Unter der Vielzahl von Differenzen, die in religiösen Bildungsprozessen exkludierend wirken können, konzentriert sich dieser Artikel auf die Differenzkategorie der „sozialen Lage“. Diese erscheint im religionspädagogischen Diskurs als besonders marginalisiert (Vieregge, 2013) und zugleich zunehmend gesellschaftlich brisant: Verschiedene im Jahr 2017 erschienene Armutsstudien, u.a. der 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, verweisen in der Tendenz sämtlich auf steigende Armut in Deutschland und eine wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft (Dabrowski & Wolf, 2018, S. 7).

Wie hält es eine lebenslaufbezogene Religionspädagogik mit den Armen? Zu dieser Frage wird im Folgenden zunächst eine kritische Bestandsaufnahme vorgenommen. Es schließen sich theoretische Perspektiven auf die Inklusion sozial Benachteiligter sowie offene Fragen in Theorie und Praxis an. Im Zentrum des Artikels stehen empirische Forschungsperspektiven auf religiöse Bildungsprozesse im Lebenslauf, die anhand eines Fallbeispiels zu einem religionsbezogenen biographischen Bildungsprozess einer sozial benachteiligten Jugendlichen entwickelt werden.

Wenn im Folgenden die Begriffe „Armut“ bzw. synonym „soziale Benachteiligung“ verwendet werden, wird darunter theoriebezogen ein mehrdimensionales Konzept verstanden, das eine kumulative Unterversorgung in zentralen Lebensbereichen (ökonomische, kulturelle, soziale Mittel) beschreibt, die zu eingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten führt (u.a. Mansel & Neubauer, 1998; Weiß, 2010).

1 Kritische Bestandsaufnahme

Nach längerer Abstinenz hat es in den letzten Jahren in der Religionspädagogik eine neue Aufmerksamkeit für das Thema Bildungsgerechtigkeit und in diesem Zusammenhang auch für Fragen von sozialer Exklusion gegeben. Der Fokus liegt neben einer Bestandsaufnahme auf der Erarbeitung erster vor allem theoretischer Perspektiven (u.a. Grümme, 2014; 2017, S. 245–283; Grümme & Schlag, 2016b; Könemann & Mette, 2013; Lütze, 2011; zu Inklusion / Exklusion u.a.: Knauth & Jochimsen, 2017; Schweiker, 2017).

Dabei zeigt sich ein interessantes Spannungsfeld: Aus normativ-theologischer Perspektive gehören christliche Theologie bzw. Religionspädagogik und Bildungsgerechtigkeit konstitutiv zusammen. Die religionspädagogische Praxis trägt aber ungewollt selber zur Bildungsungerechtigkeit bei bzw. ist an ihrer Genese beteiligt (u.a. Grümme & Schlag, 2016a, S. 11). Dies betrifft nicht nur die formale Bildung innerhalb des schulischen Religionsunterrichts. Werden in einer lebenslaufbezogenen Perspektive andere religiöse Lern- und Bildungsorte in den Blick genommen (z.B. Kirchgemeinde, Familie, Elementarbereich), sind nahezu überall soziale Exklusionstendenzen festzustellen. Christliche religiöse Bildung ist an den verschiedenen Lernorten in erster Linie eine Angelegenheit der Mittelschichten und der bürgerlichen Milieus. Menschen in prekären Lebenslagen werden als in soziale Strukturen eingebundeneSubjekte religiöser Bildung und religiösen Lernens kaum in den Blick genommen. Bernhard Grümme (2017, S. 245–248) spricht in diesem Zusammenhang von einer Kontextblindheit der Religionspädagogik, einer Nichtwahrnehmung der Einbettung der Akteure in soziale Strukturen.

Nun ist die Milieuverengung der Religions- und Gemeindepädagogik kein völlig neuer Befund. Dies nimmt ihm aber nichts von seiner Brisanz. Es soll daher zunächst auf einige ausgewählte Untersuchungsergebnisse zu Exklusionstendenzen an verschiedenen religionspädagogischen Lernorten eingegangen werden.

1.1 Lernort Gemeinde

Gerhard Wegner (2011), Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts (SI) der EKD, konstatiert nüchtern u.a. auf der Basis mehrerer Studien, die das SI zum Themenfeld Armut durchgeführt hat, dass die EKD-Denkschriften und Synodentexte zwar Inklusion forderten – denn die bildungsbürgerliche Milieuverengung sei der Kirche durchaus bewusst –, aber die Realität dem weit hinterherhinke. Es gebe zwar einige positive Beispiele, diese blieben aber Einzelfälle (Eurich, Barth, Baumann & Wegner, 2011, S. 17). Nach Wegner gelingt Kirchengemeinden allenfalls eine schwache Variante der Inklusion, die von einer starken Variante zu unterscheiden ist. Schwache Inklusion bezeichnet eine kirchliche Praxis, bei der zahlreiche, meist vom Kerngeschäft der Kirchen ein wenig abgekoppelte Aktivitäten für Randgruppen, Arme, Benachteiligte durchgeführt werden mit dem Ziel, diese besser in die Gesellschaft zu integrieren (Wegner, 2011, S. 212). Nach Wegner liegt in dem proaktiven Engagement von Christinnen und Christen, die selbst nicht von Armut betroffen sind, sondern im Gegenteil eher zu den Privilegierten der Gesellschaft gehören, eine große Stärke der Kirchengemeinden. Hier gibt es ein riesengroßes Feld von Aktivitäten (Wegner, 2011, S. 212). Aber die starke Variante der Inklusion, bei der von Armut Betroffene als Gleiche unter Gleichen an den kirchlichen Strukturen partizipieren, mit allen Rechten und Pflichten, findet sich dagegen nur sehr selten (Wegner, 2011, S. 211–212). Dies lässt sich auch nicht leicht verändern, denn mit Pierre Bourdieu (2011) gesprochen sind die verschiedenen Habitusformen unterschiedlicher gesellschaftlicher Milieus in gesellschaftliche Machstrukturen eingelagert und richten sich somit strukturell gegeneinander. Wegner (2011, S. 226) dazu pointiert: „Wo die Bach-Kantate ertönt, kann nicht im Anschluss La Paloma gesungen werden.“

Insbesondere gilt die soziale Milieuschließung für den haupt- und ehrenamtlichen Leitungsbereich, auch für die Mitwirkung in der kirchlichen Jugendarbeit. Hier finden sich Personen mit maximaler Kapitalausstattung, vor allem im Bereich von Bildungskapital (Wegner, 2011, S. 228). Dieser Beobachtung entsprechen Ergebnisse aus Studien zur Konfirmandenarbeit, die u.a. zeigen, dass die Gruppe der Hauptschülerinnen und -schüler im Konfirmandenunterricht statistisch unterrepräsentiert ist und sich vom Unterricht auch weniger angesprochen fühlt als die Gruppe der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten (vgl. Cramer, Ilg & Schweitzer, 2009).

1.2 Lernort Schule

Frank Lütze (2011) hat sich intensiv mit dem Religionsunterricht im Hauptschulbildungsgang auseinandergesetzt. Lütze weist u.a. nach, dass der statistische Befund zur Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht eine deutliche Abhängigkeit von Soziallagen erkennen lässt. So liegt die Teilnahmequote im Hauptschulbildungsgang in West- und Ostdeutschland deutlich unter den Gymnasien. An vielen Brennpunktschulen findet gar kein Religionsunterricht statt (Lütze, 2016, S. 98–99). Anhand der Analyse von Lehrplänen für die verschiedenen Bildungsgänge zeigt Lütze, dass Religionsunterricht nach wie vor tendenziell jeweils vom Gymnasialbildungsgang ausgehend gedacht und für Gymnasiasten ein inhaltlich sinnvoller Zusammenhang konzipiert wird, der für den Hauptschulbildungsgang lediglich um einige Elemente gekürzt wird (Lütze, 2016, S. 103). Lützes Fazit zur Lehrplananalyse:

„Der Hauptschulunterricht wird nicht nur als weniger komplex begriffen (das wäre in Ordnung); vielmehr zeigt sich wiederholt die Tendenz, Schülerinnen und Schüler am unteren Ende der Bildungsskala primär auf die Anwendung von Wissen bzw. die Ausübung von Religion zu orientieren, während der kritische Diskurs über den Glauben den Gymnasiasten vorbehalten bleibt“ (Lütze, 2016, S. 105).

Zugleich zeigt der Blick auf Schülerinnen und Schüler, dass deren religiöses Bildungspotential nicht unterschätzt werden darf bzw. anscheinend häufig verkannt wird. Exemplarisch sei dazu auf eine Untersuchung von Stefan Altmeyer und Katharina Funken (2016) zum Zusammenhang von Schulform, Sprachkompetenz und Gotteskonstruktion verwiesen. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen allgemeiner und religiöser Sprachkompetenz besteht und diese mit der Schulform zusammenhängt. Hauptschülerinnen und -schüler besitzen eine geringere allgemeine wie religiöse Sprachkompetenz. Interessant ist aber nun zum anderen, dass das inhaltliche Bild – in diesem Fall die inhaltlichen Gottesvorstellungen – weniger deutlich ist: „Ein niedrigeres sprachliches Kompetenzniveau bedingt nicht zwangsläufig eine weniger komplexe oder differenzierte Gottesvorstellung – und umgekehrt“ (Altmeyer & Funken, 2016, S. 110). Dies liegt nach Altmeyer und Funken (2016, S. 110) daran, dass die Art der Gottesvorstellung nicht allein von der religiösen Sprachkompetenz abhängt, sondern wesentlich von anderen Faktoren wie persönlicher Religiosität oder kultureller Herkunft mitbestimmt wird. Die Ergebnisse zeigen somit, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Religiosität bzw. religiöser Bildung als äußerst komplex begriffen werden muss.

1.3 Lernort Familie

Zur Bedeutung des Lernorts Familie für informelle religiöse Bildungsprozesse gibt es ohnehin kaum empirische Studien, denn die empirische religionspädagogische Familienforschung befindet sich in Deutschland erst in den Anfängen (Domsgen, 2014, S.59). Insbesondere fehlt es jedoch an Wissen darüber, ob und in welcher Weise Religion in der Gestaltung des Familienlebens von Familien mit geringem ökonomischen Kapital und niedrigem Bildungsstand sowie einer größeren Distanz zum christlichen Glauben eine Rolle spielt (Domsgen, 2014, S. 62).

1.4 Lernort Soziale Arbeit

Ein weiterer informellerer Lernort außerhalb der Religionspädagogik, auf den abschließend kurz hingewiesen werden soll, ist die Soziale Arbeit. Zu deren Klientel gehören u.a. von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene und insofern ist dieser Lernort für die Fragestellung des Artikels von Interesse. Trotz eines dezidiert lebensweltorientierten Ansatzes war das Thema Religion als Bestandteil der Lebenswelt der Adressatinnen und Adressaten der Sozialen Arbeit und als mögliche Ressource zur Bewältigung schwieriger Lebenslagen bis vor kurzem ein blinder Fleck in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit. In jüngerer Zeit erfolgt hier jedoch ein Umdenken. Das Thema Religionssensibilität wird entdeckt und sowohl theoretisch grundgelegt als auch praktisch erprobt (Nauerth, Hahn, Kösterke & Tüllmann, 2017). Eine wichtige Rolle spielen dabei auch evangelische und katholische Hochschulen sowie Einrichtungen der Sozialen Arbeit in Trägerschaft von Diakonie und Caritas.

2 Theoretische Perspektiven

Im Anschluss an die kritische Bestandsaufnahme stellt sich die Frage nach Perspektiven. Wie ist eine Bewegung von Exklusion in Richtung Inklusion möglich? Sowohl in der Erziehungswissenschaft als auch in der Religionspädagogik ist Inklusion zurzeit ein wichtiges Thema. Auf theoretischer und praktischer Ebene ist vieles im Fluss, wichtige theoretische Grundlagen in religionspädagogischer Perspektive hat u.a. jüngst Wolfhard Schweiker (2017) entwickelt. Im Folgenden sollen schlaglichtartig drei Aspekte genannt werden, die für die Inklusion sozial Benachteiligter als bedeutsam erscheinen.

2.1 Weiter Inklusionsbegriff und Intersektionalität

Der Inklusionsdiskurs wird oft auf die Differenzkategorie Behinderung/Nichtbehinderung verengt. Hier bedarf es eines weiten Inklusionsbegriffs, der unterschiedliche Differenzkategorien (z.B. Gender, Religion/Kultur, sozialer Status) in ihrer wechselseitigen Verschränkung berücksichtigt und auch die sozialen Herstellungsprozesse von Ungleichheit fortlaufend kritisch reflektiert (Pithan, 2009; Knauth & Jochimsen, 2017; Knauth, 2015; 2011). Inklusion basiert auf der positiven Wertschätzung von Differenz und einem anerkennenden, ressourcenorientierten Umgang mit Unterschieden. Dabei sind jedoch nicht alle Differenzen gleich zu bewerten. Von Armut unreflektiert im Sinne von „Vielfalt als Bereicherung“ zu sprechen, kann auch zynisch wirken, wie Rainer Möller (2015, S. 111) richtig konstatiert. Denn Differenz aufgrund sozioökonomischer Marginalisierungserfahrungen ist ja nicht zuerst eine Ressource im pädagogischen Sinn, sondern Ausdruck ungerechter Verhältnisse (Möller, 2015, S. 111). In intersektionaler Perspektive muss es u.a. auch darum gehen, den Einfluss von Armut auf andere Differenzkategorien wie Gender, Behinderung, Migration oder Religion in den Blick zu nehmen.

2.2 Kontextbezug: Armutssensible Religionspädagogik

Wichtig ist eine Sensibilisierung – sowohl im wissenschaftlichen Feld als auch in der religionspädagogischen Praxis – für die Lebenswelten, Habitusformen, kulturellen und religiösen Praxen sozial benachteiligter Kinder, Jugendlicher, Erwachsener. Dazu gehört gleichzeitig auf Seiten der Forschenden und in der Praxis Tätigen eine kritisch-kontextuelle Selbstreflexivität der eigenen gesellschaftlichen Position, Teilhabe- und Handlungsmöglichkeiten sowie des eigenen Verständnisses von Normalität, auch im Bereich von Religion/Religiosität (u.a. Comenius-Institut, 2014). So kann Respekt für unterschiedliche milieuspezifischen Erfahrungskontexte entstehen und eine Wahrnehmungsfähigkeit für alltägliche Distinktionsmechanismen und Gefahren der Beschämung und Demütigung von Menschen, die von Armut betroffen sind, entwickelt werden (Möller, 2015, S. 112).

2.3 Politische Dimension von Religionspädagogik: Gerechtigkeit und Anerkennung

Wenn ökonomisch bedingte Ungleichheiten im Inklusionsdiskurs berücksichtigt werden, führt das insgesamt zu einer Politisierung des Inklusionsdiskurses (Möller, 2015, S. 107). Einer vielfaltssensiblen Religionspädagogik muss es darum gehen, die Ankerkennung von Differenz mit der Förderung von sozialer Gerechtigkeit zu verbinden (Knauth, 2003, S. 331–349). Denn ein anerkennender Umgang mit Vielfalt ist nicht möglich ohne eine gleichzeitige Thematisierung der gesellschaftlich-politischen Aspekte der „in inklusiven Bildungsprozessen notwendigerweise zu realisierenden Bildungs-, Chancen- und Teilhabegerechtigkeit“ (Möller, 2015, S. 107). Die Religionspädagogik braucht insofern eine gesellschaftskritische Haltung, bspw. im Sinne der Kritischen Theorie (Schweiker, 2017, S. 212).

3 Offene Fragen und Forschungsperspektiven

Inklusion bringt eine Reihe von Dilemmata und Antinomien mit sich (Schweiker, 2017, S. 208–223). Eine offene Frage in diesem Zusammenhang ist, wie mit dem Reifizierungsproblem der Ungleichheitsforschung in Theorie und Praxis umzugehen ist. Der anerkennende Blick auf Unterschiede (re)produziert diese immer auch. Das ist aus der Geschlechterforschung bekannt (Maxim, 2009) und zeigt sich ebenso in der Forschung zu sozialer Benachteiligung (Vieregge, 2013). Anerkennung von Differenz „ist ein Medium der Selbst- und Fremd-Identifizierung, der ein Moment der klassifizierenden Gewalt innewohnt“ (Mecheril & Plößer, 2009, S. 206). Die Dekonstruktion symbolischer Differenzordnungen darf aber nicht vernachlässigen, dass diese in der Praxis überaus wirkmächtig sind und reale Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen erzeugen (Mecheril & Plößer, 2009, S. 204). Schweiker spricht in diesem Zusammenhang auch von der Antinomie von Anerkennung und Veränderung in Bildungsprozessen. Differenzen, z.B. unterschiedliche Habitusformen marginalisierter Menschen, sind ex principiis (also auf der Vernunftebene der reinen Erkenntnis) anzuerkennen, aber ex datis (auf der Erfahrungsebene) zum Teil aufzuheben, um bessere gesellschaftliche Teilhabechancen zu schaffen (Schweiker, 2017, S. 211–212). Der Inklusionsdiskurs führt an dieser Stelle unweigerlich die „Tatsache des unaufhebbaren Widerspruchs von Bildung und Herrschaft“ (Schweiker, 2017, S. 212) vor Augen.

Nach den jüngst erfolgten wichtigen theoretischen Grundlegungen bedarf es künftig verstärkt empirischer Forschung, um die Themen Bildungsgerechtigkeit und Inklusion mit mehr Bodenhaftung zu versehen und die marginalisierten Anderen als konkrete Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den Blick zu bekommen. Dabei ist in inklusionstheoretischer Perspektive eine Reihe von Forschungsperspektiven denkbar, denn „Inklusion ist in der empirischen Religionspädagogik bislang nur eine Randnotiz“ (Schweiker, 2017, S. 362).

Im Hinblick auf den thematischen Schwerpunkt dieser Ausgabe von Theo-Web ist die Frage zu stellen, wie lebenswelt- und lebenslauforientierte religiöse Bildungsprozesse empirisch erforscht werden können. Dazu soll anhand eines Fallbeispiels aus meiner empirischen Studie zu Religiosität in der Lebenswelt sozial benachteiligter Jugendlicher (Vieregge, 2013) eine Möglichkeit aufgezeigt werden, wie religionsbezogene biographische Bildungsprozesse von benachteiligten Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen anerkennend in den Blick geraten können. Ob Lern- und Bildungsprozesse überhaupt wahrgenommen und damit als solche anerkannt werden, hängt immer auch damit zusammen, wie der Bildungsbegriff definiert und operationalisiert wird. In Deutschland ist der Bildungsbegriff historisch eng mit dem Begriff Kultur und einer Anknüpfung an den bürgerlichen Status verbunden (vgl. Andresen, 2009, S. 80). Hier kann ein formaler Bildungsbegriff, wie er in der erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung verwendet wird (Koller, 2012; Nohl, Rosenberg & Thomsen, 2015; Marotzki, 2006), einen Beitrag dazu leisten, den Blick zu weiten.

In der Theorie transformatorischer Bildungsprozesse (Koller, 2012) wird Bildung als Prozess der Transformation bestehender Figuren von Selbst- und Weltverhältnissen verstanden. Dabei ist es nicht möglich, vorab zu bestimmen, was Resultat der Transformation eines Welt- und Selbstverhältnisses sein kann, denn dabei handelt es sich potentiell um Neues – neu im Sinne von selbsthervorgebracht, nicht-übernommen – das nicht in bisherigen Kategorien aufgeht (Wischmann, 2010, S. 85).[1] Es wird auf eine inhaltliche Bestimmung des Bildungsbegriffs bewusst verzichtet, was gleichwohl nicht bedeutet, dass jeder Transformationsprozess des Selbst- und Weltverhältnisses zugleich ein Bildungsprozess ist. Im Rückgriff auf Jean-François Lyotards Philosophie des Widerstreits (Lyotard, 1989) lässt Koller nur solche Transformationen als Bildungsprozesse gelten, die die gesellschaftliche Pluralität von Diskursarten und Orientierungsmustern nicht verleugnen, unterdrücken oder einseitig auflösen. Diese Einschränkung ist wichtig, da sonst zum Beispiel auch eine Transformation des Selbst- und Weltbildes in Richtung eines religiösen Fanatismus als Bildungsprozess verstanden werden müsste.

Der Ansatz der bildungstheoretischen Biographieforschung ist bewusst so angelegt, dass er an die empirische Forschung anschlussfähig ist. Im Rahmen qualitativ-rekonstruktiver Biographieforschung werden dazu narrative Interviews auf Transformationen der sprachlichen Figurationen von Selbst- und Weltverhältnissen hin analysiert. Dabei geht es vor allem um die Untersuchung informeller Bildungsprozesse, also der impliziten, nicht-intendierten Prozesse des Selbstlernens oder der Selbstbildung in unmittelbaren Lebens- und Erfahrungszusammenhängen meist außerhalb des formalen Bildungswesens (Dohmen, 2001), die in der Forschungsperspektive des Lebenslangen Lernens wichtig ist und dort in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen wurde.

Wischmann (2010) hat die Frage von adoleszenten Bildungsprozessen im Kontext sozialer Benachteiligung unter produktiver Aufnahme der bildungstheoretischen Biographieforschung theoretisch und empirisch bearbeitet. An ihre Studie können die folgenden Überlegungen anknüpfen. Vor diesem Hintergrund erfolgt nun anhand eines Fallbeispiels ein exemplarischer Einblick in meine qualitativ-rekonstruktive Studie zur Religiosität sozial benachteiligter Jugendlicher (Vieregge, 2013). Für das Thema dieses Beitrags wurden ausgewählte empirische Daten einer erneuten Interpretation vor dem Hintergrund der Theorie tranformatorischer Bildungsprozesse unterzogen.

3.1 Fallbeispiel Christina

Christina ist 15 Jahre alt und formal der katholischen Kirche zugehörig. Wie die anderen Jugendlichen im Sample, ist sie in mehreren Dimensionen der Lebenslage benachteiligt: hinsichtlich der ökonomischen Lage ihrer Familie, im Blick auf die Bildung (sie besucht den Hauptschulbildungsgang einer Haupt- und Realschule) und hinsichtlich des Wohnquartiers: Sie lebt in einem sozialräumlich benachteiligten Hamburger Stadtteil.[2]

Christina besucht seit einigen Monaten fast täglich eine evangelische Kirchgemeinde in ihrem Stadtteil, einem sozialen Brennpunkt im Hamburger Osten, deren Angebot sich insbesondere an die benachteiligten Kinder und Jugendlichen im Viertel wendet. Die Gemeinde gehört zur evangelischen Landeskirche, hat aber ein evangelikales Frömmigkeitsprofil. Die Gemeinde bietet zum einen sehr basale lebensweltliche Unterstützung (z.B. tägliche warme Mahlzeiten, Hausaufgabenbetreuung, diverse sozial- und freizeitpädagogische Angebote), macht aber auch dezidiert religiöse Angebote (z.B. wöchentliche Jugendgottesdienste, regelmäßige kurze Andachten, gemeinsame Bibellektüre).

Christina ist zufällig in die Gemeinde geraten, weil ihre Freunde dort auch hingingen, wie sie sagt. Dadurch hat sich ihr soziales Kapital erweitert, und zwar sowohl im Blick auf die Quantität der Bezugspersonen als auch die Beziehungsqualität, die durch eine besondere soziale Wärme und Verlässlichkeit geprägt zu sein scheint, die Christina im familiären Umfeld in dieser Form nicht erfährt. Christina beschreibt enge und freundschaftlich wahrgenommene Beziehungen zu kirchlichen Mitarbeitenden, insbesondere auch zum Pastor, den Christina als„Kumpel“ bezeichnet. Die lebensweltliche Fragilität sozialen Kapitals sowie die Suche und Sehnsucht nach tragfähigen sozialen Bezügen ist für viele der befragten Jugendlichen ein Thema. Für die wenigsten spielt allerdings in diesem Zusammenhang die Anbindung an eine Kirchengemeinde eine Rolle.

Das Aufsuchen der kirchlichen Jugendangebote hat für Christina einen weiteren positiven Effekt: Es gibt dem Alltag Ordnung und Struktur.

 „War halt was anderes, als das, was ich vorher gemacht hab. […] Und das hat mir auch ein bisschen Spaß gebracht, weil ich saß nicht mehr so oft zu Hause rum, ich hatte was zu tun und mir war nicht mehr so oft langweilig.“

Christina nimmt auch an den dezidiert religiösen Angeboten teil und berichtet im Interview, dass sie nach einiger Zeit während eines Gottesdienstes eine spirituelle Erfahrung gemacht hat, die sich in evangelikaler Sprache als Erweckungserlebnis beschreiben ließe. Christina beschreibt einen Moment plötzlicher starker emotionaler Ergriffenheit, sie musste plötzlich „heulen“ und ihr „Herz wurde plötzlich ganz warm“.

 „Ich glaub einfach, dass Gott mir in diesem Moment gezeigt hat, dass er immer für mich da ist. Dass er in meinem Herzen so ’ne gewisse Emotion ausgelöst hat. Dass ich auch immer weiß, dass er für mich da ist, egal was ich mache, dass er für mich da ist. Und egal was ich mache, dass er mir immer verzeiht.“

Nach diesem Erlebnis setzt eine Transformation des Selbst- und Weltbildes ein, die zu einer Re-Interpretation der eigenen Biographie führt: Das spirituelle Erlebnis der Erweckung des Glaubens wird als Bekehrung bzw. Lebenswende gedeutet, welche das Leben in eine mit Hell-Dunkel- oder Oben-Unten-Kontrasten beschriebene Zeit vor und nach der Bekehrung teilt. Die Vergangenheit wird nun explizit negativ bewertet, Christina beschreibt sich rückblickend als „abgesunken“. Sie habe viel Alkohol getrunken und geraucht, ständig Partys gefeiert etc. Durch den Glauben habe sie es geschafft, ihr Leben besser in den Griff zu kriegen.

 „Weil wenn ich kein Christ wäre, dann wäre das auch wieder so, dass ich wieder bestimmt definitiv irgendwo anders abgesunken wäre. Dass ich jetzt die ganze Zeit trinken würde, wahrscheinlich so auch rauchen würde. Und was ich beides nicht tue. […] Und das hätte ich so, also zumindest mit dem Trinken, durch Jesus, wenn ich den nicht hätte, würde ich jetzt immer noch trinken.“

Durch die größere Selbstkontrolle im Alltag erweitert Christina ihre Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit auch in anderen Bereichen der Lebenswelt, was sich z.B. in besseren Schulleistungen bemerkbar macht.

Bis hierher könnte der Eindruck entstehen, dass sich der Transformationsprozess des Selbst- und Weltbildes in der Übernahme und Verinnerlichung eines von der Gemeinde offerierten evangelikalen religiösen Deutungsmusters erschöpft. Es ist aber komplexer, weil sich Christina zu diesem Prozess zusätzlich in ein reflexives Verhältnis setzt. Und an dieser Stelle ließe sich davon sprechen, dass ein Moment von Bildung als Entstehung von etwas Neuem – als etwas von Christina Selbsthervorgebrachtem – ins Spiel kommt. Konkret sucht Christina einen Weg, mit lebensweltlichen Ambivalenzen und Spannungsfeldern, die sich in diesem Veränderungsprozess ergeben, produktiv umzugehen. Die Aneignung des neuen Sozialraumes „Kirchengemeinde“ überwindet nämlich nicht die sozialräumlichen Dichotomien ihrer Lebenswelt. Christina beschreibt die Welt „der Kirche“ als einen Schonraum, der mit der harten Außenwelt ihres Stadtviertels nichts gemeinsam hat. Diese Differenzerfahrung reflektiert Christina deutlich und zugleich entwirft sie sich in beiden Sozialräumen als handlungsfähig. Das kann sie nur dadurch lösen, dass sie den Habitus jeweils anpasst.

 „Also ich sag mal so, ich führe sozusagen an sich so zwei Leben. Hier bin ich das Kirchenkind und draußen bin ich ein ganz normales Kind. Also da gebe ich nichts so preis. […] Und draußen muss ich, wenn ich halt abends wieder durch die Gegend muss, muss ich wieder auch ’ne gewisse Autorität zeigen und nicht, ja: ‚Ich bin hier Christ, hier bin ich‘.“

Auch auf der Ebene des religiösen Selbst- und Weltverständnisses zeigt sich der Versuch und zugleich die Freiheit, in zwei Handlungsräumen – bzw. in einem religiösen und säkularen Handlungsrahmen ­– handlungsfähig zu sein. So nimmt Christina zu dem eingangs im Interview geäußerten Deutungsmuster, das eigene Leben nur mit Hilfe ihres Glaubens an Gott bzw. Jesus Christus bewältigen zu können, an späterer Stelle eine reflexive Distanz ein: Auf die hypothetische Frage im Interview „Stell dir vor, die Wissenschaft könnte beweisen, dass es Gott nicht gibt. Was würde sich in deinem Leben ändern?“ antwortet Christina, dass sie dann keinesfalls in alte, negative Verhaltensmuster zurückfallen würde. Grund dafür sei, dass sie einen Lernprozess durchlaufen habe, der mit einer inneren Reifung verbunden sei.

 „Also ich würde nicht jetzt plötzlich [sagen, D.V.]: ‚Ja, es gibt kein Gott mehr, jetzt kann ich wieder saufen oder so. Würde ich alles gar nicht machen. Früher, bevor ich auch zur Kirche gegangen bin, hab ich auch ohne Gott gelebt. Also warum kann ich’s nicht? […] Jetzt hab ich’s gelernt und jetzt bin ich auch ein bisschen reifer geworden und weiß, dass ich das auch so nicht mehr machen werde.“

Die Internalisierung der religiösen Kraftquelle gibt Christina die Möglichkeit, das veränderte Verhaltensmuster, die größere Selbstkontrolle, auch in einem säkularen, religionsdistanzierten Handlungsrahmen ohne innere Widersprüche beizubehalten.

 In der Gesamtschau zeigt sich, dass für Christina Religion vor allem als „Ordnungsreligion“ interessant ist.[3] Damit ist nicht zwangsläufig eine dualistisch-abgrenzende Form von Religion gemeint, die Christina durch das Offenhalten des Widerstreits zwischen einem religiösen und säkularen Selbst- und Weltdeutungsmusters ja selbst unterläuft. Aber der Religion kommt dennoch die lebensweltlich wichtige Funktion zu, dem Alltag u.a. durch Regeln und Rituale Halt und Struktur zu geben. Das Interesse an einer das Leben und den Alltag ordnenden Funktion von Religion ist auch bei den anderen von mir befragten Jugendlichen anzutreffen, wenngleich in anderer inhaltlicher Ausformung.

Damit soll das Fallbeispiel verlassen und abschließend auf einige weitere empirische Forschungsperspektiven eingegangen werden, die sich aus meiner Studie ergeben.

3.2 Weitere empirische Forschungsperspektiven

Eine inhaltliche Forschungsperspektive, die sich unmittelbar anschließt, ist eine Untersuchung der möglicherweise unterschiedlichen religiösen „Erlösungsbedürfnisse“ der positiv bzw. negativ privilegierten Schichten/Milieus der Gegenwart.[4] Dabei wären auch verschiedene Altersgruppen und altersspezifische Veränderungen im Lebenslauf in den Blick zu nehmen: In den lebensweltlichen Deutungsmustern meiner Studie fällt auf, dass viele Jugendliche sehr selbstverständlich auf einen sozialen Aufstieg hoffen, wobei diese Hoffnungen oft in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu den tatsächlich vorhandenen sozialen, materiellen und kulturellen Ressourcen stehen bzw. die eigenen Ressourcen idealisiert werden. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied etwa zur Armutsstudie von Claudia Schulz (2008), die auf Erwachsene gerichtet ist. Als ein zentrales Ergebnis konstatiert Schulz eine Haltung der Resignation und des „sich Einrichtens“ in den Armutskontexten. Unter den Befragten zeigt sich auch kaum ein Interesse an Religion. Es wäre also im Blick auf die Daten meiner Studie möglich, dass es sich um einen altersspezifischen Optimismus handelt und durchaus denkbar, dass sich das (nicht-)religiöse Selbst- und Weltbild von Jugendlichen in der kritischen Phase des Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben (oder in die Arbeitslosigkeit) entscheidend verändert. Die ordnende Funktion von Religion könnte dann möglicherweise ihre Bedeutung verlieren. In diesem Zusammenhang wäre der Frage nachzugehen, welche Konsequenzen sich daraus für religiöse Bildungsprozesse ergeben und wie entsprechende Angebote in den verschiedenen religionspädagogischen Handlungsfeldern in lebenslaufbezogener Perspektive zu gestalten wären.

Abschließend soll noch einmal auf den Ansatz der bildungstheoretischen empirischen Biographieforschung eingegangen werden. Es lässt sich sicherlich kritisch einwenden, ob damit etwas für die Förderung von Bildungsgerechtigkeit gewonnen sei. Der Ansatz von Koller kann durchaus Gefahr laufen, selbst die strukturellen Bedingungen von Bildungsprozessen auszublenden, wobei dieser Einwand von empirischen Studien in der Tradition bildungstheoretischer Biographieforschung durchaus aufgegriffen und gesellschaftliche Machtverhältnisse mitreflektiert werden (u.a. Wischmann, 2010; Rosenberg, 2014; Rose, 2014; vgl. Wischmann, 2017, S. 106). Die empirische Analyse von Bildungsprozessen mittels eines formalen Bildungsbegriffs bietet m.E. zunächst einmal die Möglichkeit, für das eigene bildungstheoretische Vorverständnis und die damit verbundenen exkludierenden oder inkludierenden Effekte ebenso zu sensibilisieren wie für die lebenslagebezogenen Bewältigungsleistungen benachteiligter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener.

Abgesehen davon könnte eine systematische Untersuchung von biographischen Transformationsprozessen des (nicht-)religiösen Selbst- und Weltverständnisses Aufschluss darüber geben, inwiefern Möglichkeitsräume für lebenslaufbezogene religiöse Lern- oder Bildungsprozesse eröffnet und diese religionspädagogisch begleitet werden könnten (bzw. inwiefern sie sich gänzlich religionspädagogischer Verfügbarkeit entziehen). Dazu bedürfte es eines genaueren Wissens über die Auslöser, Phasen, Krisen/Abbrüche und vorläufigen Abschlüsse von biographischen Transformationsprozessen. Hierzu liegen in der bildungstheoretischen Biographieforschung bereits erste Erkenntnisse vor, die z.T. auch im oben beschriebenen Fallbeispiel wiederzuerkennen sind.[5] In diesem Zusammenhang wäre auch empirisch der Frage weiter nachzugehen, inwiefern es sinnvoll ist, Bildungsprozesse tatsächlich immer als Transformationsprozesse zu fassen oder ob nicht situationsabhängig auch Prozesse der Konsolidierung oder Stabilisierung von Selbst- und Weltverhältnissen als Bildungsprozesse gelten müssten (Keddi, 2011; vgl. Wischmann, 2017, S. 106).

Schließlich könnten in einem weiteren Analyseschritt normative, theologische und religionspädagogische Zielperspektiven religiöser Bildung[6] mit konkreten lebenslagebezogenen biographischen Erfahrungskontexten vermittelt werden und es könnte genauer Aufschluss darüber gewonnen werden, was im konkreten Einzelfall und vor dem Hintergrund konkreter sozialer Kontexte Kriterien für das „Gelingen“ religiöser Bildung im Lebenslauf wären.

Literaturverzeichnis

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Bourdieu, P. (2011). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 658, [Nachdr.].). Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Comenius-Institut (Hrsg.). (2014). Inklusive Religionslehrer_innenbildung. Module und Bausteine (Inklusion - Religion - Bildung, Bd. 2). Münster: Comenius-Institut.

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Dohmen, G. (2001). Das informelle Lernen. Die internationale Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller (BMBF publik). Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Domsgen, M. (2014). Religiöse Bildung in der Familie. In P. Schreiner & F. Schweitzer (Hrsg.), Religiöse Bildung erforschen. Empirische Befunde und Perspektiven (Eine Veröffentlichung des Comenius-Instituts, S. 52–65). Münster: Waxmann.

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Dr. Dörthe Vieregge ist Studienrätin im Hochschuldienst an der Universität Duisburg-Essen, Institut für Evangelische Theologie/Religionspädagogik und Arbeitsstelle interreligiöses Lernen (AiL).


  1. Der Theorie transformativer Bildungsprozesse liegt ein postmodernes Verständnis von Bildung zugrunde, wonach Bildungsprozesse immer kontingent und damit letztlich unvorhersehbar und unbestimmbar sind. Sie erfolgen vor allem als Reaktionen auf soziokulturelle Herausforderungen, „die mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln nicht angemessen bewältigt werden können“ (Koller 2016, S. 150). Indem Bildung somit grundsätzlich mit positiven Vorzeichen versehen wird, stellt sich die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse wiederum in die bildungstheoretische Tradition, in der ‚Bildung‘ ein normatives Konzept zur „Begründung, Zielbestimmung und Kritik pädagogischen Handelns“ darstellt (Koller 2016, S. 150).

  2. Zur mehrdimensionalen Operationalisierung der Variablen „soziale Benachteiligung“ vgl. Vieregge 2013, S. 69–70.

  3. Von Barbara Hargrove (1978) stammt die Hypothese, dass auf die sogenannte „Sinnkrise“ der Moderne unterschiedlich religiös reagiert wird. Einige erleben in den liberalisierten Gesellschaften eine Sinnkrise aufgrund des Fehlens klarer Normen. Sie fühlen sich von einer dualistisch-abgrenzenden, auf dogmatische und moralische Eindeutigkeit zielenden Ordnungsreligiosität angesprochen, die Hargrove als „integrative religion“ bezeichnet. Trotz aller religiösen Liberalisierung erleben andere Menschen weiter eine Situation der Entfremdung und entwickeln eine Affinität zu einer noch stärker entgrenzenden und befreienden Form von Religiosität, die Hargrove als „transformative religion“ bezeichnet (Nipkow, 2005, S. 217).

  4. Bienfait (2011) plädiert in diesem Zusammenhang für eine religionssoziologische Rückbesinnung auf Max Webers funktionalen und zugleich substanziell gesättigten Religionsbegriff zur Analyse der sozialstrukturellen Bedingtheit heutiger Formen von Religiosität, insbesondere von religiöser Individualisierung.

  5. U.a. nehmen Nohl, Rosenberg und Thomsen (2015) auf Basis ihrer empirischen Untersuchung die folgende Phaseneinteilung vor: Auf einen nicht-deterministischen Beginn folgen Phasen der experimentellen Erkundung, der sozialen Bewährung und Spiegelung, der Relevanzverschiebung und schließlich der sozialen Festigung sowie der Reinterpretation der Biographie. Wischmann (2010) weist auf den Umgang mit Ambivalenz- und Differenzerfahrungen als zentralem Aspekt in Bildungsprozessen sozial marginalisierter Jugendlicher hin.

  6. Aus religionspädagogischer Perspektive kann das Minimum an normativen Implikationen, das den Ansatz bildungstheoretischer Biographieforschung auszeichnet, mit Recht kritisch hinterfragt werden (u.a. Grümme, 2017, S. 152). Hier ist aber m.E. zwischen einer theoretischen und einer empirischen Perspektive zu unterscheiden.