Wenn Konfirmandenarbeit mit dem Probeabo der lokalen Tageszeitung vergleichbar ist, wie Wolfgang Ilg im vorangehenden Vortrag vorgeschlagen hat, dann lohnt es sich, kurz auf die Mechanismen zu achten, die zu einer Verstetigung führen. Vermutlich wird das Probeabo über vier Wochen und dann auch im nächsten Jahr weiter fortgeführt, wenn es in irgendeiner Hinsicht seine Relevanz erweist, indem es z.B. gegenüber Online-Nachrichten einerseits wichtige lokalpolitische Geschehnisse referiert, sprich ankündigt „was los ist“, und andererseits kommentiert. Es dürfte darüber hinaus von Belang sein, wenn die Zeitung die Kompetenz vermittelt, beim Stammtisch Einwürfe zu machen, die bei der Freundesrunde auf Resonanz stoßen. Es könnte aber auch sein, dass es nur eine Rolle spielt, dass die Leserin oder der Leser das Gefühl hat, „auf dem Laufenden“ zu sein und damit zur Community der politisch informierten Bürgerinnen und Bürger zu gehören.
Für die Mehrheit der Jugendlichen ist eine tägliche Relevanzerfahrung von Religion und Kirche eher nicht zu vermuten. Gleichwohl gibt es im Laufe der Biographie durchaus auch für die Kirchenferneren immer wieder Schnittstellen, an denen eine solche Relevanz, eine Community und durchaus auch Kompetenzerfahrung entstehen und schon in der Konfirmandenarbeit plausibel gemacht werden können. Auf diese soll nun im Folgenden näher eingegangen werden.
1 Bedenkenswertes
Zunächst jedoch noch einmal ein Blick auf den vorangehenden Vortrag: Abweichend von dem gestellten Thema „Übergänge“ ist Wolfgang Ilg sehr viel weitreichender auf die Frage eingegangen, wo es nicht nur am Anfang und Ende, sondern auch in den gesamten ein bis anderthalb Jahren der Konfirmandenarbeit Schnittstellen zu weiterem lebensbegleitendem Wirken der Gemeinde gibt. Vier angesprochene Schnittstellen geben mir besonders zu denken. Einen fünften Punkt möchte ich dabei anschließend hinzufügen und eingehender selbst verfolgen.
a.) Der Kindergottesdienst wird statistisch recht häufig in Anspruch genommen und ich ergänze: Er ist ein Gewinn! Eine erstaunlich hohe Anzahl von Befragten gibt an, in irgendeiner Weise einmal an Kindergruppen oder Kindergottesdiensten teilgenommen zu haben (rund 75% bzw. 64%, vgl. Ilg Abschnitt 1.4 zu Details). Das ist mehr als erwartet und ich ergänze gegenüber Wolfgang Ilg: Es ist auch ganz konkret inhaltlich weiterführend, denn im Blick auf die Wahrnehmung des Gottesdienstes lässt sich nachweisen, dass die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen in der Kindheit während der Konfirmandenarbeit zu einer deutlich positiveren Mitarbeitsbereitschaft, Motivation und Einschätzung gegenüber Gottesdiensten führt (vgl. Meyer, 2012, S. 266-268). Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Jungen und Mädchen mit dem Besuch von Kindergottesdiensten auch schon Varianten erlebt haben, die sie stärker angesprochen haben als es später die Erwachsenengottesdienste tun. Dieser positive Eindruck wirkt mindestens bis in die Jugend fort und verbessert die Gesamteinschätzung von gottesdienstlichen Angeboten deutlich.
b.) Wolfgang Ilg hatte festgestellt, dass die in den Gemeinden durchgeführten Versionen des Hoyaer Modells oder von KU3 bzw. KU4 im Rückblick keine positivere Rückmeldungen als andere Varianten der Konfirmandenarbeit mit sich bringen (vgl. Ilg, Abschnitt 1.5). Ich teile die von Ilg referierte Einschätzung, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass die Brückenzeit zwischen der 5. und 6. Klasse unzureichend gefüllt wird, dass durch den Unterricht in den Wohnungen der Eltern keine Bindung an Ort und Personen der Institution Kirche entsteht und ergänze bezogen auf „Gottesdienste“, dass diese thematisch in KU3/4 keine Rolle spielen und nur begrenzt mit dieser ersten Hälfte der Konfirmandenzeit verbunden sind. Dies ist alles in allem bedauerlich, sollte aber m.E. nicht dazu führen, diese besonderen Modelle aufzugeben, sondern zu verbessern und weiterzuentwickeln. Gerade die Einbindung der Eltern seit dem Hoyaer Modell ist m.E. ein gemeindepädagogisch unaufgebbarer Gewinn.
c.) Die Pflicht, während der Konfirmandenzeit eine bestimmte Zahl an Gottesdiensten besuchen zu müssen, ist im Blick auf die zukünftige Motivation betrachtet kontraproduktiv. Statistisch lässt sich zeigen, dass eine Gottesdienstpflicht während der Konfi-Zeit nicht zu vermehrten Gottesdienstbesuchen nach der Konfirmation führt (vgl. Ilg, Abschnitt 1.6). Im Gegenteil sind die Besuche von Jugendlichen nach dem 14. Lebensjahr dann überdurchschnittlich, wenn es keine Pflicht gegeben hat. Damit ist allen anderslautenden Argumenten der Boden entzogen. Besonders hohe Besuchszahlforderungen (26 oder mehr) führen darüber hinaus zu besonders geringer späterer Teilnahme, ohne dass allerdings ein korrelativer Zusammenhang von Pflichtzahlen und späterem Teilnahmeverhalten mit dem vorliegenden statistischen Material dargestellt werden könnte (zu den Details, Ilg, Abschnitt 1.6). Was lässt sich daraus folgern? Sicher kann es nicht darum gehen, dass Konfirmandinnen und Konfirmanden Sonntagsgottesdienstbesuche zukünftig vermeiden sollten. Sinnvoll scheint mir zweierlei: erstens nur konkret zu solchen Gottesdiensten einzuladen, die für die Jugendlichen etwa aufgrund besonderer Anlässe oder inhaltlicher Bezüge von hervorgehobener Relevanz und insofern ein persönlicher Gewinn sein können; zweitens zu ermöglichen, eine Vielzahl unterschiedlicher Formen wahrzunehmen, um die gottesdienstliche Vielfalt angefangen bei Taizégottesdiensten über Kirchentagsandachten bis hin zu katholischen, orthodoxen, muslimischen oder sonstigen Gottesdiensten kennenzulernen, die in der Nähe angeboten werden, um daraufhin auch Ansprechendes und weniger Ansprechendes unterscheiden zu lernen.
d.) Das Gemeindepraktikum, das etwa in der Hälfte aller Gemeinden absolviert wird, lässt sich statistisch mit einem deutlich positiveren Verhältnis zu ehrenamtlichem Engagement verbinden (vgl. Ilg, Abschnitt 1.7). Es spricht daher einiges für die Interpretation, dass Gemeindepraktika neben anderem ursächlich für höheres Ehrenamtsengagement sind. Dieser Aspekt ist gerade auch mit Blick auf spätere diakonische Ehrenämter (nicht nur von Jugendlichen) besonders hervorzuheben. Mehr noch: Deutlich wird, dass es nicht nur um „Übergänge“ der Konfirmandenarbeit gehen sollte, wie wir oben schon vermerkt haben, sondern um „Schnittstellen“, die nicht nur die folgende Jugendzeit, sondern insgesamt die weiteren Lebensabschnitte nach der Konfirmation im Auge behalten. Auch dies ist im Vortrag von Wolfgang Ilg deutlich geworden.
Die Stichworte weiterer Lebensverlauf und Schnittstellen sollen nun mit Blick auf diejenigen weiter verfolgt werden, die nicht unbedingt zu denen gehören, die später ehrenamtlich tätig werden und auch in der Kindheit bestenfalls in Einzelfällen an Angeboten wie Kindergottesdiensten teilgenommen haben.
Es geht mir also im Folgenden dezidiert um
e.) Schnittstellen für weniger kirchenaffine Konfirmandinnen und Konfirmanden.
2 Drei Schnittstellen für Kirchenferne als Chance
Drei exemplarische Punkte sollen hier aufgenommen werden, in denen je auf andere Weise bei praktisch allen Mitgliedern (und darüber hinaus) Kirche und Kirchliches wieder näher rückt.
Das erste sind die auf einen biographischen Anlass zurückgehenden Kasualien. Jede und jeder, die und der in christlichen Kontexten in Deutschland lebt, wird im Laufe ihres und seines Lebens die ein oder andere Kasualie erleben. Diese reichen von der Bestattung eines Onkels über die Trauung der Cousine bis zur Taufe eines Neffen und werden irgendwann später auch einen selbst und die eigenen Kinder betreffen. Doch auch Einschulungs- und Schulendgottesdienste können in diesem Sinne als anlassgeprägte Gottesdienste verstanden werden. Es ist also bei jedem und jeder aus der Konfirmandengruppe solch eine zukünftige Schnittstelle zu erwarten, die auch in der inhaltlichen Arbeit viel deutlicher als bisher aufgenommen werden kann.
Der zweite Punkt betrifft einen demgegenüber eher inneren Aspekt und wird vermutlich thematisch in der Konfirmandenarbeit vielerorts schon aufgenommen: Jeder Mensch kommt im Laufe seines Lebens in Krisen und denkt neu nach über Tod, über Gerechtigkeit und ganz allgemein über existentiellen Fragen des Lebens. Auch dies kann eine Schnittstelle zur christlichen Gemeinde, ihren Formen und ihren Angeboten werden.
Als dritter Punkt sind eine Vielzahl unterschiedlicher Schnittstellen zu nennen, die durch die Kirche als lokale Akteurin entstehen: Kirche ist präsent beim Dorf- oder Stadtteilfest und wirkt durch die Diakonie in weite Teile der Bevölkerung durch soziales Engagement hinein. Sie steht in der Regel im Austausch mit der Freiwilligen Feuerwehr, dem Schützenverein, zum Teil Sportverbänden und weiteren lokalen Akteuren. Was für die Kerngemeinde hier peripher erscheinen mag, ist für die Kirchenfernen oft noch bleibender Begegnungspunkt mit Pastorin, Diakon bzw. Gemeindepädagogin, aber auch mit kirchlichen Blechbläsern, dem Gemeindechor usw. bei ganz unterschiedlichen Anlässen.
An diesen in sich unterschiedlichen Punkten lassen sich Chancen auch für die konkrete inhaltliche Konzeption der Konfirmandenarbeit aufzeigen, die auch der besagten Gruppe der kirchlich weniger Affinen als relevant einleuchten können. Doch zunächst ein allgemeiner pädagogischer Einschub, um diesen anschließend in unsere Überlegungen einzubeziehen.
2.1 Als Hintergrundklärung: Die Frage der Motivation
Gerade bei Kirchenfernen besteht ein eigenes Problem darin, wie sie sich überhaupt für Angebote der Kirche motivieren lassen und im Idealfall etwas von den Möglichkeiten des Glaubens und der Kirche internalisieren. Daher sind (nicht nur) bei Anfangs- bzw. Erstbegegnungen Arrangements wichtig, die lernpsychologisch unterstützend wirken. Die amerikanischen Psychologen Wissenschaftler Edward L. Deci und Richard M. Ryan haben dazu in den achtziger Jahren die Self-Determination-Theory entwickelt, die vor allem auf drei Aspekten aufbaut, die unmittelbar mit der Erhöhung von Motivation und besagter Internalisierung zusammen hängen (vgl. Deci / Ryan, 1985). Diese drei „basic psychological needs“ fasse ich kurz und sloganartig zusammen. Als motivational förderlich ist anzusehen:
das Erleben eigener Kompetenz „Ich kann’s“;
das Erleben von Selbstbestimmtheit„Ich darf’s“;
das Erleben von sozialer Eingebundenheit „Ich gehör‘ dazu“.
Jenseits dessen, dass dies sehr knapp dargestellt ist (statt „Ich darf’s“ könnte man auch umständlicher formulieren „Ich hab’ den Freiraum“ und noch vielerlei dazu ausführen) und im Bewusstsein, dass natürlich darauf aufbauend methodische Bausteine, ansprechende Themen und Ansätze hilfreich sind, werden hier grundständig Eckpunkte markiert, die eine entscheidende Grundlage für weitere Beschäftigungen bilden (vgl. zu Deci und Ryan auch Meyer, 2012, S. 553-554). Ich führe dies nun bezogen auf die drei genannten, exemplarischen Themenbereiche durch.
2.1.1 Kasualien
Kasualien werden – wie oben dargelegt – von praktisch allen Kirchenmitgliedern hin und wieder besucht. Umso mehr überrascht, dass diese Art Gottesdienste in der Regel relativ wenig in der Konfirmandenarbeit vorkommen. Allenfalls Taufen – insbesondere von Teilnehmenden der Konfi-Gruppe – werden während der Konfi-Zeit als Anlass genutzt, diesem Kasus entsprechende Inhalte zu behandeln und eventuell Beiträge der Jugendlichen im Gottesdienst selbst aufzunehmen. Während Hochzeiten zu gruppendynamisch-altersbedingter Unruhe führen können, sind es jedoch mindestens Bestattungen, die neben den Taufen auch thematisch eine größere Rolle spielen könnten, auch bieten Einschulungsgottesdienste durchaus Möglichkeiten für Konfi-Beteiligungen.
Was lässt sich hier verbessern? Entscheidend wäre im Sinne der Self-Determination Theory (SDT) konkret den „basic needs“ zu entsprechen, also erfahrbar zu machen, dass sie in diesem Feld eigene Kompetenzen entfaltet (ich kann’s) und konkret auch später in Abläufe eingebracht werden können (ich darf’s). Das bedeutet für die Verantwortlichen, sensibel für Hilfsmöglichkeiten zu sein, wenn Jugendliche auch bei fremden Taufen helfen, bei Beerdigungen Blumen arrangieren können usw. Es sollte auch für die Zukunft deutlich werden, dass sie später bei eigenen Kasualien Lieder auswählen, Kerzen gestalten, die Auswahl von Texten mitbestimmen, Kirchenschmuck wählen können usw. All dies kann in der Konfirmandenarbeit eingebracht werden. Entscheidend ist es dabei, einerseits unterschiedlichen Begabungen entsprechend Beteiligungsoptionen zu bieten und andererseits deutlich zu machen, dass dies kein einmaliger Versuch bleiben wird, sondern sich mit konkreten Erfordernissen für spätere Bestattungen, Taufen oder eben auch Trauungen verbindet, mithin eine sinnvolle Kompetenz für die eigene Zukunft ist. Dazu gehört im Sinne recht verstandener Schnittstellen auch, dass dies bei Tauf-, Bestattungs- und Traugesprächen dann später offen thematisiert wird: „Was möchten Sie beitragen...“ und auch dann Freiraum gewährt wird, wenn durch Milieuunterschiede nicht immer der Geschmack der Pfarrerin oder des Kirchenmusikers getroffen wird. Kirchenmusikerinnen wie auch Bestatter und eventuell weitere Gemeindepfarrerinnen können in die Konfirmandenarbeit einbezogen werden, um so personale Anker zu setzen und deutlich zu machen, dass hier versierte Personen im Hintergrund stehen und zur Gemeinde gehören.
Nicht der Hinweis gegenüber Jugendlichen, dass ein Thema ihnen im weiteren Leben irgendwann einmal begegnen wird, ist an sich schon eine Grundlage für Motivation, sondern dass sie in diesem Bereich Kompetenz und Freiraum haben und haben werden und dass sie dabei nicht allein, sondern in eine Gemeinschaft eingebunden sind, die von vielfältigen Kompetenzen geprägt ist.
2.1.2 Existentielle Fragen
Der zweite Aspekt der Lebenskrisen und existentiellen Fragen betrifft sicherlich ebenso fast alle kirchennahen und -fernen Mitglieder. Bei Krisen mit sich selber und den eigenen Fragen umzugehen, kann in Grundzügen in der Konfirmandenarbeit aufgenommen werden. Konfirmandinnen und Konfirmanden können z.B. erfahren, dass es bei Gebeten nicht nur um Sätze mit einem bestimmten Aufbau und Inhalt geht, sondern, dass Beten Menschen im Leben geholfen hat; dass also die Kompetenz vor Gott zu klagen, zu danken und sich zu ihm in Beziehung zu setzen, eine Fähigkeit ist, die im weiteren Leben Bedeutung gewinnen kann.
Auch hier schlage ich die konkrete Begegnung mit Menschen und ihren entsprechenden Lebenserfahrungen vor. In Bezug auf zukünftige Schnittstellen sind solche personalen Kontakte m.E. die eindrücklichsten pädagogischen Bausteine. Die Schwierigkeit besteht hier sicherlich, geeignete Personen zu finden, die einerseits etwas zu erzählen haben und andererseits mit Jugendlichen umgehen können. Doch hier können die Konfirmandinnen und Konfirmanden selbst Vorschläge machen und zum Beispiel Verwandte mit ihren Erzählungen hinzuziehen. Auch durch diese persönliche Nähe erhalten Berichte noch einmal ein eigenes Gewicht.
Entscheidend ist es mit oder ohne Besuch von Gästen, sich in Annahme, Reibung und eventuell auch Ablehnung von Lebenserfahrungen oder Praktiken wie traditionelles Beten mit der Kompetenz auseinanderzusetzen, mit Gott oder anderen Glaubenden, also auf einer religiöseren Ebenen, über Probleme sprechen zu können. Wie dies geht, kann in einer Konfi-Einheit dann Thema sein (ich kann’s). Durch die Option zu Reibungen und Ablehnung wird deutlich, dass hier ein Freiraum besteht, nicht bestimmte Formen und Inhalte übernehmen zu müssen, sondern eine eigene Weise zu entwickeln, eventuell ganz anders mit Gott oder anderen Glaubenden zu sprechen als („früher“) üblich (ich darf’s). Damit nicht allein zu sein, ist eine Grunderfahrung von lebendiger Gemeinde (ich gehör’ dazu).
2.1.3 Lokale Schnittstellen
Schließlich begegnet Kirche im Laufe des Lebens auch Kirchenfernen in diversen lokalen Schnittstellen, die beim einem Stand der Kirche während des Dorf- oder Stadtteilfestes beginnen, über die Personalunion von Kirchenvorstehern und Schützenvorstand gehen und bis zur Diakonie mit ihren Angeboten in unterschiedlichsten Lebenslagen reichen.
In der Konfirmandenarbeit können als drittes auch Begegnungen mit Menschen aus dem öffentlichen Leben stattfinden, die für solche Verbindungen stehen (katholischer Pfarrer, Altenheimleiterin, in der Feuerwehr engagierter Kirchenvorsteher, Ortsbürgermeisterin usw.). Deutlich wird den Jugendlichen, dass all diese Personen eine Affinität gegenüber oder konkrete Verbindung zur Kirche haben und dass dies mit wiederkehrenden Ereignissen oder der Möglichkeit zum konkreten Austausch verbunden ist. Die Jugendlichen erfahren: Ich kenne diese Menschen und Institutionen und weiß, wer sie hier vor Ort sind (ich kann’s). Man hat mit ihnen gesprochen und darf sie auch selbst bei Anliegen ansprechen (ich darf’s). Und man weiß hier vor Ort Bescheid, ich kenne die Ortsbürgermeisterin, die Altenheimleiterin usw. ein wenig (ich gehör’ dazu).
3 Fazit
Die Erfahrung der Relevanz von Themen der Konfirmandenarbeit für das spätere Leben und die Erfahrung, Kompetenzen für die Zukunft erarbeitet zu haben, kann auch für weniger kirchenaffine Jugendliche einsichtig werden und so auf zukünftige Schnittstellen vorbereiten. Wenn mit dieser Erfahrung von erster Kompetenz auch die von eigenen Freiräumen und sozialer Eingebundenheit entsteht, ist die Basis für Motivation und eine spätere Internalisierung bereitet.
Entsprechend sollte Konfirmandenarbeit also deutlicher mit motivierenden Freiräumen, Kompetenz- und Sozialerfahrungen auf zukünftige Schnittstellen in der Biographie achten und sie vorbereiten. Dies geschieht auf ganz unterschiedlichen Ebenen:
schon vorgängig durch Kindergottesdienste, die erste Kompetenzen im Blick auf Gottesdienste vermitteln und statistisch auch die spätere Akzeptanz von Gottesdiensten verbessern können,
im Blick auf die Zeit danach durch das Angebot von Praktika, die sich mit einer höheren späteren Akzeptanz ehrenamtlichen Engagements verbinden,
aber auch im Blick auf die sporadischen Schnittstellen der weniger Engagierten (a) bei Kasualien, (b) während existentieller Fragen und Krisen im späteren Leben und (c) bei lokalen Veranstaltungen im weiteren dörflichen oder städtischen Umfeld von Religion und Kirche und den dort engagierten Menschen und Institutionen, mit denen hin und wieder Begegnungen wahrscheinlich sind.
Durch die mit diesen Schnittstellen in der Konfirmandenarbeit verbundenen ersten erworbenen und vielleicht schon erlebten Kompetenzen, wie einzelne Aspekte einer Kasualie mitgestalten zu können und darüber hinaus den Freiraum zu haben, in und über Krisen religiös sprechen zu können und dies auch frei auf die eigene Weise tun zu dürfen, sowie durch Kontakte zu örtlich relevanten Personen, kann die Erfahrung entstehen, dass das, was in der Konfirmandenarbeit gelernt wird, auch später Relevanz gewinnen kann und so die erlernten Kompetenzen und Freiräume Bedeutung erlangen werden, mithin, dass sich das Abo „Kirche“ weiter lohnt und auch die Kirchenfernen erfahren: ich kann’s, ich darf’s und ich gehör’ dazu.
Literaturverzeichnis
Deci, Edward L. / Ryan, Richard M. (1985). Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior (Perspectives in social psychology). New York.
Deci, Edward L. / Ryan, Richard M. (2000). Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being. In American Psychologist 55 H. 1, S. 68-78.
Meyer, Karlo (2012). Gottesdienst in der Konfirmandenarbeit. Eine triangulative Studie (Arbeiten zur Religionspädagogik, Bd. 50). Göttingen.
Dr. Karlo Meyer, Professor für Religionspädagogik, Universität des Saarlandes Saarbrücken