Clemens Sander versuchte in dieser Zeitschrift (15, 2016, H.2, S. 295–309) einen ersten Blick auf die Einführung des freikirchlichen Religionsunterrichts in Österreich[1]. Seine Ausführungen betreffen aber nur in geringem Ausmaß diesen Religionsunterricht (Abk. RU). Nur wenige der in seinem Literaturverzeichnis aufgeführten Texte beziehen sich auf den freikirchlichen RU in Österreich. Sander gibt Aussagen von Theologen und Philosophen außerhalb des österreichischen freikirchlichen Bereichs (und ohne Bezug zu diesem) breit wieder, vor allem von Helge Stadelmann (Gießen) und Armin Mauerhofer (Basel). Die Brücke zum freikirchlichen RU in Österreich schlägt Sander dann teilweise durch die – allerdings verzerrte – Wiedergabe von in eMails enthaltenen Äußerungen.

Fehlerhafte Verwertung von eMails

Sander bezieht sich auf zahlreiche im Rahmen von eMail-Korrespondenz gemachte Äußerungen.[2] Aber die Veröffentlichung von eMail-Äußerungen ist problematisch. Oft würde der sich in eMails Äußernde eine als Zitat ausgewählte Äußerung präzisieren oder vom Diskussionskontext her erläutern wollen, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen. Schließlich fehlt dem Leser die Möglichkeit, die zitierte Äußerung im Kontext nachzulesen, im Unterschied zu Zitaten aus Veröffentlichungen.

Sanders Wiedergabe dieser in eMails geäußerten Ansichten ist leider fehlerhaft. In unserer Korrespondenz mit Sander, ausgelöst durch einen früheren Artikel-Entwurf[3] von Sander, war es unser Hauptanliegen darzulegen, dass Theologen wie Stadelmann oder Mauerhofer zwar in manchen freikirchlichen Kreisen Österreichs geschätzt werden, aber ihre Äußerungen nicht repräsentativ sind für die freikirchliche Szene Österreichs insgesamt (und auch nicht für den freikirchlichen RU). Obwohl ich mich über meine persönliche Ansicht zu Stadelmann oder Mauerhofer (sowie zu deren Positionen) gar nicht geäußert hatte, behauptet Sander nun, dass ich auf Distanz zu diesen beiden Theologen gehe (Sander, 2016, S. 300), ohne dafür einen Anhaltspunkt oder Beleg zu nennen. In Bezug auf Tarmann behauptet Sander, dass jener die Ausführungen von Stadelmann und Mauerhofer als „bizarre Einzelmeinungen“ bezeichnet (ebd., S. 299). Tarmann hatte diese Formulierung verwendet, ohne dabei konkrete Ansichten zu nennen (d.h. welche Ansichten Tarmann gemeint hatte, blieb offen). Auf diese Art kommt Sander zu folgender Zweiteilung: „In ausführlichen Kommentaren zu meinen Recherchen distanzierten sich bis auf den Amtsleiter Armin Wunderli alle Vertreter des Schulamtes der Freikirchen von diesen Positionen.“ (ebd.) Diese Schlussfolgerung[4] ist auch insofern spekulativ, als Sander mit der Mehrzahl der Mitglieder des Schulamtes gar nicht kommuniziert hat, also ihre Position nicht kennt (dennoch macht er eine Aussage über „alle Vertreter des Schulamtes“).

Dietrich Fischer-Dörl hatte auf einige deutsche freikirchliche Hochschulen als Gegenbeispiele verwiesen, um aufzuzeigen, dass die „Irrtumslosigkeit der Bibel“ keineswegs ein generelles Kennzeichen „freikirchlicher Theologie“ ist. Sander bezieht sich auf diese Bemerkung und gibt an, dass freikirchliche Pastoren und Religionslehrer in Österreich u.a. in Reutlingen oder Ewersbach[5] ausgebildet wurden (ebd., S. 300). Das ist im Rahmen der Freikirchen in Österreich – und um deren RU geht es in Sanders Artikel – jedoch kaum der Fall. Aber davon hatte Fischer-Dörl auch gar nicht gesprochen.

Sander schreibt, laut Wunderli sollen die Lehrenden „die ‚Bekehrungslehre‘ vertreten“ (ebd., S. 303). Als Beleg nennt Sander eine E-Mail von Wunderli (vom 17.7.2015). Aber darin kommt keine solche Bemerkung Wunderlis vor.[6]

Mangelhafte Kenntnis des Religionsunterrichts

Sanders Beschreibung des Zustandekommens von freikirchlichem RU ist fehlerhaft,[7]wie sich an folgenden unzutreffenden Behauptungen erkennen lässt:

* „Die Meldung an die Schule dass jemand einer Freikirche angehört erfolgt über das Schulamt der Freikirchen.“ (ebd., S. 304) Richtig ist: Es ist Aufgabe der Schüler oder Eltern selbst, ihr Bekenntnis in ihrer Schule entsprechend anzugeben.

* „Ab drei SchülerInnen muss die Schule freikirchlichen Religionsunterricht anbieten.“ (ebd.) Richtig ist: Die Schulbehörde kann, soweit zumutbar, auf die Bildung größerer, schulübergreifender Gruppen drängen.

* „Für SchülerInnen ohne Bekenntnis bzw. mit anderem Bekenntnis besteht die Möglichkeit den freikirchlichen Religionsunterricht als Freigegenstand zu besuchen.“ (ebd.) Richtig ist: Sie dürfen das nicht, wenn sie einem gesetzlich anerkannten Bekenntnis angehören.

* „Nun gibt es aber bis jetzt an keiner Schule eine ausreichend große Gruppe freikirchlicher SchülerInnen, so dass kein zweistündiger Unterricht zustande kommt.“ (ebd., S. 306) Richtig ist: Es gab/gibt bereits seit dem Beginn im Herbst 2014 einige 2stündig geführte freikirchliche RU-Gruppen.

Literaturverzeichnis

Sander, C. (2016). Ein erster Blick auf die Einführung des freikirchlichen Religionsunterrichts in Österreich. Theo-Web, 15(2), 295–309.

 
 Dr. Franz Graf-Stuhlhofer, BSc, freikirchlicher Theologe und Professor an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. 


  1. Bei der Beurteilung von Sanders Einschätzung des freikirchlichen RUs wäre ich als Mit-Betroffener befangen. Darum geht es in diesen Korrekturen nicht, auch nicht um eine Stellungnahme aus freikirchlicher Sicht. Ich möchte lediglich anhand etlicher Beispiele aufzeigen, dass Sanders Artikel viele unzutreffende Aussagen enthält, man sich also auf seine Angaben nicht verlassen kann.

  2. Es handelt sich dabei um Äußerungen von Paul Tarmann, Armin Wunderli, Dietrich Fischer-Dörl und mir. Diese vier Personen mit verantwortlichen Funktionen im freikirchlichen RU sind im Folgenden gemeint, wenn ich in „wir“-Form schreibe.

  3. Während Sander seinen früheren Entwurf an Tarmann schickte, legte er uns den Text des dann in Theo-Web veröffentlichten Artikels leider nicht vor, obwohl das bei einem unsere eMails verwertenden Text besonders wichtig gewesen wäre.

  4. Sander gibt Ansichten von Stadelmann und Mauerhofer zu mehreren Fragen wieder, so dass sein Versuch, jeden Einzelnen von uns klar einzuordnen als Pro oder Kontra Stadelmann/Mauerhofer, zu einem schiefen Bild führt. Denn wir hatten uns nicht pauschal zu allen in Sanders Artikel erwähnten Äußerungen Stadelmanns und Mauerhofers geäußert, weder bejahend noch verneinend.

  5. In Ewersbach befindet sich die Hochschule der – in Österreich kaum vertretenen - „Freien evangelischen Gemeinden“, in Reutlingen jene der Methodisten; diese sind in Österreich seit 1951 eine anerkannte Kirche und gehören nicht zum Zusammenschluss der 2013 gesetzlich anerkannten „Freikirchen in Österreich“.

  6. Vielleicht stützt sich Sander hier auf ein Gespräch mit Wunderli.

  7. Sanders Darstellung gibt bei mehreren Themen – leider ohne Zeitangabe – den Stand des Schuljahres 2014/15 wieder, etwa bei seiner Angabe, wie viele Schüler/innen „zurzeit“ den freikirchlichen RU besuchen (ebd., S. 304). Und er nennt Walter Klimt den „Sprecher der Freikirchen“ (ebd., S. 295; 299). Klimt übergab diese Funktion 2015 an Edwin Jung.