klärungsbedarf sehen die beiden Abiturient*innen Ella und Konrad hinsichtlich des verbindlichen Charakters des Online-Unterrichts. Ella beobachtet, dass „manche […] ja […] nicht zum Online Unterricht [kommen], weil das halt auch nicht so ernst war“ (Ella). Konrad problematisiert die vom Land Baden-Württemberg getroffene Entscheidung, dass Leistungen, die von Lernenden während der Schulschließung angefertigt wurden, nicht benotet werden durften. Seines Erachtens „sollte [es] auf jeden Fall immer möglich sein, sie zu benoten“. Gleichzeitig sieht er das Problem der Bildungsteilhabe, wenn er weiter ausführt: „Im Digitalen finde ich es schwierig, wenn man sagt, sie müssen benotet werden, weil ich denke, dazu ist da einfach die Chancen- und Startgleichheit bei jedem im Digitalen noch weniger gegeben, als im Präsenzunterricht sowieso schon“ (Konrad). Er zeigt mit seiner Aussage die beiden Pole dieser Entscheidung auf: Zum einen soll sie allen eine Teilhabe an Bildung ermöglichen und nicht aufgrund fehlender häuslicher, familialer Unterstützung mit schlechten Zensuren verwehren, zum anderen gehören Noten zur systemimmanenten Konditionierung von Schule. Dass Lernende ohne Notendruck innerhalb weniger Wochen zu einer intrinsischen Motivation finden (und Lehrende zu einer darauf abzielenden Didaktik innerhalb dieser Zeitspanne in der Lage sind), muss aufgrund der Aussagen der hier befragten Schüler*innen zu ihrer Motivation und Disziplin eher verneint werden.
4 Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Daten der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden speziell im Religionsunterricht sowohl in Präsenz als auch im digitalen Setting einen ebenso bedeutsamen Effekt auf das Lernen hat, wie es die empirischen Befunde von Hattie und Cornelius-White im Allgemeinen für den Unterricht in Präsenz nahelegen.
Aufgrund der vorliegenden Studie muss allerdings formuliert werden, dass die Bedeutsamkeit der Lehrenden-Lernenden-Beziehung für das Lernen im Religionsunterricht an Gestaltungscharakteristika gebunden ist. Von einer gelungenen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden im Religionsunterricht kann aus Perspektive von Schüler*innen dann gesprochen werden, wenn die Lehrperson von den Lernenden als Ansprechperson für Persönliches wahrgenommen wird und ihr Umgang mit ihnen als vertrauensvoll, empathisch, tolerant, freundlich, respektvoll, wertschätzend und auf Augenhöhe charakterisiert wird. Schüler*innen erwarten außerdem eine authentische und professionelle Haltung der Religionslehrperson, die sich auch in konstruktivem Feedback und dazu kongruenter, transparenter Notengebung zeigt. Gelungene Lehrenden-Lernenden-Beziehungen basieren auf gemeinsamer Zeit, Begegnungen und Gesprächen mit den Religionslehrenden - auch außerhalb des Unterrichts. Diese Beobachtung ist besonders vor dem Hintergrund der Didaktik eines digitalen Religionsunterrichts relevant. Im Vergleich zu anderen Fächern ist die Lehrenden-Lernenden-Beziehung für die Qualität des Religionsunterrichts von größerer Bedeutung, weil sie die Grundlage für das darstellt, was die Lernenden als Kernelement des Religionsunterrichts bezeichnen: die Gespräche und Diskussionen, die oftmals Persönlich-Existentielles thematisieren und deshalb auf einer vertrauensvollen Beziehung basieren.
Wird die Beziehung zu den Lehrenden von den Lernenden als gelungen wahrgenommen, so hat sie einen sehr bedeutsamen und im Vergleich zu anderen Fächern höheren Effekt auf das Lernen, weil sie zum einen den (Anfangs-) Motivator darstellt, im Unterricht mitzuarbeiten, aus dem in der (sehr realistischen) Wahrnehmung der Lernenden ihr Lernzuwachs resultiert. Zum anderen stellt die Beziehung die Voraussetzung dar für ein „nachhaltiges“, tiefes Lernen, mit dem die Schüler*innen ein Verstehen von Zusammenhängen, ein sich Positionieren und die Bildung der eigenen Meinung beschreiben. Gleichwohl können auch weitere Faktoren identifiziert werden, die einen Effekt auf das Lernen haben: So sind neben der persönlichen Motivation und Lernhaltung der Schüler*innen auch Kriterien der Unterrichtsgestaltung, die ein aktives Lernen aller ermöglichen, die Interaktion mit Lehrenden und Lernenden (vor allem Diskussionen), das Motiv, gute Noten zu erhalten, die Fachkompetenz der Lehrperson sowie Klarheit der Aufgabenstellung und die Feedbackkultur zu nennen. Besonders bedeutsam scheint die an der Lebenswelt der Lernenden orientierte didaktische Elementarisierung der theologischen Inhalte des Religionsunterrichts, die eine kognitive Herausforderung bietet. Interessant ist der Lernenden-Wunsch nach kognitiver Aktivierung und Herausforderung vor dem Hintergrund jener Beobachtung, die Susanne Schwarz im Rahmen ihrer großen empirischen Studie zur Schüler*innenperspektive auf den RU in Bayern macht, wonach „eindeutig zu erkennen ist, dass die Mehrheit der Religionsschüler*innen keine kognitive Überforderung erlebt“ (Schwarz, 2019, S. 430). Dieser Wunsch nach einem kognitiv anregend gestalteten Religionsunterricht stellt eine inhaltliche, aber auch didaktische Herausforderung für Religionslehrende dar.
Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden wurde im digitalen Religionsunterricht als schwieriger und distanzierter wahrgenommen, weil die persönlichen Gespräche im und außerhalb des Klassenzimmers fehlten, die sich als Begegnungen in der Präsenz des schulischen Alltags „natürlich“ ergaben. Auch die kooperativen Interaktionen mit Mitschüler*innen waren im digitalen Lernsetting kaum bis gar nicht möglich, was aus Perspektive der Lernenden den Wunsch nach einem methodisch und didaktisch abwechslungsreich gestalteten digitalen Religionsunterricht evoziert, der den synchronen Unterricht mit asynchronen und innovativen Formen des selbstorganisierten, zeitlich (flexibel) planbaren und intensiven Lernens sinnvoll verbindet. Um Gespräche zwischen Lehrenden und Lernenden zu ermöglichen kommt der Gestaltung von Videokonferenzen eine besondere Bedeutung zu. Ihr Gelingen ist aus Perspektive der Lernenden an technische und organisatorische Voraussetzungen (Hard- und Software, Planbarkeit durch Stundenplan) gebunden, erfordert aber auch eine sorgfältige didaktische Gestaltung (analog zur didaktischen Gestaltung von Bildungsprozessen in Präsenz), um allen ein aktives Lernen zu ermöglichen. Neben der unterrichtlichen Gestaltung, die Gespräche auch mit der Lehrperson ermöglicht, trägt auch die außerunterrichtliche Organisation von Kommunikation zu einer gelungenen Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden im digitalen Religionsunterricht bei: Schüler*innen wünschen sich zeitnahe, verlässliche Kommunikationsformen mit Religionslehrenden, in denen das artikuliert werden kann, was Lernende an Religionslehrenden schätzen, nämlich dass sich die Religionslehrkraft für die Person (und nicht nur für die Leistung) der Schülerin oder des Schülers interessiert. In den Aussagen der Lernenden kam deutlich zum Ausdruck, dass sie das Bemühen der Religionslehrer*innen um sie als Person ebenso wertschätzen wie die Tatsache, dass Religionsunterricht während der Schulschließung stattgefunden hat, um die Corona-Situation zu reflektieren. Die Gestaltung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung im digitalen Religionsunterricht stellt eine Herausforderung für Religionslehrende dar, wird aber von den Schüler*innen als elementar für unterrichtliches Geschehen betrachtet.
An anderer Stelle [3]werden weitere Ergebnisse der qualitativen Studie zur Didaktik eines digitalen Religionsunterrichts ausführlich dargestellt und vor dem Hintergrund einer medienkritischen Reflexion der Digitalität von Religionsunterricht diskutiert. Reflektiert muss außerdem werden, welche didaktischen Konsequenzen die digitalen Lernformate haben und welcher Nutzen aus den digitalen Settings für Schüler*innen in besonderen Lebens- und Lernsituationen (Stichwort Bildungsteilhabe) gezogen werden kann. An dieser Stelle können vor dem Hintergrund der skizzierten Ergebnisse folgende Thesen und Impulse für die Bedeutung der Lehrenden-Lernenden-Beziehung formuliert werden:
5 Thesen und Impulse
Eine gelungene Lehrenden-Lernenden-Beziehung hat eine große Bedeutung für das Lernen im Religionsunterricht. Nicht nur, aber auch vor dem Hintergrund jener empirischen Ergebnisse, die auf den Zusammenhang von sozioökonomischem und soziokulturellem Status der Lernenden und ihrem Lernerfolg hinweisen, sollten Religionslehrende das große Potential nutzen, das sie mit der aktiven Gestaltung einer gelungenen Beziehung erzielen können. Andere Faktoren, die Effekte auf den Lernertrag zeitigen, sind oftmals weniger aktiv gestalt- oder veränderbar. Dort allerdings, wo Faktoren aktiv gestaltet werden können, müssen Religionslehrende dies auch tun: So müssen Religionslehrende theologisch sprachfähig und didaktisch in der Lage sein, theologische Inhalte kognitiv so anregend und herausfordernd aufzubereiten, dass sie sich für Schüler*innen als bedeutsam erschließen (wollen).
Eine gelungene Lehrenden-Lernenden-Beziehung ist konstitutiv für die Qualität des Religionsunterrichts - sowohl in der Präsenzform des Religionsunterrichts als auch seiner digitalen Form. Sie stellt die Basis für Gespräche und Diskussionen dar, die in der Wahrnehmung der Lernenden das Zentrum des Religionsunterrichts sind und Religionsunterricht als solchen ermöglichen.
Gelungene Lehrenden-Lernenden-Beziehungen im Religionsunterricht sind an Charakteristika gebunden. Sowohl in der Aus- und Fortbildung von Religionslehrenden als auch in Form von Supervision muss der Einübung und Reflexion einer professionellen Beziehungsgestaltung Raum gegeben werden.
Eine gelungene Lehrenden-Lernenden-Beziehung im digitalen Religionsunterricht ist an dieselben Charakteristika gebunden wie im Religionsunterricht in Präsenz, bedarf aber anderer Gestaltungsmodi. Der digitale Religionsunterricht stellt die Lehrenden vor die Herausforderung, die Beziehung zu den Schüler*innen anders gestalten zu müssen, weil in digitalen Settings Begegnungen, Gespräche und gemeinsames Erleben wie im schulischen Präsenzalltag nicht möglich sind. Zuallererst müssen Religionslehrende verlässliche und zeitnahe Formen der synchronen Kommunikation finden und nutzen, um so eine regelmäßige (digitale) Begegnung mit der Religionslehrperson zu ermöglichen. (Datenschutz-)Rechtliche Zulässigkeiten von (schüler*innen-freundlichen) Messengerdiensten und Tools müssen geprüft werden.
Digitaler Religionsunterricht muss didaktisch sorgfältig geplant sein. Als methodisch und didaktisch abwechslungsreich gestalteter, kognitiv anregender und lebensweltlich relevant aufbereiteter digitaler Religionsunterricht verbindet er synchrone Lernsettings mit asynchronen und innovativen Formen des selbstorganisierten, planbaren, zeitlich flexiblen und intensiven Lernens sinnvoll. Diskussionen müssen auch im digitalen Religionsunterricht einen zentralen Raum einnehmen, weil Lernende sie als Kernelement von Religionsunterricht identifizieren. Die Zielsetzung und didaktische Gestaltung von Aufgaben muss ebenso wie deren freiwillige Bearbeitung ohne Benotungsmöglichkeit reflektiert werden.
Digitaler Religionsunterricht muss Bildung für alle ermöglichen. Religionslehrende müssen (ebenso wie alle Akteur*innen im schulischen Kontext) dafür Sorge tragen, dass erstens technische Lösungen gefunden werden, um allen Lernenden eine Teilhabe an Bildung zu ermöglichen. Zweitens müssen (Religions-)Lehrende Schüler*innen im selbstständigen Lernen unterstützen, ihnen Strategien der Selbst- und Arbeitsplatzorganisation sowie der Trennung von Freizeit und Arbeitszeit (Homeoffice-Problem) anbieten und über Bildungsformate nachdenken, die das Lernen ohne familiäre Unterstützung ermöglichen.
Religionsunterricht ist wichtig und muss Wege finden, um (als digitales oder hybrides Format) stattzufinden. Die multiperspektivische Bearbeitung von gesellschaftlichen, aber auch als persönlich-existenziell empfundenen Herausforderungen braucht im schulischen Kontext einen Raum, den der Religionsunterricht aufgrund seines Bildungsauftrags und -gedankens bereitstellt. Gerade in krisenhaft empfundenen Zeiten kann sich die Bedeutsamkeit des Religionsunterrichts Lernenden, aber auch deren Eltern / Erziehungsberechtigten erschließen. Wenn Religionslehrende in diesen Zeiten darauf verzichten mussten, Religionsunterricht zu erteilen, wird den Lernenden ihr Recht auf eine religiöse Bildung und die Möglichkeit einer multiperspektivischen Wahrnehmung von Wirklichkeit verwehrt.
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Prof. Dr. Andrea Dietzsch, Oberstudienrätin, Professorin für Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg
Im Folgenden wird der Begriff des digitalen Religionsunterrichts verwendet, da er sowohl asynchrone als auch synchrone Lernsettings impliziert. Unter asynchroner Lehre sind beispielsweise Aufgaben, Clips und Erklärvideos zu verstehen, die den Lernenden auf Online-Lernplattformen zum Selbststudium zur Verfügung gestellt werden. Sie können zeitlich flexibel bearbeitet und beliebig oft abgerufen werden. Synchrone Lehre bezeichnet Online-Meetings in Form von Videokonferenzen, in denen Lernende und Lehrende zeitlich synchron teilnehmen. Mit dem Begriff des digitalen Religionsunterrichts habe ich mich gegen die Bezeichnung eines nicht-präsenten Religionsunterrichts entschieden, weil er eine Negation eines in Präsenz stattfindenden Religionsunterrichts impliziert und doch viel mehr mit ihm gemeinsam hat/haben könnte als es die Festlegung auf die Nichtexistenz der physischen Präsenz vermuten lässt. Auch der Begriff des Fern-Religionsunterrichts wäre analog zum Fernunterricht denkbar, lässt aber eher an kommerzielle Lernsettings denken, die im Sinne eines Fernstudiums angeboten werden. Inhaltlich und organisatorisch ist dieser Begriff aber sehr nahe an dem, was hier gemeint ist. Ich habe mich weiter gegen den Begriff des Online-Religionsunterrichts entschieden, weil er an Online-Lernsettings in synchroner Form denken lässt, nicht aber an asynchrone Formen. Am passendsten erscheinen mir die Bezeichnung dieser Form des Religionsunterrichts als Blendend-Learning, Flipped Classroom oder Inverted Classroom, da sie asynchrone und synchrone Elemente verbinden, die didaktisch aufeinander abgestimmt sind und ein aktives Lernen sinnvoll ermöglichen. Da diese Begriffe aber sehr lange und eher umständliche Bezeichnungen sind, verwende ich aus den oben genannten, guten Gründen den Begriff des digitalen Religionsunterrichts.
Natürlich ist bei der Forschungsfrage zu bedenken, dass die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden während der CoViD-19-bedingten Schulschließung nicht voraussetzungslos ist: Sie basiert auf jener Beziehung, die die oben genannten Studien empirisch erforscht und beschrieben und als bedeutungsvoll für Lernprozesse spezifiziert haben. Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden, die sich in digitalen Lernsettings ereignen, werden gestaltet auf der Grundlage dessen, wie sie in physischer, unmittelbarer Form während des Präsenzunterrichts gestaltet wurden. Ziel der vorliegenden Studie ist es nicht, zu erforschen, wie eine Lernenden-Lehrenden-Beziehung gestaltet wird, die nur in digitalen Lernsettings beginnt: Dies müsste in einer gesonderten Studie erforscht werden.
Dietzsch, A. & Pfister, S. (2021): Digitaler Religionsunterricht – fachdidaktische Perspektiven und Impulse. Im Ersch.