1 Grundlose Sorglosigkeit

In reflexartiger Regelmäßigkeit äußern sich Journalisten, Professoren und Bildungstheoretiker zur Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts, um damit einen Ethikunterricht als Pflichtfach an Schulen zu etablieren. Erstaunlicherweise bleiben diese Appelle von theologischer Seite weithin unwidersprochen. Das mag daran liegen, dass sich die Kirchen auf der Seite des geltenden Rechts sicher fühlen: Der Religionsunterricht ist verfassungsmäßig geschützt (Art. 7 Abs. 3 GG) und entspricht dem Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG). Zudem verlangt das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) vom Staat eine Neutralität in der Frage des wissenschaftlichen Zugangs zu den jeweiligen Forschungsgegenständen (Christoph, 2010, S. 514–515; Heckel, 2010, S. 381, 384, 395). Damit wird den Religionen, zumindest wenn sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, zugestanden, die Bildungsziele für den Religionsunterricht an staatlichen Schulen festzulegen (Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG).

Diese Sicherheit täuscht jedoch: Im Jahr 2007 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Ethikunterricht im Bundesland Berlin den konfessionellen Religionsunterricht zumindest in seinen Folgen praktisch eingeschränkt. Zwar hat es sich darauf konzentriert, den pflichtmäßigen Ethikunterricht als rechtskonform zu deklarieren (1 BvR 2780/06 35, 37). Dabei hat es die Glaubens- und Erziehungsfreiheit der Eltern anerkannt, aber zurückgewiesen, dass Eltern damit ihre Kinder von bestimmten Schulfächern fernhalten dürften: „Die genannten Grundrechte verleihen Schülern und ihren Eltern indes keinen Anspruch auf Gleichstellung des Unterrichtsfachs Religion mit anderen Schulfächern“ (1 BvR 2780/06 30). Faktisch aber ist damit der konfessionelle Religionsunterricht aus der Stundentafel verschwunden und wird nur noch als freiwilliger Unterricht angeboten. Indirekt hat das Gericht damit eine Konkurrenz zwischen verschiedenen Schulfächern erzeugt. Weil der Staat das Recht habe, auf eine tolerante Gesellschaft hinzuwirken (1 BvR 2780/06 41), sei die Einführung des Ethikunterrichts als Pflichtfach rechtskonform – und damit die Verdrängung des Religionsunterrichts aus der Stundentafel: „Eine zeitliche Mehrbelastung tritt bei einem freiwilligen Besuch des Zusatzfachs Religion jedoch lediglich in vergleichbarem und deshalb vernachlässigbar geringerem Maße ein wie beim Besuch eines anderen, auf freiwilliger Basis angebotenen Fachs“ (1 BvR 2780/06 31). Mit diesem Vergleich verliert der Religionsunterricht in Berlin den Status eines ordentlichen Unterrichtsfachs und wird ein freiwilliges Unterrichtsangebot. Nach Meinung des Gerichts offenbart bereits das Abmelderecht den Religionsunterricht als freiwilliges Unterrichtsfach (ebd.). Die Sorglosigkeit der Religionspädagogen, die den Appell für Ethik- und damit gegen Religionsunterricht regelmäßig stehen lassen, ist daher unbegründet.

Doch vielleicht haben Religionspädagogen auch inhaltliche Gründe, solchen Appellen nicht zu widersprechen. Zumindest wird seit Jahrzehnten aus evangelisch-theologischen Fakultäten einer Öffnung aus der konfessionellen Enge des Religionsunterrichts das Wort geredet (z.B. Otto, 1986, S. 105, 121 u.ö.; Link-Wieczorek, 2014, S. 119, 123; Schweitzer, 2008, S. 140–151). Zudem zeigt sich eine wissenschaftstheoretische Unsicherheit bezüglich der Verortung der Religionspädagogik im Konzert der Wissenschaften: Ist Religionspädagogik überhaupt eine theologische Disziplin (Brinkmann, 2016, S. 268; Käbisch, 2016, S. 313)? Könnte es daher sein, dass die evangelische Religionspädagogik letztlich in den Befürwortern des pflichtmäßigen Ethikunterrichts Partner für eine gemeinsame Sache findet? Allein aus pädagogischen Gründen wird für die Erhaltung des Klassenverbandes plädiert. Damit würden zumindest manche Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht von Lehrkräften unterrichtet, die eine andere Konfession haben als sie, was dazu führen würde, dass der Religionsunterricht entweder nicht mehr konfessionell erteilt wird oder dass konfessionelle Unterschiede religionspädagogisch keine Rolle spielen, wenn doch konfessionell unterrichtet wird.

In meinem Beitrag möchte ich die Gegenüberstellung von Ethik- und Religionsunterricht grundsätzlich in Frage stellen. Ich halte die konstruierte Konkurrenz zwischen beiden Fächern für einen Kategoriefehler. Zudem sprechen wissenschaftsethische Gründe dafür, dass Religionsunterricht nur als konfessioneller Unterricht gehalten werden darf. Denn bildungspolitische Entscheidungen haben sich am jeweiligen Bildungsgegenstand zu orientieren, der wiederum wissenschaftlich untersucht wird. Die christliche Theologie sollte sich daher im öffentlichen politischen Diskurs deutlich für die Erhaltung des konfessionellen Religionsunterrichts positionieren.

2 Wie weit tragen die Gründe für Ethikunterricht als Gegenmodell zum Religionsunterricht?

Wie oben bereits angedeutet, wird für einen Ethikunterricht als Gegenentwurf zum Religionsunterricht angeführt, er fördere die Toleranz zwischen Menschen verschiedener Religionen und Weltanschauungen und fördere somit den Frieden einer Gesellschaft. Selbst sei der Unterricht weltanschauungs- und konfessionsfrei.

Fraglich ist aber, ob der Ethikunterricht selbst ethisch ist oder evaluativ neutral bleibt. Als Wissenschaftsdisziplin beurteilt die Ethik, welche Handlungen aus moralischen Gründen anderen vorzuziehen sind, welche Handlungen also moralisch richtig oder gut sind (Habermas, 1991, S. 22; Fischer, 2017, S. 9–25). Dabei entwickelt sie auch Grundprinzipien der ethischen Entscheidungsfindung. Was soll aber nun im Ethikunterricht unterrichtet werden? Wenn die ethisch besten, guten oder richtigen[1] Grundprinzipien gelehrt werden sollen, so ist fraglich, ob damit nicht bestimmte umstrittene Weltanschauungen mit gelehrt werden müssen. Denn was das ethisch Gute oder Richtige ist, ergibt sich aus verschiedenen weltanschaulichen Perspektiven je anders. Diese Pluralität in den Weltanschauungen würde sich aber gerade nicht von umstrittenen religiösen Wirklichkeitsverständnissen unterscheiden (Härle, 2011, S. 211). Um daher weltanschauungsfrei zu sein, müsste der Ethikunterricht auch evaluativ neutral sein.

Dann aber kann er letztendlich nur die wissenschaftliche Methode lehren, wie Vorzugsgründe bestimmter Handlungen gefunden werden können – ohne dass dabei auch gelehrt wird, welche Handlungen die besten Vorzugsgründe für sich beanspruchen können. Ethik ist dann also das Unterrichtsfach einer bestimmten Methode, aber kein Fach zu den moralisch besten Handlungen. Oder anders: Ethikunterricht würde nicht selbst normativ-ethische Entscheidungen einüben, sondern eine ausschließlich metaethische Perspektive einbringen.

Nun sind die Bildungsziele, die immer wieder für die pflichtmäßige Einführung des Ethikunterrichts herangezogen werden, nicht eindeutig genug, um hier eine Entscheidung herbeizuführen. So ist Toleranz selbst kein moralischer Wert, sondern eine vor-moralische Haltung, um alle ethischen Argumente und sogar moralisch fragwürdige Praktiken scheinbar unparteiisch untersuchen zu können (Ohly, 2013, S. 84). Diese Haltung ist auch nötig, um die Vorläufigkeit eigener ethischer Urteile anzuerkennen und ggf. revidieren zu können (Ohly, 2013, S. 89). Damit unterstützt Toleranz die metaethische Untersuchung, ist aber selbst kein normativ-ethischer Wert. Im Gegenteil: Moralische Toleranz führt sogar zu moralischen Widersprüchen, weil sie etwas zulässt, was sie aus moralischen Gründen ablehnt. Wenn nun das Zulassen des moralisch Falschen moralisch richtig ist, so liegen moralische Werte miteinander in einem logischen Konflikt. Daher kann Toleranz nicht moralisch richtig sein, sondern allenfalls eine vor-moralische oder metaethische Haltung meinen.

Anders ist es mit dem Bildungsziel der Förderung des gesellschaftlichen Friedens. Hierbei handelt es sich eindeutig um ein moralisch gutes oder richtiges Ziel. Man kann dieses Ziel als eine Minimalbedingung eines gerechten Zusammenlebens verstehen, ohne dass dazu eine bestimmte Weltanschauung gebraucht wird, um zu gelten (Rawls, 1994, S. 286). Allerdings beruht diese Unterstellung auf einem bestimmten Ethik-Konzept, für das es vernünftige Einwände gibt (Sen, 2013, S. 38). Soll damit ein bestimmtes Ethik-Konzept unterrichtet werden und folglich die Pluralität von Lebensformen wieder zurückgenommen werden, die doch gerade den Anlass für Ethikunterricht als Gegenprogramm zum Religionsunterricht gibt?

Das Problem wiederholt sich aber auch, wenn aus Achtung vor der Pluralität der Lebensformen alle möglichen Ethik-Konzepte normativ-ethisch unterrichtet werden, also nicht nur als Ethik-Kunde unterschiedlicher Entwürfe, sondern in normativer Absicht, die Richtigkeit aller Konzepte zu unterstellen. Ein solches Konzept wäre liberalistisch und damit selbst weltanschaulich gebunden und sogar exkludierend. Es führt nämlich dazu, alle alternativen Ethik-Konzepte auszuschließen, deren Werte mit einem liberalistischen Relativismus nicht vereinbar sind (Nasr, 1997, S. 53). Ein solcher unterrichteter Liberalismus stellt sich damit dialektisch als Absolutismus heraus, der zudem eine umstrittene Weltanschauung vertritt, wonach es keine absoluten Werte und keine eindeutige Wahrheit gibt.

Schließlich ist auch fraglich, wie sich der metaethisch interpretierbare Toleranzbegriff mit dem normativ-ethischen Friedensziel vermitteln lässt. Kurz gefragt: Dient Toleranz dem Frieden? Oder befördert umgekehrt Frieden die Toleranz? Gerade wenn sich beide Begriffe auf unterschiedlichen Ebenen der Ethik befinden – der Metaethik und der normativen Ethik –, ist unklar, ob sie überhaupt in dieselbe Richtung zielen. Toleranz ist als wissenschaftliche Haltung Bedingung für eine faire geistige Auseinandersetzung. Als gesellschaftliche Haltung ist Toleranz ein stets graduelles Austarieren, inwieweit sich das moralisch Falsche gesellschaftlich integrieren lässt (Fischer, 1998, S. 118–157). Damit erzeugt Toleranz selbst Konfliktfelder, die den gesellschaftlichen Frieden gefährden können. Gerade weil beide Begriffe nicht auf derselben ethischen Ebene verhandelt werden, können sie sich nur mittelbar förderlich oder störend aufeinander auswirken, also begrifflich zufällig jeweils so oder so. Damit liegen hier zwei Bildungsziele vor, die logisch unabhängig sind und damit eine Operationalisierbarkeit ausschließen, wann sie erfüllt sind. Zumal unter der Perspektive der Kompetenzorientierung könnte also ein Schüler eine tolerante Haltung entwickelt haben, die jedoch auf das Klima der Lerngruppe mittelbar eine belastende Wirkung ausübt. Umgekehrt könnte eine Schülerin friedensförderliche Handlungen vollziehen, die aber mit ihrer intoleranten Haltung gegenüber bestimmten Verhaltensweisen von Lehrern und Mitschülern korrelieren. Beide Schüler könnten in ihrem Verhalten jedoch den gesellschaftlichen Frieden stärker beeinflussen als Schüler, die sie beide in beiden Kompetenzen übertreffen. Wie wären dann die Kompetenzen miteinander ins Verhältnis zu setzen?

Nehmen wir also an, Rüdiger hat eine tolerante Haltung zur Meinung aller seiner Mitschüler, verstrickt sie aber dadurch in permanente Diskussionen über ethische Werte. Er kann tolerieren, dass ethische Diskurse nie zum Ende finden, was nur bei ihm dazu führt, dass er sie immer wieder von neuem eröffnet und weiterführt. Silvia wiederum hält Nächstenliebe und das Eintreten für Schwache für so zentral, dass sie Diskurse unterbinden will, wenn dadurch schwächere Schüler dem Diskurs von Rüdiger unterliegen könnten. Silvia will dem Frieden dienen, aber zum Preis erhöhter Intoleranz. Heinrich und Charlotte wiederum haben beide Kompetenzen besser realisiert als Rüdiger und Silvia: Dabei äußert sich Heinrich zurückhaltend und ausgleichend; er bleibt sachlich und kann auch Gegenpositionen gelten lassen. Charlotte wiederum appelliert zu einem toleranten Umgang aller Mitschüler zueinander, tritt aber ebenso vehement wie Silvia für Nächstenliebe ein.

Es könnte sich nun herausstellen, dass Heinrichs Verhalten unauffällig und ohne größere soziale Resonanz ist. Charlottes Einfluss auf die gesellschaftliche Situation wäre dagegen diffus: Sie würde zugleich starke Werte vertreten, wie sie umgekehrt Werte toleriert, die ihre Werte nivellieren. Das Verhalten Rüdigers und Silvias wäre dagegen geradlinig und eindeutig. Ihr Einfluss auf eine friedliche Gesellschaft könnte bei aller Gegensätzlichkeit größer sein als das Verhalten von Heinrich und Charlotte.

Es könnte! Es muss aber nicht so sein. Die Kompetenzen könnten sich auch anders auswirken. Das liegt eben daran, dass vor-moralische Toleranz und normative Friedensförderlichkeit auf unterschiedlichen ethischen Stufen liegen und sich nicht unmittelbar aufeinander auswirken. Die zu erwerbenden Kompetenzen können sich zufällig befördern wie sie sich umgekehrt auch zufällig neutralisieren können. Damit stellt sich jedoch die Frage, wofür die Kompetenzen eigentlich stehen und wie sie zu gewichten sind.

Aus Gründen fachlicher Eindeutigkeit als auch der Operationalisierbarkeit der Bildungsziele und der Kompetenzerweiterungen von Schülerinnen und Schülern ist daher zu fordern, dass sich der Ethikunterricht entscheidet: Ist er ein Unterricht der Metaethik oder der normativen Ethik und – wenn letztere – welcher Ethik? Weiter: Widerspricht es nicht der Weltanschauungsneutralität des Staates, wenn bestimmte Ethik-Konzeptionen anderen vorgezogen werden? Oder, wenn das nicht der Fall sein soll, aber eine minimale Weltanschauungsgebundenheit zulässig ist, um das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft zu sichern: Erfüllen nicht bereits Schulfächer mit staatsbürgerkundlichen Elementen das Kriterium der Minimalgerechtigkeit, die zudem nicht moralisch, sondern politisch zu etablieren ist (Rawls, 1994, S. 257; Forst, 2004, S. 582–583)? Man kann einräumen, dass der Staat aus Interesse am friedlichen Zusammenleben seiner Einwohner einen Schulunterricht etabliert, der die Grundregeln dieses Zusammenlebens unterrichtet. Aber diese Aufgabe übernimmt dann der Politik-Unterricht und nicht der Ethikunterricht. Ethikunterricht als staatlich motiviertes Fach zur Förderung gesellschaftlichen Zusammenlebens ist dann eine Dublette im Fächerkanon.

3 Die unsinnige Gegenüberstellung zweier inkommensurabler Fächer

Man spricht von einem Kategoriefehler, wenn zwei Gegenstände oder Begriffe miteinander verglichen werden, die sich auf unterschiedlichen logischen Ebenen befinden. So ist es mit dem Spruch: „Nachts ist es kälter als draußen.“ Die beiden zum Vergleich eingeholten Begriffe unterliegen verschiedenen Kategorien (nachts: der Zeit; draußen: des Ortes), so dass sie sich nicht vergleichen lassen. Ebenso ist es mit dem Satz: „Eintracht Frankfurt spielt besser als die Bundesliga.“ Hier wird ein logisches Element einer Menge (Eintracht Frankfurt) mit der Menge selbst (Bundesliga) verglichen, zu der das Element gehört. Genau derselbe Fehler liegt vor, wenn Ethik- mit Religionsunterricht als Alternative dargestellt wird.

            Ethik ist nämlich auch eine Unterdisziplin der Theologie. Zwar gibt es auch nicht-christliche und nicht-theologische Ethiken; dennoch liegen Ethik und Religion nicht auf derselben kategorialen Ebene, weil in der christlich-religiösen Praxis auch Ethik betrieben wird. Wer also fordert: „Ethik statt Religion“, begeht einen Kategoriefehler, weil Religion auch Ethik als Element enthält, aber umfassender als Ethik ist. In diesem Fall wird also logisch ein Element einer Menge mit der Menge verglichen, zu der es gehört. Das wäre nur anders, wenn man mit seiner Forderung „Ethik statt Religion“ die christliche Ethik ausdrücklich ausschließen will. Das widerspricht aber dem weltanschauungsfreien Anspruch der Ethik.

            Zudem ist Ethik eine Wissenschaftsdisziplin, Religion aber eine Lebensform. Zwar gehört zur christlichen Religion, dass sie auch Theologie als Wissenschaft betreibt. Dennoch muss man nicht Theologe sein, wenn man Christ ist. Im weitesten Sinn kann man zwar auch eine Wissenschaft als Lebensform betreiben. Eine Wissenschaftsdisziplin ist aber durch die jeweiligen Sachkriterien definiert, während eine Lebensform durch die Menschen bestimmt wird, die in ihr leben. Eine Wissenschaftsdisziplin mit einer Lebensform zu vergleichen, ist daher ebenfalls ein Kategoriefehler. Sie sind nicht im Hinblick auf etwas gemeinsames Drittes vergleichbar.

            Man könnte natürlich einwenden, dass der persönliche Geschmack dieses Dritte ist, woraufhin beide sich doch vergleichen ließen. So kann man etwa sagen: „Die Kälte nachts finde ich unangenehmer als die Kälte draußen.“ Man meint dann, dass es für das persönliche Kälteempfinden relativ unerheblich ist, ob man sich drin oder draußen befindet, im Vergleich dazu, ob es Tag ist oder Nacht. Genauso könnte man nun sagen: „Ich finde Ethikunterricht besser als Religionsunterricht.“ Maßstab dieses Vergleichs ist dann allein das persönliche Empfinden und kein sachlicher Zusammenhang zwischen Religions- und Ethikunterricht. Hinter dem Vergleich würden also keine rationalen Vergleichskriterien stehen. Nun kann es sein, dass politische Entscheidungen tatsächlich allein auf der Willkür der Entscheidungsträger beruhen. Das würde dann aber nichts daran ändern, dass die Bevorzugung des Ethik- vor dem Religionsunterricht durch irrationale Beweggründe geleitet ist. Diese irrationalen Beweggründe würden zugleich der erwähnten inhaltlichen Zielbestimmung des Ethikunterrichts widersprechen, nämlich Toleranz gegenüber konkurrierenden Positionen oder Frieden zwischen ihnen einzuüben.

            Aber könnte man nicht einfach darin den Vergleichspunkt finden, dass man sowohl den Ethik- als auch den Religionsunterricht als Schulfächer miteinander vergleicht? Dann wäre Ethik also deshalb besser, einfach weil es das bessere Schulfach wäre. In diesem Vorschlag steckt allerdings ein logischer Zirkelschluss: Es wird vorausgesetzt, was gezeigt werden soll, nämlich dass der Ethik- dem Religionsunterricht vorzuziehen ist. Folgende Rückfragen legen sich nun nahe:

Warum ist Ethik das bessere Schulfach? Die Antwort wird wieder dorthin zurückführen, wo die Diskussion entfacht worden ist, nämlich zum Vergleich des Unvergleichbaren (Kategoriefehler) oder zur Sache des persönlichen Geschmacks.

Warum wird Ethik nur mit dem Religionsunterricht verglichen? Da ohnehin bislang nur willkürliche Kriterien den Vergleich geleitet haben, könnte man das Fach Ethik ebenso willkürlich mit jedem anderen Schulfach vergleichen.

Oder ist etwa der Wahrheitsbegriff leitend? Wird also unterstellt, im Ethikunterricht würden Schüler mehr Wahres erfahren als in anderen Fächern (oder zumindest als im Religionsunterricht)? Aber welche Kriterien werden hierfür angeführt? Ein neuer Kategoriefehler droht, nämlich die quantitative Bestimmung von Wahrheit. Aussagen sind nicht mehr oder weniger wahr, sondern immer eindeutig wahr oder falsch. Woran soll nun die Behauptung bemessen werden, im Ethikunterricht würden Schüler mehr Wahres erfahren als im Religionsunterricht?

Ich halte mich noch ein wenig am letzten Punkt auf: Die bloße quantitative Häufigkeit wahrer Aussagen kann kein Kriterium guter Wissenschaft oder Bildung sein, ohne dass es zu absurden Konsequenzen kommen kann. Man kann nämlich sonst aus nur einer wahren Aussage unendlich viele wahre Aussagen folgern. Nehmen wir den tautologischen Satz: „Wenn es Christen gibt, gibt es Christen.“ Als Tautologie ist dieser Satz logisch unantastbar wahr. Daraus kann man folgern: „Wenn es Christen gibt, gibt es Christen, oder es gibt Christen.“ Auch den letzten Satz könnte man erweitern: „Wenn es Christen gibt, gibt es Christen, oder es gibt Christen oder es gibt Christen.“ Man kann also den Satz unendlich oft mit „oder es gibt Christen“ erweitern, was zu unendlich wahren Sätzen führt. Jedes Schulfach könnte allein auf diese Weise quantitativ mit allen anderen Schulfächern mithalten.

Aber schließen wir solche logischen Raffinessen aus, so unterstellt die Behauptung quantitativer Unterlegenheit wahrer Aussagen im Religionsunterricht, dass es oberhalb der Wissenschaftsdisziplinen einen Entscheidungsträger gibt, der die Wahrheit von Aussagen aller Wissenschaften miteinander epistemisch vergleichen kann. Tatsächlich aber wird eine Wissenschaft von ihrem Forschungsgegenstand bestimmt und beschreibt ihre Wissenschaftskriterien daher selbst. Es kann also keinen Entscheidungsträger oberhalb der Einzeldisziplinen und schon gar keinen staatlichen Entscheidungsträger geben, der die Wissenschaftlichkeit einer Disziplin bestimmt. Diese Autonomie folgt aus der verfassungsmäßig geschützten Wissenschaftsfreiheit (Christoph, 2010, S. 512, 514). So wird zwar von einer Wissenschaft zu Recht gefordert, dass auch Außenstehende, die diese Wissenschaft nicht betreiben, deren Hypothesen und Beweise nachvollziehen können. Dazu müssen sie sich aber an die jeweiligen internen Wissenschaftskriterien halten. Die Willkür einer Pseudo-Wissenschaft wird dadurch abgewehrt, dass sich die Wissenschaftskriterien einer Disziplin im interdisziplinären Diskurs bewähren. Darin steckt ein hermeneutischer Zirkel, aber auch eine reziproke Herausforderung aller Wissenschaften. Der Diskurs um angemessene Wissenschaftskriterien muss also mit der Theologie geführt werden, und zwar von allen Seiten aus: Die Kriterien der Wissenschaftlichkeit müssen sowohl von der Theologie transparent und plausibel gemacht werden ebenso wie die Kriterien aller Wissenschaften, die am universitären Wissenschaftsdiskurs partizipieren und mit der Theologie über wissenschaftliche Kriterien streiten.

Nun gibt es durchaus ernsthafte Anfragen an die Wissenschaftlichkeit einer säkularen Ethik. Es besteht weder eine Einigkeit über die methodische Vollständigkeit ethischer Schlussbildungen (Ohly, 2016, S. 41–63) noch darüber, dass die Ethik zwingender Voraussetzungen überhaupt bedarf. Weitgehend wird unter Ethikern die Meinung vertreten, dass der Anfangspunkt der ethischen Urteilsbildung nicht selbst ethisch entschieden werden könne. Um metaphysischen Voraussetzungen zu entkommen, verzichtet man auf Letztbegründungen und folgert daraus, dass Ethik einfach unbegründet anfange oder, im besseren Fall, dass sich die unbegründeten Bedingungen im Fortgang rückwirkend bewähren (Birnbacher, 1991, S. 25; Nussbaum, 1999, S. 48, 189; Patzig, 1983, S. 165; Ritschl, 1991, S. 85–86;  Singer, 1994, S. 24). Die säkulare Ethik hat also gegenüber der Theologie oder auch der Theologischen Ethik nicht den Vorzug, wissenschaftlich fester im Sattel zu sitzen. Zu meinen, der Ethikunterricht solle deshalb das Fach Religion ersetzen, weil er angeblich wissenschaftlicher sei, beruht daher auf einem unwissenschaftlichen Vorurteil oder privilegiert eine bestimmte Disziplin im wissenschaftstheoretischen Diskurs, ohne dass dafür derzeit eine hinreichende Basis für eine methodisch vollständige wissenschaftliche Grundlegung der Ethik zur Verfügung steht.

Zusammengefasst ist die Gegenüberstellung zwischen dem Ethik- und Religionsunterricht unter allen untersuchten Gesichtspunkten unplausibel: Die Alternative begeht logische Fehler und stellt falsche wissenschaftstheoretische Annahmen auf. Völlig zweifelhaft ist daher, eine schulorganisatorische Entscheidung auf eine theoretische Ebene zu schieben. Es mag ja sein, dass es sinnvoll ist, Schülern auf der Stundenleiste ein alternatives Unterrichtsangebot zu unterbreiten, die vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet sind. Und es mag noch angehen, dass Ethik ein solches Alternativangebot ist – auch wenn es zu bedauern ist, dass von diesem Fach dann automatisch Schüler ausgeschlossen sind, die zeitgleich am Religionsunterricht teilnehmen. Wer aus der alternativen Besetzung zweier Schulfächer auf derselben Stundenleiste folgert, sie seien auch theoretisch auf derselben Ebene vergleichbar, folgt auf naive Weise einer schulpolitischen Entscheidung und verkehrt damit Erklärungsrichtungen. Die Fächeralternative Ethik/Religion muss sich logisch und wissenschaftstheoretisch rechtfertigen lassen, oder sie ist falsch. Die hier angeführten Gründe sprechen für die zweite Option.

Man kann daher dafür sein, dass beide Fächer gleichberechtigt auf der Stundentafel erscheinen und auch beide von denselben Schülern besucht werden können. Sie sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es ist zwar bildungspolitisch verständlich, dass sich angesichts überfüllter Lehrpläne und eines weiten Kompetenzspektrums neue Schulfächer leichter etablieren lassen, wenn dafür Lehrpläne „entrümpelt“ werden und auch andere Fächer ihnen weichen. Es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch universitätspolitische Motive in diese Bewegung hineinspielen, weil Lehrstühle und Institute davon abhängen, dass Ethik ein ordentliches Schulfach wird. Vertreter der Alternative Religion/Ethik tun sich aber keinen Gefallen, wenn sie ihre Position mit Kategoriefehlern und wissenschaftstheoretisch unterkomplexen Begründungen belegen. Vielmehr sollten der bildungspolitische und der schulorganisatorische Aspekt voneinander unabhängig geschärft werden – so dass beide Fächer gut begründet sind, aber als Epochalfächer angeboten werden könnten: Dazu muss ja auch kein Wissenschaftler, Bildungspolitiker oder -theoretiker annehmen, dass der Biologieunterricht ein bisschen Erdkunde sei, nur besser.

4 Zur Rechtfertigung des konfessionellen Religionsunterrichts

Die folgenden Bemerkungen beziehen wissenschaftstheoretische und -ethische Erwägungen zur Frage nach der Legitimation des konfessionellen Religionsunterrichts ein. Diese Perspektive darf nicht vernachlässigt werden, weil die Unterscheidung von Schulfächern nach der Gegenstandsorientierung bestimmt wird, die die Wissenschaften vornehmen. Obwohl der Staat Wissenschaftsfreiheit gewährt und daher die wissenschaftlichen Methoden nicht selbst definiert, wird in der Schule nur unterrichtet, was wissenschaftlichen Kriterien genügt.

Religionen vertreten einen Wahrheitsanspruch, der sich vom Wahrheitsanspruch anderer Religionen unterscheidet. Worauf diese Differenz beruht, ist nicht vollständig feststellbar außer über kontingente Perspektiven, die entweder außerhalb der Religionen liegen oder die Perspektive einer bestimmten Religion voraussetzen. Im zweiten Fall wird mit der Begründung für die Differenz ebenfalls ein religiöser Wahrheitsanspruch verbunden. Dagegen setzt die erste Perspektive zwar einen Wahrheitsanspruch für die Perspektive der Begründung dieser Differenz voraus, ohne dass dieser jedoch ein religiöser Wahrheitsanspruch ist. Eine solche Perspektive untersucht also auf nicht-religiöse Weise die religiösen Wahrheitsansprüche, die sie betrachtet.

Folglich betrachtet auch überkonfessioneller Religionsunterricht Religion auf nicht-religiöse Weise. Er ist in einem Gedankenexperiment einem Unterricht „Mathematikkunde“ zu vergleichen, der mathematischen Zusammenhänge nicht auf mathematische Weise lehrt, sondern etwa auf wissenschaftshistorische, linguistische, soziologische oder vielleicht wissenschaftstheoretische Weise. Es wäre ein Unterricht, in dem Mathematik zwar thematisiert wird, ohne allerdings dabei zu rechnen oder mathematische Verfahren anzuwenden. – Das wäre nur anders, wenn der überkonfessionelle Religionsunterricht sich selbst als Religion versteht, wenn er also den Wahrheitsanspruch erhebt, eine überkonfessionelle Religion zu sein. In diesem Fall mutiert er selbst zum konfessionellen Religionsunterricht einer Universalreligion.

Wenn also ein konfessionsübergreifender Religionsunterricht das Thema „Gott“ verhandelt, so muss er entweder so tun, dass die Phänomene, die in unterschiedlichen Religionen unter diesem Namen verhandelt werden, gleich sind. Damit würde er sich aber in Gegensatz stellen zu den betreffenden Religionen, die Gott sowohl unterschiedliche Eigenschaften beilegen als auch verschiedene Handlungen oder Ereignisse mit Gott verbinden. Um seine These zu belegen, dass alle diese verschiedenen Phänomene dennoch auf denselben Unterrichtsgegenstand verweisen, müsste dieser Unterricht ein Kriterium anbieten – z.B. ähnliche Situationen, in denen Menschen Gott erfahren (Gebet, Meditation, Rettung aus einer Not, Rituale). Daraus könnte dieser Unterricht also zweierlei Bildungsziele ableiten:

Entweder werden diese Situationen zum Unterrichtsgegenstand, um die bloße Ähnlichkeit des Gottesbegriffs (nicht Gottes!) in allen Religionen zu erweisen. Zum Vergleich: In einem Unterrichtsfach „Mathematikkunde“ würden Schülerinnen und Schüler auf die Situation aufmerksam gemacht, wie Mathematiker am Schreibtisch sitzen, um ihre Beweise zu finden. Die Situation des Schreibtisches ist dabei eine Situation des mathematischen Denkens, ohne jedoch selbst ein mathematischer Gegenstand zu sein. Analog dazu wäre ein überkonfessioneller Religionsunterricht dieser Art ein nicht-religiöses Verhandeln religiöser Situationen.

Oder mit dem Aufweis der Ähnlichkeit „Gottes“ in allen Religionen wird selbst ein religiöser Wahrheitsanspruch geltend gemacht. In diesem Fall nimmt dieser Unterricht selbst eine religiöse Perspektive ein, die sich aber von den Perspektiven derjenigen Religionen unterscheidet, die er verhandelt. Damit bricht der Anspruch in sich zusammen, einen überkonfessionellen Religionsunterricht anzubieten.

Kurz: Der Anspruch des überkonfessionellen Religionsunterrichts ist also entweder eine nicht-religiöse und damit fachfremde Beschäftigung mit Religion oder eine ideologische Verschleierung konfessionell-religiöser Wahrheitsansprüche. Nun kann es ein interessanter Forschungs- und auch Unterrichtsgegenstand sein, sich fachfremd mit religiösen Wahrheitsansprüchen zu beschäftigen – etwa wie wenn man im Geschichtsunterricht die Reformation behandelt. Man lässt allerdings dabei die Wahrheitsansprüche von Religionen außer Acht.

Soll Schule grundsätzlich religiöse Wahrheitsansprüche ignorieren, indem sie kein eigenes dafür Fach anbietet, werden diese offenbar für irrelevant gehalten, oder man denkt, sie seien gegenüber den Wahrheitsansprüchen anderer Unterrichtsfächern zu vernachlässigen. Das ist aber eine bildungsethisch relevante Entscheidung, die direkt an die wissenschaftsethische Frage anschließt, welche Berechtigung die Theologie an der Universität hat oder welcher öffentliche Raum der theologischen Reflexion gewährt werden soll. Hinter solchen Entscheidungen mögen zwar selbst Wahrheitsansprüche zu religiösen Sachverhalten stehen; dennoch bedürfte es bereits einer theologischen Reflexion, um sie zum Maßstab der Entscheidungen zu machen – was ein performativer Widerspruch wäre: Man müsste Theologie betreiben, um zu zeigen, dass sie irrelevant ist.[2] Dann wäre aber auch diese Demonstration der Irrelevanz irrelevant. Folglich können letztendlich für die Abschaffung der religiösen Beschäftigung mit Religion im Schulunterricht nur nicht-religiöse, also fachfremde Gründe sprechen. Anders gesagt: Die Abschaffung des Religionsunterrichts hat keine religions-fachlichen Gründe. Sie geht einem wissenschaftlichen Gegenstand aus dem Weg, ohne die geeigneten wissenschaftlichen Gründe dafür heranzuziehen.

Nehmen wir also an, eine Regierung wolle aus soziologischen oder politikwissenschaftlichen Gründen den Religionsunterricht abschaffen. Sie begründet diesen Schritt damit, dass religiöse Menschen intoleranter seien als nicht-religiöse Menschen und dass Religion eine Keimzelle der Intoleranz sei. Sie bleibt dabei den Beweis schuldig, dass die angebliche Intoleranz der Religion auf dem Gegenstand des Religionsunterrichts beruht. Oder sie maßt sich an, diesen Gegenstand adäquater zu erfassen als die dafür vorgesehene Wissenschaftsdisziplin der Theologie. Im ersten Fall verfehlt sie den Gegenstand, um zu belegen, was sie behauptet. Im zweiten Fall bricht sie mit der Wissenschaftsfreiheit, indem sie behauptet, ihre Behauptung gründe auf einer Untersuchung des Gegenstandes, den sie aber nicht-theologisch erfasst. In beiden Fällen wird in zirkulärer Weise der Methode Priorität vor dem Untersuchungsgegenstand gegeben.

Konfessioneller Religionsunterricht wiederum hat seine Berechtigung nur dann, wenn er die Wahrheitsansprüche seiner Konfession verhandelt und Modelle der Wahrheitsüberprüfung bereitstellt, die der Konfession entsprechen. Oder anders: Religionsunterricht behandelt Inhalte, die wahr oder falsch sein können, und untersucht sie auf ihre Wahrheit – oder er ist kein Religionsunterricht. Diese Orientierung an den Wissenschaftsbezug des Religionsunterrichts kann das staatliche Schulbildungssystem verpflichtend machen. Dabei stellt aber nicht der Staat, sondern die Theologie die Verfahren zur Wahrheitsprüfung bereit. Und ebenso wie Theologien in Konfessionen unterschieden sind, muss dann auch der Religionsunterricht konfessionell sein, also von einer Lehrkraft unterrichtet werden, die aus der Perspektive dieser Konfession Religion unterrichtet.[3] Das schließt nicht aus, dass Schüler am Unterricht teilnehmen, die einer anderen oder keiner Konfession angehören. Nicht das Bekenntnis entscheidet über die Teilnahme, sondern die Lehr-Perspektive auf den Unterrichtsgegenstand. Die Schüler, die an diesem Unterricht teilnehmen, müssen dabei bereit sein, dieser Lehr-Perspektive zu folgen, und dürfen daher umgekehrt nicht dazu verpflichtet werden. Diese positive und negative Freiheit würden sie dagegen in einem sogenannten überkonfessionellen Religionsunterricht verlieren.

Natürlich sind die Prüfverfahren an die jeweilige entwicklungspsychologische Situation anzupassen. Eine richtige Darstellung christlicher Quellen und Medien (z.B. gottesdienstliche Vollzüge) kann am Anfang stehen ebenso wie die christlichen Grundlagen des In-der-Welt-seins. Im Laufe der weiteren Lernentwicklung werden aber nicht nur die Inhalte, sondern auch ihr Entwicklungsprozess und damit die Reflexivität des Glaubens zum Bildungsziel des Religionsunterrichts. Zudem kann sich der Religionsunterricht zusätzlich auch andere Ziele setzen als nur die Wahrheit des christlichen Glaubens zu überprüfen, etwa christliche Traditionen zu vermitteln. Dennoch sind diese weiteren Bildungsziele abhängig davon, dass auch Verfahren der Wahrheitsprüfung angewendet werden.

Einen Einwand möchte ich an dieser Stelle diskutieren: Oben habe ich behauptet, dass man mit nicht-theologischen Mitteln den Untersuchungsgegenstand der Religion nicht erfassen kann, weil dann die Verfahren über den Gegenstand gestellt werden. Trifft dieses Argument dann nicht auch auf einen konfessionellen Religionsunterricht zu, der sich an seinen Prüfverfahren ausweist? Darauf ist zu antworten, dass sich der konfessionelle Religionsunterricht auch am Gegenstand ausweist. Zudem wird der Gegenstand nicht nur über diese Verfahren erfasst. Vielmehr wird er in seinen von der betreffenden Religion erhobenen Wahrheitsansprüchen wahrgenommen, die selbst noch kein wissenschaftliches Verfahren voraussetzen. Eine soziologische Betrachtung mag zwar auch die religiösen Wahrheitsansprüche in den Blick nehmen, orientiert sich bei ihrer Prüfung dagegen nicht am Gegenstand – dann wäre sie selbst theologisch –, sondern an der Wahrhaftigkeit oder Unwahrhaftigkeit der religiösen Rede. Wahrhaftigkeit und Wahrheit sind aber neben der moralischen Richtigkeit verschiedene Geltungsansprüche derselben Aussagen (Habermas, 1988, S. 412). Die Gegenstandsorientierung liegt dabei nur in den Wahrheitsansprüchen und in der Überprüfung ihrer Geltung vor.

Nun gehören zu den Prüfverfahren der Theologie etliche Methoden, die sich nicht genuin der Theologie verdanken. Hierzu gehören etwa die Methoden der historisch-kritischen Einordnung biblischer oder christentumsgeschichtlicher Texte, die soziologischen Verfahren der Praktischen Theologie sowie die logischen Gesetze. Dass sie zur Entfaltung kommen, verdankt sich aber ihrem Bewährtsein im interdisziplinären Diskurs und in ihrer theologischen Rechtfertigung. Für letztere ist entscheidend, dass solche Verfahren in der Theologie anerkannt werden. Es muss kein einziges Verfahren ein originär theologisches sein, solange die Theologie ihre Verfahren als sachadäquat anerkennt. Die Sachorientierung der Verfahren bewährt sich in den theologischen Gehalten, die sich mit ihrer Hilfe ermitteln lassen. So ist das reformatorische Schriftprinzip („sola scriptura“) auch kein theologisch letztbegründetes Verfahren, sondern lässt sich mit Methoden der Referenztheorie (Schwöbel, 2011, S. 15) und pragmatisch als Prinzip der Abwehr autoritärer Lehrentscheidungen begründen. Dass darüber hinaus Verfahren der eschatologischen Verifikation Menschen nicht zur Verfügung stehen (Dalferth, 1981, S. 702), hat zwar Konsequenzen für den theologischen Wissenschaftsbetrieb, ist aber gerade kein theologisches Prüfverfahren. Dass sich Theologen im Nachweis mancher (!) christlicher Wahrheitsansprüche enthalten, stellt den Wissenschaftsanspruch der Theologie noch nicht in Frage. Auch andere, insbesondere die experimentellen Wissenschaften sind für den Nachweis mancher ihrer Hypothesen auf Verfahren angewiesen, die ihnen noch nicht zur Verfügung stehen. Die Hypothese einer eschatologischen Verifikation ist im Vergleich dazu ebenso bestimmt wie die Hypothesen derjenigen Wissenschaften, die angeben können, was der Fall wäre, wenn ihnen ein noch fehlendes Prüfverfahren zur Verfügung stünde.

5 Der überkonfessionelle Religionsunterricht als Ziel

Auch wenn ich in diesem Beitrag für einen konfessionellen Religionsunterricht eintrete, sehe ich in einem überkonfessionellen Religionsunterricht einen möglichen Ertrag wissenschaftlicher Theologie. Wohlgemerkt handelt es sich um einen Ertrag, der nicht durch bildungspolitische Entscheidungen vorschnell übersprungen werden darf. Damit Religion als überkonfessionelles Unterrichtsfach sachgemäß etabliert werden kann, muss abschließend geklärt sein, ob alle Religionen dasselbe Gegenstandsfeld aus ihren Theologien bestimmen können oder ob sie analog zu verschiedenen Unterdisziplinen jeweils Teilbereiche desselben Gegenstandsfelds abdecken. So könnte sich etwa herausstellen, dass sich Christentum und Islam zu Teildisziplinen entwickeln wie etwa Stochastik und Lineare Algebra in der Mathematik. In diesem Fall ist ein überkonfessioneller Religionsunterricht gerechtfertigt, weil sich die verschiedenen Wahrheitsansprüche nicht gegeneinander richten. Vielmehr bedürfte es sowohl muslimisch- wie christlich-theologischer Verfahren, um das gesamte Gegenstandsfeld der Religion zu überprüfen.

Stellen dagegen alle Religionen ein gemeinsames Gegenstandsfeld fest, so ist erst dann auch ein gemeinsamer Religionsunterricht gerechtfertigt, wenn auch die Prüfverfahren in allen Religionen als die gemeinsamen akzeptiert sind. Ansonsten würden Religionen fachfremd behandelt, indem sie jeweils mit den Prüfverfahren einer herrschenden Religion überprüft werden. Selbst wenn die religiöse Leitperspektive von Thema zu Thema wechseln sollte, werden Prüfverfahren angewandt, die von den jeweils anderen Religionen nicht akzeptiert werden.

Natürlich kann ein konfessioneller Religionsunterricht andere Religionen behandeln und dabei seine eigenen Maßstäbe anlegen. Allerdings bleibt diese Überprüfung eben auf eine Perspektive beschränkt, die zudem voraussetzt, dass alle Beteiligten – Schüler und Lehrperson – in sie methodisch einwilligen, übrigens auch wenn sie ihr in der Sache nicht zustimmen. Entscheidend ist nicht die persönliche Zustimmung zur Perspektive, sondern die funktionelle Einwilligung, dass diese Perspektive im Unterrichtsfach leitend ist.

Ein überkonfessioneller Religionsunterricht setzt also voraus, dass zwischen den Religionen ein Konsens darüber besteht, wie die unterschiedlichen Wahrheitsansprüche entschieden werden können. Diese Prüfverfahren müssen nicht zur Verfügung stehen, wenn nur Konsens darüber besteht, unter welchen Bedingungen diese Prüfverfahren realisiert werden könnten. Lässt sich die Perspektive dieses Konsenses für das Unterrichtsgeschehen auf die Schülerkompetenzen reduzieren, so kann ein überkonfessioneller Religionsunterricht eingeführt werden. Es wäre dann sogar redundant, wenn weiterhin konfessionell getrennt unterrichtet würde.

Es ist zu erwarten, dass auf dem Weg zu einem überkonfessionellen Religionsunterricht zunächst bilaterale ökumenische Unterrichtsformen entwickelt werden. Da sich die theologischen Wissenschaften unterschiedlicher Religionen nicht in gleichen Geschwindigkeiten aufeinander zu bewegen, könnte ein Konsens zunächst zwischen vereinzelten Konfessionen entstehen. Ein gemeinsamer evangelisch-katholischer Religionsunterricht könnte früher realisiert sein als ein jüdisch-christlicher Religionsunterricht oder ein Unterricht abrahamitischer Ökumene. Wiederum könnte es sein, dass bei weiteren Fortschritten bereits erzielte Konsense sich zwischenzeitlich wieder lösen. Wenn also ein evangelisch-katholischer Unterricht auf einem Konsens in den Prüfverfahren beruht und sich auch ein Konsens zwischen evangelischer und muslimischer Theologie abzeichnet, so könnte der Fall eintreten, dass sich der Konsens zwischen evangelischer und katholischer Theologie wieder lockert. Denn es ist zu erwarten, dass bei interreligiösen Dialogen über die Prüfverfahren bereits festgestellte Konsense nochmals in Bewegung geraten. Deshalb ist bis auf Weiteres damit zu rechnen, dass ein überkonfessioneller Religionsunterricht auf einer bilateralen Ökumene beruht und je und je überprüft werden muss. Diese Entwicklung kann bei Schülern Verunsicherung auslösen und damit das Gegenteil dessen bewirken, was intendiert ist. Daher kann sinnvoll sein, es vorerst beim konfessionellen Unterricht zu belassen, auch wenn zumindest über einen bestimmten Zeitraum Redundanzen zu parallelen religiösen Unterrichtsfächern entstehen.

Konfessionen entscheiden nicht über die Wahrheit ihrer Geltungsansprüche. Die Wahrheit ist den Konfessionen transzendent. Dass sie wiederum die Geltung der Prüfverfahren bestimmen, vollzieht sich nicht in der bloßen Selbstperspektive, sondern im Diskurs mit anderen Wissenschaften (Lauster, 2011, S. 211). Hier sind also Binnen- und außertheologische Rationalität immer schon miteinander verschränkt. Konfessionelle Theologie bildet ab, welche Perspektive sich auf den theologischen Untersuchungsgegenstand für eine bestimmte religiöse Lebensform und Wissenschaftsgemeinde bis auf Weiteres im öffentlichen Diskurs bewährt hat. Damit hat auch eine konfessionelle Theologie einen überkonfessionellen Wahrheitsbezug, den sie gegenüber anderen Perspektiven darstellen muss. Der konfessionelle Religionsunterricht widerspricht daher nicht einer universal überzeugungsfähigen Beschreibung des Unterrichtsgegenstandes. Er dient nicht der Regenerierung einer Glaubensgemeinschaft, sondern wirbt wissenschaftsorientiert für eine Erkenntnisperspektive neben anderen denkbaren Perspektiven. Erst wenn die Theologien konvergieren, korrespondiert der konfessionstranszendente Wahrheitsbezug auch bestimmten überkonfessionellen Prüfverfahren.

6 Schluss

Zweifellos besteht die Gefahr, dass der Religionsunterricht für persönliche Interessen der Lehrperson missbraucht wird. Religionslehrer können missionarisch wirken wollen, ebenso wie sie umgekehrt ihre kritische Auffassung des christlichen Glaubenslebens indoktrinierend einsetzen. Sie können der Meinung sein, religiöse Wahrheitsansprüche seien nicht entscheidbar, und sich damit vor der Frage geeigneter Prüfverfahren verschließen. In all diesen Fällen widerspricht der konfessionelle Religionsunterricht seiner Rechtfertigung. Spricht dieses Risiko für ein Ersatzfach?

Auch der Ethikunterricht ist durch eine Ideologisierung gefährdet. Lehramtsstudierende können auch in philosophischer Ethik mit einem Pathos für Weltverbesserung daherkommen, die alle Toleranztugenden ausschließen. Zudem scheint hinter dem Appell eines Ethikunterrichts ebenso eine Ideologie zu stehen, die neben einer liberalistischen Ethik keine anderen Entwürfe gelten lässt. Bis heute gibt es keinen fachethischen Konsens über die methodische Vollständigkeit ethischer Urteilsbildung. Folglich würde ein Ethikunterricht die blinden Flecken und Vorurteile der wissenschaftlichen Ethik mit unterrichten – und wäre damit schlauer als die universitäre Ethik. Soll aber Ethikunterricht zulasten des Religionsunterrichts etabliert werden, so werden die blinden Flecken noch weiter vergrößert. Das Vorurteil bleibt dann bestehen, dass Religion nichts, was ein ordentliches Schulfach für die ethische Bildung rechtfertigt, beizutragen hat. Wer diese Meinung vertritt, muss sich am Gegenstand der Religion abarbeiten – und damit theologisch denken.

Literaturverzeichnis

1 BvR 2780/06

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Lukas Ohly ist Gemeindepfarrer in Nidderau (Hessen) und außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Arbeitsschwerpunkt ist Theologische Ethik


  1. Für diesen Beitrag kann ich mich in der ethischen Frage enthalten, ob es einen Vorrang des Richtigen vor dem Guten oder eine umgekehrte Priorität gibt.

  2. Das gilt erst recht, wenn man mit theologischen Mitteln zeigen kann, dass alle religiösen Wahrheitsansprüche falsch sind. Man bräuchte gerade dann einen Religionsunterricht, um die Wahrheitsansprüche derselben Religion zu widerlegen. Diese theologischen Mittel wären allerdings religionsinterne Instrumente zur Wahrheitsüberprüfung (Herms, 2017, S. 18) und damit gerade keine fachfremden Methoden.

  3. Ob damit schon die konfessionelle Bildung der Lehrkraft an die zu unterrichtende konfessionelle Perspektive qua persönlicher Religionszugehörigkeit verpflichtend ist, ist damit noch nicht entschieden. Es gibt überzeugende Gründe anzunehmen, dass eine konfessionelle Perspektive auch von einer Lehrkraft eingenommen werden kann, die der Konfession nicht selbst zugehört (Schulz, 2016, S. 229). Wichtiger ist, dass die Lehrperson sich durch eine universitäre Ausbildung und einem entsprechenden Examen als fachlich kompetent ausweist. Zwar muss die Lehrperson auch das Vertrauen der Gläubigen jener Konfession verdienen. Das könnte aber bereits durch ein bestandenes Examen abgegolten sein.