1 Religionspädagogik

Weltweites polyzentrisch-plurales Christentum als Bildungsreligion steht im Mittelpunkt des im Mohr Siebeck Verlag (16-162223-6) in der Reihe „Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart“ von Bernd Schröder vorgelegten Bandes Religionspädagogische Ökumenik, der den diesmaligen Reigen von interessanten und relevanten Neuerscheinungen eröffnen soll. Im Vorwort zu seiner herausragenden Veröffentlichung skizziert der Autor sein bisher einzigartiges Vorhaben: „Neben „(religiöser) Bildung" und „Heterogenität, Intersektionalität und Inklusion" sind in den letzten Jahren u.a. „Ökumene" und „Globalisierung" zu konzeptuellen Begriffen der deutschsprachigen Religionspädagogik geworden, die grundlegende Herausforderungen anzeigen. Dieses Buch greift diese Begriffe auf, verbindet sie und fragt: Welche Rolle spielen Sozialisation, Erziehung und Unterricht in verschiedenen Denominationen des weltweiten Christentums, also in der Ökumene im doppelten Sinne des Erdkreises und der Christenheit? Und darüber hinaus: Kann man das Christentum, das sich in eine Vielzahl von Konfessionen und Konfessionskulturen ausdifferenziert und in eine Vielzahl von Kontexten enkulturiert, als Bildungsreligion bezeichnen? Auf der Suche nach Antworten schreitet der Band eine Auswahl an nationalen Kontexten und Konfessionen aus allen Erdteilen – Afrika, Amerika, Asien, Australien und Ozeanien sowie Europa – ab und beleuchtet die Praktiken wie die dort wirksamen Leitvorstellungen von einem Lehren und Lernen unter Inanspruchnahme des Christlichen. Dabei kommen die unterschiedlichen historischen und politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ebenso in den Blick wie ein breites Spektrum an Traditionen, Konzeptionen, Lernorten und Vordenkerinnen bzw. Vordenkern. Dies geschieht überwiegend aus der Perspektive einschlägiger Wissenschaften und ihrer zumeist aus Europa oder den USA stammenden Publikationen, nach Möglichkeit jedoch auch (darin dem Impuls etwa postkolonialer Theologie folgend) unter Berücksichtigung von Stimmen aus den jeweiligen Kontexten – beides indes um der Kürze der Darstellung und um des programmatischen Bogens einer „Religionspädagogischen Ökumenik" willen nur in Abbreviatur. Dieses Buch bildet somit eine Entdeckungsreise ab, die den Reichtum (religions-) pädagogisch zu reflektierenden Handelns und entsprechender Konzepte vor Augen stellt. Sie lädt Leserinnen und Leser ein, die hier exemplarisch gewählten Konstellationen besser zu verstehen und noch weitere in den Blick zu nehmen. Auch wenn konfessionskundliche Einordnungen und ökumenische Verständigungsprozesse immer wieder anklingen, geht es hier weder um eine Konfessionskunde für Religionspädagoginnen und -pädagogen noch um Rechenschaft über den Stand ökumenischer Annäherung. Leitend ist vielmehr das Anliegen einer religionspädagogischen Horizonterweiterung – hin zum Christentum als einer weltweit verbreiteten, verschiedene Zentren bildenden Religion, hin zurFülle der Konfessionen und kontextuellen Lesarten des Christlichen, die weit hinausgehen über den im deutschsprachigen Raum vertrauten und dominierenden Unterschied zwischen evangelischem und katholischem Christentum, hin zur Vielzahl der Lernorte und Bildungsvorstellungen, die sich im Laufe der Geschichte herauskristallisiert haben und mit unterschiedlichem Gewicht zum Tragen kommen. Das Interesse an einer solchen religionspädagogischen Ökumenik richtet sich weder gegen interreligiöse Lernprozesse und Kooperationen noch gegen diskursive Auseinandersetzungen mit nichtreligiösen Weltanschauungen. Es markiert eher die Unaufgebbarkeit und Unabgeschlossenheit innerchristlicher Verständigung über Bildung (einschließlich Erziehung, Unterricht und Sozialisation) als Praxis, die aus dem christlichen Glauben heraus freigesetzt wird. Wie wichtig die Praxis der Bildung und die Verständigung darüber für die verschiedenen Christentümer und als Medium ökumenischen Lernens ist, soll dadurch symbolisiert werden, dass dieses Buch im Jahr des 75-jährigen Bestehens des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) erscheint. Der „World Council of Churches" (WCC) wurde 1948 im Rahmen seiner ersten Vollversammlung in Amsterdam mit 147 Mitgliedskirchen gegründet. Im Jubiläumsjahr besteht er aus 352 Kirchen verschiedener Denominationsfamilien aus mehr als 120 Ländern, die weltweit über 580 Millionen Christinnen und Christen repräsentieren (www.oikoumene.org). Der ÖRK/WCC ermöglicht vielen von ihnen ,ökumenisches Lernen".“ (V f.) Zu Vorgehen und Aufriss erklärt der Verfasser: „Geschrieben wurde dieses Buch so, dass es insbesondere in Richtung ökumenisch sowie pädagogisch engagierter Leserinnen und Leser möglichst allgemein verständlich bleibt, aber doch auch anregende Fährten legt für wissenschaftlich arbeitende Kolleginnen und Kollegen insbesondere in Religionspädagogik und Ökumenischer bzw. Interkultureller Theologie. Leserinnen und Leser können den Text ohne Blick auf die Fußnoten verstehen; diese Fußnoten sind knappgehalten und dienen v.a. als Einstiegshilfe in hier aufgerufene Wissensbestände und Diskurse. Das, was sich in der Regel zu Beginn eines wissenschaftsbasierten Buches findet – Prolegomena und Klärungen zum Sitz im Leben wissenschaftlicher Diskurse –, ist hier hintangestellt. Diese „Religionspädagogische Ökumenik" ist ihrer Sache nach experimentell. In materialer Hinsicht kann sie angesichts der Weite und der – alles in allem – unzureichenden Erforschung ihrer Gegenstände kaum mehr als eine Spurensuche abbilden. Doch sie stellt auch in methodischer Hinsicht ein Experiment dar: Es handelt sich vorderhand um eine themenzentrierte Relektüre, im Zuge derer ein religionspädagogischer Fragehorizont an einen Sachverhalt, hier: an das Christentum als weltweite polyzentrisch-plurale Religion, herangetragen wird, der üblicherweise mit konfessionskundlichen, kirchengeschichtlichen oder missionswissenschaftlichen bzw. interkulturell-theologischen Mitteln in Betracht kommt. Diese Wissenschaften und ihre Wissensbestände werden hier (in Auswahl) rezipiert – und nur so vermittelt können gelegentlich auch Selbstzeugnisse der jeweiligen Christentümer Berücksichtigung finden: Anders ist die Fülle der Sprachen, der kulturellen Codes und kontextuellen Details, in denen die weltweiten Christentümer zum Ausdruck kommen, nicht zu über-schauen. Dies anzuerkennen ist jedoch zugleich als Einladung zu verstehen, interkulturell-religionspädagogische Studien zu verschiedenen Christentumskonstellationen und ihren Praktiken wie Konzepten christlich-religiöser Unterrichtung, Erziehung und Bildung zu betreiben. Den weiteren methodischen Rahmen dafür stellt eine ökumenisch sensible, für transnationale und -kulturelle Prozesse achtsame vergleichende Religionspädagogik bereit. Deren Funktionen – die Suche nach Gemeinsamkeiten wie Eigenarten, das Spiegelvorhalten und die Wahrnehmung von Impulsen, das Interesse an Dialog und Transfer – schlagen sich im Zugriff auf die in den §§ 2-13 entfalteten Themen nieder. Die Kapitel zu verschiedenen Gestalten des weltweiten Christentums gehen nicht primär von Konfessionen bzw. Konfessionskirchen, sondern von Kontexten aus. Aus allen Erdteilen werden exemplarisch ein oder zwei nationale Kontexte in den Blick genommen. Am Anfang stehen jeweils Hinweise zu geschichtlichen, religiösen und konfessionskulturellen Zusammenhängen (1) sowie zur gesellschaftlich-politischen Lage und zum gegenwärtigen Bildungswesen (2). Schon in diesen Abschnitten ist in aller Regel auf mannigfaltigetransnationale, interkulturelle und interreligiöse Bezüge der in Rede stehenden Kirchen hinzuweisen – und auch darauf, dass das Christentum und die Unterrichts- und Erziehungsarbeit in seinem Namen allerorten einen Import darstellen, der mit indigenen oder älteren (Religions-)Kulturen interagiert. Daraufhin werden das christliche Engagement für Bildung – sofern entsprechende Informationen zugänglich sind: sowohl im Blick auf Schule und andere öffentliche Bildungsfelder als auch im Blick auf Familie und Gemeinde – (3) sowie Facetten religionspädagogischer Theoriebildung (4) skizziert. Eingestreut werden pro Kapitel zwei Skizzen zu einschlägigen religionspädagogischen Impulsgeberinnen und -gebern.  Eine kurze Würdigung in den eingangs unterschiedenen acht Hinsichten schließt jedes Kapitel ab (5) darin wird zudem jeweils ein Lernort hervorgehoben, der für die jeweiligen Konfessionskultur oder Kirche markant ist und als solches auch bereits im Inhaltsverzeichnis angezeigt wird (was allerdings nicht heißen soll, dass es diesen Akzent exklusiv nur in dem jeweiligen Kontext gibt). Eine materiale Einführung in die verschiedenen Kirchen und Konfessionen, die Erwähnung finden, kann dieser Band nicht bieten. Dafür stehen verschiedene konfessionskundliche Medien zur Verfügung, auf die wiederum in § 14 summarisch und zum Teil am Ort verwiesen wird.“ (9f.) Die hier vorgelegte religionspädagogische Ökumenik wirbt in religionsdidaktischer Hinsicht eindrucksvoll für konfessionelle Kooperation und glokales ökumenisches Lernen – im schulischen Religionsunterricht, aber auch an gemeindlichen Lernorten!

Herausforderung Mensch lautetder Titel des im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (525-70336-6) erschienenen, reichhaltigen 39. Jahrbuchs für Religionspädagogik (JRP), das in bewährter ökumenischer Zusammenarbeit von Stefan Altmeyer, Bernhard Grümme, Helga Kohler-Spiegel, Elisabeth Naurath, Bernd Schröder und Friedrich Schweitzer herausgegeben wird. Nach facettenreichen Schlaglichtern, religionspädagogischen Erschließungen, interdisziplinären Perspektiven und didaktischen Konkretionen hält Bernd Schröder in seiner Bilanz Herausforderung: Mensch – Anstöße für eine religionspädagogische Anthropologie und den Religionsunterricht im Anthropozän eindrucksvoll fest: „Vergleicht man den vorliegenden Band mit demjenigen, der vor ziemlich genau zwanzig Jahren erschien, sticht auf den ersten Blick die Konstanz etlicher thematischer Facetten ins Auge: Digitalität/Virtualität, Gender, ökologische Krise und Pluralität der Menschenbilder etwa begegnen hier wie dort. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich mit Blick auf jede dieser Facetten eine qualitative Verdichtung, ja, Dramatisierung der jeweiligen Herausforderung: Der Klimawandel steht mittlerweile als existenzbedrohend für Mensch, Biodiversität und Globus insgesamt vor Augen. Die Entwicklungsdynamik digitaler Technik und Programmierkunst lässt vermeintlich unverlierbare Alleinstellungsmerkmale des Menschen zusehends fraglich erscheinen, darunter Kreativität und »Mittelreflexion«. Das Bewusstsein für die Vielgestaltigkeit und Variabilität von sex und gender lässt bislang für »natürlich« erachtete Bahnen der Identitäts- und Beziehungsentwicklung fluide werden. Nicht zuletzt hat sich im Zeichen der Globalisierung und der digital basierten Kommunikation die Pluralität der Menschenbilder quantitativ gesteigert – und insofern auch qualitativ, als im Licht der verschiedenen Lebenswirklichkeiten, erkenntnisleitenden Interessen und kommunikativen Verbindungen die Ausgangspunkte und Referenzmarken jedweder Anthropologie hinterfragt werden können und hinterfragt werden: Postkoloniale Theorien, critical whiteness studies, der Konstruktivismus und andere Denkwege sensibilisieren – so unterschiedlich sie im Einzelnen sind - einvernehmlich für die epistemic injustice (Miranda Fricker), die sich in jeder Anthropologie niederschlägt, auch in einer, die sich auf Offenbarung bezieht oder auf aufklärerischer Vernunft basiert:Menschen sind nicht nur verschieden und erleben diese Verschiedenheit (und darauf bezogene Ungerechtigkeiten) nicht nur, sondern auch das, was sie voneinander wahrnehmen, wie sie Menschsein gedanklich konzipieren und ethisch, pädagogisch oder politisch in Anschlag bringen, ist von individuellen und kollektiven Mustern durchzogen, die es verhindern, dass Menschen einander und ihrer Mitwelt gerecht werden. Dessen unbeschadet »ist offenkundig, dass die [...] Leitbilder der Nation, der Religion, der Klasse oder der Rasse untauglich sind, weltoffenen Gesellschaften Ziel und Halt zu geben. [...] Da es [jedoch] nicht in Zweifel stehen darf, dass alles, was nötig ist, im Interesse und im Namen der Menschheit zu erfolgen hat, liegt es nahe, das ethische und politische Handeln unter das Ideal der Humanität zu stellen.« »Der Mensch braucht heute nicht nur den für die Aufklärung geforderten »Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen« [Immanuel Kant]. [Er hat] heute den Mut aufzubringen, ein Mensch zu sein.« Die »Herausforderung Mensch« ist somit keineswegs kleiner geworden. Im vorliegenden Band lassen das am unverblümtesten und eindrücklichsten die Statements von Schüler:innen bewusst werden, die ihn eröffnen.“ (238ff.) Zunächst fragt der Autor, in welchen religionspädagogisch relevanten Kontexten der Mensch (exemplarisch) zur Frage wird und definiert sodann insbesondere fünf anthropologische Spannungs- und Diskursräume von großem Gewicht in religionspädagogischen Zusammenhängen: 1. Menschsein als Thema ökumenischer Verständigung 2. Menschsein als Thema interreligiösen Dialogs 3. Menschsein als Thema im Diskurs zwischen religiöser und nichtreligiöser (philosophischer oder humanwissenschaftlicher) Perspektive 4. Menschen und Humanoide/Transhumanismus als Herausforderung jedweder Anthropologie 5. Menschsein als Referenzpunkt und Klärungsbedarf religionspädagogischer Reflexion. (244ff.) Abschließend formuliert der Verfasser fünf grundlegende religionsdidaktische Zugänge zur Anthropologie: 1. Raum für existenzielle anthropologische Reflexion eröffnen als Aufgabe religiöser Bildung 2. Im Rahmen ethischer Bildung normativ wirksame Leitbilder des Menschen reflektieren 3.Eigenarten des Menschseins bedenken in einer Kultur der Digitalität und des Transhumanismus 4. Religiös grundierte Menschenbilder und ihren Mehrwert einspielen, ihre Differenzen quellenbasiert erkunden und in der Begegnung überprüfen 5.Im Zeichen nachhaltiger Entwicklung das Menschheitswohl in den Blick nehmen. (251ff.) In der Tat: Die Reflexion darüber, was es heißt, „Mensch zu sein“, tut not. Das neue Jahrbuch liefert dazu ertragreiche Perspektiven!

Jens Palkowitsch-Kühl hat mit seiner hervorragenden, im W. Kohlhammer Verlag (17-043406-6) in der renommierten Reihe „Religionspädagogik innovativ“ erschienenen Würzburger Dissertation Digitale Medien im Religions- und Ethikunterricht. Bedingungsfaktoren für die Medienintegration an Schulen eine grundlegende Untersuchung vorgelegt. In der Einleitung betont der Verfasser die Bedeutung seiner empirischen Forschungsarbeit: „Nicht erst aktuell (…) ist der digitale Wandel bzw. die digitale Transformation, vor allem in Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft, in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtungen gerückt. Durch die letzten Jahrzehnte ziehend, stellt sich die Frage nach der Rolle immer neuerer Technologien in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens der Menschen. In den einzelnen Fachdisziplinen so auch in der Religionspädagogik ist diese Debatte aufgenommen worden, wodurch religionspädagogische und didaktische Explorationen in diesem Feld angestellt wurden. Nicht zuletzt veröffentlichte im Februar 2022 die EKD einen Orientierungsrahmen mit dem Titel: „Evangelischer Religionsunterricht in der digitalen Welt“, der Wegweiser hin zur Integration digitaler Technologien in den Religionsunterricht sein kann. Diese Perspektive, der Integration digitaler Technologien bzw. digitaler Medien, möchte die vorliegende Forschungsarbeit einnehmen. Vorliegend werden domänenspezifische und domänenunspezifische Bedingungsfaktoren für eine gelingende digitale Medienintegration in den Ethik- bzw. Religionsunterricht untersucht. Digitalisierung wird hierbei im Zusammenhang von Lehren und Lernen nicht als abgeschlossener Prozess wahrgenommen werden, sondern vielmehr als etwas Prozesshaftes, Kontinuierliches und sich Veränderndes. Die Digitalisierung ist im Kontext einer Religionspädagogik in einer mediatisierten Welt nur ein Auslöser darauffolgender digitaler Transformationen, welche bis hin zu einer kulturellen Integration digitaler Technologien und deren Medienformaten führt. Diese Perspektive wird im vorliegenden Forschungsprozess aufgenommen, indem die Integration digitaler Medien in den Ethik- bzw. Religionsunterricht sowohl eine methodische als auch eine thematische Einbeziehung digitaler Medien in den jeweiligen Fachunterricht bedeutet.“ (11f.) Der Autor untersucht und erweitert die Bedingungsfaktoren für die Integration digitaler Technologien im Ethik- und evangelischen bzw. katholischen Religionsunterricht an weiterführenden Schulen in Hessen: „Insbesondere Lehrpersonen im jeweiligen Fachunterricht verantworten die Medienintegration maßgeblich, wodurch sie im Zentrum der quantitativen Fragebogenerhebung und schulinterner Gruppendiskussionen stehen. Ihre Einstellungen, Kompetenzen, ihr Zugang zu digitaler Technologie, ihre Teilnahme an Bildungsgelegenheiten im Bereich digitaler Medien und die Fachkultur, die sie mitgestalten, sind für die Medienintegration im Unterricht von hoher Relevanz. Sie stehen als direkte Akteurinnen und Akteure in Digitalisierungsprozessen an Schulen den neuen Herausforderungen und den daraus unvermeidlich resultierenden Veränderungen ihres Berufsbildes unmittelbar gegenüber und benötigen daher eine umfassende Medienbildung, welche in allen Phasen der Lehrkräftebildung integriert wird.“ (12f.) Ziel dieser innovativen Forschungsarbeit ist es, „die benannten Bedingungsfaktoren für die Integration digitaler Technologien in den Ethik- bzw. Religionsunterricht zu überprüfen sowie diese um (domänen-)spezifische Faktoren zu erweitern. Die Untersuchung umfasst vier Kapitel: Im ersten Kapitel wird die Forschungsarbeit im Kontext der empirischen Professionalisierungsforschung eingeordnet sowie das Modell der Medienintegration der vorliegenden Untersuchung dargestellt und begründet (A). Die methodologischen Überlegungen der mixed-method-Studie werden im zweiten Kapitel dargelegt (B). Anschließend werden die empirischen Ergebnisse der quantitativen Lehrkräftebefragung und der qualitativen Gruppendiskussionen anhand des in Kapitel A skizzierten Modells aufgezeigt (C). Diese Befunde werden im Anschluss mit anderen empirischen Studien diskutiert und geben einen Ausblick auf religionspädagogische Handlungsmöglichkeiten (D).“ (13) Der Verfasser betont nachvollziehbar insbesondere die Relevanz für folgende drei Handlungsfelder: 1. Entwicklung und Bereitstellung von digitalen Lern- und Lehrwegen 2.Verbesserung der Ausstattung und Bereitstellung einer lernförderlichen IT-Infrastruktur 3. Integration digitaler Medienformate mit Bezug auf Fachwissenschaft und Fachdidaktik in allen Ausbildungsabschnitten. Die spannende empirische Studie zeigt zentrale Schnittmengen zwischen den Bereichen der Professionsforschung und der Medienintegration auf und mündet in das Fazit: „Digitalisierungsprozesse stehen und fallen mit den Lehrkräften.“ Eine kongeniale Lektüre bietet eine zweite Würzburger Dissertation mit dem Titel Das Ende der „Kreidezeit“ – geht gute Lehre nur digital?, die Katharina Elisabeth Grunden in der Reihe „Empirische Theologie“ im LIT Verlag (643-15177-3) veröffentlicht hat.In ihrer Hinführung zum Thema Digitalisierung fragt die Autorin zunächst „Braucht unsere Gesellschaft Digitalisierung? Führen Digitalisierungsprozesse zu Innovation, Fortschritt und gesellschaftlicher Verbesserung und sollten sie daher grundsätzlich vorangetrieben werden? Welchen konkreten Mehrwert hält eine digitale Welt bereit?“ und führt dann näher aus: „Diese Fragen werden im Folgenden nicht in Gänze beantwortet werden können, so viel sei vorweggenommen. Eine durch ihre Rahmenbedingungen begrenzte Studie kann keine allgemeinen Bereiche betrachten, sie muss sich auf bestimmte Kontexte konzentrieren. Daher bezieht sich die Arbeit auf den Bereich des Lernens in der Hochschule; sie will untersuchen, welche Bedeutsamkeit digitale Medien in diesem Kontext haben können. Es soll wissenschaftlich erforscht werden, ob digitale Medien Lernprozesse und damit die persönliche Entwicklung und Entfaltung von Studierenden bereichern können. Die Arbeit geht auf eine empirische Weise der Frage nach: Können digitale Medien Hochschulbildung verbessern? Im Rahmen einer qualitativen Studie wird theoretisch und empirisch eruiert, inwiefern digitale Medien die Erfahrungen von Lernenden und damit ihr Verhalten transformieren können und welche Konsequenzen das mit sich führt.“ (11) Es geht in dieser Studie „um Auswirkungen von einem solchen Lernen in digitalen Formaten. Konkreter formuliert: Es werden Auswirkungen von Einsätzen digitaler Medien als Träger digital gespeicherter und weiterverarbeiteter Signale auf Lehr-Lern-Prozesse untersucht. Dabei wird gefragt, inwiefern sich ein digitales Lernsetting von einem analogen Lernsetting unterscheidet und inwiefern ausgewählte Konzepte von Lernen durch unterschiedliche mediale Settings beeinflusst werden. Einerseits soll dadurch empirisch herausgestellt werden, welche lernförderlichen Potentiale digitale Medien und ihre Funktionen bieten. Andererseits sollen Grenzen des Lernens mit digitalen Medien aufgezeigt und gesellschaftlich-politische Bestrebungen in Hinblick auf die sog. Digitalisierung der Bildung kritisch überprüft werden. Das Projekt bewegt sich dabei in einem ausgewählten institutionalisierten Lernbereich, d.h. im Bereich der Hochschule.“ (12) Jugendtheologie und Digitalisierung lautet der Untertitel des von Thomas Schlag und Jasmine Suhner im Calwer Verlag (7668-4598-6) herausgegebenen 6. Jahrbuchs für Kinder- und Jugendtheologie mit dem Titelzitat >>… dann nutzen wir sie auch: Digitalisierung first – Bedenken second<<!?, das folgende Beiträge enthält: Den Auftakt der ersten Rubrik „Grundsatzbeiträge“ bildet der Beitrag von Thomas Schlag, „in dem mithilfe einer differenzierenden Verhältnisbestimmung von als zwei grundlegenden religionspädagogischen Bezugsperspektiven Überlegungen zur produktiven Ergebnisoffenheit hochdynamischer Entwicklungsprozesse angestellt werden. Aufgezeigt werden gemeinsame Dimensionen bzw. Musteranalogien sowie Unterschiede von Jugendtheologie« und »Digitalisierung«, um von dort aus beide Bezugsperspektiven in eine kritisch-konstruktive Beziehung zueinander zu setzen. Die Ausführungen von Marcell Saß sind in einem Spannungsfeld lokalisiert, das die Frage des Zusammenhanges von Jugend und Theologie mit Hilfe des Querschnittsthemas der Digitalität fokussiert. Vor dem Hintergrund der Analyse umfassender Transformationsprozesse weist er auf die Notwendigkeit einer neuen Deutung des Zusammenhanges von Mensch, Medien und Religion hin, weil in digitalen Welten die klassischen anthropologischen Subjekt­ und Individuums-Konzepte unter Druck geraten. Ebenfalls im Sinn eines Grundlagenbeitrags entfaltet llona Nord die fachdidaktische Auseinandersetzung um digitales Theologisieren bzw. einer gelingenden Didaktik des Theologisierens in einer digitalen Bildungswelt. Sie geht dabei für das Theologisieren von der Voraussetzung aus, dass die dafür notwendige Basis der universitären Theologie nicht erst in einer digitalen Kultur, sondern von ihren Anfängen her medial strukturiert ist. Schließlich bearbeitet in dieser Grundlagenrubrik Martin Rothgangel die Frage, ob und in welcher Hinsicht die Allgemeine Fachdidaktik bestimmte Impulse für die »Jugendtheologie« bieten kann. So zielt sein Beitrag darauf ab, die Relevanz von· anderen Fachdidaktiken beim Thema Digitalisierung für die Jugendtheologie aufzuzeigen. Neben den digitalen Medien selbst kommen dabei vor dem Hintergrund digitaler Transformation auch konkret Lehrerinnen und Lehrer und deren Ausbildung, Schülerinnen und Schüler und deren digitale Kompetenzen sowie generell der Fachunterricht und dessen Ziele in den Blick. Den Auftakt der Praxisbezogenen Beiträge machen Britta Konz und Antje Roggenkamp mit Reflexionen über eine Didaktik des Theologisierens am Beispiel von Digitorials – eigenproduzierte, kurze Filme, in denen Inhalte, Konzepte und Zusammenhänge in Ton und Bild erläutert werden – zum Thema »Umgang mit dem Heiligen Geist«. Christian Cebulj, Claude Bachmann und René Schaberger stellen unter dem Label »Digitale Takeaway-Theologie« das Blogprojekt »100 Sekunden Religion« vor. Sie beschreiben, wie ein konkretes Radio-Format durch Jugendliebe und junge Erwachsene auf den Wissensbereich Religion erweitert und als digitales Format produziert wird und so ein glühender Resonanzdraht zwischen den Jugendlichen und den zu erschließenden religiösen oder theologischen Inhalten hergestellt wird. Wie sich Technologie und Spiel mit Religion und Pädagogik in Beziehung setzen und welche Bedeutung dafür Computerspielen zukommt, entfaltet Stefan Piasecki in seinem Beitrag. Er stellt dafür Einflussvermutungen hinsichtlich ludischer VR-Umgebungen – nicht nur Freizeiträume, sondern Orte pädagogischer Konzepte und gleichzeitig Schauplätze engagierter Lernprozesse – auf religiöse Überzeugungen an.

Der Beitrag von Annette Haußmann bewegt sich, ebenfalls im Horizont von Digitalisierung, an der Schnittstelle von Jugendseelsorge und Jugendtheologie. Die Autorin beginnt mit der Skizzierung der Ausgangslage für den Dialog zwischen Jugendseelsorge und Jugendtheologie im digitalen Raum und verweist darauf, dass seit der Pandemie die Nutzung digitaler Medien, v.a. im Bereich sozialer Netzwerke, weiter zunimmt, wobei sich Hybridformen der Kommunikation und der Begegnung in digitalen und analogen Räumen beobachten lassen. Zugleich ergeben sich daraus spezifische Herausforderungen aus der primär als Angebotsstruktur gestalteten seelsorgerlichen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten. Auch Caroline Teschmer zeigt Perspektiven digitaler Jugendseelsorge auf, indem sie das Projekt »Schreiben statt Schweigen« vorstellt, eine niedrigschwellig angelegte, Anonymität wahrende, Chatberatung für Jugendliche, die während des ersten Lockdowns durch das Landesjugendpfarramt der Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland ins Leben gerufen wurde. Eine weitere digitale Kommunikationsmöglichkeit entfalten Tobias Faix, Leonie Preck und Marielena Berger, indem sie sich anhand des eingängigen Bildes von »Instagram als neue Kanzel« dem Phänomen christlicher lnfluencer:innen zwischen mediatisierten Lebenswelten und fluiden Identitätskonstruktionen widmen. Nochmals in einen anderen Bereich informellen Lernens ausgeweitet, analysieren Sabrina Müller, Nicole Bruderer, Thomas Schlag, Doreen Holtsch und Stefanie Findeisen die Bedeutung von Handlungserfahrungen und digitalen Aktivitäten für die Theologieproduktivität junger Freiwilliger im kirchlichen Kontext. Von den Ergebnissen einer Onlinebefragung zur Smartphonenutzung von jungen Erwachsenen im Kanton St. Gallen und im Landkreis Konstanz aus werden jugend­theologische und kirchentheoretische Reflexionen angestellt. Die dritte Rubrik »Ausblicke« setzt mit zukunftsprognostischen Reflexionen von Gernot Meier ein. Er betont die komplexe Herausforderung des Steuerns von Innovationen, und verweist zugleich auf eben diese Aufgabe als eine zentrale in der Praktischen Theologie. Den Band beschließen Überlegungen von Jasmine Suhner. Ausgehend von der Betonung, wie dynamisch und komplex sich die Bildungslandschaft und das Lernen in digitaler Kultur verändert hat und verändern wird, zeigt sie zunächst rückblickend in einer Ultrakurz-Geschichte die Entwicklung der Digitalisierung auf. Von da aus nimmt sie die Leser:innen in das gegenwärtige komplexe »Universum« von Jugendtheologie und Digitalisierung hinein. Hier stellt sie ein Schema vor, das in dieses Universum etwas Orientierung und Übersicht – für die Fachdebatte wie für die Praxis – zu bringen vermag. Ihr Beitrag und damit auch dieser Sammelband endet mit konkreten philosophischen, theologischen und religionspädagogischen Thesen und Fragen im Blick auf die Verantwortung von Theologie, Jugendtheologie, ja auch Geisteswissenschaften in der, für die und mit der digitalen Gesellschaft.“ (9ff.)

Thomas Krobath und Andrea Taschl-Erber haben im LIT Verlag (643-51127-0) den lesenswerten Sammelband Konfessionell – Kooperativ – Interreligiös. Liegt die Zukunft des Religionsunterrichts im Miteinander? herausgegeben, der grundsätzliche Fragen, konkrete Erfahrungen und Herausforderungen sowie aktuelle Forschungsprojekte zu Modellen konfessioneller Kooperation im Religionsunterricht vereint. In ihrer Einleitung schreiben die Herausgebenden: „Im konfessionellen Denken und in den konfessionellen Traditionen und Ausprägungen des Religionsunterrichts war es lange Zeit kaum vorstellbar, dass Religionslehrer*innen unterschiedlicher Konfessionen innerhalb des konfessionellen Religionsunterrichts offiziell zusammenarbeiten und den Unterricht gemeinsam verantworten. Inzwischen wird konfessionell-kooperativer Religionsunterricht in Österreich und in Deutschland seit über 20 Jahren auf der Grundlage kirchlicher Übereinkommen und Verträge

praktiziert. Bestimmt diese Form des Miteinanders die Zukunft? Bisherige Forschungen attestieren dem Kooperationsmodell großen Lernerfolg für Schüler*innen. Diese sind auch am Gespräch mit anderen Konfessionen und Religionen sehr interessiert. Es gibt jedoch offene Fragen: Wie steht es um die spezifischen Eigenarten der Konfessionen im gemeinsamen Unterricht? Bekommen konfessionelle Differenzen einen höheren Stellenwert als diese im gelebten Glauben noch haben? Werden Unterschiede vorschnell unter der Oberfläche des Gemeinsamen nivelliert? Wie werden in gemischt-konfessionellen Lerngruppen alle Schüler*innen beteiligt? Ist es nicht schon längst an der Zeit, auch die Kooperation mit anderen Religionen im Unterricht offiziell einzurichten? Wie kann kooperativer Religionsunterricht zu einer pluralitätsfähigen und religionssensiblen Schule beitragen?“ (i) Das Buch ist folgendermaßen aufgebaut: „Der erste Teil des Buches ist, wie es der Titel ausdrückt, grundlegenden Aspekten konfessioneller Kooperation gewidmet. Jan Woppowa erörtert solche anhand elementarer Lernchancen in konfessionell-kooperativen Unterrichtssettings, die er aus der Perspektive von Schüler*innen und Lehrer*innen analysiert. Die von ihm aufgezeigten offenen Fragen verfolgt Martin Rothgangel in seiner Respondenz weiter. Viera Pirker greift komplexe Phänomene und Fragen konfessioneller Identitätskonstruktionen auf, die in der Diskussion zur konfessionellen Kooperation erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Caroline Klintborg & Martin Rothgangel stellen die bisher eröffneten Perspektiven in den Kontext eines internationalen (vor allem skandinavisch-niederländischen) Diskurses zu den drei Konzepten world-views, life orientation und existential configurations. Mit Perspektiven erweiterter Kooperationen wird im zweiten Teil der bisherige Kooperationshorizont noch einmal ausgeweitet. Die in den Diskussionen zum konfessionellen Religionsunterricht in Deutschland und Österreich virulenten Fragen zu den, religions- und schulpädagogisch als überfällig erachteten, nächsten chritten der Kooperation betreffen grundsätzliche und didaktische Aspekte möglicher Zusammenarbeit zwischen Konfessionen und Religionen sowie zwischen Religionsunterrichten und dem Ethikunterricht, der in Osterreich mit dem Schuljahr 2021/22, zunächst noch für die Sekundarstufe II, erstmals obligatorisch eingeführt wurde. Herausforderungen beim Übergang von konfessioneller zu interreligiöser Kooperation von Friedrich Schweitzer und Zekirija Sejdini diskutiert. Andrea Lehner-Hartmann fragt nach der Zusammenarbeit mit dem Ethikunterricht. Marie-Theres Igrec stellt ein neues Unterrichtsprojekt in der Erzdiözese Wien vor, in dem religiös-ethisch-philosophische Bildung mit Schüler*innen aller Konfessionen sowie Schüler*innen, die an keinem Religionsunterricht teilnehmen, in einem gemeinsamen Unterrichtsgegenstand (Werte - Interkulturelles Lernen - Religionen) praktiziert wird. Der dritte Teil bietet Überblicksdarstellungen und Reflexionen zu konfessionellen Kooperationen in Österreich. Der Beitrag von Wolfgang Weirer diskutiert mit Berücksichtigung historischer und rechtlicher Aspekte gegenwärtige Fragen zum konfessionellen Religionsunterricht in Österreich und fragt dezidiert danach, ob die Zukunft des Religionsunterrichts der Kooperation gehöre. Christine Mann & Manfred Göllner rekonstruieren hintergrundreich den Werdegang konfessioneller Kooperation im Einzugsbereich der Erzdiözese Wien sowie die österreichweiten Auswirkungen der verschiedenen hier diskutierten und gestarteten Kooperationsmodelle. Lars Amman greift daraus das Modell des dialogisch-konfessionellen Religionsunterrichts auf und diskutiert Chancen der dabei praktizierten Unterrichtsform konfessioneller Delegation. Einen minutiösen Überblick über die vielfältigen, in den Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg praktizierten Kooperationsmodelle erarbeitet Peter Pröglhöf unter Einbezug eines ersten interreligiösen Versuchsmodells und einer Vorstellung eines auf Religionen und Ethik beruhenden, möglichen Zukunftsmodells. Der vierte Teil ist Ergebnissen aus Forschungsprojekten gewidmet, die hier erstmals präsentiert werden. (ii). Für die Herausgebenden bleibt zurecht als Tenor der Eindruck, „dass in Kooperationen aussichtsreiche Zukunftsmodelle für den konfessionellen Religionsunterricht gesehen werden können, für die es jedoch noch genauere Qualitätsstandards braucht. Nach 20 Jahren Kooperationen unter den christlichen Konfessionen sei die Zeit reif für interreligiöse Kooperationen sowie für eine kooperative Annäherung an den Ethikunterricht. Diese Schritte benötigen theologische Grundlagenreflexionen, didaktische Konzepte und entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen.“ (iv) Der vorliegende Band regt zum Weiterdenken, Experimentieren und Forschen in diese Richtungen an!

Martin Hailer, Andreas Kubik, Matthias Otte, Mirjam Schambeck, Bernd Schröder und Helmut Schwiersind die Herausgebendendes in vielerlei Hinsicht sehr gewichtigenBandes Religionslehrer:in im 21. Jahrhundert. Transformationsprozesse in Beruf und theologisch-religionspädagogischer Bildung in Studium, Referendariat und Fortbildung, der auf der Basis der gleichnamigen Heidelberger Konsultation von 2022 in derEvangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07456-3) in der Reihe „Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie“ erschienen ist. In ihrer Einleitung „Anstehende Transformationsprozesse der Religionslehrer:innenbildung“ geben sie einen luziden Überblick über die aktuelle Situation und die wichtigsten Herausforderungen: „Seit es eine geordnete (Aus-)Bildung von Religionslehrer:innen gibt, erfährt sie – kontinuierlich oder gelegentlich auch disruptiv – Veränderungen. Strukturell gesehen geht es dabei, jedenfalls seit dem 19. Jahrhundert, im Wesentlichen um Standardisierung, Modernisierung (im Sinne einer Entsprechung zu den Erfordernissen der jeweiligen Gegenwart) und Professionalisierung. Obschon das Religionslehrer:in-Sein und die schulische religiöse Bildung nicht im Unterrichten von Religion aufgehen – die Mitgestaltung von Religion im Schulleben (Schulseelsorge) und das Mitwirken an der Schulentwicklung gehören ebenfalls dazu –, ist es in der Regel die Veränderung des Religionsunterrichts, die Anlass oder Anstoß gibt zu Änderungen der Religionslehrer:innenbildung. Derzeit liegen solche Veränderungen auf zwei Ebenen: Zum einen verändert sich die innere und äußere Gestalt des Religionsunterrichts – die Schüler:innen, die daran teilnehmen, werden u.a. in religiös-weltanschaulicher Hinsicht heterogener, die Religionslehrerinnen entwickeln im Wandel der Generationen verschiedene Verständnisse von Rolle und Person der Religionslehrer:in, Schulen und Bundesländer modifizieren auf der Basis von Art. 7.3 GG die organisatorischen und curricularen Bedingungen des Religionsunterrichts, nicht zuletzt gibt es längst nicht mehr nur evangelischen und katholischen Religionsunterricht, sondern auch orthodoxen sowie islamischen, jüdischen, alevitischen (um nur eine Auswahl zu nennen). Zum anderen gibt es eine dynamische gesellschaftliche, bildungspolitische und wissenschaftliche Debatte um den Religionsunterricht und die schulische religiöse Bildung insgesamt. Einige wenige Facetten dieser Debatte sollen im folgenden Abschnitt so beschrieben werden, dass einige Herausforderungen, vor denen die Religionslehrer:innenbildung gegenwärtig steht, vor Augen treten.“ (27f.) Zur schulischen religiösen Bildung im Widerstreit heiß es: „Um die Begründung und Gestalt schulischer religiöser bzw. religionsbezogener Bildung wird derzeit vielfach gerungen. Auf der einen Seite wird ein steigender Bedarf an religiöser Bildung wahrgenommen: Trotz der noch immer starken historischen und kulturellen Prägung Europas durch Judentum, Christentum und Islam nehmen die Kenntnisse hinsichtlich religiöser Traditionen und der religiösen Wurzeln der Kultur kontinuierlich ab und werden im Zusammenhang der Generationen immer weniger erneuert. Kulturelle wie religiöse illiteracy sind vor diesem Hintergrund nicht nur eine mehr oder weniger relevante Wissenslücke, sondern ein Bildungsproblem, unabhängig davon wie die Einzelnen sich zu den Themen von Religion und Glaube positionieren. Zugleich bleiben Religionen, wie Emile Durkheim dies ausdrückt, >>faits sociaux<<, welche angesichts religiös-weltanschaulicher Pluralisierung der Gesellschaft und facettenreicher einschlägiger Praktiken und Selbstverständnisse der Individuen immer schwerer zu deuten sind. Und schließlich kann und muss auch gefragt werden, wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene am besten in die Lage versetzt werden, ihr Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 GG) in Anspruch zu nehmen. Diese religionsbezogene Bildungsaufgabe darf ebenso wenig allein an Familien und Religionsgemeinschaften ausgelagert werden, als man die politische Bildung etwa ausschließlich den Parteien überlassen dürfte. Ein renommierter Journalist hat diesen Aspekt kürzlich so zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: >>Die Fragen, die um Gott, das Heilige und das ewige Leben kreisen, die Glaubensinhalte also, dürfen aus der Schule jedenfalls nicht ganz verschwinden. Es geht hier nicht um Folklore, sondern um eine Dimension des Menschseins und um einen Schlüssel zur Welt.<< (H. Prantl) Auf der anderen Seite gerät der sog. konfessionelle Religionsunterricht zunehmend unter Druck. Dies hat mehrere Gründe: Da nicht nur in Deutschland, sondern vielfach in ganz Europa die Bindung an religiöse Gemeinschaften ab- und die Zahl der Konfessionslosen zunimmt, erscheint nicht wenigen ein konfessionell gebundener Unterricht an öffentlichen Schulen als anachronistisches Privileg verfasster Religionsgemeinschaften. Wenn, dann überzeugt in dieser Sicht ein religionskundlicher Unterricht, der sich auf Wissensgehalte konzentriert und ohne Bezug auf die gelebte Religion auskommen sollte. Zudem scheint die Organisierbarkeit des Religionsunterrichts in mehrfacher Hinsicht ein Hindernis für seine ordnungsgemäße Verortung in der Stundentafel zu werden. Die Diversifizierung in unterschiedliche Religionsunterrichte und zudem ein nicht-religiöses Alternativ- oder Ersatzfach, die Spannung zwischen dieser Aufgliederung und einem inklusiven Verständnis schulischer Bildung, der Mangel an Religionslehrkräften, die die entsprechenden Religionsunterrichte durchführen können, stellen Schulleiter:innen ebenso wie Stundenplanmacher:innen nicht selten vor kaum zu bewältigende Herausforderungen. Praktikable, aber nicht unbedingt gesetzeskonforme oder didaktisch hinreichend reflektierte „Lösungen“ werden oft genug zur gängigen Antwort auf die sich verändernde Situation der religiösen Bindungen und Prägungen auch an der Schule; daneben tritt eine Reihe konzeptionell geleiteter Reformvorschläge. Der weitreichendste Vorschlag geht dahin, das Fach Ethik, das als Ersatz-bzw. Alternativfach zum Religionsunterricht eingeführt worden war und ist, dem konfessionell gebundenen Religionsunterricht vorzuziehen und für alle Schülerinnen verbindlich zu machen. Die Frage stellt sich dann freilich, wie die für Religion konstitutive Seite der Lebens- und Glaubensüberzeugungen in einem solchen Unterricht thematisch wird, und wie sich Schülerinnen eine verantwortete und begründete Position zum Religionsphänomen pädagogisch sinnvoll erarbeiten können, ohne die damit verbundenen Tiefendimensionen zu thematisieren. Zudem gründen die verfassungsrechtlichen Regelungen zum Religionsunterricht in der Hinsicht, dass nicht der Staat über die religiösen und weltanschaulichen Orientierungen bestimmen darf. So klar diese Problemanzeigen im Blick auf einen Ethikunterricht für alle aus bildungstheoretischer Perspektive und von den Faktizitäten des konkreten Religionsunterrichts her sind, so präsent bleiben in der Öffentlichkeit zugleich die an den Religionsunterricht angelagerten Missverständnisse und Zerrbilder. Im Zentrum dieser Ambivalenzen befinden sich die Lehrkräfte, die an öffentlichen Schulen Religion unterrichten. Schon seit geraumer Zeit bewegen sie sich in einem Spannungsfeld von Herausforderungen und Ansprüchen aus im Wesentlichen fünf Bereichen: den Schülerinnen und Schülern, deren Eltern, der Religionsgemeinschaft, welche den Religionsunterricht mitverantwortet, der Schule und ihrer Leitung sowie der Gesamtgesellschaft und deren religiöser Kultur. Es lässt sich ohne weiteren Aufwand erkennen, dass in jedem dieser Bereiche die Pluralität und Komplexität der Bedingungen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat; es sind nicht zuletzt die Religionslehrenden selbst, die dies – im Spiegel etlicher empirischer Untersuchungen – wahrnehmen, kritisch reflektieren und >vor Ort< handlungsleitend fruchtbar machen. Diese Entwicklung berührt in besonderem Maße das Kerngeschäft der Lehrenden: das Unterrichten über den Sachgegenstand „Religion“, dessen didaktische Struktur neu zu bestimmen ist. Man kann sagen: Objektiv haben sich die Anforderungen an die Religionslehrerinnen und Religionslehrer in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Dies kann nicht ohne Folgen für deren Ausbildung bleiben.“ (28ff) Folgende vier Themenfelder bilden die Herausforderungen für die Bildung von Religionslehrer:innen ab: 1. Professionalität als Leitbild – bildungswissenschaftliche und religionspädagogische Horizonte. Die Professionalität einer Religionslehrer:in steht jeweils in einem ganz spezifischen Spannungsfeld: Wurde die Professionalität von Religionslehrkräften über lange Zeit vorwiegend und in manchen lehramtlichen Texten sogar ausschließlich in Verbindung zu den jeweiligen Kirchen formuliert, trugen die Umwälzungen im Religionsfeld genauso wie die Innovationen in den Bildungswissenschaften und die Transformationen von Schule in den letzten Jahrzehnten dazu bei, auch das Religionslehrer:innenhandeln deutlicher als bislang vom Unterricht und damit vom allgemeinen bildungswissenschaftlichen und pädagogischen Anspruch her zu denken. Diese Veränderungen müssen sich auch in den Lehramtsstudiengängen widerspiegeln, die allerdings noch immer weithin vom – auf pastorale Berufe bzw. das Pfarramt bezogenen – Magisterstudiengang Katholische bzw. Evangelische Theologie dominiert sind. In der religionspädagogischen Literatur sind in den letzten Jahren verschiedene Vorschläge gemacht worden, die spezifische Professionalität dieses Berufs theoretisch zu fassen. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den Beiträgen dieses Bandes wider. Einigkeit besteht in der religionspädagogischen Theoriebildung inzwischen darüber, die Professionalität von Religionslehrkräften im Allgemeinen ihres Lehrer:innenhandelns zu sehen und ihre Spezifik im Thematisieren des Unterrichtsgegenstands Religion auszumachen. Die Debatte ist allerdings weiterhin darüber zu führen, wie dieses Allgemeine und Spezifische in der Religionslehrerinnenbildung abgebildet werden kann, so dass Studierende über die verschiedenen Phasen angemessen auf ihre zukünftige Tätigkeit vorbereitet werden können, und welche Theorieansätze dafür am hilfreichsten sind. 2 Religionslehrer:innenbildung in drei Phasen – empirische, kirchliche und theologische Horizonte. Die Ausbildung von Religionslehrkräften und deren Weg zu eigentlichen religionspädagogischen Expertinnen verläuft in Deutschland in einem an sich gut eingespielten Dreischritt von Studium, Referendariat sowie fachbezogener Fort- und Weiterbildung im Beruf. Aus unterschiedlichen Gründen gerät dies Wechselspiel zur Zeit immer wieder aus dem Takt, angefangen beim Lehramtsstudium der Theologie selbst. Dies fängt schon bei der Beobachtung an, dass heutige Kohorten von Anfängerinnen ganz andere Voraussetzungen mitbringen – oder eben auch: nicht mitbringen –, als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Dies war und ist inzwischen mehrfach Gegenstand empirischer Untersuchung. Angesichts steigender Anforderungen, aber zumindest nicht ebenso steigender – wenn nicht gar abnehmender – Vorkenntnisse wird es ohne Transformationen des Studiums nicht angehen. Auch die Herausforderungen in der zweiten und dritten Phase haben sich geändert und die Komplexität, die Wissens-Könnens-Aufgaben über den Theorie-Praxis-Konnex zu bearbeiten, hat sich gesteigert. Aus den Beratungen auf der Konsultation ist dabei deutlich geworden, dass zwar jede Phase auf ihre spezifische Weise, jedoch insgesamt alle einen Beitrag dazu leisten müssen, die Studierenden zu befähigen, eine eigene theologische Position auszubilden. Diese als Mitte der religionspädagogischen Ausbildung zu konturieren, setzt freilich voraus, sie auch in ihrer professionellen und näherhin didaktischen Funktionalität ausweisen zu können – ebenso wie sie schulartenspezifisch zu deklinieren, um den geheimen gymnasialen bias weiter Teile der Lehramtsstudiengänge nachhaltig zu überwinden. 3. Religionsunterricht und Religionslehrer:innenbildung im Plural – kontextuelle und konzeptionelle Perspektiven. Die Rechtslage und die religionskulturelle Entwicklung in Deutschland haben dafür gesorgt, dass es inzwischen eine relativ große Bandbreite an Organisationsformen des Religionsunterrichts gibt. Man kann dies als Problem ansehen oder auch als Elastizität nur vermeintlich starrer Vorgaben. Die damit verbundenen Fragestellungen gewinnen dadurch an Gewicht, dass zumindest Judentum und Islam den Religionsunterricht in den letzten Jahren verstärkt als doppelte Möglichkeit ergriffen haben, sowohl die religiöse Identität der Kinder ihrer Mitglieder am Lernort Schule zu reflektieren und zu stärken, als auch sich an einer zentralen Institution des demokratischen Staates – der Schule – aktiv zu beteiligen und sich damit in gewisser Weise auch gesellschaftliche Anforderungen an Diskursivität zu eigen zu machen. 4. Strittige Themen der Religionslehrer:innenbildung – Desiderate und Kontroversen. Jenseits der „ganz großen Fragen“ stellen sich eine Fülle von Problemen der Ausbildung, welche zum Teil schon alt sind, aber neues Gewicht erhalten haben (wie etwa die Rolle der altsprachlichen Ausbildung im Studium oder das Verhältnis von Studium und Praktikum), zum Teil aber auch erst in letzter Zeit neu aufgekommen sind (zum Beispiel die allgemein- und religionspädagogische Bedeutung einer Kultur der Digitalität oder die tragende Rolle Interkultureller Theologie). Schließlich kommt in diesem Problemkreis die Rolle der Kirchen noch einmal gesondert zur Sprache, nämlich nicht nur hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung, sondern auch aufgrund ihrer Möglichkeit einer besonderen spirituellen Begleitung der Studierenden in Form eines Mentorats. Diese Möglichkeit wirft dann freilich noch einmal ein Licht zurück auf die Herausforderung, die der Unterrichtsgegenstand Religion mit sich bringt, insofern er nicht nur Diskurssystem, sondern auch Lebensüberzeugung ausmacht.“ (34ff) Ein äußerst nachhaltiger Beitrag der Heidelberger Konsultation zu einer Religionspädagogik und einer wissenschaftlichen Theologie insgesamt, die theologisch-religionspädagogische Aus-, Fort- und Weiterbildung reflektiert und notwendige Transformationen anstößt!!

In ihrer im LIT Verlag (643-15279-4) in der Reihe „Tübinger Perspektiven zur Pastoraltheologie und Religionspädagogik“ erschienenen Tübinger Dissertation Religion unterrichten als Haltung. Verständnis des professionellen Handelns der Religionslehrperson beschreibtEdeltraud Gaus Problemstellung, Fragestellung und Ziel ihrer Untersuchung mit folgenden Worten: „Die vorliegenden Überlegungen nehmen ihren Ausgang an meiner persönlichen Wahrnehmung als Religionslehrerin, dass neben grundsätzlichen Lehrer*innenkompetenzen wie Fachwissen, fachdidaktischem und pädagogischem Wissen sowie weiteren Kompetenzen persönliche Merkmale ein entscheidender Faktor für religiöses Lehren und Lernen sind. Das gilt insbesondere im RU aufgrund seiner existentiellen Inhalte sowie der je eigenen religiösen Prägung der Religionslehrperson. Die hier vorliegenden Überlegungen erfolgen aus der Perspektive der katholischen Religionspädagogik, jedoch in dialogischer, ökumenischer und interreligiöser Offenheit. Gelingender RU setzt Kompetenzen voraus. Sich dem konkreten Unterrichtsgeschehen zu stellen, das Sich-Einlassen auf den Prozess und die Beziehungen bleibt immer ein Handeln in Unsicherheit, zumal im RU der persönliche Glaube immer an der Diskussion beteiligt ist. Insofern kommt der religiösen Prägung der Religionslehrperson Bedeutung zu. Diese Feststellung ist anschlussfähig an den bildungswissenschaftlichen Diskurs, der die persönlichen Merkmale unter dem Aspekt der Lehrer*innenpersönlichkeit als Faktor für gelingende Lehr- und Lernprozesse wahrnimmt. In der empirischen Professionsforschung spielen sie jedoch eine untergeordnete Rolle, weil sie aufgrund der Subjektivität und Unverfügbarkeit empirisch sehr schwer erfass- und damit kaum operationalisierbar sind. In der Lehrer*innenbildung sind sie nicht einfach vermittelbar. Dennoch wird die Persönlichkeit von Lehrkräften als wesentlich bewertet und als ein bedeutender Faktor ihres Handelns und beruflichen Erfolgs gesehen.

Die Ausgangsperspektive der vorliegenden Arbeit deckt sich mit jener der empirischen Bildungswissenschaften: Sie nimmt den bedeutenden Anteil der Lehrperson an Lehr- und Lernprozessen wahr. Damit verbunden ist das Interesse, zu identifizieren und zu benennen, welche Aspekte für die Professionalität von Lehrpersonen wichtig sind. Während die empirische Bildungswissenschaft dazu vorwiegend harte, verlässliche, externe Daten heranzieht, soll mit Blick auf die Religions-lehrperson die Perspektive erweitert werden. Aufgrund des Eigenprofils des RUs geht es um seine Andersartigkeit. So trifft der von Weinert beschriebene Erwerb von u.a. moralischen Kompetenzen, die „es erlauben, erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen erfolgreich, aber auch verantwortlich zu nutzen,“ besonders auf das Fach Religion zu. Denn der RU verhandelt als eines von mehreren Schulfächern für Heranwachsende existentiell bedeutsame Inhalte, wie den „Bezug zum Ultimaten,“ die Frage nach Sinn und nach dem Humanen, das auch die Frage nach dem Tod miteinschließt und bahnt Handlungsfähigkeit der Schüler*innen an. Da sich sowohl Lehrende als auch Lernende im Idealfall mit ihrer ganzen Person in diese Lehr-Lernprozesse einbringen und nach Bedeutung suchen, wird ein Begriff benötigt, der mit Blick auf die Religionslehrperson in der Lage ist, sowohl ihre Kompetenzen als auch ihre teils unverfügbaren personalen Anteile transparenter zu machen. Es geht darum, diese Aspekte in ihrer Bezüglichkeit zu verstehen, aber auch zu eruieren, was zwischen Lehrenden und Lernenden sowie im Verhältnis zu ihrer (Lern) Umwelt passiert. Die vorliegende Arbeit prüft den Begriff Haltung darauf, ob er in der Lage ist, dies benennen zu können, damit das, was er wortsemantisch bezeichnet, bei Lehrpersonen ausgebildet und weiterentwickelt werden und sich in der Praxis bewähren kann. Dazu wird der Begriff Haltung in seinen Facetten diskutiert, in die religionspädagogische Professionsdebatte eingeführt und sein Beitrag zur Professionalität und Professionalisierung der Religionslehrperson reflektiert.“ (14ff.)

Das Ziel dieser Arbeit ist es, „den Diskurs zur Professionalität der Religionslehrperson um den Begriff Haltung zu erweitern. Dabei zeigt sich, dass Haltung als Reflexionsbegriff verstanden werden kann, der bewusstseinsfördernd für Prozesse und damit orientierend zur Professionalität der Lehrpersonen beiträgt. So soll in jedem Kapitel der Bezug zum Begriff Haltung verdeutlicht werden. Nach der Erläuterung der grundlegenden Perspektiven für diese Arbeit in Kapitel 2 soll theoretisch zuerst ein Verständnis von Haltung erarbeitet, sodann Charakteristika des Begriffs benannt und schließlich die begrifflichen Grenzen aufgezeigt werden (Kapitel 3). Daran anschließend werden aktuelle bildungswissenschaftliche und religionspädagogische Erkenntnisse zur Professionalität von (Religions-)Lehrpersonen dargestellt und diskutiert. Des Weiteren wird der Versuch unternommen, Haltung in seiner ergänzenden Funktion für die dort verwendeten Konzepte zu erläutern (Kapitel 4). Anschließend soll der Begriff Haltung für den spezifischen Kontext des RU und seine Bedeutung für die Religionslehrperson konturiert und damit sein Nutzen verdeutlicht werden (Kapitel 5). Abschließend wird dargestellt werden, worin die Leistung von Haltung für die Beschreibung der Professionalität der Religionslehrperson besteht (Kapitel 6).“ (17) Spirituelle Identitätsperformanzen. Eine Explorationsstudie zum Lehrerhabitus an Evangelischen Bekenntnisschulen lautet der zum vorherigen Buch passende Titel einer in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07461-7) von Konstanze Kemnitzer und Matthias Roser veröffentlichten Untersuchung, in der diese zunächst den Kontext skizzieren: „Als Arbeitgeberinnen in der Metamorphose des religiösen Feldes, die sie selbst nur zu einem Teil steuern können, formulieren insbesondere Landeskirchen, aber auch diakonische und (religions-)pädagogische Institutionen unterdessen zahlreiche Optimierungsimperative auf allen Ebenen. Die kreative Leistung der einzelnen Personen in kirchlichen, diakonischen und pädagogisch-theologischen Berufsgruppen soll fortwährend gesteigert werden, um aus dem Flair einer angestaubten Institution mithilfe der Agilität authentischer Individuen herauszufinden. »Kreativ« ist das häufigste Adjektiv praxisorientierter, aktisch-theologischer Professionsliteratur. Kreativität, Authentizität, Agilität und Flexibilität sind die entscheidenden Dispositive der Debatten um zukunftsfähige Arbeit in kirchlichen, diakonischen, religionspädagogischen Berufen, weil standardisiertes, generalisiertes, an volkskirchlichen Strukturen ausgerichtetes Arbeiten von originellem, einzigartigem und affizierendem Projektmanagement mindestens ergänzt, in manchen Konzeptionen sogar ganz ersetzt werden soll.

Und weil die finanziellen Spielräume immer (mehr) beengt sind, sollen Teambildungsprozesse oder ganze Regionalisierungsprogramme effizienteres Arbeiten evozieren, insbesondere durch Synergien singularisierter Persönlichkeiten, die in klar abgegrenzten Zeitplänen mit Anfangs- und Zielevaluierung an der Verwirklichung von Projekten zusammenwirken und dabei – authentisch-kreativ – kirchenferne oder religiös indifferente Menschen positiv beeindrucken.

Für all das sind Haupt, Neben- und Ehrenamtliche mit neuen Fähigkeiten in Blick auf ihre gesamte Selbstdarstellung und ihre spirituelle Identitätsperformanz gefordert: Sie sollen die anstehenden Aufgaben in Kirche und Diakonie, Schule und Bildungsstätten mit Innovationskraft eigenständig und dabei marktfähig, d. h. konkurrenzfähig und wettbewerbsbewusst fortentwickeln. Feste Standards gibt es zwar weiterhin, doch von den Arbeitssubjekten wird mehr erwartet als nur diese einzuhalten. Verlangt wird ein Surplus an Berufsperformance. Dies betrifft insbesondere die eigene Glaubensäußerung, je mehr eine standardisierte sogenannte »Berufsfrömmigkeit« kritisch beäugt wird, wenn sie »nur« als musterhaftes Rollenverhalten gelebt wird. Entsprechend wird für die berufliche und ehrenamtliche Identität auch nicht allein auf klassische Ausbildungswege, Zeugnisse und Zertifikate geachtet, vielmehr nimmt die Bedeutung von Zusatzqualifikationen und Anschauungsoberflächen des fortwährend in Arbeit stehenden öffentlichen Selbst zu. Singuläres aus den eigenen Begabungen, Ereignisse der eigenen Lebensgeschichte, persönlich erlebte Sternstunden, Erschütterungen und Dramen werden zum Element der Identitätsdarstellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ (13f.) Sodann heißt es weiter zum Inhalt und Aufbau der Explorationsstudie: „Als Beitrag zur ökologisch-differentiellen praktisch-theologischen Professionstheorie, die sich diesen Phänomenen der Veränderungen der Arbeitsdynamik im religiösen Feld in exemplarischen Fokussierungen zuwendet, werden hier im Folgenden der Habitus und das Selbstverständnis von Lehrerinnen und Lehrern an evangelikalen Bekenntnisschulen untersucht. Diese speziellen, freien christlichen Ersatzschulen sind den skizzierten Prozessen und Effekten schon seit Jahrzehnten ausgesetzt. Sie etablieren sich als eigenständige »Brands« bzw. – im Sinne eines dynamischem »Work of Progress« – als »Brandings« auf dem Markt der Privatschulen. Wie dies mit der spirituellen Identitätsperformanz ihrer Lehrerinnen und Lehrer verbunden ist, soll zunächst durch eine Erkundung zum Selbstverständnis evangelikaler Bekenntnisschulen (Kapitel 2) und anschließend durch die Präsentation der Ergebnisse der Explorationsstudie mit Lehrerinnen und Lehrern an diesen Einrichtungen eruiert werden (Kapitel 3). Im vierten Kapitel werden die Beobachtungen zum spezifischen Explorationsfeld mit den skizierten Metamorphoseprozessen des religiösen Feldes zu Grundfragen der spirituellen Identitätsperformanzen im 21. Jahrhundert zugespitzt.“ (14f.) Von der Verknüpfung eigenen Theologisierens mit der Leitung Theologischer Gespräche lautet der Titel der im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (847-11530-4) in der Reihe „Arbeiten zur Religionspädagogik“ erschienenen Kasseler Dissertation von Carolin M. Altmann, die ebenfalls gut zum vorherigen Thema Habitus passt. In der Einleitung zu ihrer Grounded Theory Forschung mit hochschuldidaktischen Implikationen schreibt die Autorin: „Die Aspekte einer Leitung Theologischer Gespräche einerseits sowie eines persönlichen Nachdenkens der Lehrkraft über theologische Fragen andererseits sind nun die beiden wesentlichen Facetten, die diese Arbeit prägen und durchziehen: Inwiefern, fragte ich mich bereits in meinem eigenen Durchlaufen des Studienprofils, hängt eine persönliche Auseinandersetzung mit theologischen Fragen mit einer guten Leitung Theologischer Gespräche zusammen? Diesem Interesse schließlich wird die vorliegende Arbeit folgen und hierbei nicht nur theoretische, sondern zugleich detailliert entwickelte empirische Perspektiven mit einbeziehen. Dabei waren auch die an meiner Forschung beteiligten Studierenden überwiegend in den Kontext des Kasseler Studienprofils ›Theologische Gespräche‹ eingebunden: Bis auf wenige Ausnahmen haben alle an meiner Forschung beteiligten Studierenden das Grundlagenseminar ›Theo-logische Gespräche‹ absolviert, einige der beteiligten Studierenden befanden sich zum Zeitpunkt meiner Datenerhebungen zudem in der Forschungswerkstatt und wieder andere hatten bereits das gesamte Studienprofil durchlaufen. Die Struktur dieser Arbeit gliedert sich in vier Hauptteile. Im Fokus steht dabei grundlegend die Darstellung der empirisch durchgeführten Forschung in Teil II und Teil III, die sich auf mein entwickeltes Erkenntnisinteresse bezieht und zu der hinführend bzw. von der weiterführend diese Arbeit entwickelt wurde. Da ich die empirische Forschung mithilfe der prozessorientierten Methode der Grounded Theory durchgeführt habe, war es mir wichtig, dieses prozessorientierte Vorgehen auch in der gewählten Struktur dieser Arbeit widerzuspiegeln, weshalb der Aufbau zudem der chronologischen Reihenfolge meines eigentlichen Forschungsweges ähnelt. …Teil IV bringt die empirisch erarbeiteten Erkenntnisse der Teile II und III schließlich intensiv mit weiterführender theoretischer sowie empirischer Literatur ins Gespräch. … In diesem letzten Teil der Arbeit stehen dabei zum einen der Begriff der Positionalität und zum anderen der Begriff der Identität im Fokus. Die Arbeit schließt zuletzt mit vier bündelnden und zusammenfassenden Thesen, die die zentralen herausgearbeiteten Linien noch einmal pointiert vergegenwärtigen und die schließlich mit konkreten Vorschlägen für eine die Erkenntnisse dieser Arbeit aufgreifende hochschuldidaktische Lehre enden.“ (17ff.) Die abschließenden wichtigen Thesen lauten: »Theologische Gespräche können als ein zentraler didaktischer Ansatz zur Förderung der Positionalität von Schüler*innen im Religionsunterricht betrachtet werden.« 2. »Für eine gute Leitung Theologischer Gespräche sollte sich die leitende Person aus der Haltung des involvierten Forschenden heraus ins gemeinsam theologisierende Nachdenken miteinbeziehen.« 3. »Studierende bringen vielfach Motivation(en) mit, sich über eigene theologische Positionen bewusst zu werden und diese weiterzuentwickeln, um so ihre Identität zu klären und zu sichern.« 4. »Eine (anzubahnende) theologische Positionalität Studierender ist – nicht zuletzt hinsichtlich ihres auszubildenden professionellen Habitus in der Leitung Theologischer Gespräche – hochschuldidaktisch zu fördern.« (475-486)

Im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht unipress (8471-1581-6) ist  die Augsburger Dissertation Friedensbild und Friedensbildung von Jasmin Kriesten erschienen, die kindliche Friedensvorstellungen als Ausgangspunkt religionspädagogischen Handelns beinhaltet. Es ist eine wichtige Studie im Feld der Kindheitsforschung, „mit der empirisch validierte Aussagen bezüglich der Vorstellungen von Grundschülerinnen und -schülern zu Frieden und Unfrieden getroffen werden können. Ausgehend von dieser subjektorientierten Sichtweise auf das komplexe Thema können wegweisende Perspektiven für eine subjektorientierte Friedensbildung im Religionsunterricht der Primarstufe entworfen werden. Das zentrale Ziel dieser Herangehensweise liegt also darin, die Kinder als Akteurinnen und Akteure in der Schule in den Blick zu nehmen und zu Wort kommen zu lassen. Sie sind es, die die Gesellschaft der Zukunft maßgeblich mitbestimmen und den Weg zu einer Welt in Maximierung von Gerechtigkeit und Toleranz bei gleichzeitiger Minimierung von Gewalt. und Krieg beschreiten können. Hierzu wird das kindgemäße Untersuchungsdesign des Symbolischen Interviews nach Burkhard Fuhs gewählt, indem die nonverbale Erhebungsmethode der Kinderzeichnungen mit einem leitfadengestützten episodischen Interview verknüpft wird. Mithilfe dieser Herangehensweise können qualitative Aspekte, welche die Vorstellungen und das Erleben der Kinder von Frieden beschreiben und beeinflussen, ausgemacht und vorgestellt werden. Ausgehend von einem konstruktivistischen Bildungsbegriff, der anhand der Präkonzepte und Vorannahmen der Schülerinnen und Schüler didaktisch­methodische Konzeptionen eröffnet, können aus den Ergebnissen einer solchen Studie Impulse für die pädagogische Praxis der Friedensbildung im Kontext der Religion entworfen werden. Somit versteht sich diese Dissertation als religionspädagogische Forschungsarbeit, die sich dem Begriff >Frieden< interdisziplinär nähern und mit Einbezug der Relationsbegriffe Gerechtigkeit, Konflikt, Krieg und Gewalt mehrdimensional an den Forschungsgegenstand herangehen möchte. Auf der Grundlage des starken Lebensweltbezugs all dieser mit Frieden zusammenhängenden Phänomene werden die kindlichen Vorstellungen von Frieden und Unfrieden evaluiert.“ (25f.) Die umfangreiche Veröffentlichung ist wie folgt aufgebaut: „Eine der Aufgabenstellungen an die befragten Kinder innerhalb der Studie lautete, eine Zeichnung von einem Leben in einer friedlichen Welt anzufertigen. Schritte, die bei Überlegungen und der Gestaltung eines solchen Friedensbildes angedacht werden können, durchziehen also auch die Gliederung der vorliegenden Arbeit. Abschnitt II fragt demnach metaphorisch nach der Gestaltung des Hintergrunds eines Friedensbildes: Der theoretische Hintergrund bezieht sich zunächst auf die Aspekte, die der Friedenspädagogik sowie, davon ausgehend, der Friedensbildung und -erziehung in der Grundschule aus religionspädagogischer und -didaktischer Sicht zugrunde liegen. Im Anschluss daran werden die Schülerinnen und Schüler als Akteurinnen und Akteure in schulischen Friedensbildungsprozessen in den Blick genommen, indem zentrale Studien zu deren Vorstellungen und Wahrnehmungen von Frieden und Unfrieden erläutert, diskutiert und davon ausgehend aktuelle Forschungsdesiderate herausgestellt werden. Es wird angenommen, dass Friedensbildung in religionspädagogischen Lernprozessen auch Aspekte politischer Bildung mit aufgreifen sollte. Demnach wird aus interdisziplinärer, das heißt theologischer sowie politisch-soziologischer Perspektive, der Begriff >Frieden< in den Blick genommen. Ausgehend von verschiedenen Dimensionen und unter regelmäßigem Einbezug religionspädagogischer Konsequenzen, werden demnach die verschiedenen Relationsbegriffe, die nach der Konkretisierung von >Frieden< und >Unfrieden< herausgearbeitet sind, beleuchtet. Hierbei ist das Ziel, die aus friedenstheologischer sowie -ethischer und -forschender Sichtweise relevanten Phänomene von Frieden (im Zusammenhang mit Gerechtigkeit) und Unfrieden (im Zusammenhang mit Konflikten, Krieg und Gewalt) zu einem stimmigen, theoriegeleiteten Gesamthintergrund zusammenzufügen. Abschnitt III beschreibt die empirische Untersuchung, in der die Kinder Ein Bild von Frieden zeichnen. Zunächst wird ausgehend von der Forschungsfrage, die sich aus den festgestellten Desideraten und den theoretischen Grundlagen ergibt, das Konzept der Studie vorgestellt. Die Methoden der Datenerhebung und -auswertung verorten sich in der qualitativen Sozialforschung und basieren demnach auf vorher festgelegten Qualitätskriterien, die sich speziell aus dem Zweig der Kindheitsforschung ergeben. Die Durchführung der Erhebungen und daraus resultierenden Schritte der Datenaufbereitung und -auswertung beschreibt das Kapitel Der Zeichenprozess. Entsprechend wird der Prozess Datenerhebung und Auswertung systematisch dargestellt, begründet und reflektiert. Abschnitt IV zeigt die Resultate der Studie und diskutiert sie – es folgt also das Einrahmen und Aufhängen des Friedensbildes. Nach kurzen Einblicken in die Einzelinterviews werden hierzu nacheinander die zentralen Ergebnisse der Kinderzeichnungen und Interviews dargestellt und miteinander in Beziehung gesetzt. Hiervon ausgehend können die Ergebnisse unter Rückbezug auf den theoriebasierten Hintergrund dieser Arbeit reflektiert und diskutiert werden und somit eine geeignete Basis für das resümierende Kapitel bieten: Abschnitt V führt die Erkenntnisse in Bildern der Zukunft für die religionspädagogische Friedensbildung zusammen. Hierzu werden aus den Untersuchungsresultaten Perspektiven für die Friedensbildung des Religionsunterrichts der Primarstufe entwickelt, vorgestellt und durch methodisch-didaktische Impulse ergänzt. Die Arbeit schließt in Abschnitt VI mit einem Fazit und gibt Ausblick auf mögliche weitere Forschungsvorhaben im friedenspädagogischen Feld.“ (26f.) Die vorliegende Arbeit mündet in das Fazit: Es kann gesagt werden, „dass die Sicht von Kindern auf Frieden als bereichernder Ausgangspunkt religionspädagogischen Handelns zu sehen ist. Die vielfältigen Vorstellungen, die sich in Zeichnungen und Äußerungen niederschlagen, werfen neue Perspektiven hinsichtlich des komplexen Phänomens auf. Diese können gewinnbringende Konsequenzen für die Friedensbildung im Allgemeinen, und in religionspädagogischer Ausrichtung im Besonderen, haben. Die intensive Beschäftigung mit dem Begriff des Friedens in Kongruenz mit den Bezugsbegriffen Gerechtigkeit, Konflikt, Krieg und Gewalt hat aufgezeigt, wie notwendig eine tiefgreifende Betrachtung dieser Phänomene im Zusammenhang ist. Gerade angesichts herrschender Konflikte und ausbrechenden Unfriedens auf allen Ebenen menschlichen Zusammenlebens muss Frieden als Fach – oder zumindest als Thema – »ganz oben auf dem Stundenplan« erscheinen und nicht nur implizit schulische Lernprozesse durchziehen. Die vorliegende Studie bietet hierfür subjektorientierte Perspektiven an und zeigt Möglichkeiten auf, Frieden in der Zukunft im Religionsunterricht zu thematisieren. Gerade im Angesicht herrschender Konfliktherde, die besonders gegenwärtig schockieren und Fassungslosigkeit wie Ohnmachtsgefühle hervorrufen, erscheint das Aufzeigen von Handlungsperspektiven für junge Heranwachsende wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. Doch nicht nur via negationis, wenn Frieden durch Krieg oder Gewalt gefährdet ist und der Ausweg schwer erscheint, kann Friedensbildung Chancen beinhalten. Auch ausgehend von der grundlegenden, immerwährenden Thematisierung von Friedensgefühlen und Friedenshandeln in Gerechtigkeit, gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung können handlungsweisende Grundkompetenzen von Schülerinnen und Schülern aufgebaut und gestärkt werden. Ein Nachdenken über Frieden ist demnach zu allen Zeiten erforderlich und kann den kleinen wie großen Konflikten im Leben der Menschen vorgreifen sowie konstruktiv begegnen. Mit der adäquaten Aufnahme der Mehrdimensionalität von Frieden und Unfrieden in ethische Bildungsprozesse kann den Heranwachsenden somit das notwendige Wissen mitgegeben, aber darüber hinaus auch die Fähigkeiten zu friedlichem Handeln sowie die Chance des Erlebens von Frieden in ihrer Lebenswelt ermöglicht werden.“ (375)

Christian Hild legt mit seiner im Kohlhammer Verlag (17-043142-3) in der Reihe „Praktische Theologie heute“ erschienenen, umfangreichen Saarbrückener Habilitationsschrift Religiöse Wörter übersetzen. Ein Ansatz zur Sprach- und Translationssensibilisierung von SchülerInnen eine beeindruckende Antwort auf die leitende Fragestellung vor, „wie – ausgehend von den Lernvoraussetzungen – das theoretisch und praktisch zu unterfütternde Gerüst eines Religionsunterrichts aussehen kann, der demnach als sprachsensibel und – mit dem hier neu einzuführenden Wort - als translationssensibel zu charakterisieren ist. In einem Religionsunterricht, der Translationsprozesse zwischen den vier Sprachebenen für die Ausbildung einer als religiös verstandenen Sprachbildung und Kommunikationsfähigkeit religionspädagogisch und -didaktisch einzuleiten und fachwissenschaftlich zu unterfüttern vermag, - in einem solchen Religionsunterricht stehen nicht, wie dies bei dem Gros bis dato vorhandener Ansätze der Fall ist, die theologisch versierten Religionslehrkräfte, sondern die SuS als ÜbersetzerInnen im didaktischen Mittelpunkt.“ (22f.) Die Arbeit ist in fünf Teile aufgeteilt: „In Teil I erfolgt die Darstellung des Forschungsfeldes auf drei Ebenen, die das komplexe Verhältnis von Religion(en), Sprache und Übersetzung aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten, die für die anvisierten Überlegungen zielführend sind: erstens die Relevanz im fachwissenschaftlichen Diskurs innerhalb der Bezugswissenschaften Theologie, Linguistik, Sprachphilosophie und Translationswissenschaft (Kap. I 1.1), zweitens die Relevanz im öffentlichen Diskurs (Kap. I 1.2) und drittens die Relevanz im religionspädagogischen und -didaktischen Diskurs (Kap. I 1.3). Auf der letzten Ebene liegt der Schwerpunkt innerhalb der Darstellung des Forschungsfeldes. Der sich durch sämtliche Kapitel hindurch ergebende Befund liefert einerseits Impulse, die sich als an die Hypothese anschlussfähig erweisen, andererseits legt er Defizite frei, welche es religionsdidaktisch zu beseitigen gilt; so können die Fragestellungen ausdifferenziert und die Zielsetzung dieses Buches präzise formuliert werden (Kap. I 2). Daran schließt sich eine Aufschlüsselung des methodischen Vorgehens zur Erfassung von Ergebnissen an, die sich aus von SuS erledigten Arbeitsaufträgen zusammensetzen (Kap. I 3). Ausgehend von den leitenden Fragestellungen und der Zielsetzung im Hinblick auf die ausformulierte These wird in Teil II das theoretische Gerüst einer sprach- und translationssensiblen Religionsdidaktik als ein sich aus unterschiedlichen Elementen zusammensetzender Translationsprozess entworfen und mit exemplarischen Bezügen zu Theologie, Linguistik, Sprachphilosophie und Translationswissenschaft ausdifferenziert (Kap. II 1); damit sind die fachwissenschaftlichen Weichen für die religionspädagogische und didaktische Realisierung gestellt (Kap. II 2). Teil III wendet sich der konkreten Unterrichtspraxis zu: Die in meinem eigenen Evangelischen Religionsunterricht vorgenommene Erprobung von Bausteinen, aus denen sich eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik zusammensetzt, wird vorgestellt und kritisch reflektiert. Auf der Grundlage dieses Befundes kann in Teil IV „translatio religionis"

als religiöse Bildung ausgewiesen und legitimiert werden. In Teil V werden die gewonnenen religionspädagogischen und -didaktischen Erkenntnisse in Form von zehn Thesen zusammengefasst. An das Quellen- und Literaturverzeichnis schließt sich ein Glossar an, in dem die für eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik charakteristischen häufig verwendeten Wörter aufgeführt und mit einer kurzen Definition versehen werden.“ (23f.) Die zehn Thesen im Fazit lauten: „I: Transkreieren fördert die Ausbildung einer „Sprache zwischen den Sprachen“. II: Sprach- und Translationssensibilisierung weitet den religionspädagogischen und religionsdidaktischen Blick. III: Der Einbezug von zeitgemäßen Sprachmustern in eine Sprach- und Translationssensibilisierung begünstigt einerseits die Erschließung der Sprache der religiösen Traditionen und die Ausbildung der Sprache für Religiöses und liefert so andererseits eine mögliche Antwort auf die Relevanzfrage. IV: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik schärft den Blick für eine Differenzierung zwischen interlingualem, intralingualem und intersemiotischem Übersetzen / Übersetzen am Lernort Schule. V: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik unterstützt die Integration von konfessionslosen SuS in den Religionsunterricht. VI: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik setzt religionspädagogische und -didaktische Impulse für interreligiöses Lernen frei. VII: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik bietet den Nährboden für eine sich allmählich etablierende „Öffentliche Religionspädagogik“, die nach gesellschaftlichen Kommunikationskulturen des Faches fragt, und schärft so einerseits das Profil des Religionsunterrichts, untermauert andererseits seine Stellungen im schulischen Fächerkanon. These VIII: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik erweist sich für Religionslehrkräfte als hilfreich, ihre eigenen Translations- und Sprachhandlungsfähigkeit kritische zu reflektieren. IX: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik schärft dem religionspädagogischen und -didaktischen Blick für die Darstellungsformen von Wörtern im Allgemeinen und verhilft dazu, den richtigen ‚Ton‘ beim Transferieren zu treffen. X: Eine sprach- und translationssensible Religionsdidaktik ermöglicht eine religionspädagogische und -didaktische Antwort auf die „Transformationskrise“ der Religion, indem sie die Transformation in den Religionsunterricht zu integrieren vermag.“ (374-401)

Laura Mößle widmet sich in ihrer ebenfalls im Kohlhammer Verlag (17-043414-1) in derselben Reihe veröffentlichten Tübinger Dissertation ‚Doing Emotion’ im Religionsunterricht. Eine ethnographische Studie mittels einer ethnographischen Forschungsstrategie explizit dem wichtigen Bereich Emotionen im Religionsunterricht. In ihrer Einleitung erklärt die Verfasserin: „Die vorliegende Arbeit unternimmt einen Perspektivenwechsel: Emotionen sollen nicht als ausschließlich innerpsychisches Geschehen und subjektiver Zustand betrachtet werden, sondern in ihrer äußerlich sichtbaren, verkörperten Facette. Die Arbeit zieht das Konzept des ‚Doing Emotion‘ nach Monique Scheer heran, das sich auf ein kulturtheoretisches Emotionsverständnis stützt. Hierbei werden Emotionen nicht als vorrangig individuelle Erfahrung betrachtet, sondern als etwas, das über das Tun zustande kommt und in kommunikative und interaktive Handlungen eingebettet ist. Im Vordergrund steht also nicht das innere Erleben eines Gefühls, sondern wie es in einer Situation am Körper getan wird. Werden Emotionen anhand ihres ‚Doing‘ untersucht, liegt der Fokus auf Praktiken, d. h. Verhaltensweisen und Routinen im Zusammenspiel mit Sprache, Gesten und Artefakten in ihrer alltäglichen und oftmals routinierten Handhabung. Diese Perspektive ermöglicht einen innovativen und ganzheitlichen Untersuchungszugang für den Religionsunterricht. Die in anderen Disziplinen übliche Trennung von innerem „Gefühl und äußerer ,Emotion‘ wird in der Theorie des ,Doing Emotion‘ aufgelöst, daher verwende ich die Begriffe in der vorliegenden Arbeit gleichbedeutend. Zudem verzichte ich auf eine Sondierung in positiv und negativ konnotierte Zuschreibungen von Emotionen. Mein Verständnis folgt dem Ansatz von Stefan Wellgraf, der vermeintlich positive Gefühlskomplexe kritisch betrachtet und negativ assoziierte Emotionen hinsichtlich ihres schöpferischen Potenzials untersucht.

Eine vorschnelle Einordnung in wertende Kategorien würde der Komplexität und Gestaltungspotenziale von Emotionen im Religionsunterricht nicht gerecht. Ziel der vorliegenden Studie ist es, Unterrichtssituationen und ihre Logiken aufzuzeigen und darzulegen, auf welche Weise Emotionen bei der Konstruktion von sozialen Situationen und Interaktionsordnungen im Religionsunterricht beteiligt sind. Die Untersuchung konzentriert sich auf den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Berufliche Bildung strebt nach beruflicher Handlungsfähigkeit und bezieht sich auf anwendungsbezogene Berufs- und Arbeitskontexte. Im berufsbildenden Religionsunterricht werden Unterrichtsinhalte von Schüler*innen neben der persönlichen auch auf eine berufliche Relevanz hin geprüft. Wie bei Grundschulen zeigen sich an beruflichen Schulen gesellschaftliche Veränderungen oder Verschiebungen der Religiosität bei Schüler*innen am schnellsten. Aktuelle Herausforderungen des Religionsunterrichts wie die zunehmende religiöse Pluralisierung unter den Schüler*innen, erstarkende soziale und kulturelle Heterogenität und die sich ausbreitende Konfessionslosigkeit machen eine Untersuchung von Emotionen im Religionsunterricht bedeutsam: Wie werden Emotionen in Situationen bemerkbar, in denen Schüler*innen unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung und Zugehörigkeit ihre Einstellungen austauschen? Wie verändern sich soziale Situationen, wenn Schüler*innen persönliche Erfahrungen innerhalb der Klassenöffentlichkeit kommunizieren? Wann sind Schüler*innen weniger und wann stärker in Unterrichtsprozesse involviert? Die Forschungsfrage der vorliegenden Untersuchung lautet also: Wie konstruieren Emotionspraktiken soziale Situationen im Religionsunterricht an der Berufsfachschule? Um diese Frage zu beantworten, wurde ein ethnographischer Forschungszugang gewählt. (…) Für die vorliegende Forschungsarbeit wurde über ein knappes Schuljahr hinweg der Religionsunterricht zweier Klassen für Kinderpflege an einer Berufsfachschule besucht. Die explorative und theoriebildende Ausrichtung der Arbeit zielt auf eine exemplarische Darstellung der im Religionsunterricht sichtbar gewordenen Phänomene. Die Studie wird anhand empirischer Analysen verdeutlichen, wie über Emotionspraktiken Situationsdefinitionen im Religionsunterricht hergestellt, bestätigt oder moduliert werden können. Die Emotionspraktiken stellen eine Verbindung zwischen Schüler*innen, Lehrperson und dem Thema bzw. dem Unterrichtsfach Religion her oder bewirken deren Abbruch.“ (13ff.) Sehr anregend sind unter anderem die Impulse für eine religionspädagogische Praxis im letzten Kapitel „Emotionspraktiken bedeuten Verantwortung“ (244ff.)!

Zwei wichtige Neuerscheinungen stellen eine Didaktik interreligiösen Lernens in den Mittelpunkt: Zum einen das faszinierende, über 550 Seiten umfassende opus magnum Interreligiöses Begegnungslernen. Grundlegung einer fächerkooperierenden Didaktik von Weltsichten vonKatja Boehme aus dem Herder Verlag (451-38769-2), in dem die Verfasserin von einem Begegnungslernen ausgeht, „das sich nicht über religiöse Typisierungen (die immer Gefahr laufen, Stereotypen zu bilden und zu stigmatisieren), sondern über die aus unterschiedlichen individuellen und kollektiven, religiösen und säkularen, theologischen und philosophischen Perspektiven eingebrachten Inhalte definiert und daher als Interreligiöses Begegnungslernen (bzw. engl. Sharing Worldviews) bezeichnet wird: Interreligiöses Begegnungslernen bezeichnet die intentional didaktisch gesteuerte emotionale und kognitive Auseinandersetzung mit Weltdeutungen von Religionen, Denominationen, Philosophien und säkularen Weltanschauungen aus der Binnen- und/oder Außenperspektive des eigenen religiösen, spirituellen oder säkularen Bezugssystems im themenzentrierten Austausch zwischen möglichst statusähnlichen Teilnehmenden.

Wenn hier von ‚Begegnung‘ die Rede ist, dann will dieser Begriff über das Verständnis eines rein gesprächsorientierten Dialogs hinaus, dem eine gewisse intellektuelle Schwerlastigkeit anhängt, die leibliche und räumliche Ganzheitlichkeit von Kommunikation und somit auch habituelle Aspekte zum Ausdruck bringen: Begegnung „vollzieht sich nicht durch eine bloße Kenntnisnahme des Anderen, die ihn passiv respektiert, sondern als aktives Sicheinlassen auf ihn. ...] Sie führt im Idealfall zu einer Verantwortlichkeit füreinander und zur Wahrnehmung von Verantwortung miteinander.“ Mit dem Terminus der Begegnung steht der zentrale Begriff der Beziehung im Fokus pädagogischer Bemühungen. Jedoch finden sich in einer Definition des Interreligiösen Begegnungslernens, das säkulare Weltdeutungen ausdrücklich einschließt, noch keinerlei Aussagen darüber, wie das konkrete didaktische Konzept angelegt sein sollte, durch welches sich Heranwachsende in der Schule Kompetenzen der wertschätzenden Begegnung und des respektvollen Dialogs mit Personen anderer Weltdeutungen und Weltsichten aneignen können.“ (22f.) Die Autorin führt weiter zu Inhalt und Ziel ihres erfahrungsorientierten Konzeptvorschlags aus: „Für ein didaktisches Konzept, das auf der Kooperation von so inkommensurablen Unterrichtsfächern beruht, wie es zum einen die verschiedenen Fächer des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts unter sich und zum anderen diese im Verhältnis zum Ethik- bzw. Philosophieunterricht sind, bedarf es der Klärung zentraler grundlegender Inhalte. Für ein Interreligiöses Begegnungslernen, das neben den Fächern des Religionsunterrichts auch das Fach Ethik- bzw. Philosophieunterricht und ggf. weitere Fächer in die Fächerkooperation einschließt, gilt es zunächst, sich bezüglich zentraler Inhalte auf gemeinsame interdisziplinäre Referenzrahmen zu einigen. Den erst der Rekurs auf einen gemeinsamen Referenzrahmen bestimmter Begriffe macht eine Kooperation überhaupt möglich.

Vier zentrale Begriffe bilden die Grundpfeiler jeglichen Lernens mit und über religiöse, spirituelle oder säkulare Weltdeutungen und müssen erst recht für eine Kooperation zwischen den Fächern des Religionsunterrichts und des Ethik- bzw. Philosophieunterrichts geklärt werden, wie es auch die vorliegende Studie mit einem Konzept des Interreligiösen Begegnungslernens vorschlagen möchte: der Religionsbegriff, der Begriff der (religiösen) Identität, der Umgang mit der Wahrheitsfrage und das Dialogverständnis. Doch darf der gemeinsame Rekurs der beteiligten Fächer auf gemeinsame Referenzrahmen dieser zentralen Begriffe religiöser und philosophischer Bildung nicht die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Eigenständigkeit der beteiligten Disziplinen aufheben oder minimieren. So geht diese Studie davon aus, dass die Wissenschaftsfreiheit der beteiligten Fächer nicht eingeschränkt werden darf, auch wenn sich diese zu einer phasenweisen Kooperation - organisatorisch empfehlenswert und bereits nachhaltig ist einmal im Schuljahr – entschließen. Ebenso wenig will die vorliegende Studie die Fächer durch ein Konzept des Begegnungslernens unter einer vermeintlichen – z. B. multitheologisch fachdidaktischen – Metaperspektive zusammenführen, die zudem, wie erwähnt, die nicht-theologischen Fächer und säkularen Weltdeutungen unberücksichtigt lassen müsste. Daraus folgend hat sich diese Studie als Aufgabe gestellt, nicht nur für gemeinsame Kompetenzformulierungen, wie in den Prolegomena bereits dargestellt, eine Anschlussfähigkeit für alle beteiligten Fächer zu finden. Sie will zudem ebenfalls für zentrale Begriffe jeweils einen gemeinsamen Referenzrahmen generieren und zur Diskussion stellen. Diese Referenzrahmen wollen sowohl für die verschiedenen Religionen und Bekenntnisse, wie sie aus einer Binnensicht in den Fächern des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts zum Ausdruck kommen, als auch für philosophisch begründete Weltdeutungen, wie sie im Ethik- bzw. Philosophieunterricht behandelt werden, anschlussfähig sein. Dieser Anspruch macht es zudem erforderlich, dass diese Referenzrahmen für eine ganze Bandbreite aktuell diskutierter epistemologischer Zugänge, etwa ebenso für konstruktivistische als auch für essenzialistische Denkweisen, geöffnet werden können. Die Studie ist deswegen notwendigerweise interdisziplinär angelegt und nimmt für die hier zur Diskussion gestellten Referenzrahmen für kooperatives Lernen Impulse unterschiedlicher Wissenschaften, vor allem der Pädagogik und Religionspädagogik, der Religionswissenschaft, der Psychologie, der Philosophie, der Theologie, der Ethik, der Rechtswissenschaft und der Soziologie auf.“ (51f.) Die Studie schließt mit Hinweisen zu anstehenden Entwicklungsaufgaben: „Diese werden nicht nur in der auszubauenden Digitalisierung und Internationalisierung sowie weiterer qualitativer und quantitativer empirischer Forschungen über den Mehrwert des Konzepts in Schule und Hochschule gesehen. Vielmehr stehen auch Entscheidungen der bildungspolitischen Verantwortungsträger an, in der Schule der postfaktischen Gesellschaft die projektweise Kooperation in der Fächergruppe der religiösen und philosophischen Bildung in jeder Schulstufe zu implementieren, um durch fächerkooperierendes Begegnungslernen Schüler::innen in einer religiös und weltanschaulich diversifizierten Gesellschaft mit interkulturellen und interreligiösen Kompetenzen sowie mit demokratischen Basiskompetenzen auszustatten, die zur friedlichen Convivenz befähigen.“ (58) Für dieses gesellschaftsrelevante Anliegen leistet die vorliegende Studie einen ausgezeichneten Diskussionsbeitrag und lädt dialogbereit dazu ein, die Perspektivität der Verfasserin um die eigene zu ergänzen. Zum anderen: In ihrer im LIT Verlag (643-15229-9) in der Reihe „Religionsdidaktik konkret“ veröffentlichtenMünsteraner Dissertation Religionen erleben? Entwurf einer performativen Didaktik interreligiösen Lernens legt Dorothee Fingerhut eine solche willkommene „Ergänzung“ vor, die zwei didaktische Diskurse und Lerndimensionen zusammenbringt, die aus Sicht der Verfasserin „angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher und didaktischer Herausforderungen ebenso wie ihrer konzeptionellen Überschneidungen in besonderer Weise aufeinander verwiesen sind: „Interreligiöses Lernen ist ein Trendthema“. Dies liegt zum einen an den gesellschaftlichen, demographischen und politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Zum anderen auch daran, dass der allgemeindidaktische Diskurs und der religionspädagogische Diskurs im Besonderen sich dem „Programmwort der Diversität verschrieben haben und entsprechend mit dem daraus resultierenden Phänomen der Heterogenität in einer didaktisch sinnvollen Weise umgehen müssen“. Das interreligiöse Lernen stellt eine für den konfessionellen Religionsunterricht, aber auch darüber hinaus, anschlussfähige Lerndimension dar, die das Lernen über, inmitten, zwischen und von anderen Religionen beschreibt und angesichts der Wahrnehmung von „Religion im Plural“ nach einer Verhältnisbestimmung des Subjekts in der religiösen Pluralität fragt.“ (5) Die Autorin konstatiert allerdings: „So unstrittig es in der Theorie und oftmals auch in der Praxis interreligiösen Lehrens und Lernens ist, dass interreligiöses Lernen mehr ist als das Reden über die Weltreligionen, also im engeren Sinne nur dort stattfinden kann, wo es eben jene konkrete erfahrungsorientierte Begegnung mit und in den Religionen gibt. Umso strittiger scheint die Frage doch mit Blick auf die Frage nach dem Modus der Ingebrauchnahme, der Funktionalität und der Angemessenheit im konfessionellen Religionsunterricht – eigentlich ein Paradoxon. Doch so konsensuell die interreligiöse Didaktik das „mehr-als-reden“ über Religionen als integralen Bestandteil interreligiöser Lernprozesse anerkennt, so wenig ist es in diesem Diskurs gelungen, konkrete Kriterien und Konzepte für die Gestaltung der performativen Elemente interreligiösen Lernens aufzustellen. In fast allen Veröffentlichungen zu performativen Elementen im Kontext interreligiösen Lernens wird auf Grenzziehungen verwiesen, die jedoch kaum theologisch begründet oder didaktisch ausformuliert werden. Zwar gibt es mittlerweile durchaus eine Reihe von unterrichtspraktischen Handreichungen, die performative Vollzugformen, wie den Gottesdienst oder das Gebet, in den Blick nehmen und Hinweise zur Gestaltung multireligiöser Feiern geben. Leider gibt es jedoch wenig, v.a. deutschsprachige Literatur, die tiefer in die praktische Dimension und essenziellen Fragen nach Möglichkeiten des Teilens und Erlebens fremder Religionspraxis ein-tauchen. Die Unwägbarkeiten, Grenzen aber auch die Chancen interreligiöser Partizipation sind nicht nur didaktisch, sondern auch theologisch bislang unzureichend reflektiert worden.“ (6f.) Ziel der Arbeit ist es, „erstmals einen Entwurf einer performativen Didaktik interreligiösen Lernens vorzulegen, der Antworten auf die zentralen Forschungsfragen liefert und auf dem schmalen Grat interreligiös-performativen Lernens eine Richtschnur und einen Kompass zur Verfügung stellt. Das Dissertationsprojekt lässt sich thematisch und systematisch in drei Bereiche gliedern.

Der erste Teil der Arbeit widmet sich der Relevanz, der Genese und dem Stand der für die Arbeit relevanten religionspädagogischen Diskurse: dem interreligiösen Lernen (Kapitel 2) sowie der performativen Religionsdidaktik (Kapitel 3). Die Relektüre der Diskurse geschieht selbstverständlich vor dem Hintergrund der zentralen Leitfrage der Arbeit und ermöglicht es, das Forschungsanliegen begründet im Diskursraum zu verorten und zu positionieren. So wird in beiden Kapiteln zunächst unter Einbezug relevanter Bezugswissenschaften nach den zentralen Begründungsmomenten für das interreligiöse Lernen bzw. die performative Didaktik gefragt. Im Anschluss daran werden die hermeneutischen Veränderungen im Diskurs um das interreligiöse Lernen nachgezeichnet bzw. ein Überblick über die verschiedenen Lesarten des Performativen gegeben. Dabei erfolgen jeweils Exkurse in relevante Nachbardiskurse, wie die Diversity-Pädagogik, religionspädagogische Anstöße aus Großbritannien oder die jüdische bzw. islamische Religionspädagogik. Diese umfassende hermeneutische Aufarbeitung soll es ermöglichen, die zentralen Einsichten auf die Frage nach der Gestalt und einer Kriteriologie einer performativen Didaktik interreligiösen Lernens in einem das Kapitel abschließenden Ertrag zu bündeln. Der zweite Teil der Arbeit lotet die Grenzmarkierungen des schmalen Grats einer performativen Didaktik interreligiösen Lernens in der Zusammenführung der beiden Lerndimensionen aus (Kapitel 4). Dabei muss zunächst auf die konstitutiven, gegebenen Grenzen der performativen Ingebrauchnahme von fremden Religionen hingewiesen werden, die sich mit Blick auf die Möglichkeit bzw. Einschränkung ritueller Partizipation vor allem aus Einsichten der Komparativen Theologie ableiten lassen. Ein neuer didaktischer Entwurf will und muss aber auch bestehende Grenzen überwinden und mit gegenläufigen Tendenzen brechen, um mutig und visionär das Potenzial des Ansatzes herauszustellen. Dabei sollen problematische Vereinseitigungen in der Praxis des Religionsunterrichts ebenso herausgestellt werden wie habituelle Schranken bei den Schülerinnen und Schülern, die einer interreligiös-performativen Didaktik im Wege stehen. Bei der Zusammenführung zweier Lerndimensionen ergeben sich letztlich immer auch didaktische Grenzmarker, die aus den Einsichten der beiden Diskurse relevant und notwendig erscheinen. Diese gilt es zu benennen und zu konkretisieren, bevor die zentralen Grenzen eines performativen Zugangs zu fremden Religionen abschließend in einem Ertrag gebündelt werden. Erst wenn die Grenzen eines performativen Zugangs zu fremden Religionen markiert sind, kann ein didaktischer Entwurf überhaupt gelingen, der interreligiös sensibel Grenzen des Gewohnten überschreitet, um Neues und Fremdes in den Blick zu nehmen, ohne die Grenzen des Eigenen oder Anderen tatsächlich zu verletzen. Der dritte und letzte Teil der Arbeit versucht, auf Grundlage der gewonnen Einsichten eine performative Didaktik interreligiösen Lernens zu entwickeln, indem zentrale Konturen eines solchen didaktischen Ansatzes aufgezeigt werden. Dabei werden die zentralen Einsichten der Arbeit abschließend gebündelt und durch einen didaktischen Ausblick exemplarisch und skizzenhaft konkretisiert.“ (9f.)

Das im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht (525-70331-1) von Annett Abdel-Rahman, Clauß Peter Sajak, Gabriela Schlick-Bamberger, Julian-Chaim Soussan und Winfried Verburg herausgegebene Handbuch Religiöse Feste feiern. Impulse aus Judentum, Christentum und Islam für eine inklusive Kultur verhilft zu solidem Basiswissen zur Bedeutung von Fest- und Fasttagen in den drei monotheistischen Religionen und zu didaktischen Vorüberlegungen. Im Vorwort heißt es zurecht: „Religiöse Feste und Feiertage prägen weiterhin das gesellschaftliche Leben und sie strukturieren unsere Zeit, selbst in einer säkularen und sogar noch in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft. Auch wenn der Jahreskalender im deutschsprachigen Raum vor allem durch christliche Feste geprägt wird, so hat doch die religiöse und kulturelle Pluralisierung bewirkt, dass jüdische und muslimische Feiertage zunehmend Aufmerksamkeit erhalten und an Alltagsbedeutung gewinnen. So werden vor allem der Ramadan und das Fastenbrechenfest, aber durchaus auch Chanukkah und das Pessachfest nicht nur in den Medien, sondern auch in den Schulen zunehmend wahrgenommen und im besten Fall thematisiert und integriert. Es ist davon auszugehen, dass diese Pluralität an Feiertagen zunehmen wird, zumal inzwischen offensiv die Ausweitung von jüdischen und muslimischen Feiertagen bei gleichzeitiger Reduzierung der christlichen Feiertage im Kalenderjahr diskutiert wird. Dies hat auch Konsequenzen für die Schulen in der Bundesrepublik Deutschland, in denen aufgrund der Vorgaben des Grundgesetzes und der damit verbundenen Rechtsprechung der positiven Religionsfreiheit von Schülerinnen und Schülern großer Raum gewährt wird. Der in Übereinstimmung mit den Religionsgemeinschaften gemäß Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes erteilte sog. Konfessionelle Religionsunterricht ist dafür nur ein Beispiel. Andere sind die Angebote der Schulpastoral, die in den Schulgesetzen der Bundesländer vorgesehenen Möglichkeiten, Schulgottesdienste im Rahmen der Unterrichtszeit zu feiern, und sog.Kontaktstunden von Mitarbeitenden der Religionsgemeinschaften mit den Schülerinnen und Schülern. Auch die Gestaltung derreligiösen Fasten-, Fest- und Feiertage ist im Horizont dieser Grundrechte von Schülerinnen und Schülern zu sehen und muss entsprechend in angemessener Weise im Schulleben aufgegriffen werden. Dies ist ein wichtiger Aspekt von Inklusion, der allerdings aus bildungswissenschaftlicher und schulpädagogischer Perspektive meist vergessen wird. Im Kontext von Inklusion in der Schule geht es eben immer »auch um den Umgang mit weltanschaulicher und religiöser Verschiedenheit. Wie kann eine Schule inklusiv sein, die Schülerinnen und Schüler diskriminiert und damit exkludiert, weil sie sich z.B. an religiöse Regel(n) zum Arbeitsverbot an Feiertagen, zur Ernährung oder zur Bekleidung ebenso halten wollen wie an die Regeln der Schule, ohne dabei die Rechte und Freiheiten anderer einzuschränken?«  Gleiches gilt auch für die Verbote und Gebote, welche die Ernährung in Judentum, Christentum und Islam betreffen: »Wieso wird die Gewissensentscheidung, sich aus moralphilosophischen Gründen vegetarisch oder vegan zu ernähren, eher akzeptiert und ein entsprechendes Angebot in der Schulmensa vorgehalten als die Gewissensentscheidung, sich aus religiösen Gründen koscher oder halal zu ernähren?« Entsprechend gilt: »Inklusion in Schule bleibt notwendig unvollständig, wenn die Differenzen in religiösen Ansichten, Haltungen und Lebenspraxen der Menschen in den Schulen nicht in gleicher Weise akzeptiert und berücksichtigt werden wie andere Differenzen.« Das vorliegende Handbuch will einen Beitrag dazuleisten, dass solchen Formen der Exklusion von religiösen Rechten und Bedürfnissen im Raum der öffentlichen Schule entgegengetreten werden kann. Schulleitungen wie Lehrerinnen und Lehrer sollenmithilfe dieser Publikation befähigt werden, in kompetenter Weise mit religiösen Fast-, Fest- und Feiertagen in den drei monotheistischen, abrahamischen Religionen umzugehen.“ (5f) Das Handbuch gliedert sich „in eine Einführung, in der aus der Perspektive des Judentums, des Christentums und des Islams die wichtigsten Informationen zu religiösen Fasten- und Feierzeiten sowie den oft damit verbundenen Speiseregeln dargestellt werden. Zudem finden sich hier grundsätzliche Überlegungen zur Struktur der Jahreskreise und den darauf gründenden Kalendern in den drei Religionen. Es folgt ein ausführlicher lexikalischer Teil, in dem die wichtigsten Feste aus Judentum, Christentum und Islam in strul1urierter und konziser Weise präsentiert werden. Zu jedem der Feste finden sich Informationen über den Zeitpunkt, die religiöse Bedeutung, den Gottesbezug, die Riten und Bräuche, Glückwunschformeln sowie Tipps und Hinweise für den Schulalltag. Auch ein Querverweis auf analoge Feiertage in den beiden anderen abrahamischen Religionen ist hier zu finden. Der zweite Teil des Buches ist der religiösen Praxis in der Schule und damit der konkreten Gestaltung religiöser Fest- und Feiertage in der Klassen- oder Schulgemeinschaft gewidmet. Er beginnt mit einer ausführlichen religionspädagogischen Reflexion über die Möglichkeiten sowie Grenzen einer gemeinsam gestalteten religiösen Feiertagskultur. Unter der Überschrift »Didaktische Gratwanderung im Kontext interreligiös-performativer Lernprozesse« sollen wichtige Hinweise auf Sensibilitäten, Übergriffigkeiten und Vereinnahmungsgefahren erschlossen werden. Gerade die Lektüre dieses Reflexionsteils ist eine notwendige Voraussetzung für die Gestaltung religiöser Feier­ tage an der eigenen Schule im Rahmen der eigenen Schulgemeinschaft. Es folgen Praxisbeispiele aus den drei abrahamischen Religionen, die sich an der Struktur am lexikalischen Theorieteil orientieren. So wird zu jedem der sechs jüdischen, achtzehn christlichen und zwei muslimischen Festtage bzw. Fastenzeiten ein Praxisimpuls vorgestellt, mit dem in der Schule der Feiertag als Thema im Unterricht, liturgischer Impuls oder als Gottesdienstfeier gestaltet werden kann. Das Buch schließt mit einem rechtlichen Teil, in dem die staatlichen Regelungen zur Beurlaubung von Schülerinnen und Schülern an religiösen Feiertagen ihrer Religionsgemeinschaft in einer Synopse für alle 16 Bundesländer dokumentiert sind.“ (6)

Sandra Anusiewicz-Baer, Christian Hild und Abdel-HafiezMassudhaben imW. Kohlhammer Verlag (17-043762-3) in der Reihe „Religion und Kommunikation in Bildung und Gesellschaft“ den Band Humanität als religionspädagogisches und -didaktisches Leitmotiv herausgegeben, dem bewusst keine einheitliche Definition von Humanität zugrunde liegt, „um Anschlussmöglichkeiten zu den Themenfeldern der Menschenwürde, der Menschen-, Grund- und Kinderrechte und auch zu diesbezüglichen Bildungsprozessen im Hinblick auf Menschenrechtsbildung, Menschenrechtspädagogik und -didaktik, Friedenspädagogik etc. zu eröffnen und den Autor*innen des Bandes unterschiedliche Anknüpfungspunkte zu bieten.“ (11) Pointiert wird formuliert: „Humanität grundiert religiös-weltanschauliche Reflexionen und religiös-weltanschauliche Reflexionen spitzen religions-pädagogische und -didaktische Grundfragen der Humanität zu. In religiösen Bildungsprozessen sehen sich Lehrende und Lernende mit Humanität tangierenden Problemfeldern konfrontiert, die bestimmte Fragen aufwerfen und ihnen diesbezügliche Antworten abverlangen – kurz: Humanität avanciert zunehmend als religionspädagogisches und -didaktisches Leitmotiv für die religionspädagogische und -didaktische Forschung und Praxis. Hieraus erwachsen Fragen, die ganz oder zum Teil mit den primären Schwerpunkten der RKBG-Reihe korrelieren: den Interrelationen von Religionen und Kommunikation, von religiöser Bildung und Gesellschaftssystemen sowie von Religion und Staat.“(13)

Diesen Fragen haben sich siebzehn Autor*innen aus unterschiedlichen Perspektivierungen angenommen: Vanessa Albus identifiziert in ihrem Beitrag Humanismus und Philosophieunterricht humanistische Spuren in der Geschichte des Philosophieunterrichts von der Antike bis in die Gegenwart. Angesichts der Folgen des Krieges in der Ukraine fragt Marius de Byl in seinem Beitrag Religionslehrer *innen als Übersetzer*innen? Impulse für eine kontextsensible Thematisierung von Humanität im Religionsunterricht auf den Ebenen religionsunterrichtlicher Strukturen und religionsunterrichtlicher Inhalte nach Humanität. „Humanität versus Ausgrenzung“ – Welchen Beitrag können dis/ability studies und dis/ability history für einen nicht-ausgrenzenden Religionsunterricht leisten? lautet der Titel des Beitrags von Heidrun Dierk. In ihrem Beitrag Das Unaushaltbare aushaltbarer machen? - Über den Umgang mit Erfahrungen der Inhumanität im religionspädagogischen Setting befasst sich Maike Maria Domsel mit der humanistischen Bringschuld des Religionsunterrichts, traumatisierten Schüler*innen den Religionsunterricht als „sicheren Raum“ anzubieten und sie seelisch zu unterstützen. Christian Hild eruiert, inwieweit das von dem jüdischen Religionsphilosophen Ephraim Meir geprägte Konzept der „Transdifferenz“ als religionsdidaktischer Impuls zu einer sprach- und translationsbasierten Humanitätssensibilisierung fungieren kann. Kai Horstmann betont mit seinem Beitrag Frieden geht anders. Der Weg des Gerechten Friedens als religionspädagogische Orientierung die bleibende Bedeutung der Friedensbildung. In ihrem Beitrag „Being human is given. Keeping our humanity is a choice.“ Menschsein entwickeln - ein religionspädagogisches Leitmotiv fokussiert Helga Kohler-Spiegel Menschen- und Kinderrechte als Basis für die religionspädagogische Arbeit an „Humanität“ als Thema, als Grundhaltung und als pädagogischen Auftrag. Der Frage Humanität als Grundbegriff jüdischer Religionspädagogik? widmet sich Bruno Landthaler. Volker A. Lehnert fokussiert Die Frage des Bösen und die Trivialisierung der Sünde in der theologischen Anthropologie als religionspädagogische Herausforderung. In seinem Beitrag Gottesattribute als Zugang zur Humanität. Narrativ konstruierte Gottesattribute in der Prophetengeschichte Jonas präsentiert Abdel-Hafiez Massud die Perspektive der Didaktisierung der Gottesattribute, die in den Prophetengeschichten des Korans direkt oder indirekt konstruiert werden, als Möglichkeit zur Humanisierung von Jugendlichen und zur Vermeidung von konfrontativer Religionsausübung.  Abualwafa Mohammed setzt sich in seinem Beitrag Die Konzeption der Menschenwürde im Koran. Ein theologisch-anthropologischer und pädagogischer Approach mit dem Konzept der Menschenwürde im Koran und in der islamischen Tradition auseinander und versucht, die Affinität mit dem säkularen Menschenrechtsdiskurs in Europa herzustellen. Bettina Reichmann unternimmt den Versuch, Menschenwürde einer christlichen Perspektivierung zu unterziehen, um sie für religiöse Bildungsprozesse anschlussfähig zu machen; dies erscheint der Autorin pädagogisch sinnvoll, weil das dem Verständnis der Würde zugrundeliegende Gottes- und Menschenbild wesentlich dazu beitragen kann, wie gesellschaftliches Miteinander aus religiöser Perspektive gelingen könnte. Das Ziel ihres Beitrages Die Würde des Menschen - christlich gelesen, religionspädagogisch buchstabiert besteht in einer Einführung in die Pluralität der Begründungen der Idee der Menschenwürde, um so den christlichen Würdebegriff zu beleuchten und daraus erwachsende Perspektiven für religiöse Bildung aufzuzeigen. In seinem Beitrag Humanität als Maßstab - der „Trialog der Kulturen“ als Beitrag zur Zivilisierung von Religion zeigt Clauß Peter Sajak, wie es der Herbert-Quandt-Stiftung gelungen ist, mit der Etablierung des Schulenwettbewerbs „Trialog der Kulturen“ das Trialogische Lernen als zentrale Disziplin des Interreligiösen Lernens zu konzeptualisieren und zu praktizieren. Franziska Michaela Trefzer untersucht die Menschenrechts- und Kinderrechtsbildung in der Ausbildung von Religionslehrkräften - Ein Beitrag zu einer humanitären Unterrichts- und Schulkultur der kommenden Generation. Stefan van der Hoek erörtert in seinem Beitrag Intersektionalität als Leitfrage und -motiv humaner religionspädagogischer Praxis im 21. Jahrhundert?, inwieweit die stetig steigende Diversität der Schüler*innen im Mittelpunkt des Religionsunterrichts angesichts einer humanen Religionspädagogik im 21. Jahrhundert zu stehen hat. Konrad Zimare fragt in seinem Beitrag Das Inhumane religiös deuten? Religionspädagogische und humanitäre Chancen und Grenzen eines deutungstheoretischen Religionsbegriffs als Grundlage schulischen Religionsunterrichts nach den Auswirkungen der inhumanen Kriegswirklichkeit in der Ukraine auf das dominierende deutungstheoretische Religionsverständnis in der Religionsdidaktik und eruiert anhand konkreter religiöser Deutungen des Krieges inhaltliche Anknüpfungspunkte für den Religionsunterricht. Michael Zimmer plädiert in seinem Beitrag „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist…“ (Mi 6,8) Die Bibel als Gesprächspartnerin in Lernprozessen zum Thema Humanität? für die bewusste „Rückgewinnung“ der Bibel als Ressource für Humanitätserziehung in der Schule und im Erwachsenenalter.

In der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07442-6) haben Richard Janus, Naciye Kamcili-Yildiz, Marion Rose und Harald Schroeter-Wittke in der „Studien zur religiösen Bildung“ die Ergebnisse der Jahrestagung des Arbeitskreises für Historische Religionspädagogik unter dem TitelKatastrophen. Religiöse Bildung angesichts von Kriegs- und Krisenerfahrungen im 19. und 20. Jahrhundertvorgelegt. Die Beiträge aus Evangelischer, Katholischer und Islamischer Religionspädagogik sowie aus Geschichte und Erziehungswissenschaft fragen danach, wie Katastrophen konzeptionelle, inhaltliche und systematische Gestaltungen religiöser Bildung in Schule, Religionen und Gesellschaft beeinflussten und wie sie religionspädagogisch rezipiert, verantwortet und verarbeitet wurden. In ihrem Vorwort betont der Herausgeberkreis: „Bei unseren Vorbereitungen legten wir als historisch arbeitende Religionspädagoginnen und Religionspädagogen ein besonderes Augenmerk darauf, den Wert der Beschäftigung mit der Geschichte in der Verhältnisbestimmung zum Heute zu motivieren und transparent zu machen. Wie aktuell unsere Titelgebung um die drei Leitworte Krise, Katastrophe, Krieg aber dann unversehens wurde, konnten wir nicht ahnen. Mit Beginn des großflächigen Angriffskrieges durch Russland auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erlebten wir die Klimax zur kriegerischen Eskalation nicht mehr in historischer Distanz, sondern in zeitge­nössischer Nähe. Schalom, salam, Friede wie selbstverständlich gehen uns als Theologinnen und Theologen diese Worte über die Lippen. Wie zentral sind sie. Wie schwer wiegen sie. Wie zerbrechlich sind sie.“ (5) Es gelingt den Beiträgen religionspädagogische Spuren im medialen Umgang mit konkreten Katastrophen der letzten 250 Jahre zu finden „angesichts des Umstands, dass Katastrophen als Durchbrechung des Alltags phänomenologisch eine Nähe zur Struktur von Religion als Unterbrechung des Alltags aufweisen.“ (362) In der Tat kann durch historische Ereignisbeleuchtung die Deutung heutiger Katastrophen, Kriegs- und Krisenerfahrungen (z. B. Corona, Klima, Ukraine) angeregt werden!

Im Mohr Siebeck Verlag (16-162227-4) hat A. Katarina Weilert in der Reihe „Religion und Aufklärung“ den wertvollen Band Werteerziehung durch die Schule. Begriffliche Grundlagen, staatstheoretische Basis und institutionelle Ziele herausgegeben. In der Einleitung führt sie konzise aus: „Schule soll neben der Vermittlung von Bildung, verstanden als Vertiefung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, auch eine Erziehungsfunktion ausüben. Strittig ist der Umfang dieser Erziehungskompetenz des Staates. Es wird, nicht zuletzt landesverfassungsrechtlich, gefordert, dass Schule ein Ort der „Werteerziehung“ und Persönlichkeitsbildung oder sogar „Gewissensbildung“ sein solle. Was aber heißt das eigentlich? Was sind „Werte“? Zu welchen Werten soll auf welche Weise erzogen werden? Darf der Staat im Rahmen der Schule Einfluss nehmen auf die Ausbildung der Persönlichkeit – muss er es sogar – und wo liegen die Grenzen? Während im politischen Diskurs die „Werte des Grundgesetzes“ immer wieder beschworen und landesverfassungsrechtlich sogar derartige Werte oder auch darauf basierende „Gesinnungen“ identifiziert werden (etwa eine freiheitlich-demokratische Gesinnung; die Verantwortung für die Gemeinschaft und für künftige Generationen, ein Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt) und sogar denjenigen, die diese Werte nicht teilen, politisch ein Platz außerhalb unserer Gesellschaft zugewiesen wird, ist im rechtswissenschaftlichen wie auch interdisziplinären Diskurs umstritten, ob es überhaupt „Werte“ des Grundgesetzes geben kann. Auch Deutschlands rigoroses Verbot des Homeschooling, jedenfalls außerhalb von pandemischen Zwängen, basiert nicht auf der primären Sorge, dass die Schüler zu Hause den Stoff der Mathematik oder die korrekte Rechtschreibung nicht sachgerecht lernen könnten, sondern ist motiviert von der Angst vor Parallelgesellschaften, also von Menschen mit Anschauungen, die „unseren Werten“ zuwiderlaufen und die sich deshalb nicht in unsere Gesellschaft integrieren. Hat Schule also damit vor allem eine Integrationsfunktion, um die Gesellschaft entgegen aller Pluralitätsbekundungen doch in Richtung einer „Grundhomogenität“ zu formen? Verbergen sich hinter einer Werteerziehung in der Schule eigentliche Machtansprüche des Staates, eine „richtige Gesinnung“ zu bewirken? Kann der Staat seinen Anspruch oder wenigstens seine Legitimation einer Werteerziehung aus dem Grundgesetz ableiten?“ (IX f.) In ihrem die einleitenden Überlegungen abschließenden Fazit konstatiert die Herausgeberin sehr gut nachvollziehbar: „Der Band „Werteerziehung durch die Schule“ kann die aufgezeigten Dilemmata nur schärfer konturieren, aber nicht aus der Welt schaffen oder „lösen“. Trotz aller Unschärfe und Problematiken ist der Wertbegriff nicht notwendig zu verdammen, sondern er kann in den unterschiedlichen Disziplinen oder auch politischen Diskursen seine je eigene Bedeutung finden. Heikel bleibt es allerdings, aus ihm in seiner Unschärfe etwaige „Vorschriften“ für die Bürger – bzw. in diesem Kontext spezifisch: Schüler – abzuleiten. „Werte“ bilden kein übergeordnetes staatliches Recht und Grundrechte dürfen nicht in Grundpflichten umgemünzt werden. Der politische Ruf nach einer Wertegemeinschaft, bei der der Schule die Rolle zukommt, die Bürger der nächsten Generation demokratietauglich und gemeinwohlorientiert zu erziehen, sie positiv-affirmativ entsprechend der in den Landesverfassungen explizierten „Werte“ zu formen, muss – abgesehen von der Vermittlung zentraler Verfassungsprinzipien – in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in ein Angebot an Werten und die Erziehung zur Urteilsfähigkeit, die eine Mündigkeit voraussetzt, umgedeutet werden. Aber wie kann zu einer Mündigkeit erzogen werden, wenn Kinder und Jugendliche einer Beliebigkeit an Werten, Idealen und Vorstellungen eines guten Lebens und verantwortlichen Handelns ausgesetzt sind? Hier können Vorbilder eine zentrale Rolle spielen. Wird die Würde des Menschen als oberster „Wert“ des Grundgesetzes nur noch als freiheitliche Autonomie verstanden, ist damit in erster Linie nur eine negative Aussage getroffen, gleichsam ein „Nichteinmischungsprinzip“ verwirklicht, aber kein positiver Wert vermittelt oder kein Gut, dem nachzustreben es sich lohnen würde. Offensichtlich fehlt einer Gesellschaft der Zusammenhalt, wenn sie allein darauf gerichtet ist, die Menschen als autonome und voneinander diverse Personen zu achten und zu ihnen heranzubilden. In dieser Spannung steht der Verfassungs- und Gesellschaftsdiskurs: Die Fokussierung auf das freiheitliche Individuum und das Gut der Vielfalt gerät in Spannung zur gesellschaftspolitischen Notwendigkeit eines Miteinanders, das über bloße Toleranz hinausreicht. Nicht ganz zufällig ist das Böckenförde-Diktum in verschiedenen Beiträgen dieses Bandes zur Sprache gebracht worden, da der verfassungsrechtlich verweigerte, über das Anerkenntnis von Grundrechten hinausreichende, „positive“ Wertebezug eine Leerstelle hinterlässt. Es bedarf gemeinsamer Identifikationspunkte und gemeinsamer Orientierungen, um ein Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln, das Grundlage für eine solidarische Form des Miteinanders ist. Unter der „Werte-Chiffre“ werden solche Identifikationspunkte definiert, die wie die landesverfassungsrechtliche „Lyrik“ hinreichend deutungsoffen sind, aber doch gemeinsame Zielpunkte vorgeben. In der Bildung vermittelt werden sie über Lerninhalte, aber insbesondere auch über Vorbilder und glaubwürdige Autoritäten, an denen sich die Lernenden „abarbeiten“ bzw. zu denen sie sich in Position setzen können. In der Schule ist die Situation im Gegensatz zum Miteinander Volljähriger von der Besonderheit geprägt, dass Kinder und Heranwachsende noch keine „fertigen“ Persönlichkeiten sind, die ohne Vorbilder und Leitmaßstäbe gleichsam aus sich selbst heraus das für sie selbst Gute und gesellschaftlich Erstrebenswerte erkennen und umsetzen können. In erster Linie sind die Eltern aufgerufen, hier durch Vorbildfunktion und Vermittlung von „Werten“ zu wirken. Aber auch der Staat kann gewisse auf das gemeinschaftliche und zukunftsorientierte Miteinander bezogene „Ziele“, „Tugenden“, „Güter“ und „Werte“ in Landesverfassungen, Schulgesetzen und Bildungsplänen definieren, die er aber nur in Ergänzung und – bis auf die verbürgten Verfassungsprinzipien, insbesondere den „Wert“ einer demokratischen Gesellschaft – grundsätzlich nicht in Opposition zum Elternhaus anbieten darf. Vor allem aber darf keine positive Gesinnungshaltung abverlangt werden und es muss der Widerspruch zu dem Vermittelten zulässig sein, will der Staat nicht totalitär werden. Das, was staatlich nicht verordnet werden darf, kann allerdings durch einzelne Lehrerpersönlichkeiten bewirkt werden, die als Vorbilder für ihre Werte und favorisierten Güter einstehen. Auch hier dürfen die Schüler sich nicht gezwungen sehen, diese zu teilen (sich etwa dem staatlichen Zwang durch Notengebung für ihre Gesinnung ausgesetzt zu sehen), sondern das Lehrervorbild soll vielmehr eine Grundlage für eine eigene Entscheidungsfindung der Schüler bilden, diese Werte und Güter als positiv und nachahmenswert anzunehmen oder abzulehnen. Hängt am Ende also vieles an der Lehrperson selbst, so bleibt jedoch die Schwierigkeit, wie der neutrale Verfassungsstaat solche positiven Vorbilder der Lehrenden für den Schulunterricht heranbilden kann, ohne am einen Ende in eine Gesinnungskontrolle der Lehrenden zu verfallen oder aber am anderen Ende an die Grenzen seiner Schulaufsichtspflicht zu stoßen. Die Stärke der Wertesemantik im politischen Diskurs fällt also mit ihrer begrifflichen Schwäche zusammen, nämlich ihrer hohen Unterbestimmtheit. Seinem germanischen Ursprung nach bedeutet Wert etwas „Kostbares“. Auf diese positive Konnotation wird in Zusammenhang mit dem hohen Ansehen, das das Grundgesetz genießt, unmittelbar rekurriert, wenn von „den Werten des Grundgesetzes“ gesprochen wird. Wie die Beiträge des Bandes zeigen, ist hier Vorsicht geboten, wenn diese hoch unterbestimmten „Werte des Grundgesetzes“ als eine Aufforderung zu einer „Gesinnungserziehung“ verstanden oder wenn aus ihnen staatsrechtliche Pflichten abgeleitet werden. Rechtspflichten können sich nur aus dem positiv gesetzten Recht – und in Bezug auf eine „Werteerziehung“ besonders den einschlägigen und wertekonkretisierenden Verfassungsprinzipien – ergeben. Eine über eine Rechtsbefolgung hinausgehende Gesinnung seiner Bürger hat der Staat nirgendwo, auch nicht im Schulkontext, zu kontrollieren oder einzufordern, wenngleich zu berücksichtigen ist, dass der Staat in der Schule über weitreichendere Erziehungskompetenzen verfügt als gegenüber Erwachsenen. Der Schlüssel zur Vermittlung dessen, was sich als rechtlich verbindlicher Bildungskanon fassen lässt (wie etwa die Erziehung zu gewissen Tugenden, die Vermittlung von Prinzipien und die Sensibilisierung für Wertschätzungen gegenüber anderen Menschen und für den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt sowie die Bewusstseinsstärkung für das hohe Gut der Demokratie) und was darüber hinaus gesellschaftlich nötig ist, um den „Kit“ einer Gemeinschaft zu bilden und eine „Demokratietauglichkeit“ der nächsten Generation zu fördern, kann wenigstens im Ansatz in Lehrerpersönlichkeiten liegen, die positiv für „Werte“ einstehen, ohne die Schüler zu überwältigen. Ziel ist dabei, jenseits der stets zulässigen Vermittlung zentraler und für unsere freiheitliche Demokratie konstituierender Verfassungsprinzipien, nicht die Gesinnungserziehung, sondern die Erziehung zur Mündigkeit auf der Basis angebotener und vorgelebter „Werte“. (XXIII ff.) Ein in vielerlei Hinsichten sehr kostbares Buch!

Einem speziellen Thema widmet sich Janine Hoffmann in ihrer im LIT Verlag (643-51150-8) in der Reihe „Religion und Bildung“ erschienenen, fast 600seitigen Wiener Dissertation Tierethik im christlichen Religionsunterricht. Eine religionspädagogische Grundlegung und Analyse. In ihrer Einleitung betont die Autorin, dass trotz ihrer Allgegenwärtigkeit und Wichtigkeit Tierethik erst allmählich in der theologischen und religionspädagogischen Diskussion einen Raum findet: „Die Umweltkrise hat zwar zu einer eingehenderen Beschäftigung mit der Schöpfungslehre geführt, nicht jedoch zu einer ausdifferenzierten Mitgeschöpflichkeitslehre, christlichen Tierethik oder einer dem Tier zugewandten diakonischen Haltung. So sind auch in der Religionspädagogik Möglichkeiten und Herausforderungen tierethischer Inhalte für den Religionsunterricht bisher nur in überschaubarem Umfang erarbeitet beziehungsweise noch nicht methodengeleitet analysiert worden. Allenfalls Schlaglichter sind in der empirischen Forschung zu nennen. Die vorliegende Arbeit versucht diese Lücke zu füllen, indem sie eine Rundschau philosophischer und theologischer tierethischer Ansätze zusammenstellt und diese gemeinsam mit psychologischen Aspekten für einen Einsatz im Religionsunterricht aufarbeitet. In einem zweiten Schritt wird das daraus entstandene Raster für eine Qualitative Inhaltsanalyse an exemplarisch ausgewählten Lehrplänen und Schulbüchern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz genutzt. Mit dieser Untersuchung können Aussagen über Qualität und quantitative Tendenzen über den Stand der Tierethik in Lehrplänen und Schulbüchern bzw. Schulbuchreihen gemacht werden.“ (19). Ausgehend von der Forschungsfrage „Welche tierethischen und psychologischen Ansätze sind für den Religionsunterricht bezogen auf Tierethik relevant und wie sind diese Ansätze in Lehrplänen und Lehrbüchern des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts in Umfang und Qualität zu beurteilen?“ gliedert sich die Arbeit deshalb in zwei Teile: „Im ersten Hauptteil werden biologische und rechtliche Grundlagen zur Thematik der Tierethik erläutert und anschließend ethische und psychologische Ansätze dargelegt. Im zweiten Hauptteil werden diese Ansätze in ein Kategoriensystem überführt und ausgewählte Lehrpläne und Schulbücher danach befragt. Die theologischen Fachinhalte werden nicht nach evangelischen und katholischen Ansätzen getrennt, da sich bezogen auf Tierethik keine grundlegenden inhaltlichen Unterscheidungen zwischen evangelischer und katholischer Theologie begründen lassen, allenfalls in der Debattenkultur zum Thema sind Unterschiede zu vermerken. Vertreter anderer Konfessionen und Religionen werden nicht aufgeführt, da sich die Analyse auf Lehrmittel des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts beschränkt. Im Rahmen der Schülergemäßheit wird auch auf die Emotionen im Prozess ethischer Urteilsfindung eingegangen und auf zu beachtende entwicklungspsychologische Besonderheiten, die für die Urteilsbildung im tierethischen Bereich relevant sind. Für die anschließende Erstellung eines Analyseinstruments wird die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring genutzt, da mit ihr sowohl qualitative Aussagen über den Inhalt des Materials getätigt als auch quantitative Tendenzen formuliert werden können.

Mittels dieser Analyse werden exemplarisch ausgewählte Lehrpläne und Schulbücher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf tier-ethische Inhalte und deren Qualität und Quantität beurteilt. Die Ergebnisse der Lehrplan- und Schulbuchanalyse bieten zum einen konkrete Einblicke in den tierethischen Gehalt der einzelnen Schulbücher und Lehrpläne sowie einen Überblick über die Schulbücher, Schul-buchreihen und Lehrpläne der Länder. Diese Ergebnisse stellen damit einen kritischen Blick auf den Ist-Stand der schulbezogenen Materialien zu Tierethik im Religionsunterricht dar und weisen auf Potenziale und Herausforderungen einer sach- und schülerInnengerechten Auseinandersetzung mit dieser Thematik hin. Zum anderen bieten erster und zweiter Hauptteil auch die Möglichkeit, systematisierende und praktische Aspekte der Thematik zu versammeln.“ (20f.) Eine geeignete Vertiefung des Themas Tierethik bietet die von dem Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum der EKM (www.oekumenezentrum-ekmd.de) herausgegebene Materialsammlung für die Arbeit in Gemeinde und Schule Mitgeschöpf Tier, an der die Verfasserin mitgearbeitet hat.

2 Praktische Theologie

Religiöse Erfahrung und ihre transformative Kraft. Qualitative und hermeneutische Zugänge zu einem praktisch-theologischen Grundbegriff lautet der Titel der hervorragenden Züricher Habilitationsschrift von Sabrina Müller, die im Verlag De Gruyter (11-100003-9) in der renommierten Reihe „Praktische Theologie im Wissenschaftsdiskurs“ veröffentlicht wurde. In ihrer Einleitung „Religiöse Erfahrung alspraktisch-theologische Herausforderung“ schreibt die Autorin: „Vor mehr als einem Jahrhundert hat William James unterschieden zwischen Forschung zu institutionalisierter Religion – deren Fokus die Kirche und die Systematische Theologie ist – und Forschung zu individueller Religion, welche den Fokus auf persönliche religiöse Erfahrungen legt. Sein Interesse galt in der Folge der Erforschung individueller Religion. Wie bei James stehen in der hier vorliegenden Studie die persönliche, auf Erfahrung basierende Religiosität und die davon ausgehenden Transformationslogiken im Zentrum. Die hier vorliegende explorative, empirische Untersuchung ist eine Spurensuche danach, wie junge, urbane Erwachsene ihre religiösen Erfahrungen begreifen, deuten und auf ihren Alltag beziehen. Dadurch sollen Impulse für die gegenwärtigen praktisch-theologischen Theoriebildungen im Horizont gesellschaftlicher Veränderungen gegeben werden. Zugleich wird damit die praktisch-theologische Theorie- und Gegenstandsreflexion um eine kontextuelle und induktive Perspektive von individualisierten, urbanen Menschen erweitert.“ (1) Problemhorizont und Ziel der Untersuchung werden wie folgt umrissen: „Dabei lassen sich Erfahrung als Lebensvorgang und Leben als Erfahrungsprozess nicht voneinander trennen, sondern „[es] galt und gilt, praktisch-theologische Arbeit in der Balance zwischen der Anschlussfähigkeit an theologische Theoriebildung und dem Bezug auf die konkrete Lebenswelt zu modellieren.“ Dies wird in dieser Studie mit einem konsequent induktiven und diskursiven Ansatz verfolgt, mit dem versucht wird, der prozessualen Dynamik und Liquidität individueller Religiosität gerecht zu werden. Die verwendete Referenzliteratur dient nebst der Sensibilisierung für die Thematik als epistemologisches Diskussionsgegenüber und hermeneutische Sehhilfe. Sie wird aber nicht im Sinne eines spezifisch leitenden Theorieansatzes eingesetzt. Durch diese Untersuchung soll ein Beitrag zu einem besseren Verständnis alltäglicher, individueller und sozialer religiöser Wirklichkeitskonstruktion, religiöser Prägungen und der Entstehung religiöser Identität geleistet werden. Zudem werden Aspekte einer narrativen Praktischen Theologie von unten, also vom theologieproduktiven, spätmodernen Subjekt her, skizziert.“ (4) Die Verfasserin konturiert Forschungsfrage und Aufbau der Untersuchung präzise: „Die vorliegende Untersuchung ist ein induktiver, empirischer, kontextuell-westlicher (europäischer und nordamerikanischer) und explorativer Grundlagenbeitrag praktisch-theologischer Forschung, in dem Theorien wie ein Netz verwendet werden, um die erlebte, erfahrene und erzählte Wirklichkeit religiöser Erfahrung von jungen, urbanen Menschen einzufangen. Konkret wird empirisch untersucht, wie und weshalb urbane Menschen ihre Erfahrungen als religiös wahrnehmen und wie sie sie kategorisieren und in Sprache fassen. Zudem wird induktiv nach Transformationslogiken in religiösen Prozessen gefragt, die sich zum Beispiel in Bezug auf die Selbst- und Weltwahrnehmung, Identität oder das persönliche Theologisieren abbilden lassen. Davon ausgehend werden theologische Implikationen reflektiert und handlungsleitende Impulse für die Praktische Theologie gesetzt. Eine vierfache Blickrichtung bestimmt den Aufbau der Studie. Diese folgt dem klassischen Design qualitativer, im Paradigma der Grounded Theory stehenderForschungsarbeiten: 1. Im ersten Teil der Studie werden in Kapitel zwei und drei theoretische Grundlagen im Sinne von Sensibilisierungskonzepten dargestellt und diskutiert. In Kapitel zwei werden unterschiedliche Verständnisse religiöser Erfahrung, vor allem im Hinblick auf die Relevanz für die Praktische Theologie, dargestellt.
In Kapitel drei werden gesellschaftliche Veränderungen mit besonderer Beachtung des Urbanitätsdiskurses diskutiert. Sensibilisiert werden soll also sowohl für die Thematik der religiösen Erfahrung als auch für die veränderten Lebensumstände spätmoderner, urbaner Menschen. Das Hauptaugenmerk richtet sich bei der Darstellung unterschiedlicher religiöser Erfahrungsbegriffe und bei der Gesellschaftsanalyse auf die thematisch relevanten, hermeneutischen Diskurskontexte. Durch die hermeneutische Grundlegung zeitgeschichtlicher und fachwissenschaftlicher Entwicklungslinien sollen Wahrnehmungs- und Deutungsmöglichkeiten religiöser Erfahrung im Kontext urbaner Menschen erschlossen werden. 2. Im zweiten Teil wird in Kapitel vier im Sinne eines methodologischen Zwischenspiels die Bedeutung qualitativer Sozialforschung – hier insbesondere der Grounded Theory – für die Praktische Theologie diskutiert und die Methodologie dieser Studie detailliert beschrieben. 3. Im dritten Teil der Studie werden die Ergebnisse aus der qualitativen Datenanalyse ausführlich dargestellt. Dies zuerst im fünften Kapitel durch Einzelfalldarstellungen, in denen es um den Inhalt religiöser Erfahrungen geht. In Kapitel sechs und sieben werden die Erkenntnisse fall- und gruppenübergreifend dargestellt. Spezifisch geraten in Kapitel sechs vor allem grundsätzliche Beobachtungen und in Kapitel sieben die prozessualen Aspekte religiöser Erfahrungen in den Blick. 4. Vor diesem empirischen Hintergrund werden im vierten und letzten Teil der Untersuchung die induktiv erarbeiteten Theorien theologisch diskutiert und eingeordnet. Konkret werden in Kapitel acht die Ergebnisse im Horizont der Ausgangsfragen theologisch besprochen und in Kapitel neun wird die daraus resultierende Konzeption der Erfahrung der christlichen Hoffnungsperspektivenfür die Praktische Theologie, insbesondere im Horizont gelebter Theologie, fruchtbar gemacht.“ (4ff.) Ein wichtiges Plädoyer für gelebte Theologie als Praktische Theologie „von unten“ auf der Basis eines luziden Erfahrungsbegriffs: „Religiöse Erfahrung ist ein Widerfahrnis mit einem als relational erfahrenen Gott (Beziehungsgeschehen), welches den persönlichen Referenzrahmen im Horizont einer christlichen Hoffnungsperspektive zu transformieren vermag, dabei ist der deutende Umgang mit dieser Erfahrung integraler Bestandteil der Erfahrung.“ (209)!

Elisabeth Gräb-Schmidt und Martina Kumlehn zeichnen als Herausgeberinnen für das in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07450-1) erschienene Marburger Jahrbuch Theologie XXXIV: Praxis verantwortlich, das sich dem Thema Praxis in umfassendem Sinne widmet. Sie schreiben in ihrem Vorwort einführend: „Für die Theologie als Wissenschaft liegt dies nahe, ist sie doch reformatorisch selbst als praktische Wissenschaft, als »scientia eminens practica« (Hollaz) bestimmt worden. Dabei verabschiedet Theologie keineswegs die Theorie, wie es von Mephisto in Goethes Faust ironisch mit dem Wort »Grau, guter Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum« nahgelegt wird, vielmehr sieht sie beide – gewissermaßen abduktiv – als aufeinander bezogen an. Nun zeigt der von Kant zitierte Gemeinplatz »Das mag in der Theorie richtig sein, gilt aber nicht für die Praxis« jedoch bereits deutlich, dass das Verständnis des Verhältnisses von Theorie und Praxis in der Neuzeit einen Wandel durchlaufen hat. Kant problematisiert eine kurzsichtige Favorisierung der Praxis, die sich dem Vorwurf einer vermeintlich »verkopften« Theorie entziehen möchte oder einem naturwissenschaftlich-technologisch verengten Praxisverständnis, das Praxis selbst in Technik nivelliert, folgt. Jedoch verfehlt sie so nicht nur das Praxisverständnis der Antike und des Mittelalters, sondern auch das der Moderne, sofern diese die Praxis nicht einfach mit Technik gleichsetzt, sondern als pragmatistische letztlich mit einem Moment der Dynamisierung das weite, den aristotelischen Praxisbegriff leitende Praxisverständnis wieder aufnimmt. Wie bei Aristoteles die Theorie als höchste Form der Praxis gilt, so wendet sich in der Moderne die Praxis zu einer verdichteten heuristisch offenen Konzeption eines Ganzen, das durchaus leitende Orientierung bieten kann. Ausgehend von der Praxis erweist dieses avisierte Ganze sich daher als dynamisch und unabgeschlossen offen. Solche theoretische Praxis oder praktische Theorie ginge nicht von einem Allgemeinen aus, wohl aber setzte sie die Möglichkeit einer Universalisierung voraus, die die Praxis und ihre sinnvollen Vollzüge heuristisch leiten kann und muss. Praxis hat sich dementsprechend nicht isoliert von Theorie zu verstehen. Sie hat vielmehr als solche philosophische, ethische und metaphysische Relevanz. So gilt es gerade für die Moderne, dass die Praxis sich für die Wissens- und Erkenntnistheorie zur Geltung bringen muss. Der Paradigmenwechsel, als practical turn begriffen, bedeutet dann keine Verabschiedung von Theorie, wohl aber bestimmt Praxis jetzt jede theoretische Zielsetzung als heuristisch offen. Gegenwärtige kulturwissenschaftliche und soziologische Diskurse zur Praxeologie setzen diesbezüglich neue Impulse, die auch die Theologie inspirieren können, wie umgekehrt die Theologie, die sich als »positive Wissenschaft« versteht, ihren Beitrag zu einem Verständnis der Praxis leisten kann, insofern sie bereits in vielfältiger Weise auf die ihr vorausliegende (religiöse) Praxis bezogen ist, die sie kritisch reflektiert und auf die zugrundeliegenden Überzeugungen, Handlungsmaximen und Gestaltungsoptionen hin befragt. Unter der Voraussetzung der Theologie als »positiver Wissenschaft« ist gerade seitens der Theologie daher der Praxisbegriff in seinem komplexen Verhältnis zur Theorie zu klären. Dieses komplexe und differenzierte Praxisverständnis versuchen die Beiträge dieses Bandes aus der Kirchengeschichte (Peter Gemeinhardt), der Systematischen Theologie (Dirk Evers, Cornelia Richter) und der Praktischen Theologie (Martina Kumlehn) exemplarisch zu beleuchten, theologisch in die interdisziplinären Diskurse einzubringen und für den theologischen Gegenwartsdiskurs fruchtbar zu machen.“ (VIf.) Lesenswert ist insbesondere in religionspädagogischem Kontext der Beitrag „Strittige Praxis. Praktisch-theologische Reflexionsperspektiven auf religiöse und kirchliche Praxen“ von Martina Kumlehn, der folgenden Beginn hat: „Für das Selbstverständnis der Praktischen Theologie ist die beobachtende, reflexive und orientierende Bezugnahme auf religiöse Praxen und kirchliche Handlungsfelder konstitutiv und verbindet sich elementar mit enzyklopädischen und wissenschaftstheoretischen Problemstellungen des Fachs. Angesichts dieser unhintergehbaren Bezogenheit praktisch-theologischer Theoriebildung auf Praxisvollzüge bleibt jedoch immer aufs Neue klärungsbedürftig, welcher Begriff von Praxis zugrunde gelegt wird, welche unterschiedlichen Praxen als Gegenstand der praktischen Theologie in den Blick genommen werden, welche Verhältnisbestimmungen von Theorie und Praxis erfolgen und wie sich empirische und hermeneutische, deskriptive und normative, wahrnehmungs- und handlungsorientierte Dimensionen zueinander verhalten. Entsprechend ergeben sich je nach intra- und interdisziplinärer wissenschaftlicher Verortung unterschiedlich ausgerichtete Positionierungen. Unabhängig von den jeweiligen Näherbestimmungen im Feld ist jedoch stets die Grundspannung bewusst zu halten, dass Praxis einerseits als etwas Eigenes gesetzt wird und dass sie andererseits doch zugleich nur in Relation zu dem anderen ihrer selbst, d.h. zur theoretischen Reflexion, bewusstwerden und im analytischen Sinne zur Sprache gebracht werden kann. Konkrete Praxen als Handlungszusammenhänge konstituieren sich demnach in einem komplexen Bedingungsfeld und sie ereignen und vollziehen sich in dynamischen, genauer zu bestimmenden interaktiven und kommunikativen Wechselwirkungen, die aus der betrachtenden Distanz (re)konstruktiv in bestimmten Perspektiven wahrgenommen, gedeutet und nach verschiedenen Kriterien beurteilt werden können. Je genauer die Feinjustierungen in der Verhältnisbestimmung erfolgen, umso deutlicher wird, dass sich einfache dichotomische Bestimmungen als nicht adäquat erweisen, sondern vielfältige, graduell differierende Verflechtungen zwischen Praxis und Theorie auszumachen sind. Es gibt keinen unmittelbaren Zugriff auf die Praxis als Ganze, sondern nur begrenzte, perspektivische und selektive Beschreibungen von Praxen und Praktiken, die ihre Voraussetzungen und Beobachterperspektiven - jedenfalls im wissenschaftlichen Kontext - transparent in Formen des betrachtenden Denkens, der theoretischen Schau, ausweisen müssen. Diese Dynamik will der vorliegende Beitrag aufnehmen und anhand exemplarischer Konstellationen in der praktisch-theologischen Theorieentwicklung nachzeichnen. Dabei wird der Weg von den Ausgangsbestimmungen bei Schleiermacher bis zu den gegenwärtigen Herausforderungen durch die praxeologischen Ansätze führen. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, wie der »cultural turn« im Fach rezipiert wird und in den jeweiligen unter- oder beigeordneten »turns«, z.B. im performative oder material turn, jeweils besondere Facetten religiöser und kirchlicher Praxen erhellt und deren Gestaltung über verschiedene Stufen der Vermittlung auch neu zu akzentuieren vermag. Angesichts der Pluralität der spätmodernen religiösen und kirchlichen Praxen, denen hochgradig ausdifferenzierte theoretische Reflexionen korrespondieren, die sowohl mit komplementären Überschneidungen in der Adressierung der Phänomene als auch mit konkurrierenden Geltungsansprüchen hinsichtlich der Reichweite ihrer jeweiligen Erklärungskraft verbunden sein können, soll abschließend die mögliche Relevanz der Deutungsmachtperspektive als einer Querschnittsdimension praktisch-theologischer Praxistheorie skizziert werden. Denn um die adäquaten Praxisbezüge und ihre hermeneutische Erschließung wird auch zukünftig praktisch-theologisch kultiviert gestritten werden müssen.“ (90f.)

Der 40. Band der Berliner Theologischer Zeitschrift trägt den Titel Theologie und Kinder und wurde imDe Gruyter Verlag (11-132766-2) von Rebekka Klein, Katharina Psyschny und Henrik Simojoki herausgegeben. Die Beiträge befassen sich mit einer bislang eher selten gestellten Frage: „Wie wird die Perspektive von Kindern in der Theologie repräsentiert? Dass Kinder auch in religiöser Hinsicht eine eigene Perspektive der Wahrnehmung ihrer selbst, der Welt und des Zusammenlebens von Menschen haben, wird heutzutage in der Theologie nicht mehr hinterfragt. Doch wie die Perspektive von Kindern theologisch eingefangen, gedeutet oder gar vertreten werden kann, ist – so die Ausgangswahrnehmung dieses Bandes – bislang nicht hinreichend geklärt. Die Brisanz der Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Kindern erwächst aus einem Repräsentationsgefälle, das in den Konstitutionsbedingungen des theologischen Wissenschaftsbetriebs begründet liegt: Theologie ist Erwachsenen vorbehalten, die, explizit oder implizit, ihre Fragen und Antworten, Wahrnehmungen und Wertungen, Erfahrungen und Perspektiven in den Wissenschaftsdiskurs einzeichnen. Kinder haben weder die Möglichkeit noch das Interesse, aus eigener Initiative und mit ihrer eigenen Stimme direkt an der theologischen Wissenschaftskommunikation zu partizipieren. Es liegt also an der akademischen Theologie selbst, darüber zu befinden, ob und wie sie die Repräsentation von Kindern zu ihrer eigenen Sache machen will. Wie dringlich eine solche Vergewisserung ist, zeigte sich besonders in den Jahren der Pandemie, in denen die Perspektive von Kindern teils aus dem Blickfeld geriet, teils für die je eigene Sicht auf die angemessene Krisenbewältigung argumentativ in Anspruch genommen wurde. Wenn es um die Repräsentation von Kindern geht, kann man leicht zu wenig und zu viel tun. Damit ist bereits angedeutet, dass die Repräsentation von Kindern für die wissenschaftliche Theologie nicht nur eine vordringliche Aufgabe, sondern auch eine veritable Herausforderung darstellt. Will sie als Angelegenheit von Erwachsenen auch und gerade eine Theologie für Kinder sein, muss sie sich kritisch mit den Grenzen der Repräsentation auseinandersetzen. Die Hermeneutik des kindlichen Seins darf keine Hermeneutik des paternalisierenden Übergriffs auf das andere und fremde Sein der Kinder werden. Grenzüberschreitungen bleiben auch dann Grenzüberschreitungen, wenn sie von hehren Beweggründen motiviert sind. Beim Nachdenken über Theologie und Kinder geht es folglich nicht nur um die Frage, wie Theologie Kinder angemessen vertritt, sondern auch um die Bereitschaft und Kompetenz, sich irritieren und verstören zu lassen durch die ganz eigene Wahrnehmung und Orientierung des Kindlichen in dieser Welt. Oder, um auf das Coverbild zurückzukommen: Zur konstruktiven Aufgabe, die Perspektive von Kindern zu erfassen und theologisch zu vertreten, gehört die kritische Reflexion darüber, was sich an dieser Perspektive dem erkennenden und gestaltenden Zugriff entzieht. Bildlich gesprochen, lässt sich die kindliche Sicht auf Gott, Welt und Leben theologisch nur aus dem begrenzten Blickwinkel eines Verlorenen Profils porträtieren.“ (1f.) Die Herausgebenden erklären zum Aufbau des Bandes: „Die für diesen Band leitende Intention, die Repräsentation der Kinder in der Theologie zu klären, läuft der eingespielten Logik der inner-theologischen Arbeitsteilung bewusst zuwider, nach der (zu einem Großteil) die Religionspädagogik für die wissenschaftliche Bearbeitung von Kinderperspektiven zuständig ist. Vielmehr fordert die Frage, wie Kinder repräsentiert werden können und sollen, die gesamte Theologie heraus, die in der vernetzten Vielfalt ihrer Disziplinen bereit und fähig sein sollte, von Kindern her und auf sie hin zu denken. Diese Einsicht begründet den Aufbau des Bandes, der sich in drei perspektivisch überlappende Teile gliedert: Die Beiträge des ersten Teils beschäftigen sich mit historischen Wahrnehmungen von Kindheit und Kindern aus altertumshistorischer, biblischer, kirchengeschichtlicher sowie ideengeschichtlicher Perspektive. Dabei scheint ein gemeinsamer Gedanke auf: In den antiken Kulturen, in der Bibel, in der Kirchengeschichte und in der islamischen Ideengeschichte sind Kinder keinesfalls Randfiguren, sondern im theologischen Denken und Schreiben allgegenwärtig. (…) Die Beiträge im zweiten Teil des Jahrbuches diskutieren die Einbeziehung von Kindern in den Diskurs der wissenschaftlichen Theologie. Dabei sind die Artikel insbesondere an der hermeneutischen und machtkritischen Frage interessiert, welche Möglichkeiten und Grenzen sich für eine Praxis der Repräsentation von Kindern in der Theologie auftun. (…) Die Artikel im dritten Teil des Bandes konkretisieren die Frage der Einbeziehung von Kindern an Fallbeispielen aus dem Bereich von kindlicher Entwicklung und Bildung. In historischen Studien wird aufgezeigt, inwiefern Kinder in religiösen Bildungsprozessen wahrgenommen wurden und warum sie teils nicht als ›eigene Stimme‹ angesprochen oder einbezogen worden sind. Zudem wird untersucht, wie es zur Veränderung hin zu einer subjektorientierten Pädagogik kommt, die Kinder nicht mehr als von Erwachsenen in Bildungsprozesse eingebundene, sondern diese (mit-)gestaltende Akteure begreift. Des Weiteren gehen die Beiträge des dritten Teils systematisch der Frage nach, wie von Kindern selbst initiierte (religiöse) Lernprozesse angemessen erforscht und wie grundlegend neue Erkenntnisse und

›Lerngeschichten‹ der Theologie ausgehend von einer Entwicklungstheorie kindlicher Autonomie entfaltet werden können.“ (2ff.) Lesenswert ist unter anderem der Beitrag von Henrik Simojoki, der aufzeigt, inwiefern die bisherigen Versuche der Theologie und Religionspädagogik, die eigentümliche Lebensweise und Weltsicht von Kindern zu repräsentieren, an eine Grenze stoßen, und wie der Perspektivwechsel hin zu einer Theologie mit und für Kinder gut daran tut, „unvollendet“ zu bleiben und die Grenze der Repräsentierbarkeit des kindlichen Seins im Diskurs der Erwachsenen nicht zu verletzen. (117-138)

Zum Stichwort Profilentwicklung in der bildungsorientierten Arbeit mit Kindern in Kirchengemeinden hat Martin Steinhäuser in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07330-6) das sehr hilfreiche Arbeitsbuch Kinderkirche, Christenlehre & Co. veröffentlicht, das sich an Engagierte in der Praxis richtet, die in der kirchlichen Arbeit mit Kindern zwischen ca. 6 und 12 Jahren hauptamtlich oder nebenamtlich tätig sind. Es soll sie als Hilfe zur situationsspezifischen Erkundung dabei unterstützen, ihr Tun zu reflektieren, sie inspirieren und ihnen Freude bereiten. Der Verfasser konkretisiert die Frage „In welchen Formen begegnen sich Kirche und Kinder zwischen ca. 6 und 12 Jahren in der Kirchgemeinde?“: „Die Frage führt zu einer großen Vielfalt in der Praxis. Deren Ähnlichkeiten und Unterschiede lassen sich in Bezug auf drei Dimensionen ordnen: eine liturgische Dimension (akzentuiert z. B. im Kindergottesdienst), eine freizeitpädagogisch-erlebnisorientierte Dimension (akzentuiert z. B. in Jungschar und, je nach verbandlichen Akzenten, Pfadfindern) und eine bildungsorientierte Dimension (akzentuiert z. B. in Konfirmandenunterricht 3/8 bzw. 4/8 oder Christenlehre). Es ist wichtig zu sehen, dass sich diese drei Dimensionen in den verschiedenen Formen überschneiden. Sie führen nicht zu trennscharfen Unterschieden. Man kann deshalb lediglich von Orientierungen und Akzentuierungen sprechen. Umso wichtiger ist es zu klären, worin die profilbildenden Unterschiede liegen.“ (9) Die vier Haupteile des Arbeitsbuchs sind wie folgt aufgebaut: „Das Buch startet mit Wahrnehmungen zur Vielfalt. Teil I nimmt Sie mit nach Wiesenbrunn und Oberstadt, Waldhofen und Meisterfurt. Zu jedem Ort beschreibe ich eine hospitierte Stunde, gefolgt von den Ergebnissen aus Interviews mit der betreffenden Kindergruppe, der Gemeindepädagogin, Elternteilen und einem Vertreter des lokalen Kirchenvorstands. Jeweils am Ende vergleiche ich die Sichtweisen der Gesprächspartner im betreffenden Ort miteinander – was erscheint als konzeptionell prägend? Aus diesen Wahrnehmungen und Reflexionen zur Praxis, so punktuell sie auch sein mögen, habe ich eine Reihe grundlegender Kategorien abgeleitet (Teil II). Sie sind für jedwede bildungsorientierte Arbeit mit Kindern relevant. Teil III überführt die gewonnenen Erkenntnisse in Leitlinien zur Planung, bringt also die gesammelten Einsichten zurück zur Praxis. Teil IV ändert noch einmal die Fragerichtung: Wie kann man Profil und Struktur der bildungsorientierten Arbeit mit Kindern insgesamt reflektieren und ggf. weiter entwickeln – lokal, in Teams, regional?“ (15) Ein wichtiges Plädoyer für eine bildungsorientierte Arbeit mit Kindern in Kirchgemeinden, die ihr großes „Wozu?“ dem Prozess der Kommunikation des Evangeliums anvertraut!

Im W. Kohlhammer Verlag (17-030228-0) hat Carsten Gennerich sein Buch Die Jugendlichen und ihr Verhältnis zu Glaube, Religion und Sinnsuche veröffentlicht, das einen wissenschaftlichen Überblick über das Thema Jugend und Religion unter besonderer Beachtung individuell unterschiedlicher Zugänge beinhaltet. Der Verfasser konstatiert in der Einleitung zurecht: „In vielfältiger Weise lassen sich in unserer Gesellschaft Prozesse der Säkularisierung erfahren. Viele religiöse Praxen werden in den Familien nicht mehr tradiert und religiöse Vorstellungen gelten mitunter als beliebig. Religion scheint in der Gesellschaft an Bedeutung zu verlieren. Gleichwohl sind Glaube, Religion und Sinnsuche im Kontext der Identitätsentwicklung von bleibender Relevanz. Denn mit der Entwicklung der Fähigkeit zum abstrakten Denken können und müssen Jugendliche auf neue Weise ihr eigenes Selbst reflektieren. Es werden globale, abstrakte Kategorien auf das eigene Selbst angewendet und die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme fordert heraus, die Sichtweise der anderen über die eigene Person zu bedenken, sodass die Frage der Selbstbewertung für Jugendliche thematisch wird. Jugendliche entdecken, dass das, was früher verbindlich erschien, doch auch anders sein könnte (hypothetisches Denken, Übernahme der Perspektive anderer Gruppen), sodass Institutionen und Traditionen in Frage gestellt und auf ihre Belastbarkeit hin geprüft werden. Mit der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme werden auch die Urteilsperspektiven anderer rezipiert, sodass sich die Frage der Anerkennung der eigenen Person stellt. Jugendliche müssen sodann langfristige Ziele fokussieren (Partnerschaft, Familie, Beruf), sodass das Bedürfnis danach steigt, dass sich langfristige Investitionen (z.B. in Bildung) auch auszahlen. Damit wird die Frage der Gerechtigkeit in der Welt für Jugendliche besonders relevant. Mit der Fähigkeit zum abstrakten und hypothetischen Denken können Ziele und Hoffnungen für die Zukunft formuliert und zugleich Konflikte mit der Realität prägnant wahrgenommen werden, sodass sich die Aufgabe stellt, positive Zukunftsperspektiven in Auseinandersetzung mit den vorfindlichen Möglichkeiten zu konstruieren. Schließlichist das Jugendalter durch eine Erweiterung der sozialen Rollen geprägt, sodass für neue Lebenswelten ethische Orientierungen ausdifferenziert werden müssen. Mit all diesen Fragen und Aufgaben wird die Sinnkonstruktion Jugendlicher herausgefordert. Die religiöse Tradition stellt dafür vielfältige Ressourcen für eine entwicklungsförderliche Bearbeitung bereit, sie kann aber auch z.B. gesellschaftliche Partizipationsperspektiven blockieren. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Religiosität Jugendlicher mit ihrem Wohlbefinden und ihrer Fähigkeit zum Dialog mit fremden Personen und Kulturen in Beziehung steht. Das Verhältnis Jugendlicher zu Glaube, Religion und Sinnsuche ist entsprechend komplex und das Forschungsfeld unübersichtlich. Denn individuelle Entwicklungsfaktoren und gesellschaftliche Veränderungen, die den deutschsprachigen Raum betreffen, haben einen signifikanten Einfluss darauf, in welcher Weise Jugendliche ihre Sinnfragen mit Rückgriff auf religiöse Traditionselemente bearbeiten. Insbesondere die gesellschaftliche Pluralisierung steigert das Bewusstsein für die Kontingenz religiöser Traditionen, sodass sich Jugendliche individuell zu religiösen Ideen und Praktiken positionieren (müssen). Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die Relevanz des religiösen Feldes angesichts zunehmender interreligiöser Begegnungen in Schule, Beruf und Freizeit.“ (7f.) Der Band ist wie folgt aufgebaut: „Um dem Anliegen eines Forschungsüberblicks gerecht zu werden, bietet dieses Buch in Kapitel 2 einen theoretischen Rahmen, mit dem das Feld systematisch erfasst werden kann. In diesen Rahmen werden Klassische Diskurse des Feldes »Jugend und Religion« integriert: das Verhältnis von Religion und Werten, die Frage religiöser Entwicklung sowie die Bedeutung von Religion und Glaube für die emotionaleSelbst-Regulation. In Kapitel 3 werden zentrale deskriptive Befunde der Religiositätsforschung vorgestellt. Dabei werden die Befunde in einen internationalen Vergleich gestellt und Ergebnisse aus verschiedenen Jahrzehnten repräsentativer Jugendforschung in Deutschland verglichen. So wird der spezifische Zugang gegenwärtiger Jugendlicher in Deutschland zum Themenfeld der Religion profiliert erkennbar. In Kapitel 4 wird die Bandbreite typischer Selbstverhältnisse zu religiösen Themen dargestellt. Dabei wird besonderes Augenmerk auf Chancen und Gefährdungen der jeweiligen Lebensdeutungen und Sinnkonstruktionen gelegt. In Kapitel 4.1 werden in Bezug auf das religiöse Feld vier Lebensstilgruppen unterschieden. Anhand verschiedener Studien zum Themenfeld »Glaube, Religion und Sinnsuche« werden dann in Kapitel 4.2 die unterschiedlichen Sinnkonstruktionen der Lebensstilgruppen vertiefend herausgearbeitet. Dabei geht es um Unterschiede in der Positionierung Jugendlicher zu Fragen wie »Was ist überhaupt eine religiöse Frage?«, »Im Gespräch mit wem und mit welchen Medien wird Sinn konstruiert?«, »Welches Gottesbild und welche Sinnannahmen werden präferiert?«, »Welche Haltungen werden zur religiösen Vielfalt in Deutschland eingenommen?« oder »Wie stehen die Jugendlichen zum Glauben und zur Partizipation in religiösen Organisationen?«. In Kapitel 5 werden abschließend pädagogische Perspektiven diskutiert. Unterschiedliche Möglichkeiten der pädagogischen Intervention stehen hier im Fokus. Darüber hinaus werden zum Schluss die gewonnenen Einsichten noch einmal gebündelt zusammengefasst.“ (8f.)

Isabelle North, Franziskus Knoll, Mathias Mütel und Mathias Wirth haben im W. Kohlhammer Verlag (17-043889-7) in der Reihe „Praktische Theologie heute“ den Band Seelsorge und Diakonie. Ethische und praktisch-theologische Perspektiven herausgegeben, dessen wichtige Intention sie im Vorwort darlegen: „Seelsorge und Diakonie zählen zu den gesellschaftlich anerkanntesten kirchlichen Handlungsfeldern, weshalb es notwendig ist, dass sie von Kirchen und Theologie in den Fokus gerückt werden. Beide Disziplinen dienen neben ihrer ganz am Subjekt orientierten und darin keinen weiteren Zwecken folgenden Begleitung von Personen den religiösen Institutionen als Werbeträgerinnen, mit denen sie ihre Dienste und zentrale Funktion für das gesellschaftliche Zusammenleben plausibilisieren können. In welchem Verhältnis stehen Seelsorge und Diakonie jedoch zueinander, und welche Relevanz haben sie für die Zukunft der Kirchen effektiv? Sind sie Ausdruck des Evangeliums oder ganz normales menschliches Hilfshandeln, mitsamt ihren politischen Dimensionen, das auf der reinen Ebene des Handelns doch eigentlich nicht von anderem sozialen zu unterscheiden ist? Veränderungen in Gesellschaft und Kirchen, die teilweise disruptiv erfolgen, machen immer wieder die Frage nach dem gefährdeten Subjekt besonders dringlich. Damit verbunden sind normative Fragen in Seelsorge und Diakonie. Beide teilen das Bild, nach dem bestimmte Formen der Prekarität nicht mit einem guten Leben vereinbar sind, wie es allein vom Subjekt her gefasst werden kann. Mit diesen und anderen spannenden Aspekten von Seelsorge und Diakonie befassen sich die vorliegenden Beiträge. (…) Die Autor:innen bringen seelsorgliche, diakonische und ethische Analysen mit aktuellen Lebenswirklichkeiten in Verbindung und fragen vor dem Hintergrund vielfältiger Zeitenwechsel, die in der Gegenwart beschrieben werden, was kirchliches Handeln zukunftsvisionär ausmachen müsste. Dazu gehört eine kritische Perspektive, die immer wieder neu kontextualisiert werden muss. Insofern bedarf es regelmäßig einer Verhältnisbestimmung, denn der Konnex zwischen Seelsorge und Diakonie steht nicht einfach fest, Genaue Bestimmungen hängen vom jeweiligen Zeitgeschehen in Gesellschaft und Kirchen ab. Der Blick auf das Subjekt fällt insofern nicht zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen immer gleich aus. Das gilt genauso umgekehrt: Die Beziehung des Subjekts zu seelsorglichen und diakonischen Angeboten reflektiert ebenfalls das Zeitgeschehen in Gesellschaft und Kirchen. Der Blick des Individuums auf kirchliche Handlungsfelder ist insofern ebenfalls dynamisch. Diesen komplexen Bedingungsverhältnissen nähert sich dieser Band und will dabei Hinweise zum aktuellen Status bieten; ohne eine Art Status idem produzieren zu wollen. Kirchliche Handlungsfelder werden daher in den verschiedenen Beiträgen des multiperspektivischen Bandes mit einer besonderen Berücksichtigung ethischer Kriterien vor die Frage gestellt, wem mit welchen konkreten und heute häufig applizierten Maßnahmen in Seelsorge und Diakonie geschadet wird oder wie individuelle Verfasstheit so begleitet werden kann, dass Vertrauenserwartungen an die Kirchen entsprochen werden.“ (7f.)

Eine theologische Grundlegung der islamischen Seelsorge als auch eine Skizzierung der anstehenden rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenverhältnisse legt Mahmoud Abdallah mit seinem im Matthias Grünewald Verlag (7867-3292-1) in der Reihe „Theologie des Zusammenlebens. Christliche und muslimische Beiträge“ erschienenen Buch Islamische Seelsorgelehre. Theologische Grundlegung und Perspektiven in einer pluralistischen Gesellschaft vor. Das Ziel der Arbeit führt er wie folgt aus: „Das Ziel ist, eine theologische und konzeptionelle Grundlegung für islamische Seelsorge vorzulegen, welche sich sowohl auf der Ebene der textlichen Tradition, geschichtlicher Erfahrungen und Gegenwartsdeutungen bewegt als auch die Praxis reflektiert und den Leser dadurch mit den relevanten Fragen und Thesen konfrontiert, sodass er sich nicht vor vollendete Tatsachen gestellt fühlt. Dabei verstehe ich unter theologischer Grundlegung mehr als eine Handreichung von theologischen Texten und historischen Beispielen, die seelsorgliches Handeln im Islam vorstellen bzw. dokumentieren. Die theologische Grundlegung umfasst zunächst grundsätzliche systematische Erörterungen der seelsorglichen Haltung, die in die Tiefe (oder Höhe) der islamischen Religion führen, wie das Konzept von birr („Güte" bzw. „gottgefälliges Tun") und die spezifische Vorstellung von der umgreifenden Vergebung Gottes. In diesem Zusammenhang kommt eine Reihe weiterer Fragen notwendig in den Horizont wie die nach dem Begriff von Seelsorge allgemein und nach ihren spezifisch islamischen Ausformulierungen und Erscheinungsformen. Es geht in diesem Buch um eine Behandlung, die bewusst drei Themenbereiche der Islamischen Seelsorge abzudecken versucht, die aus meiner Sicht für die Etablierung und Professionalisierung des Faches grundlegend sind: 1. die Begriffsbestimmung und theologische Grundlegung, 2. Grundbegriffe und Proprium Islamischer Seelsorge und 3. die gesellschaftlich-rechtlichen Rahmen (Institutionalisierung/Trägerschaft). Das hat dazu geführt, dass ich eine Fülle an arabischsprachiger Literatur sichtete. Beider Behandlung bestimmter Themen war es unausweichlich, eine Auswahl an nichtislamischer Literatur zu treffen. Sodann hatte ich mich mit juristischen Texten auseinanderzusetzen. Und nicht zuletzt war der theologischen Theorieentwicklung gegenüber dem Konzeptuellen und der methodischen Anwendung ein Vorrang einzuräumen. Es soll deshalb ein zweiter Band folgen, in dem ich mich ausgiebig mit den Methoden und Konzepten der Islamischen Seelsorge empirisch beschäftigen möchte. Die vorliegende Arbeit versucht auf eine Reihe leitender Fragen Antworten zu geben. Sie wendet sich an Studierende und Kollegen, aber sie ist auch für tätige Seelsorger gedacht. Aufgrund der Vielfalt der behandelten Themen bin ich auch zuversichtlich, dass sie denen, die im säkularen Umfeld in welcher Form auch immer für die „Seele" von Menschen muslimischen Glaubens zu sorgen haben, profunde Einblicke in die muslimische „Seelenwelt" ermöglicht. Die zentralen Fragen lauten: Was ist islamische Seelsorge? Welche theologische Grundlegung hat sie? Was ist ihr Profil/ Wie lässt sich die Genealogie Islamischer Seelsorge beschreiben? Welche Konzepte hat Islamische Seelsorge (zu entwickeln)?
Ist Islamische Seelsorge interreligiös anschlussfähig und wie verortet sie sich in einer pluralistischen Gesellschaft? Welche Wissenschaftstheorie und Texthermeneutik hat sie zu betreiben/entwickeln? Sollte die islamische „Poimenik" (Seelsorgelehre) Anschluss an psychologische Konzepte suchen? Und falls ja, im Rahmen welchen Zuordnungsmodells? Wer kommt als Träger für die islamische Seelsorge in Betracht? Welchen Mehrwert bringt Islamische Seelsorge für Wissenschaft und Gesellschaft?“ (30f.) Zum Aufbau des Buches schreibt der Verfasser: „Das Buch ist inhaltlich in drei Kernbereiche mit jeweils mehreren Kapiteln gegliedert. Durch alle drei Kernbereiche zieht sich zudem das Thema der interreligiösen und interkulturelle Seelsorge hin-durch. Die interreligiöse Ausgestaltung der neuen Disziplin ist meiner Ansicht nach von elementarer Bedeutung für deren Erfolg und bringt ausgesprochen großen Mehrwert mit sich. In manchen Punkten war das sogar unerlässlich für diese Arbeit, wie etwa im Fall der Diskussion über Seelsorgeverständnis und -definition, theologische Grundlegung, interreligiöse Seelsorge und die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Der erste Teil besteht aus drei Kapiteln. Im ersten Kapitel „Seelsorge im Islam – Vorüberlegungen, Begriffsbestimmung und geschichtliche Erfahrungen" beschäftige ich mich mit der Diskussion um den Begriff „Seelsorge" und stelle kurz die Pro- und Kontra-Thesen für eine Übernahme dieses Begriffs dar. Im Zentrum dieses Kapitels lege ich meinen Definitionsversuch vor, der bei den weiteren Ausarbeitungen im Buch als Grundlage gilt und einen Beitrag zur zukünftigen Diskussion um die Begriffsgebung und Propriumausarbeitung leisten soll. Im zweiten Kapitel geht es um die "Theologische Fundierung Islamischer Seelsorge". Nach einer kurzen Darstellung der Hauptthesen zu diesem Punkt habe ich den Versuch unternommen, einen weiteren, komplementären Beitrag zur theologischen Fundierung Islamischer Seelsorge anzubieten. In einer ausführlichen Entfaltung des Birr-Konzepts und einer Auseinandersetzung mit ihm bleibt meine Behandlung nicht auf die theologisch-theoretische Ebene begrenzt, sondern es wird auch nach Optionen für seine Anwendung gefragt. Das Birr-Konzept sehe ich auch als einen inspirierenden Anschlusspunkt für die interreligiöse Ausrichtung islamischer Seelsorge. Aus diesem Kapitel geht hervor, wie die klassische islamische Literatur hinsichtlich ihres Potenzials für die Seelsorge bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den „Grundbegriffen in der islamischen Seelsorgearbeit". In diesem Feld ist eine Fülle von Begriffen und Schlüsselwörtern von wesentlicher Bedeutung. Da sie sehr individuell und kulturell geprägt sind und das Seelsorgegespräch beachtlich mitbestimmen, können sie zu dessen Erfolg oder Misserfolg beitragen. Sie werden auch gerne herangezogen, um bestimmte Positionen zu rechtfertigen, ein bestimmtes Gottes- und Menschenbild zu vermitteln, Hoffnung bzw. Hoffnungslosigkeit zu predigen, Schuld oder Unschuld zu bestätigen, Interesse oder Desinteresse zu signalisieren usw. Daher muss sich eine Seelsorgeausbildung mit solchen Begriffen fundiert auseinandersetzen. In diesem Kapitel wird exemplarisch das Begriffspaar Vergebung und Bestrafung behandelt. Anhand der beiden Begriffe werden die Themen der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes als ein zentraler Punkt in der Seelsorge behandelt, die ebenfalls oft im Zusammenhang mit dem Konzept von Leid und Prüfung im Islam vorkommen. Die Darstellung verfolgt ein Muster von vier Schritten: eine sprachliche und theologische Begriffsbestimmung, eine Auseinandersetzung mit dem Thema im Koran, mit Vergebungund Bestrafung im Alltag und schließlich werden Reflexionen für die Seelsorge ausgeführt. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit wird der Frage nach dem „Proprium Islamischer Seelsorge", nach ihrem Profil nachgegangen, was sie ausmacht und wo sie sich von anderen seelsorglichen Angeboten abgrenzt. Dieser Teil besteht insgesamt aus zwei Kapiteln. In Kapitel 4 „Das Menschenbild im Islam zwischen religiösem Anspruch und seelsorglichen Herausforderungen" wird das Thema in drei inhaltlich aufeinander aufbauenden Abschnitten ausführlich behandelt. Im ersten Abschnitt werden Beispiele aus der Seelsorgepraxis vorgestellt und anhand der Methode des ethischen Dreischritts „Sehen – Urteilen – Handeln" diskutiert. Als zweiter Schritt wird der Grundriss des Menschenbildes im Islam besprochen. Dort wird eine neue Kategorisierung des Menschenbildes zur Diskussion vorgeschlagen, dabei werden zahlreiche entsprechende Koranstellen herangezogen. Im dritten Abschnitt kommt ein vielschichtiges anthropologisches Konzept zum Tragen, das einem gegenwärtigen Menschenbild nahekommt und der damit korrespondierenden Erkenntnis des Individuums entspricht. Somit zeichnet sich ein Menschenbild für die Seelsorge ab, dessen Konzept inhaltlich und in seinen praktischen Konsequenzen die körperliche und psychische Würde und die Denk- und Handlungsfreiheit des Menschen als Aspekte seiner Conditio humana respektiert und in der Folge eine human-seelsorgliche Kommunikationsstruktur entwickelt. Dies wird ergänzt durch Überlegungen und Reflexionen über die Gegenwart und die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Realität. Kapitel 5„Das Proprium Islamischer Seelsorge – Kann die Arbeit mit Menschen in Notlagen ein Profil haben?" beschäftigt sich unmittelbar mit dem Thema des zweiten Buchteils. In diesem Kapitel wird die Frage nach dem Mehrwert und dem Alleinstellungsmerkmal der islamischen Seelsorge gestellt. Mit anderen Worten: Wenn es in der Seelsorge nicht um religiöse Identität geht, sondern um Hilfe, Orientierung und Beistand für Menschen in Notlagen, wozu wird islamische Seelsorge gebraucht und was macht sie aus? Reichen die bestehenden Seelsorgeträger nicht aus? Für die Beantwortung dieser Fragen wird die Geschichte des Propheten Josef herangezogen, wie sie im Koran erzählt wird. Dabei verfolge ich drei Ziele: Die Geschichte eignet sich in besonderem Maße für die Herausarbeitung des Propriums Islamischer Seelsorge, weil sie viele Aspekte im Verhalten Jakobs und Josefs behandelt, die noch für heutige muslimisch geprägte Gesellschaften und Kulturen charakteristisch sind. Insbesondere wird hier das Konzept der „schönen Geduld" (sabr gamil) als zentrale Kategorie herausgearbeitet. Zweitens, darauf aufbauend, möchte ich exemplarisch zeigen, wie islamische Seelsorge Prophetenerzählungen zweckorientiert neu entdecken kann und soll. Zum Dritten möchte ich anhand meiner Erörterung der Josefsgeschichte zur Ausarbeitung einer islamischen praktischen Hermeneutik anregen und einen Ansatz dazu liefern. So wird dort die Meinung vertreten und der Aufweis betrieben, dass die Geschichte treffend die Grundlage für die Bestimmung des Propriums Islamischer Seelsorge darstellt. Im dritten und letzten Teil des Buches beschäftigen sich Kapitel 6 und 7 mit den rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen der islamischen Seelsorge. In Kapitel 6 wird das Thema der Schweigepflicht in der Seelsorgearbeit ausgiebig diskutiert. Es wird von der rechtlichen Lage in Deutschland ausgegangen, anschließend die Konzipierung von Schweigepflicht in der katholischen und evangelischen Kirche kurz vorgestellt. Diese Ausführungen sollen als Aufmunterung und Hinführung der muslimischen Leser zum Thema verstanden werden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gerade weil ich kein Jurist bin. Insgesamt bemühe ich mich auch um eine einfache und klare Darstellung der Sachverhalte, was bei juristischen Themen eher utopisch er-scheint. Es war und bleibt mir ein wichtiges Anliegen, das Thema der Schweigepflicht in diesem Umfang anzusprechen, weil es zum einen zu den zentralen Herausforderungen der Institutionalisierung islamischer Seelsorge gehört, zum anderen ist mir bis zu diesem Zeitpunkt keine Arbeit bekannt, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Daher gehe ich in diesem Kapitel nicht bloß deskriptiv vor, sondern biete auch einen Ausblick und einen Ansatz für die Herausarbeitung einer Schweigepflicht für die islamische Seelsorge an. In Kapitel 7 schließlich erörtere ich drei verschiedene Ebenen beginnender oder zukünftiger Institutionalisierung. In Bezug auf das akademische Fach geht es zum einen um die Ausbildung angehender Seelsorger, darum, was an Fachwissen aus verschiedenen Disziplinen sowie an persönlichen Kompetenzen im Lehrplan berücksichtigt werden soll. Auf der wissenschaftstheoretischen Ebene geht es um die Art, in der Seelsorge Theologie systematisch zu betreiben und um die praxisorientierte Ausrichtung der Hermeneutik. Dort wird die Frage nach der Theorie und der Texthermeneutik in der Seelsorge als Wissenschaftsdisziplin gestellt und ein Ansatz skizziert. Zum Dritten ist in diesem Kapitel die Frage nach der gesellschaftlichen Perspektive, also der Trägerschaft, zu diskutieren. Um Kontinuität, Qualität und Effektivität zu gewährleisten, soll geklärt werden, ob und wie welche Institutionen als Seelsorgeträger fungieren könnten. In diesem Kapitel stelle ich drei mögliche zukünftige Szenarien vor und diskutiere ihre Vor- und Nachteile in der Hoffnung, das Interesse der Politik und der gesellschaftlichen Akteure zu wecken, das eine oder andere Modell auf seine juristische Realisierbarkeit prüfen zu lassen, und eine lebendige Diskussion anzustoßen. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Forschungsergebnisse und einem kurzen Ausblick für weitere wissenschaftliche Arbeiten.“ (31ff.)

3 Andere theologische Disziplinen

Stefan Alkier zeichnet als Herausgeber verantwortlich für den im Verlag Brill Schöningh (506-79346-1) in der Reihe „Biblische Argumente in öffentlichen Debatten“ veröffentlichten Band Zuversichtsargumente. Biblische Argumente in Krisen und Ängsten unserer Zeit. In seinem Vorwort skizziert er Ursprung und Ziel des Wagnisses dieses Buchprojektes: „Theologie hat etwas zu sagen. Sie hat größte Erfahrung darin, Irrwege, Abwege, Leid, Krankheit, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Unrecht, Gewalt und Tod individuell und gesellschaftlich zu thematisieren und multiperspektivisch zu bedenken. Christliche Theologie entstand und entsteht in der Reflexion des Kreuzestodes Jesu von Nazareth und sie wird ihre Ernsthaftigkeit und Realitätssättigung stets nur dann bewahren, wenn sie diesen tatsächlichen Tod eines schmerzempfindenden Menschen nicht zur Metapher von irgendetwas macht, sondern immer wieder innehält und sich darauf verpflichtet, sich in der Solidarität mit diesem Hingerichteten einzumischen in die gesellschaftlichen Diskurse und politischen Debatten ihrer jeweiligen Zeit, um mit darüber nachzudenken, wie eine bessere Welt für alle gestaltet werden kann. Christliche Theologie weiß aber nicht nur um das stumm machende Kreuz, sondern sie hat die gute Nachricht in den öffentlichen Dis­kurs einzubringen, dass die letzten Worte Jesu am Kreuz nicht seine letzten Worte waren. Diese gute Nachricht von der Auferweckung des Gekreuzigten kann sie aber nicht als empirisch zu erhebende Tatsache formulieren, sondern nur im Gottvertrauen, im Vertrauen auf den Gott, den Jesus auch noch am Kreuz angerufen hat. Solches Vertrauen macht nicht blind, sondern ermutigt, nach den Gründen von Bedrückungen und Bedrängnissen, Verwerfungen und Zerwürfnissen, Ungerechtigkeit und Gewalt zu fragen und ihnen nicht das letzte Wort zu überlassen. Die Idee zu dem vorliegenden Doppelband der Zuversichtsargumente entstand in einem Gespräch zwischen meiner Frau, der Polizeiseelsorgerin Stefanie E. Alkier-Karweick, und mir, Stefan Alkier, Professor für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche, zu Beginn der Corona-Pandemie. Wir stellten in unseren Arbeitszusammenhängen und in unserem Freundeskreis vielfache Verunsicherung fest, wie man sich angesichts einer Gefahr, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen war, verhalten solle. Es war beeindruckend, wie sehr sich Virologen und Mediziner darum bemühten, die kontroversen wissenschaftlichen Debatten verständlich in den öffentlichen Diskurs einzubringen und wie sich Journalistinnen, Literaten, Philosophen und andere Kulturwissenschaftlerinnen aus ihren jeweiligen Kompetenzen und Perspektiven zur gesellschaftlichen Bewältigung der Krise am öffentlichen Diskurs fragend und suchend beteiligten. In diesen Diskurs möchte der vorliegende Band theologische Perspektiven einbringen. Er soll Problemlagen unserer Zeit bedenken und zu ihrer Bewältigung beitragen, indem er aus theologischen Perspektiven nach Zuversichtsargumenten fragt. Zuversichtsargumente zu formulieren, die zwar das Gefühl von Zuversicht nicht einfach intellektuell herstellen können, aber doch mit guten Gedanken und Argumenten zu einem gesellschaftlichen Klima beitragen können, in der Zuversicht gedeihen kann, sind nach unserer Auffassung etwas, was eine theologische Reflexion von Krisen und Problemen konstruktiv leisten kann. Gerade wenn man den großen Erfahrungsschatz biblischer Texte ins Spiel bringt, die geprägt sind von kollektiven – insbesondere die Versklavung des Volkes Israel in Ägypten – und individuellen – insbesondere die Verhaftung, Folterung und Hinrichtung Jesu von Nazareth – bedrückenden Erfahrungen und Problemlagen, und sie so zur Sprache bringen, dass die besprochenen Bedrängnisse Zuversicht nicht verstummen lassen, können gute Gedanken und hilfreiche Perspektiven im Krisendiskurs entstehen. (…) Die Weltlage hat sich in letzter Zeit weiter verschlechtert. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der russischen Föderation auf die Ukraine hat unhintergehbar offengelegt, welch großen Schaden für das Gemeinwohl eine rein am Profit orientierte Wirtschaftspolitik mit sich gebracht hat. Dass in der notwendigen Beendigung der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl nun aber Importe aus Katar und Saudi-Arabien gefeiert werden und gleichzeitig ein energiesparendes Tempolimit von manchen politischen Kräften ideologisch blockiert wird, zeigt, wie weit unsere Gesellschaft von einem grundlegenden Umdenken entfernt ist, das dem guten Zusammenleben aller Menschen, gleich welcher sozialen oder geographischen Herkunft, gleich welchen Glaubens, gleich welcher sexuellen Orientierung sie sind, verpflichtet ist. Solches Umdenken wird glücklicherweise mittlerweile vielfach nicht zuletzt auch mit Blick auf die Folgen des Klimawandels gefördert. Für solches Umdenken braucht es aber einen Ermöglichungsraum, in dem angesichts der breitgefächerten gesellschaftlichen Vertrauenskrise Zuversicht wachsen kann, Zuversicht, die keine Probleme schönredet, sondern sie vielmehr klarsichtig analysiert und sich daran macht, bessere, nachhaltigere und gemeinwohlorientiertere Lösungen zu finden als bisher. Dazu sollen die hier zusammengestellten Essays einen Beitrag leisten.“ (XI ff.) Der Band zeigt eindrucksvoll, dass Bibelauslegung immer riskant und auch politisch ist und so relevant für das aktuelle individuelle und gesellschaftliche Leben sein kann!

Kathrin Gies ist die Verfasserin des im Verlag Brill Schöningh als UTB (8252-5997-6) in der Reihe „Grundwissen Theologie“ erschienenen Lehrbuchs Anthropologie des Alten Testaments, das keine Anthropologie des Alten Testaments mit umfassendem Anspruch entwickelt möchte, sondern exemplarisch Texte vorstellen und auslegen, die von Interesse für die Frage nach dem Menschen sind: „Den Auftakt bildet das Kapitel 1. Die alttestamentliche Rede vom Menschen. Es führt in die Forschungsgeschichte einer Anthropologie des Alten Testaments ein. Als eines von deren Grundanliegen erweist sich, die Distanz und Andersartigkeit alttestamentlicher Menschenbilder im Vergleich zu modernen Vorstellungen vom Menschen zu betonen. Auch wenn einige der dargestellten Positionen mittlerweile weiterentwickelt wurden, ist die Grundannahme richtig und wichtig, sich die Andersartigkeit von Wirklichkeitsdeutung, sprachlicher Repräsentation und damit auch der Selbstdeutung des Menschen vor Augen zu führen. Grundlegende hermeneutische Überlegungen zu einer Anthropologie des Alten Testaments finden sich in Einblick 1: Im Spannungsfeld von historischer und theologischer Anthropologie. Die weiteren Kapitel führen in klassische Referenztexte der alttestamentlichen und auch theologischen Anthropologie ein, die den Menschen als Geschöpf Gottes versteht (Kap. 2). Sie zeigen den alttestamentlichen Blick auf die menschliche Fehlbarkeit einerseits (Kap. 3) und auf die Kulturfähigkeit des Menschen und den Anspruch von Gerechtigkeit andererseits (Kap. 4). Sie thematisieren mit den biblischen Texten die menschlichen Grunderfahrungen von Geschlechtlichkeit und die Verbindung von Sexualität und Gewalt (Kap. 5) sowie Vergänglichkeit und Endlichkeit des Menschen (Kap. 6). Dabei kann als Spezifikum der alttestamentlichen anthropologischen Aussagen gelten, dass sich der Mensch von Gott her versteht (Kap. 7). Das abschließende achte Kapitel greift schließlich die Frage nach der Relevanz alttestamentlicher Aussagen für eine theologische Anthropologie auf. Am Ende der Kapitel stehen kleine Zusammenfassungen.“ (8f.) Es gelingt der Autorin zweifellos aufzuzeigen: „Wer sich auf die alttestamentlichen Texte einlässt, wird trotz oder wegen ihrer Fremdheit jedoch in die Frage nach dem Menschen und dem Menschsein hineingezogen. Sie zeigen vielfältige Deutungsmöglichkeiten des Lebens auf, zu denen sich die Leser:innen bei ihrer Lektüre positionieren müssen und die daher Einfluss auf ihr Leben nehmen können.“ (10) Einem Teil des Alten Testaments widmet sich Heinz-Dieter Neef mit seinem im Theologischen Verlag Zürich (290-18545-9) veröffentlichten Buch Das Richterbuch heute lesen. In der Einleitung führt er aus: „Welche Bedeutung kann das Richterbuch für die christliche Gemeinde und für Menschen haben, die an der Bibel interessiert sind? Auf den ersten Blick macht das Richterbuch einen schwer zugänglichen Eindruck. Es erzählt von grausamen Kriegen, von heftigen und blutigen Auseinandersetzungen mit den Nachbarvölkern, aber auch von gnadenlosen innerisraelitischen Kämpfen zwischen einzelnen Stämmen. Am Ende des Buchs wird zum Beispiel solch eine Auseinandersetzung mit dem Stamm Benjamin mit Schilderungen der Schändung einer Frau erzählt. Es sind deshalb nicht wenige außerhalb und innerhalb der Kirche stehende Leserinnen und Leser, die das Richterbuch radikal ablehnen. Solche Reaktionen sind verständlich. Aber bevor man urteilt, lohnt es sich, die Erzählungen aufmerksam zu lesen und zu versuchen, sie auf dem Hintergrund ihrer Entstehung zu verstehen.“ (9)

Im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (8252-6108-5) haben Gerd Theißen und Annette Merz als UTB das annähernd 600seitige Lehrbuch Wer war Jesus? Der erinnerte Jesus in historischer Sicht neu aufgelegt. In ihrem Vorwort legen sie transparent Rechenschaft ab über ihr Konzept der Neubearbeitung: „Wir haben alle Kapitel mit Hilfe erinnerungshermeneutischer Fragestellungen neu konzipiert, dabei die Ergebnisse der bisherigen Jesusforschung aufgenommen und weitergeführt von der historisch-kritischen Jesus-Forschung des 19. Jh., der „neuen Frage" nach dem historischen Jesus mit ihren existenzialen Anliegen bis hin zur third quest mit real- und sozialgeschichtlichen Erkenntnissen. Am Anfang jedes Kapitels stellen wir kurz die Forschungsgeschichte dar, um in ·die Probleme einzuführen, an denen die Forschung bis heute arbeitet. Das soll die Möglichkeit geben, Alternativen kennen zu lernen und auch unseren Beitrag kritisch einordnen zu können. Das Buch richtet sich als Lehrbuch an Unterrichtende und Studierende der Theologie. Wer sich für Unterricht, Predigt und Gemeindearbeit vorbereitet, soll in ihm die wichtigsten Informationen und Problemstellungen kennen lernen. Gleichzeitig hat unser Buch interessierte Gemeindemitglieder im Blick, die sich über die historische Forschung zu Jesus ein Bild verschaffen wollen. Deswegen setzen wir keine Griechischkenntnisse voraus, sondern transkribieren und übersetzen alle griechischen Begriffe. Jedes Kapitel schließt mit einem hermeneutischen Abschnitt, in dem wir umreißen, wie wir mit den historisch aufgearbeiteten „Erinnerungen" an Jesus heute umgehen können. Wir trennen dabei bewusst an der Vergangenheit orientierte historische Arbeit von ihrer Anwendung für die Gegenwart. Wir wissen, dass diese hermeneutischen Überlegungen je nach Standpunkt anders ausfallen. Es ist gut, dass Ergebnisse geschichtlicher Arbeit einen Spielraum lassen, wie man sie in der Gegenwart verwertet. Aber diese Ergebnisse ermöglichen manchmal auch Widerspruch zu verzerrten Jesusbildern in der Gegenwart. Die Erinnerung an Jesus scheint in einer säkularisierten Gesellschaft immer mehr zu verblassen, aber gerade das weckt ein neues Interesse bei vielen an historischen, kulturellen und religiösen Fragen Interessierten. Viele wollen sich unabhängig von ihrer Einstellung zu Religion und Kirche über das informieren, was wir über Jesus wissen und nicht wissen. Unseren erinnerungshistorischen Zugang begründen wir daher nicht nur theologisch, sondern mit einem allgemeinen „erinnerungsethischen" Interesse: Wir haben gegenüber Menschen der Vergangenheit eine moralische Pflicht, sie um ihrer selbst willen zu erforschen – besonders dort, wo ihre Nachwirkungen umstritten sind und ihr Erbe illusorisch verklärt oder zu inhumanen Zwecken missbraucht wird. Umso mehr muss historische Forschung sich bemühen, ihnen gerecht zu werden. Manche sind hier verständlicherweise skeptisch: Sind Theologinnen und Theologen in der Lage, in diesem allgemeinen erinnerungsethischen Sinn über Jesus urteilen zu können? Unsere Antwort ist: In einer säkularen und pluralistischen Gesellschaft haben gerade sie ein Interesse, dass das Gespräch zwischen Gruppen mit verschiedenen Religionen und Einstellungen zur Religion möglich wird. Es muss heute sowohl Evangelikale und Liberale, Skeptiker und Religionskritiker, Christen und Nichtchristen einbeziehen. Der erinnerungshistorische Ansatz selbst ist keine Einheit. In ihm gibt es extrem konservative und radikal skeptische Einstellungen. Wir ordnen uns in der Mitte ein: Wir sind überzeugt, dass die Jesusüberlieferungen „milieuauthentisch" in die Geschichte des Judentums im 1. Jh. hineinpassen und in ihnen „wirkungsauthentische" Erinnerungsbilder erhalten sind, die ohne den historischen Jesus nie entstanden wären – in einzelnen auffallenden Erinnerungsspuren, vor allem aber in Erinnerungsstrukturen, die durch Zusammenschau vieler Überlieferungen erkennbar werden. Wir führen als erinnerungshistorischen Ansatz den an der Bibel gewonnen Gedanken der „kontrapräsentischen Erinnerung" fort, erhellen mit Hilfe „kognitiver Ansätze" Traditionsprozesse und folgen bei unserer Darstellung einem „erinnerungsethischen Motiv". Dabei differenzieren wir zwischen dem „kommunikativen Gedächtnis" der mündlichen Überlieferung in den ersten Generationen und deren Weg ins ,,kulturelle Gedächtnis" durch Verschriftlichung als Vorstufe zur späteren Kanonisierung.“ (6f.) Erneut ein lehrreiches Grundlagenbuch!

Nachdenkenswerte fundamentaltheologische Perspektiven bietet Traugott Jähnichenin seinem im W. Kohlhammer Verlag (17-030336-2) in der Reihe „Theologische Wissenschaft erschienenen Band Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne, der den Schwerpunkt auf die Pluralismusfähigkeit evangelischen Glaubens und zudem theologisch-ethische Fragestellungen legt: „Die Klärung der Grundlagen systematisch-theologischer Arbeit ist die Aufgabe der Fundamentaltheologie. Es geht um eine Verständigung über den Grund, wesentliche Fragestellungen sowie Quellen, Kontexte und Antwortperspektiven der Theologie. In diesem Zusammenhang ist zugleich eine Selbstbesinnung über die Rolle der evangelischen Theologie in der »universitas« der Wissenschaften sowie über ihre Beiträge zu gesellschaftlich relevanten Themen, insbesondere im Blick auf das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen, zu leisten.“ (11). Die vorliegende Einführung in die Systematische Theologie ist wie folgt aufgebaut: „Vor diesem Hintergrund bietet das erste Kapitel in seinem ersten größeren Abschnitt eine Darstellung wesentlicher Merkmale evangelischen Glaubens als Ausdruck der in Christus versöhnten Beziehung von Gott und Mensch. Glauben in einem elementaren Sinn bedeutet, sich auf Gott und auf seine Treue zu verlassen. In diesem Sinn ist der Glaube keine menschliche Leistung, sondern etwas, das der Mensch passiv empfängt und das auf Christus als »Grund« verweist: »Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.« (1 Kor 3,11) Der Glaube an den gekreuzigten Jesus von Nazareth als den Auferstandenen, d. h. als den von Gott ins Recht gesetzten kyrios/Herrn, ist der Grund des Glaubens, der seinerseits den Ausgangspunkt theologischer Reflexion bildet. In die­ser Perspektive werden grundlegende Bestimmungen des evangelischen Glaubensverständnisses im Anschluss an die paulinische Trias von Glaube, Hoffnung und Liebe (vgl. 1 Kor 13,13 u. a.) dargestellt. Indem der Glaube »von außen« geschenkt ist, wird zum Abschluss dieses Kapitels ein kurzer Überblick über grundlegende Aspekte des Offenbarungsverständnisses in der neueren evangelischen Theologie gegeben. An dieses Teilkapitel schließen sich Überlegungen über die Aufgaben der Theologie, speziell der systematischen Theologie an, die für jeweils ihre Zeit eine verständliche, systematisch geordnete, d. h. logisch zusammenhängende und insofern lehrhafte Darstellung des christlichen Glaubens zu erarbeiten hat. Dabei geht es um Fragen nach dem Gegenstand sowie den Perspektiven evangelischer Theologie. Im Sinn einer Selbstverständigung über die evangelische Theologie kommt schließlich der Integrationsleistung der systematischen Theologie im Blick auf die anderen theologischen Disziplinen eine besondere Bedeutung zu: Sie hat einerseits die wesentlichen Inhalte evangelischen Glaubens und seines Wahrheitsanspruches in Aufnahme der Erkenntnisse der Bibelwissenschaften und unter Einbezug der histori­schen Traditionen des Christentums kritisch zu reflektieren und andererseits in Auseinandersetzung mit zentralen Herausforderungen der Zeit dem Ziel einer gegenwartsbezogenen »Kommunikation des Evangeliums« zu dienen. Da der Glaube im Sinn der reformatorischen Formel »fides ex auditu« wesentlich aus dem Hören kommt, sind in einem weiteren Schritt die mit dem evangelischen Glaubensverständnis untrennbar verbundenen Fragen nach der Bedeutung der Schrift als Quelle und Norm: theologischer Reflexion zu erörtern. Diese Hochschätzung der Bibel als der Grundlage und höchsten Autorität in Fragen des Glaubens ist in besonderer Weise ein kennzeichnendes Merkmal des Protestantismus. Dennoch ist evangelischer Glaube keine Buchreligion im strengen Sinn, wie es die wechselseitigen Bezüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit des Wortes Gottes, die bereits im Prozess der Kanonbildung deutlich werden, zeigen. Ausgehend von dieser Einsicht sind grundlegende Verstehensregeln zur Auslegung der Schrift zu thematisieren. Als solche Grundregeln sind insbesondere die Frage nach einer Mitte der Schrift, von der her sich die Auslegung strukturiert, und die Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium zu nennen. Gebete und Bekenntnisse sind die elementaren menschlichen Antworten, in denen sich der Glaube artikuliert. Implizit werden in Gebeten sowie explizit in Bekenntnissen grundlegende Inhalte des christlichen Glaubens erkennbar, welche die Theologie systematisch darzustellen und wissenschaftlich zu reflektieren hat. Evangelische Theologie als lehrhafte Darstellung des evangelischen Glaubens steht somit für eine primär und grundlegend an den biblischen Schriften und davon abgeleitet an der evangelischen Bekenntnisbildung orientierten Wirklichkeitsdeutung. Sie ist jeweils im Kontext einer konkreten kirchlichen Interpretationsgemeinschaft verankert, die mit ihren Bekenntnissen einer bestimmten historischen Tradition folgt und durch entsprechende kulturelle Prägungen bestimmt ist, und fragt gemeinsam mit anderen kirchlichen Traditionen nach einem für die Gegenwart und ihre Herausforderungen angemessenen Verständnis der christlichen Botschaft. Da sich theologische Reflexion im Medium der Wissenschaft und zugleich in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit vollzieht, hat sie sich – wie alle Religionsgemeinschaften und deren Reflexionssysteme – auf das durch die Wissenschaften verkörperte »Weltwissen« und »auf die Prämissen des Verfassungsstaates einlassen.« Somit ist in einem weiteren Schritt nach der Beziehung von Glauben und Wissen und insofern einer Selbstverortung der Theologie innerhalb der Wissenschaftskultur der Universität zu fragen. Neben der Erörterung grundlegender Verhältnisbestimmungen von Glauben und Wissen ist nach Impulsen der Theologie für das Gespräch mit den anderen Geistes- wie auch den Gesellschaftswissenschaften zu fragen. Ferner sind die Perspektiven des christlichen Glaubens im Dialog mit den Grundannahmen und Logiken der Naturwissenschaften, welche das Wirklichkeitsverständnis moderner Kulturen nachhaltig prägen, einzubringen und nach möglichen Bezugspunkten »jenseits der Konflikte« der Vergangenheit zu fragen. In diesem Zusammenhang kommt es wesentlich darauf an, die Stellung der Theologie innerhalb der Wissenschaften im Sinn einer Verhältnisbestimmung des evangeli­schen Glaubens im Blick auf die »Wissensbestände« der Moderne zu klären und aufzuzeigen, welche Rolle die Theologie im interdisziplinären Gespräch der Wissenschaften spielen kann. Ein besonderes Gewicht liegt diesbezüglich auf den Beiträgen zu ethischen Selbstverständigungsdebatten der Wissenschaften. An diese Thematik anknüpfend wird in einem letzten Kapitel nach dem Verhältnis des Protestantismus zu gesellschaftlichen Struktur- und zu Rechtsentwicklungen der Moderne gefragt, wobei in religionssoziologischer Perspektive einerseits die zunehmende religiöse Pluralisierung und andererseits die wachsende religiöse Indifferenz vor allem in Europa zu berücksichtigen sind. In diesem Sinn sind die Prägekräfte der Christentumsgeschichte, speziell des Protestantismus, im Blick auf die Entwicklung der Moderne zu erinnern wie auch die Fragestellung nach der Relevanz der Religionen für die Gegenwart zu erörtern. Theoretischer Ausgangspunkt der Debatte ist nach wie vor die für das Verständnis der Moderne bedeutsame »Meistererzählung der Säkularisierung« mit ihrer allerdings höchst problematischen Eindeutigkeitsunterstellung eines fortschreitenden Bedeutungsverlustes der Religionen im Zuge der Modernisierung der Gesellschaft. Moderater ausgedrückt: Säkularisierung bezeichnet den »Prozess der Abnahme der gesellschaftlichen Bedeutung von Religion, der in irgendeiner, genauer zu spezifizierenden Weise mit Modernisierungsprozessen im Zusammenhang steht.« In kritischer Auseinandersetzung mit dieser These wie auch in Abgrenzung zu einer häufig einseitig eurozentrischen Bestimmung dessen, was als »Moderne« angesehen wird, wird dabei auf die von Shmuel N. Eisenstadt entwickelte Konzeption der »Vielfalt der Moderne« Bezug genommen. Demnach sind der Protestantismus wie auch andere Religionen und die Religionskultur insgesamt in der Moderne als unabhängige gesellschaftliche Variablen und nicht nur oder in erster Linie als abhängige Variablen gesellschaftlicher Entwicklungen zu betrachten. Vor dem Hintergrund der Beschreibung unterschiedlicher und eigenständiger Ausprägungen der Moderne wird die hohe Relevanz kultureller und – damit häufig verbunden – religiöser Aspekte analysiert, deren Bedeutung für die Herausbildung kollektiver Identitäten in den letzten Jahrzehnten tendenziell zuzunehmen scheint. Auf Grund der zunehmenden Vernetzung der weltweiten Kommunikationen wie auch durch Migrationsprozesse hat in diesen Prozessen die Pluralisierung der Religionen und der Weltanschauungen in der Moderne in erheblicher Weise zugenommen. Religiöse wie auch weltanschauliche Pluralität ist zur Signatur der Religions­- und Weltanschauungskultur der Moderne geworden, auf die sich die unterschiedli­chen religiösen und weltanschaulichen Traditionen mit dem Ziel einer produktiven Gestaltung dieser Differenzen einzustellen haben. Angesichts dieser Entwicklungen sollen über die Bedeutung religiös-weltanschaulicher Toleranz hinaus die Perspektiven der Anerkennung des Anderen sowie Herausforderungen und Möglichkeiten des interreligiösen Dialogs als Bedingungen für ein friedliches Zusammenleben der Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen erörtert werden. Abgeschlossen wird die Darstellung mit Überlegungen zu dem Sachverhalt, dass es »keine christliche Theologie ohne Bezug zur wirklichen Kirche« und zum gelebten christlichen Glauben gibt. Zwar ist die Aufgabe der Theologie nicht ausschließlich im Sinn einer positiven Wissenschaft mit der praktischen Zielsetzung der »Kirchenleitung« oder noch pointierter als »wissenschaftliche Selbstprüfung der Kirche hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott« zu bestimmen, da eigenständige historische, religionshermeneutische und ethische Beiträge der Theologie von grundlegender Bedeutung für die gegenwärtige Wissenschaftskultur wie auch für das Selbstverständnis der Theologie sind. Dennoch bleibt die Theologie von den anderen Geistes- und den Gesellschaftswissenschaften dadurch unterschieden, dass sie grundlegend auf die Glaubenserfahrungen der christlichen Kirchen und Gemeinschaften in Vergangenheit und Gegenwart bezogen ist. Insofern ist für die Theologie stets eine normative Perspektive charakteristisch, die es offenzulegen und in den wissenschaftlichen Diskurs einzuführen gilt. Dementsprechend steht evangelische Theologie als Wissenschaft aus sachlichen Gründen – und nicht allein aufgrund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen in Deutschland – immer auch in einem Kontakt zu den evangelischen Kirchen, in deren Überlieferungstraditionen sie sich verortet und die ihr grundlegender Resonanzraum sind. In diesem Sinn versucht sie, sich in der »universitas« der Wissenschaften zu profilieren und zugleich den evangelischen Kirchen Impulse für die Praxis zu vermitteln und der »Kirchenleitung … im weitesten Sinne« zu dienen.“ (13ff.) Eine insgesamt sehr gut nachvollziehbare und verständliche Auslegung des evangelischen Glaubens!

Lifehacks für Knappgläubige nennt Ruedi Heinzer sein im Theologischen Verlag Zürich (290-18523-7) erschienenes Buch, für das er im Vorwort folgendermaßen wirbt: „Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Ganz Europa ist vom Zeitgeist besetzt ... ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Dieses Dorf sind hier die Gläubigen, die Knappgläubigen, die Kirche. Dieses Buch unterstützt sie beim Sparring mit dem betörenden Zeitgeist. Es stupst jene, die einer Kirche Steuern zahlen, aber nicht praktizieren; die schon irgendetwas glauben, aber lieber nicht die Dogmen der christlichen Tradition: Denkt mal mit! Das Buch nützt Menschen, die ihren Verstand mit dem mächtigen, intuitiven Teil ihres Gehirns, mit dem «Herzen», mit der «Seele» versöhnen wollen. Es nützt gläubigen Zweiflern und zweifelnden Gläubigen, am Christentum Interessierten und abgesprungenen Frommen, Menschen, die ihre Kirche lieben und sich an ihr ärgern. Das Buch könnte einem Konfirmanden nützen wie auch einer Theologiestudentin in den ersten Semestern. Das Christentum, aus dem Judentum erwachsen, prägt uns seit über tausend Jahren, ob es uns passt oder nicht. Man begegnet dieser enorm langlebigen Denkform und Weltanschauung überall, ohne es immer zu merken. Wie viele neuste Erkenntnisse dagegen muten nach hundert Jahren nur noch kurios an? Es ist vernünftig, seinen geistigen Scheinwerfer auf etwas zu richten, das Jahrtausende Bestand hat. Auch heute noch; nach Auschwitz und Aufklärung. Davon bin ich überzeugt. (…) Jedes Thema erhält hier gleich wenig Raum. nämlich zwei Seiten; das macht Diskussion über Gott und Welt griffig, pragmatisch, diskutierbar. In zweitausend Jahren ist alles, aber auch wirklich alles, schon beschrieben worden. Man kann das Buch bei irgendeinem Kapitel aufschlagen; jeder Lifehack ist in sich geschlossen. Vielleicht blättert man sogar zuerst im «Bissigen Wörterbuch» am Schluss. Ich erwarte nicht, dass man einverstanden ist. Aber ich hoffe, dass der Leser, die Leserin sich auf das Sparring einlässt. Sparring bedeutet: Da wird nicht auf Sieg und Niederlage, Tod und Leben gekämpft. Besondere Regeln und Ausrüstung ermöglichen, sich im Zweikampf zu messen, zu gegenseitiger Ertüchtigung. So verstehe ich theologischen Streit. Man vertritt ernsthaft seine Überzeugung, aber niemand beansprucht, allein seligmachend zu sein. In diesem Sinn: auf zu lustvollem Sparring!“ (4f.)

Wie man prägnant und pointiert, gehaltvoll und stilsicher die Sprache auf Gott bringen kann, behandelt Hans-Joachim Höhn in seinem im Herder Verlag (451-39403-4) erschienenen Buch In Gottes Ohr. Von der Kunst poetischer Gottesrede: „Die einzelnen Kapitel beschreiben den Weg von einer akademisch umständlichen zu einer poetisch ausdrucksstarken Textproduktion. Am Anfang steht eine Analyse von Defiziten und Desideraten theologischer Rede von und über Gott. Danach geht es um literarische Formen, poetische Stilmittel und Tonlagen, mit denen Gott heute zur Sprache gebracht werden kann. Mit dem anschließen­den Versuch, das Feld der theologischen Aphoristik neu zu bestellen, soll anhand zahlreicher Beispiele erprobt werden, wie Dicht- und Denkkunst in einer besonders konzentrierten Form miteinander verknüpft werden können. Der in diesen Etappen vollzogene Wechsel vom theologischen Traktat zum theopoetischen Stenogramm folgt der Devise: Was nicht in kurze Texte passt, ist kaum der Rede wert. Man mag in dieser Formel eine Nötigung erkennen. Aber sie dient der Verhinderung von Geschwafel und Geschwätz. In vielen beruflichen Zusammenhängen müssen Theologinnen und Theologen ohnehin ihre Anliegen kurz und bündig präsentieren. Wer seinen Zeitschriftenartikeln ein Abstract voranstellen muss, wer in Lehrbüchern für den Religionsunterricht abgedruckt werden will, wer via Twitter theologische Kurznachrichten verbreiten möchte, kommt nicht daran vorbei, alles Wichtige kurz und gut zu formulieren. Das Einsatzspektrum theologischer Kurz- und Kleinanzeigen ist beträchtlich. Wer Predigten vorbereitet, Pfarrbriefe redigiert; nach Impulsen für Exerzitien im Alltag sucht, ist gut beraten, sich auch einen Fundus von eingängigen „Merksätzen" anzulegen. Form und Inhalt sollten derart durchgestylt sein, dass man sich beides leicht merken kann. Ich würde mich freuen, wenn das Kapitel über theologische Aphorismen für diese Zwecke ausgebeutet wird.“ (8f.) Ein prägnantes Beispiel dafür, dass man auch von der Theologie erwarten darf, „dass sie ohne Umschweife zur Sache kommt und Einsichten über Gott und die Welt präsentiert, für die in Abwandlung einer Notiz von Ludwig Wittgenstein gilt: Alles, was gesagt werden kann, muss kurz und knapp gesagt werden können.“ (8)

Friedhelm Munzel und Thomas Nisslmüller wollen mit ihrem im LIT Verlag (643-15105-6) in der Reihe „Religion und Biographie“ erschienenen Buch Lese-Launen. Zur Bedeutung von Literatur für unser Lebennicht nur ein Feuerwerk an Ideen und Inspirationen, an Erfahrungen und Erkenntnissen zum Lesetopos vermitteln, sondern beim Lesen auch entzünden für die Idee und den Genuss des Lesens: „Die Welt heute kommt zur Ruhe. Notgedrungen. Eigentlich eine stille Zeit, die vielen die Möglichkeit gibt, sich mit guter Literatur in ferne Länder und neue Gedanken zu beamen. Welteroberung qua Lektüre ohne CO2-Spuren und ohne das lästige Kofferpacken! Lesen ist ein Abenteuer, das in ferne und neue Welten entführt. Wer liest, gewinnt Kraft fürs Leben. Und das Interesse, den Hang zu persönlichem Lesen – das kann schon sehr früh gefördert werden. Es gibt so unendlich viele Funktionen und Wirkungen, die mit dem Lesen verbunden sind. Dabei gilt: Ein Wort ist noch kein Text, ein Text ist noch kein Text in uns. Lesen zündet Lichter in uns an, lädt zum Tanz mit Texten ein. Denn Texte sind quasi Gegenüber, die zu Melodien und Rhythmen, zu Träumen und tänzerischem Lebensgefühl einladen und verführen. Texte sind Verführungskünstler, die es zu entdecken gilt und die wir an uns heranlassen sollten. Idealerweise gute Texte, die das Leben mit einer positiven Challenge konfrontieren, uns aufleben lassen und auf ein neues Level bringen. Texte, die uns prägen dürfen und uns herausfordern zu neuem Denken, Wollen und Handeln. Die biblischen Texte, die wir beide als maßgeblich für unser Leben empfinden, spielen bei allen Überlegungen zur Lektürekunst, zum Lese-Akt sowie auch zum Staunen über die Launen des Lesens und der Lesenden stets a limine mit hinein. Im Lesen entdecken Menschen, wer sie sind, was sie wollen, was ihnen wichtig ist. Texte laden zur Reflexion, zum Innehalten, zur Ermutigung für ein gelebtes Leben ein. Und Lektüren bieten nicht nur eine Auszeit an, sondern sie tanken auch die Seele auf mit Nährstoffen an Mut, Hoffnung, Zielgewissheit und Reflexionstiefe, die für gelingende Lebensentwürfe unabdinglich sind. Lesen erzieht Menschen und es zieht sie hin: zu neuen Ufern und konkreten Orten, es zeigt Wege auf, wie wir mit der rechten Gesinnung und stabilen Sinnen Fährten aufnehmen können, die uns weiterführen und Zukunft stiften. Insofern sind die Launen des Lebens mit den Launen des Lesens abzufedern. Denn Lesen schenkt uns auch Resilienz, um den Zumutungen und Zerstreuungen der heutigen Lebenswelt geschickt standzuhalten und in Lektüren lebensspendende Vitamine aufzunehmen, die uns Ermutigung und Halt schenken. (…) Launen des Lesens, Lese-Launen: wir hoffen, dass über unserem Sinnieren zu Texten und zum Lesen immer wieder ein Staunen über die Vielseitig­keit der Lektüreaktivität hindurchscheint, die unser Forschen und Schreiben wie auch unsere Kommunikation zum Lesen tragend bestimmt. So vieles in unserer Biographie beginnt mit Launen. Mit schönen und froh stimmenden, manchmal auch mit depressiven oder gar angsterfüllten Launen. Die Laune fürs Buch, das Laune-Gewinnen für den Leseprozess – wenn wir das auf den folgenden Seiten für alle gewogenen Rezipienten er­reichen könnten, dann hätte sich unser Einsatz gelohnt.“ (7ff.) Vergnüglich-achtsame Lese-­Laune-Seiten!

Gleich drei Neuerscheinungen nähern sich Karl-Josef Kuschels Leben im Dialog mit Literaturen und Religionen an: Zum einen der 660seitige Band Magische Orte. Ein Leben mit der Literatur von Karl-Josef Kuschel selbst, der im Patmos Verlag (8436-1391-0) erschienen ist und der von der Magie einer literarischen Topographie erzählt.

Magisch nennt der Autor Orte, die eine Doppeleigenschaft besitzen: „Sie ziehen einen an und entlassen einen wieder, verändert, verwandelt, bereichert. Nie ist man derselbe, wenn man von dort zurückkommt. Und weil das so ist, bleibt die Anziehungskraft stark, möchte man wieder und wieder die dort gespeicherte Energie aufnehmen. Man ist aber auch nicht derselbe, der dorthin noch einmal zurückkehrt. Es gehört zur Unerschöpflichkeit der Literatur, dass sie in jedem Augenblick des gelebten Lebens eine andere Bedeutung annehmenkann. Ich lege hier keine Memoiren vor, wohl aber Erzählungen von Begegnungen mit Menschen, mit Büchern und Orten der magischen Art. Ich habe sie aufgesucht, um die Dichtung besser zu verstehen, die hier entstanden ist. Um die Dichter/innen besser zu verstehen, die hier gelebt haben. Und um mich besser zu verstehen, will ich doch in der Tat »begreifen«, warum mich literarische Texte »ergreifen«.“ (15f.) Der Verfasser möchte die religiösen Quellen unserer Kultur freilegen: „Ich erzähle hier also von ausgewählten Schauplätzen meines Lebens mit der Literatur, vom Fascinosum einer literarischen Topographie. Leicht erkennbar freilich, dass die Auswahl der Orte meinem Arbeitsprogramm folgt, dem ich mich seit gut 50 Jahren verschrieben habe: die gedeutete Präsenz von »Religion« in der Welt der Literaturen zu erforschen, eine Geschichte der Auseinandersetzung mit »Gott« wieder oder erstmals freizulegen, und zwar bewusst außerhalb der Welt von Kirche und Theologie. Ich bin dabei nicht auf Aktualität fixiert, sosehr ich die aktuelle literarische Szene im deutschsprachigen Raum mit wachen Sinnen und einer ungebrochenen curiosité intellectuell verfolge. Ich bleibe bei meinem »Kanon«. Und mein Zugang dazu ist topographisch und autobiographisch zugleich. Mich interessieren dabei insbesondere die spezifisch religiösen Quellen der Kultur, die mich geprägt hat. Und zwar nicht als Hüter der Asche, sondern der Glut, die noch nicht verloschen ist. (…) Den »religiösen Energiequellen unserer Kultur« gilt in der Tat mein Interesse. Die in Texten überlieferte Gottesleidenschaft der Dichterinnen und Dichter will ich erinnernd wachhalten, das Wort im mehrfachen Sinn verstanden. Die Ergriffenheit von der Schönheit Gottes im Spiegel seiner Schöpfung gehört dazu oder die Dankbarkeit für Gelungenes und Geschenktes, aber auch das Leiden an der Abwesenheit oder der schweigenden Unbegreiflichkeit Gottes, am Missbrauch mit dem Wort »Gott« und der entsprechenden Verwerfung eines Glaubens an Gott. Das ganze Reaktionsspektrum ist gemeint, von der »Gottesdummheit« und »Gottessorge« angefangen, wie Thomas Mann formulieren konnte, bis zur »Gottesvergiftung«, wie sie ein Psychoanalytiker wie Tilmann Moser in seinem gleichnamigen Buch diagnostiziert hat, und der »Gottesfinsternis«, die Martin Buber als Signum unserer Zeit ausmachte. Er wusste: Das Wort »Gott« ist das »beladenste aller Menschenworte«, keines ist »so besudelt«, »so geschändet«, »so zerfetzt« worden. Das ist Gottesleidenschaft im negativen Sinn: Leiden am Missbrauch, ja der Schändung des Namens »Gott«. Wie ein vergifteter Strom zieht sie sich durch die Religionsgeschichte der Menschheit. Bis heute. Mit täglich neuen Unheilsmeldungen, mit Tyrannei und Terror »im Namen Gottes«. Eine Gottesleidenschaft aber, die den Gottesnamen für Fanatismus, Intoleranz oder gar Terrorismus missbraucht, ist Gotteslästerung.“ (18f.) Die literarische Topographie mündet in das Plädoyer für Literatur als Überlebensmittel! Zum anderen das ebenfalls im Patmos Verlag (8436-1379-7) veröffentlichte Buch von Karl-Josef Kuschel im Gespräch mit Matthias Drobinski Ich lerne durch Begegnungen. Ein Leben im Dialog mit Literaturen und Religionen, das eine kompakte und leicht verständliche Zusammenfassung und Einführung in das Denken und Schreiben des Theologen und Literaturwissenschaftlers Karl-Josef Kuschel bietet. Drobinski schreibt: „Es ist darüber hinaus auch ein Buch über die Gottessuche und was sie mit der katholischen Kirche zu tun hat, der skandalerschütterten, um ihre Zukunft ringenden Institution, der Kuschel dennoch und allem Zorn zum Trotz verbunden bleibt. Es ist ein Gespräch in einer schwierigen Zeit, auch für den Dialog der Konfessionen und Religionen. Die Abgrenzungstendenzen haben zugenommen, die Versuchung ist groß geworden, sich in der Identitätskrise zurückzuziehen aufs Identitäre, auf die eigenen Wahrheitssätze, sich polemisch gegen die anderen zu wenden: Christen gegen Muslime, Muslime gegen Christen, Muslime egen Juden, Juden gegen Muslime. Mit Menschen in den ernsthaften Dialog zu treten, die anders glauben, ist immer Wagnis und Zumutung zugleich. Man wagt, die eigenen Glaubensgewissheiten in Frage stellen zu lassen, man mutet dem Anderen den eigenen Glauben zu. Dieses Buch ist ein Plädoyer dafür, dieses Wagnis einzugehen, diese Zumutung zu wagen. Es ist ein Buch gegen die Resignation, gegen den Satz: Das bringt doch nichts.“ (12) Und drittens das von Georg Langenhorst im Matthias Grünewald Verlag (7867-3332-4) verfasste Buch Im Dialog mit der Dichtung. Karl-Josef Kuschels narrativ-poetische Theologie, das sich auf die Beiträge zum theologisch-literarischen Diskursfeld beschränkt und das wie folgt vorgeht: „Analysierend, von außen, nachzeichnend, kontextualisierend, auch wertend. Dazu bedarf es zunächst einer Vergewisserung über das theologisch-literarische Feld, das der junge Doktorand Karl-Josef Kuschel in den 1970er Jahren vorfand, als er seine epochale Dissertation „Jesus in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur" (1978) konzipierte. Was nahm er wahr? Was griff er auf? Was führte er weiter? Woraus bestehen seine eigenen, das künftige Dialogfeld prägenden Setzungen? Wie erweitert und verändert er in den Folgejahrzehnten seinen Ansatz? Am Ende legt sich eine weitere chronologische Strukturierung nahe. Welche Impulse hat Kuschel in die theologisch-literarischen Diskurse eingespeist? Wo erfolgte affirmative Rezeption, wo kritisch-ablehnende? Wo und wie zeigen sich Grenzen des Ansatzes? Wie hat sich das Dialogfeld in den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts weiterentwickelt? Wie lässt sich der aktuelle Stand markieren? In dieser Rahmung von Rückblick und Ausblick soll das theologisch-literarische Werk Kuschels ausführlich beleuchtet werden.“ (9)

Klaus Hock, Claudia Jahnel und Klaus-Dieter Kaiser haben in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig (374-07362-7) den Band Mission in Film und Literatur herausgegeben, der eine heuristische Annäherung an Kontexte – Akteur:innen - Ambivalenzen enthält: „Mission in Literatur und Film hat offensichtlich weiterhin, zumindest immer wieder einmal, eine gewisse Konjunktur, und zwar nicht nur in den »großen« Filmen wie Martin Scorceses Silence (2016) oder Roland Joffes The Mission (1986). Auch in unbekannteren Filmen und Büchern wird Mission thematisch, mit Missionaren und Missionarinnen mal in Hauptrollen, mal in Nebenrollen und fast immer mit einem wie auch immer gearteten Verhältnis zu Fragen des Kolonialismus und der Begegnung mit »dem Anderen« oder auch »den Anderen«. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema fällt hingegen vergleichsweise schmal aus, zumal aus der Perspektive der mit Religionsforschung im engeren Sinne befassten Disziplinen. Das mag an der Interdisziplinarität des Feldes zwischen Literatur-, Film- und Medien-, Geschichts-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie Religionswissenschaft und Theologie liegen – oder auch an den Verflechtungen von Vermarktungsinteressen, geschichtlich gewachsenen und aktuellen soziopolitischen Entstehungsbedingungen hinter Buch und Film sowie dem historischen Geschehen, auf das sich Film oder Buch je beziehen. Mission wird in Literatur und Kino somit oftmals in einem äußerst komplexen und zugleich ambivalenten Spannungsfeld inszeniert und reflektiert. Doch was veranlasst eigentlich die BBC dazu, ein Remake zu einem 70 Jahre alten Film über die Geschichte einer Mission im Himalaya mit verrückt werdenden Nonnen neu zu drehen? Was einen zeitgenössischen Autor zu einem »klassischen« Missionsplot? Gibt es gleichbleibende Repräsentationsmuster in der Darstellung: des Missionars oder der Missionarin, »des Anderen«, »der Anderen« oder auch der »anderen« Kultur, Religion und Gesellschaft? Welche Stereotype und Hierarchien werden wie dargestellt – und gebrochen? Wie verflechten die literarisch oder filmisch inszenierten Erzählungen historische Fakten und gegenwärtige gesellschaftliche und globalpolitische Entwicklungen? Welche Geschichts- und Missions-Narrative sowie Gegen-Narrative werden generiert oder reproduziert? Wie sieht das Bild der Mission in Filmen und Büchern aus dem globalen Süden aus? Gibt es gender-, race- oder class-bezogene Differenzierungen? Welches global-universalisierte, nationale, regionale oder lokale Wissen über, welche Deutung von Mission, Kultur, Kulturbegegnung, Kolonialismus wird von wem wie erzeugt bzw. rezipiert?“ (7f.) Die Beiträge im Einzelnen: „Aus zwei eher grundsätzlichen und übergreifenden, aber doch auch auf spezifische Aspekte fokussierenden Perspektiven wird das Gesamtfeld aufgerissen: Die Schriftstellerin und Journalistin Katharina Döbler verknüpft in ihrem Beitrag Literarisches Schreiben über Mission und Kolonialismus« die Frage nach dem Verhältnis von Literarizität und Historie mit dem nach der eigenen Betroffenheit als Autorin im Spannungsfeld von familiärer Überlieferung und geschichtlichen Fakten. Der Autor, Feuilletonist, Kultur- und Filmkritiker Georg Seeßlen gibt einen – generisch mit »Mission« überschriebenen – ebenso weitgespannten wie angesichts der Fülle des Materials notgedrungen exemplarischen Überblick über Filme, die das Verhältnis von Mission und Kolonialismus behandeln, wobei der Rolle des Missionars bzw. der Missionarin sein besonderes Augenmerk gilt.

Diesen beiden die Thematik eröffnenden Beträgen folgt die Studie von Andreas Heuser, »Der Gottesnomade und seine GOD BOX: Werner Herzogs Hommage an Bruce Chatwin«, in der cineastisch-literarische Referenzen zwischen den Werken der beiden Künstler, die sich auch persönlich kannten, exemplarisch beleuchtet und in ihrer Relevanz für die Thematisierung von Mission interpretiert werden. Michael Biehl hat seinen Beitrag mit »Bücher und Filme befremdlicher Dinge« überschrieben – einer direkten Anspielung auf den 2014 erschienenen Roman »The Book of Strange New Things« von Michael Faber, den er ins Zentrum seiner Untersuchung stellt – und reflektiert an diesem konkreten Beispiel unter anderem darüber, ob und wie Bücher, Filme und Fernsehserien mit ihren Deutungsangeboten für die Rezipient:innen Alternativen zu oder Variationen über eine ihnen bekannte Religion werden können. Anita Martin thematisiert mit »Mission und lebendige Legende: Imitatio und re-live-Theatralik im Heiligendrama Genoveva und der Serie Warrior Nun« einen besonders frappanten Bezug – zwischen einer mittelalterlichen Legende und einer aktuellen Netflix-Serie, deren zweite Staffel soeben zum Jahreswechsel 2022/23 aufgelegt wurde – und verweist auf die Macht der aus der Verbindung von Vorbildfunktion und Unterhaltung erwachsenden Überzeugungskraft, die nicht nur Vergangenes zu lebendiger Gegenwart werden lässt, sondern auch die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion ein Stück weit zu überwinden vermag. Claudia Jahnel bezieht sich in ihrem Beitrag »>Black Narcissus< ( 1938/ 1947)« ebenfalls auf Nonnen, wobei sie jedoch nicht nur diese Akteurinnen als Missionarinnen in den Fokus nimmt, sondern entsprechend dem Untertitel »Mission als Bühne für Grenzüberschreitungen, Widersprüche und Kritik an ·kolonialer Selbstverliebtheit« auf ihre (deutungs)machtdurchzogenen Dimensionen hin analysiert. Ulrike Sallandt fragt in ihrem Beitrag »Wissen >im Fluss<: (Ohn-)Macht{s)geschehen interkulturell im Amazonas« mithilfe Rancieres' Konzept des ästhetischen Regimes, inwieweit es Giro Guerras, dem Regisseur des kolumbianischen Abenteuerfilms »Der Schamane und die Schlange« (2015), gelungen ist, mit seinen filmischen Mitteln »den Aushandlungsraum von Wissen und Erkenntnis der kulturell Anderen in den Blick zu nehmen <, und kommt zu dem Schluss, dass durch die filmische Inszenierung tatsächlich der Zugang zu einer grundlegenden Kritik systemrassistischer Strukturen ermöglicht wird, indem die Grenzen als zerbrechliches Konstrukt menschengemachter Herrschaft in den Blick kommen. Klaus-Dieter Kaisers »West-Östlicher Blickwechsel« analysiert »Die zweifache Verfilmung des Romans SCHWEIGEN von Shusaku Endo durch Masahiro Shinoda und Martin Scorsese« und verweist nach einem vielschichtigen Durchgang, unter anderem anhand dreier Motivstränge – mit den Stichworten Passionsgeschichte/Nachfolge und Gotteslästerung, Inquisition und Mission/das Fremde sowie Anpassung/Widerstand und Barmherzigkeit – auf den »Mehrwert des Fiktionalen« gegenüber einer wissenschaftlichen Befassung mit demselben Sachverhalt. Moritz Fischer untersucht »Mediale und historische Verflechtungen der Missionsanstalt Neuendettelsau mit dem Missionsfeld Neuguinea im Missionsfilm >Das Evangelium unter den Menschenfressern< (1930)«, wobei er die beiden geographischen Räume als in einer »medialen Heterotopie« wechselseitig ineinander verwoben bestimmt, wodurch sich der Film einerseits der totalitären NS-Ideologie andient, diese andererseits aber zugleich auch unterläuft. Klaus Hock bemüht sich in seinem Beitrag »MENSCH MACHT MISSION im Film« um die »Fragmentarische Kartierung eines Panoptikums«, wobei die Entfächerung der Thematik unter anderem dazu dient, unter drei Frageperspektiven die filmisch inszenierten Größen Anthropologie, (Deutungs-)Macht und Mission aufeinander zu beziehen, um daraus für die weitere Debatte erste, vorläufige Thesen zum Thema »Mission im Film« abzuleiten. Doris Günther-Kriegel schließlich hat die Neuendettelsauer Tagung als Reflektorin begleitet und hebt mit Blick auf die dort geführte Diskussion sowie die hier veröffentlichten Beiträge nochmals kritisch einige Aspekte hervor, insbesondere jene Punkte, die der weiteren Erörterung und Reflexion bedürfen.“ (9f.)

Oh Gott, diese Frauen! 70 Porträts aus der Bibel lautet der Titel des von Maria Viktoria Heinrich mit siebzig eigenen, sehr ausdrucksstarken Bildern im Echter Verlag (429-05850-0) herausgegebenen Buches, das als Schwerpunkt die ambivalente Perspektive auf biblische Frauen hat. Die Herausgeberin führt wie folgt ein: „Kaum eine Erzählung oder Notiz, über die man sich nicht ebenso freuen wie entsetzen könnte. So bunt und so einzigartig, so eingebunden in ganz spezifische Kontexte und so geformt von Traditionen und Redaktionen begegnen uns diese Frauen. Es gibt Frauen, die sind uns scheinbar nah. Sie sind uns Vorläuferin, Ahnin, Vorbild, Mutter, Tochter, Freundin und Vertraute. Wiederholtes Lesen lässt dann häufig doch irritiert zurück. Welche Fragen haben diese oder jene Frau beschäftigt? (Oder den Mann, der so über sie geschrieben hat?) Welche Entscheidungen mussten sie treffen und was alles spielte dabei für sie eine Rolle? Manches bleibt auch rätselhaft, fremd und unverstanden. Die vorliegenden Bilder und Texte versuchen, genau diese Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten auszuloten. Bewusst sind sie als Gespräche gedacht, als Begegnungen und Imaginationen, empathische Einfühlung und neugierige Suche. So öffnen die Künstlerin und die Autorinnen sich selbst und auch diese alten Texte. Sie gehen damit bewusst an die Grenzen von Zeit und Raum, denn genau dort findet der Kontakt statt. So ist in Bildern und literarischen Texten eine Art Grenzgespräche entstanden. Wenn es gelingt, treten die biblischen Frauen ins Freie und dort können Leserinnen und Leser die Begegnungen selbst weiterführen – so nah oder distanziert, wie es gerade passt. Als Leserin werden einem Möglichkeiten angeboten, sich einzulassen auf das, was über biblische Frauen erzählt wird, welche Rolle sie in der Geschichte Israels und des Christen­tums eingenommen haben, was ihnen verwehrt war, welche Glaubenskraft sie bewegt hat, welche Niederlagen und Siege sie errungen haben, wie Gott in und durch und mit ihnen in der Welt präsent war – weil sie Frauen waren.“ (8f.) Insgesamt sehr lesens- und betrachtungswerte Zugänge zu biblischen Frauengestalten!

4 Unterrichtsmaterialien und -medien

Christiane Neukirch, Reinhard Krüger und Bernd Hillringhaus haben die faszinierende zweibändige Kinderbibel Die Inklusive KinderMitmachBibel geschrieben, gestaltet und im Auftrag der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, des Zentrums für Seelsorge und Beratung und des Michaelisklosters Hildesheim, Evangelisches Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik mit Unterstützung des Evangelisch-lutherischen Stadtkirchenverbandes Hannover herausgegeben. Im Vorwort wird der innovative Ansatz beschrieben: „Diese Kinderbibel ist anders. Denn sie lädt nicht nur zum Vorlesen, Erzählen und Anschauen ein, sondern auch zu Aktivität und spielerischer Erfahrung – sie ist eine wahre Fundgrube – für alle Sinne! Sie macht Mut, etwas auszuprobieren in der Gestaltung biblischer Texte im Gottesdienst, in der Kindertagesstätte, in der Schule oder in der Familie. Dazu ist sie inklusiv, denn sie baut Brücken zwischen Menschen, die in verschiedenen Welten leben. Seelsorgliche, religionspädagogische und liturgische Bewegung fließen in der Inklusiven KinderMitmachBibel (IKMB) ineinander. Schon die Gründungsgeschichte der Kirche, die Pfingstgeschichte, erzählt, dass Menschen selbstverständlich verschieden sind, dass sie verschiedene Sprachen sprechen und sich gleichzeitig um Verständigung bemühen, weil sie zusammengehören. Auch viele andere biblische Geschichten berichten darüber, wie Menschen ihren Platz im Leben suchen und finden, wie sie sich so, wie sie sind, angenommen fühlen können als Gottes Kinder, als Gottes Geschöpfe, wie aus dem Draußen ein Drinnen wird. Die IKMB will auch heute Menschen darin unterstützen, aufeinander zuzugehen, voneinander zu lernen und sich zu verstehen, auch über Grenzen hinweg. Das ist ihr seelsorgliches Anliegen. Kindern und Erwachsenen Gebärden beizubringen hilft dabei mit. Denn dadurch können hörende und hörgeschädigte Menschen Zugang zueinander finden und in Teilhabe und Teilgabe Inklusion erleben. Die IKMB ist aber auch aus religionspädagogischer Sicht innovativ. Sie lädt zum Mitmachen ein, denn die Aneignung von biblischen Geschichten vollzieht sich nicht nur durch geschriebene oder gesprochene Sprache, im Zuhören und Anschauen, sondern auch durch eigene Aktivität. Wer Gebärden ausprobiert, erfährt, wie anfassbar und lebendig Sprache wird und wie leicht sich ihr Inhalt einprägt. Pädagogisch können so zudem die kindliche Sprachentwicklung und das Ausdrucksvermögen gefördert werden – auf spielerische Weise, die Spaß macht und hilft, Barrieren zu überwinden und Zugänge zu finden zu einem Leben in Gemeinschaft. Damit ermöglicht die IKMB Verkündigung in einer Weise, die ganz besonders Kinder aus verschiedenen Welten verbindet. Das ist aus gottesdienstlicher Sicht äußerst gelungen. Hörgeschädigte Kinder können sich hier mit hörenden Kindern in einer gottesdienstlichen Gemeinschaft auf Augenhöhe erleben, was eine eindrückliche Erfahrung für ihre Glaubenspraxis sein kann. Zu den biblischen Geschichten finden sich in der IKMB zwei Zugänge: zum einen über die Texte, gedruckt und gesprochen, die Gebärden und Fotos aus der Lebenswelt verschiedener Kindertagesstätten, zum anderen über Bilder mit szenischen Figurenaufstellungen, die die biblischen Geschichten auf entdeckungsreiche Weise erzählen. Darüber hinaus macht eine Bauanleitung Lust, eigene Figuren herzustellen, um die Geschichten oder einzelne Szenen selbst nachzuerzählen und nachzuspielen. Um diesen unterschiedlichen Zugängen Raum zu geben, erscheint die Inklusive KinderMitmachBibel in zwei Bänden. Die Texte, Gebärden und Fotos sowie eine Hörfassung in Band 1 haben Christiane Neukirch und Reinhard Krüger, religionspädagogischer Fachberater für die Kindertagesstätten im Stadtkirchenverband Hannover, unter Mitwirkung von Dirk Schliephake, dem ehemaligen landeskirchlichen Beauftragten für Kindergottesdienst, erarbeitet. Die szenischen Aufstellungen in Band 2 hat Bernd Hillringhaus in seinem Atelier selbst geschaffen und fotografiert. Er ist Referent im Arbeitsbereich Kindergottesdienst im Michaeliskloster Hildesheim, Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, und zudem auch bildender Künstler. Kirche für alle zu sein, teilhaben und teilgeben am Erzählen, Erfahren und Gottesdienstfeiern – dazu ermutigt diese Inklusive KinderMitmachBibel. Sie lässt die biblischen Geschichten anfassbar und lebendig werden mit ihren unterschiedlichen Zugängen, ihren eindrücklichen Erzählungen und mit der großartigen Bilderwelt!“ (4f.) Der Bezug ist ausschließlich über www.material-michaeliskloster.de möglich.

Heilige Räume leben und verstehen. Praxishandbuch Kirchenraumdidaktik lautet der Titel des von Hans Mendl und Rudolf Sitzberger im Verlag LUSA (947568-05-5) erarbeiteten Bandes, die im Vorwort ihr Vorhaben wie folgt beschreiben: „Ein kirchenpädagogisches Arbeiten entsprang ursprünglich dem Wunsch, Kirchen einer immer säkularer werdenden Gesellschaft nicht nur als museale Räume näher zu bringen, sondern sie als lebendigen heiligen Raum und möglichen Ort einer Gottesbegegnung ins Bewusstsein zu rufen. Dabei hatte man nicht die schulische Situation vor Augen; Kirchenpädagogik kommt aus dem außerschulischen Bereich, entwickelt oft gerade in touristisch stark frequentierten und kunsthistorisch bedeutsamen Kirchen. Demgegenüber wendet sich eine Kirchenraumdidaktik speziell den Anforderungen schulischen Lernens am Lernort Kirche zu. Eine Exkursion in den Kirchenraum ist hier eingebettet in den thematischen Rahmen von Unterricht. Das beeinflusst eine Erkundung wesentlich. Neben den Themenbereichen, die speziell die Auratik und Spiritualität der Räume in den Blick nehmen, können Kirchen bei vielen weiteren Lernfelder einbezogen werden, so z. B. bei einem kirchen-geschichtlichen, liturgischen oder biblischen Lernen, bei den Themenfeldern Zeichen und Symbole, wenn es um Vorbilder und Heilige oder um Fragen der Kunst und Sakralkunst geht. Im Kern dieses Buches werden bündig einzelne Methoden vorgestellt, die bei kirchendidaktischen Erkundungen eingesetzt werden können. Ein solches Methodenkompendium ist immer ein Wagnis: Denn Methoden verfolgen keinen Selbstzweck, sie müssen in einen didaktischen Begründungszusammenhang eingebettet sein. Insofern stellt dieses Kompendium ein Angebot dar, um die didaktischen Überlegungen, die man für die Erkundung eines Kirchenraums ausgearbeitet hat, methodisch umzusetzen und den Schülerinnen und Schülern kreative Wege aufzuzeigen, sich mit dem Raum Kirche auseinanderzusetzen. Es versteht sich von selbst, dass wir das Rad der kirchenraumdidaktischen Methoden nicht neu erfunden haben; die Auswahl und Aufbereitung geschah in Anlehnung an bekannte kirchenraumpädagogische Werke. Ausgehend von der Besonderheit von profanen und heiligen Räumen werden unter dem Stichwort „Fremde Heimat Kirche" auch die religionssoziologischen Voraussetzungen und der Kontext von kirchendidaktischen Führungen reflektiert und diskutiert. Dem schließt sich die Frage an, inwiefern unter den Vorzeichen einer schulischen Didaktik Kirchenräume für Kinder und Jugendliche zugänglich gemacht werden können. Als besonders spannend und reizvoll erscheint in diesem Zusammenhang die Verschränkung der Ansprüche und Didaktik eines verantwortbar durchgeführten performativen Arrangements mit der Tatsache, dass die Lerngruppen, mit denen kirchenraumdidaktische Führungen im Kontext eines konfessionellen, konfessionell-kooperativen oder dialogischen Religionsunterricht durchgeführt werden, immer heterogener werden. Deshalb widmet sich ein ganzes Kapitel auch der Frage, welche Herausforderungen und Chancen sich aus einer Kirchenraumdidaktik mit sogenannten religionsfreien Schülerinnen und Schülern ergeben. Ein kirchenraumdidaktisches Basiskonzept stellt dann den Rahmen dar, unter dem die einzelnen kirchenraumdidaktischen Methoden vorgestellt werden. Neben den Methoden, die einer sachkundigen Erschließung von Kirchenräumen dienen, werden besonders auch solche vorgestellt, mit denen zu einem spirituellen Wahrnehmen und Erproben eingeladen wird. Sollen Kinder und Jugendliche in Kirchenräumen , Sinn und Geschmack fürs Unendliche" (so die berühmte Beschreibung von Friedrich Schleiermacher für Religion) finden, so kann das gelingen, wenn sie dort Bezüge zur eigenen Lebenswelt entdecken; deshalb erfolgen abschließend Hinweise für eine lebensweltorientierte Erkundung des Kirchenraums.“ (5f.) Ein praxiserprobtes Handbuch für den Religionsunterricht an allen Schularten!

Rolf Bossart, Nadire Mustafi, Monika Winter-Pfändler und Michael Zahnerhaben im Theologischen Verlag Zürich (290-20237-8) die moderne Sammlung Erzähl nochmal. Geschichten aus Religionen, Kulturen und Zeiten herausgegeben, die 111 Geschichten aus Mythen und Heiligen Schriften, Volks- und Kunstmärchen sowie Geschichten aus Weisheitstraditionen und anderen mündlichen Überlieferungen beinhaltet: „Mit dieser Sammlung ist nichts weniger als der Wunsch ausgedrückt, die Geschichten mit all ihren Verschiedenheiten und Ähnlichkeiten so einfach und verständlich wie möglich zugänglich zu machen. Mögen sie Anlass geben für gute Momente des Erzählens und Vorlesens sowie für Reisen in die immer wieder neu zu entdeckenden Kammern dessen, was wir hier gerne pathetisch den «kollektiven Erzählschatz der Menschheit» nennen möchten. Die für diesen Band ausgewählten Geschichten verfügen mehrheitlich über drei allgemeine Merkmale: Sie können keinem bestimmten Autor, keiner namentlichen Autorin zugewiesen werden, bzw. sie haben durch vielfältige Rezeption einen kollektiven Aneignungsprozess durchlaufen und wurden dadurch der eigentlichen Urheberschaft gewissermaßen entwendet.
Sie weisen eine bestimmte Zeitlosigkeit auf bzw. haben kein bestimmtes Entstehungsdatum. Sie beinhalten eine universelle bzw. keine eindeutig zu bestimmende Botschaft, sondern stehen immer neuen Auslegungen und Interpretationen offen. Die Zusammenstellung erfolgte im Austausch mit einer interdisziplinär, interkulturell und innerreligiös zusammengesetzten Begleitgruppe. Um dem interreligiösen Schwerpunkt Rechnung zu tragen, liegt ein besonderes Gewicht auf den Geschichten aus den Heiligen Schriften und dem kulturellen Umfeld der großen, epochenbildenden Religionen. Folgende fünf Kriterien waren bei der Auswahl handlungsleitend: ein Bedeutungsgehalt, der differenzierte Anknüpfungspunkte ermöglicht; eine möglichst reiche und vielfältige Rezeptionsgeschichte; die Verhandlung und Problematisierung von existenziellen Grundfragen und universellen Themen menschlicher Zivilisations- und Religionsgeschichte; Diversität in Herkunft und Wertsetzungen; eine möglichst niederschwellige, allgemeine Zugänglichkeit für
Kinder. Der Band ist gegliedert in thematische Kapitel. Im Anhang findet sich ein Stichwortverzeichnis, das ebenfalls Hilfe bei der Auswahl der Geschichten bieten kann.“ (237f.)

Im Calwer Verlag (7668-4581-8) und Westermann Verlag (14-140110-3) hat Petra Freudenberger-Lötz die von Ulrike von Altrock, Ulrike Itze, Edelgard Moers, Anita Müller-Friese, Brigitte Zeeh-Silva und ihr selbst erarbeitete Neuausgabe von Spuren lesen Religionsbuch 1 / 2 herausgegeben. Das hervorragende Schulbuch enthält folgende zwölf Kapitel mit kind- und sachgemäßen Illustrationen von Yvonne Hoppe-Engbring und Barbara Freundlieb: 1. Das machen wir im Religionsunterricht 2. Wir sind achtsam miteinander 3. Wir freuen uns an der Schöpfung 4. Gott, wer bist du? 5. Abraham und Sara 6. Josef 7. Angst und Mut gehören zusammen 8. Wer ist Jesus? 9. Unsere Kirche 10. Wir feiern viele Feste 11. Juden, Christen und Muslime 12. Die Bibel begleitet uns.

Mit Kreativ-Methoden Lehrplaninhalte nachhaltig verankern ist das Ziel des von Renate Maria Zerbe im Auer-Verlag (403-08756-4) erarbeitete Heft Einfallsreicher Religionsunterricht Grundschule, das den „Schatz" an kreativen Lehrmethoden und Spielideen für den Religionsunterricht erweitern möchte: „Sie finden in diesem Band Informationen, Stundenentwürfe und Kopiervorlagen für Unterrichtsstunden zu 20 verschiedenen Lehrplanthemen (Themenkomplexen) des Religionsunterrichts in der Grundschule. Alle Themen im Band sind nach dem folgenden Prinzip aufgebaut: Im ersten Teil erhalten Sie als Lehrkraft alle notwendigen Informationen zur Unterrichtsstunde mitsamt: einer Einbettung in den Lehrplan des Fachs Religion in der Grundschule, den für die Umsetzung benötigten Vorkenntnissen und einem kurzen Stundenentwurf. Im zweiten Teil finden Sie dann alle Kopiervorlagen für den direkten Einsatz in Ihrem Unterricht. Um Ihr Repertoire an Methoden zu erweitern, enthält jedes der Kapitel eine immer neue, kreative Lernmethode für ein Lehrplanthema, um die erlernten Inhalte zu üben, zu festigen und/oder zu erweitern. Diese Lern- und Lehrmethoden fokussieren wiederum immer andere Kompetenzen, die für einen erfolgreichen Religionsunterricht wichtig sind.“ (4)

Im PERSEN Verlag hat Klara Kirschbaum zwei Hefte mit spannenden Materialien für einen abwechslungsreichen Unterricht vorgelegt. Zum einen Die Bibel: Entstehung und Aufbau (403-20938-6): „Welche Bedeutung hat die Bibel? Wie ist sie entstanden? Wie wurde sie vervielfältigt? Wer sind die Evangelisten? Wie finde ich mich in der Bibel zurecht? Was steht im Alten und was im Neuen Testament? Wer war Martin Luther? Mit diesen und weiteren spannenden Fragen setzen sich die Kinder in diesem Themenheft auseinander. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich mit wichtigen Personen und Geschichten aus der Bibel, schlagen selbstständig Bibelstellen nach und lernen das wichtigste Gebet der Christenheit kennen. Dabei lösen sie Rätsel, lesen Sachtexte und beantworten Fragen dazu, basteln eine Schriftrolle, erfahren etwas über die Evangelisten, gestalten ein Bibel-Quadrama und vieles mehr.“ (4) Zum anderen Advent und Weihnachten (403-21126-6): „Was verbirgt sich hinter den Festtagen und ihren Bräuchen? Wer waren die weisen Sterndeuter aus dem Morgenland? Welche Absichten hatte König Herodes? Wie ergeht es den Hirten auf dem Feld? Wie kann ich selbst ein Licht für andere sein? Mit diesen und weiteren spannenden Fragen setzen sich die Kinder in diesem Themenheft auseinander und gehen dem Weihnachtsfest auf die Spur. Sie philosophieren mithilfe eines Bildes über die Vision des Jesaja und führen Interviews zum Thema „Lichterfeste in anderen Religionen". Die Schülerinnen und Schüler befassen sich mit dem heiligen Nikolaus und tauchen in andere Kulturen und ihre Weihnachtsbräuche ein. Sie setzen sich mit den Wünschen und Hoffnungen der Hirten auf dem Feld auseinander und nehmen Herodes' Absichten unter die Lupe.“ (4) Passend zum Thema dieses Arbeitsheftes hat Christian Butt im Calwer Verlag (7668-4596-2) mit dem Titel Das Kirchenjahr Materialien zu den Kirchenfesten für die Klassen 3 bis 6 – mit interaktiven Lerneinheiten – erarbeitet. Er schreibt im Vorwort: „Das Kirchenjahr bietet einen durchgehenden und zwanglosen, roten Faden durch das Schul- und Kalenderjahr. Diese Materialien möchten Sie im Unterricht unterstützen. Ohne viel zusätzlichen Aufwand ergeben sich hier Bezüge und Anknüpfungspunkte – die Kinder werden in ihrer Lebenswelt abgeholt. Es gibt Neues zu entdecken und gleichzeitig kann Bekanntes vertieft werden. Die Kapitel orientieren sich an den wichtigsten Festen und Feiertagen und sind folgendermaßen aufgebaut: Sachliches: Nimmt Bezug auf die Texte aus dem Calwer-Geschenkheft „Warum hängt am Weihnachtsbaumkein Ei?" Wissenswertes: Bringt Traditionen, wichtige Bestandteile oder Texte/Lieder der Feste und Feiertage zurSprache. Vertiefendes: Bietet weiteres, manchmal auch anspruchsvolleres Material, das noch ergänzende Aspekte zum Leuchten bringt. Kreatives: Ermöglicht, das Fest und den Feiertag mit anderen und manchmal ungewöhnlichen Methoden zu entdecken. Aktives: Fordert die Schülerinnen und Schüler zu einer Klassenaktivität heraus, die gut auch den Abschluss der Einheit darstellen kann. Interaktive Einheiten zu jedem Kapitel: Zu jedem Kapitel gibt es zudem eine interaktive Lerneinheit, die die Schülerinnen und Schüler auf Tablets, Handys oder Laptops selbstständig bearbeiten können. Sie eignen sich auch gut als Lernimpuls für Zuhause.“ (5)

Hilfreiche Ideen und differenzierte Arbeitsangebote für den Einsatz in heterogenen Religionsgruppen in Klasse 3-6 liefern Franziska Rautenberg und Gunther vom Stein in ihrem Band Auf neuen Identitätswegen im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (525-70333-5). In der Einleitung führen sie an das wichtige Thema Identität heran: „>>Ich bin nicht, wer du denkst, dass ich bin. Ich bin nicht, wer ich denke, dass ich bin. Ich bin, wer ich denke, dass du denkst, dass ich bin<<. Dieser Satz des amerikanischen Soziologen Charles Horton Cooley (1864- 1929) bringt unsere gegenwärtigen Fragen und Probleme nach der Frage der Identitat schon auf den Punkt. Bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden die Geschlechterfrage und die Rollenverteilung nicht infrage gestellt. Heute setzen wir uns – in Unterscheidung zum biologischen Geschlecht – mit dem sozialen Geschlecht auseinander, d. h. der gesellschaftlich und individuell erlernten Geschlechterrolle (engl.: Gender). Wir hören von den Problemen der „LGBTQIA+-Community" (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual, Asexual, das Pluszeichen steht für die Menschen, die sich nicht eindeutig zu den oben genannten Beziehungen zählen können. „Queer“ hat sich zu einem Sammelbegriff für die Menschen entwickelt, die nicht heterosexuell sind.). Aufgrund dieser Vielschichtigkeit ist es mittlerweile notwendig und unerlässlich geworden, die alten Vorstellungen zu hinterfragen, „Zwischenstufen" und „Sonderfälle" zu benennen und nicht mehr alles in die üblichen Schubladen zu pressen. Bevor die Lehrkraft mit den Schüler*innen „Identitätswege" thematisiert, ist es ratsam, sich selbst die eigene Position bewusst zu machen (und sich evtl. im Kollegium darüber austauschen). Folgende Fragen können dazu eine Hilfe sein: Was ist weiblich? Was ist bestimmend für weiblich? Was ist männlich? Was ist bestimmend für männlich? Welche stereotypen Rollenbilder beobachte ich in der Schule (bei Schüler*innen und im Kollegium)? Wo und in welchen Situationen beobachte und erlebe ich sie? Was könnten Merkmale einer gendergerechten Schule sein, einer Schule, die die überkommenen gesellschaftlich und individuell erlernten Geschlechterrollen hinterfragt? Und schließlich: Wie ist mein Gottesbild in diesem
Zusammenhang geprägt? Entsprechend diesen Überlegungen bietet das Buch mit seinen Materialien Denkanstöße, gemeinsam über Identität und Identitätswege nachzudenken und sich der Komplexität des Themas zu nähern. Dabei werden eigene Erfahrungen mit gesellschaftlichen und theologisch-religionspädagogischen Erkenntnissen verknüpft. So soll jede*r ihren*seinen Standpunkt finden, in der Auseinandersetzung mit Mitschüler*innen Einblicke in andere Ansichten zum Thema erhalten und die Vielfalt der Lebens- und Identitätswege als bereichernd empfinden und aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten das eigene Leben bejahen: Ich bin gut wie ich bin.“ (4)

Praktische Hinweise und Gestaltungsvorlagen für Klappbücher zu zentralen Lehrplanthemen in der 5./6. Klasse stellt Jakob Mohn im PERSEN Verlag (403-20825-9) mit dem Titel Lapbooks im Religionsunterricht vor: „Die Gestaltung von Lapbooks fördert Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Kreativität, Kommunikation und stärkt die Fachkompetenz in den jeweiligen Lerninhalten. Ein Lapbook kann in verschiedenen Sozialformen wie Einzelarbeit, Partnerarbeit oder Gruppenarbeit erstellt werden. Auch leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler bekommen so die Möglichkeit, ihre Stärken einzubringen. Für sie wäre es zudem ideal, als Hilfestellung einen „Lageplan" für die einzelnen Klappelemente und die Gestaltung des Lapbooks anzubieten. Je nach Leistungsstand und der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit können den Schülerinnen und Schülern inhaltlich abgestimmte Arbeitsaufträge und Faltvorlagen angeboten werden. Bei der Einführung ist es auch möglich, der Lerngruppe ein fertig gebasteltes Lapbook als Vorlage bereitzustellen, um den Entstehungsprozess zu vereinfachen und das Endergebnis bzw. das Prinzip des Lapbooks zu visualisieren.“ (4) Stephan Sigg ist der Verfasser des Arbeitsheftes Mini-Escape Rooms für den Religionsunterricht im Auer-Verlag (403-08794-6) mit 21 Mini-Breakouts zu zentralen Lehrplaneinheiten 5-10 (Bibel, Glauben und Leben, Kirchenjahr und Schöpfungsverantwortung) und 5 Breakouts mit digitalen Rätseln: „Seit Jahren erfreuen sich sogenannte Escape Rooms – auch Exit Games oder Exit Rooms genannt – in vielen Großstädten weltweit einer immer größeren Beliebtheit. Bei diesem Spiel wird eine Gruppe aus mehreren Personen für eine bestimmte Zeit – in der Regel zwischen 45 und 90 Minuten – in einem Raum eingeschlossen. Um die Mission zu erfüllen bzw. um rechtzeitig dem Raum zu entkommen, müssen Hinweise gefunden, verschiedene Rätsel gelöst, Gegenstände manipuliert und Schlösser, Geheimgänge und -türen geöffnet werden. Je besser man dabei als Team zusammenarbeitet, Aufgaben verteilt und miteinander kommuniziert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein. Problemlösendes Denken und Teamwork stehen im Vordergrund. In der Regel wird dabei jedes Team über Kameras beobachtet, sodass die Spielleiterin oder der Spielleiter gegebenenfalls eingreifen und Hinweise geben kann. Die Grundidee der Escape Rooms kann in abgewandelter und angepasster Form auch auf das Klassenzimmer übertragen werden – natürlich ohne die Schüler*innen im Klassenzimmer einzusperren. Man spricht dann von einem (Edu) Breakout, das seinen Ursprung in den USA hat. Breakouts können durchaus unterschiedlich gestaltet sein, das zugrundeliegende Prinzip entspricht jedoch immer der Grundidee der Escape Rooms: Die Schüler*innen verfolgen in ihren Teams ein gemeinsames Ziel, das hier letztlich darin besteht, sich durch das erfolgreiche Lösen des Breakouts, das sich aus verschiedenen Aufgaben und Rätseln zusammensetzt, von einer anderen Aufgabe zu befreien. Die Lösung der anderen Aufgabe verbirgt sich in einer mit einem Zahlenschloss gesicherten Schatzkiste. Diesen Code gilt es zu knacken.“ (4)

Heldinnen der Bibel im Fokus. Was sie auszeichnet. Was sie geleistet haben. Welchen Einfluss sie heute haben können lautetder Titel eines vonAnette Tönigesim Auer-Verlag (403-08806-6) für die Sekundarstufe 1 erarbeiteten Heftes, dessen Arbeitsblätter verdeutlichen sollen, dass auch Frauen in der Bibel eine wichtige Rolle spielen: „Die Schüler*innen lernen mithilfe dieser vielfältigen Materialiensammlung bekannte und unbekannte Frauen kennen, deren Auffassungen und Leistungen in der damaligen Zeit häufig eine große Bedeutung hatten. Durch die Auseinandersetzung mit dieser Aufgabensammlung sollen die Frauen einerseits bekannt gemacht werden. Andererseits soll bei den Schüler*innen das Bewusstsein vermittelt werden, dass Sachverhalte aus dem Leben dieser Frauen in die heutige Zeit übertragbar und damit heute noch aktuell sind.“ (4) Es geht um Sara, Mirjam, Maria, die gekrümmte Frau, Phöbe, Rebekka, Ruth und Noomi, Maria von Magdala, die salbende Frau sowie um die Ehebrecherin.

Im Calwer Verlag (7668-4528-3) haben Kristina Augst, Anke Kaloudis, Birgitt Neukirch, Esma Öger-Tunc und Meryem Tinc die Handreichung für Lehrkräfte Was Bibel und Koran erzählen verfasst, die sich auf das gleichnamige interreligiöse Lesebuch bezieht. Sie schreiben in ihrer Einleitung: „Eine multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft stellt schulisches Lernen vor besondere Herausforderungen. Religiöse Vielfalt will im Unterricht gut durchdacht und angemessen bearbeitet werden. Das interreligiöse Lesebuch „Was Bibel und Koran erzählen" eröffnet dazu eine Möglichkeit. Mit seiner Gegenüberstellung zentraler Texte aus Bibel und Koran in leicht verständlicher Sprache zu elementaren Themen der Lehrpläne und Kerncurricula bietet es eine gute Grundlage zum interreligiösen Lernen. Das Lesebuch stellt im interreligiösen religionspädagogischen Diskurs ein „Novum" dar. Die interreligiöse Didaktik steckt noch in den Anfängen und entwickelt sich Schritt für Schritt. Dabei bleiben oft grundsätzliche Fragen nicht aus, die Lehrkräfte immer wieder als Herausforderung erleben. Wie kann die Geschichte von Noah in der Bibel und Nuh im Koran gedeutet werden? Wie lassen sich die unterschiedlichen Traditionen zu Jesus bzw. Isa verstehen? Wie kann man grundsätzlich mit biblischen und koranischen Texten im Unterricht arbeiten? Was ist zu beachten? Mit dieser Lehrerhandreichung möchten wir daher wichtige Hintergrundinformationen liefern, die für den Einsatz des Buches im Unterricht hilfreich sind. Dazu gehören: Informationen zum Anliegen und Aufbau des Lesebuches, Hinweise zum didaktischen bzw. methodischen Umgang mit dem Lesebuch und elementare theologische Hintergrundinformationen zu den einzelnen Themenfeldern. Anders als im Lesebuch, in dem wir analog zu den in den Schulen vorfindlichen Bibelausgaben vom Alten und Neuen Testament reden, sprechen wir in der Lehrerhandreichung von Erstem und Zweiten Testament. Damit greifen wir die Diskussionen der letzten Jahre auf, dass die traditionelle Bezeichnung Altes und Neues Testament im Sinne einer Abwertung falsch verstanden werden kann.“ (5)

In evangelisch-katholischer Zusammenarbeit haben Josef Fath, Rainer Goltz, Christiane Rösener und Beate Wenzel im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (525-70326-7) mit dem Fokus auf gelebter Religion das Lehrwerk Religion im Dialog. Klasse 9/10 erstellt. Es besteht aus den sieben Kapiteln: 1. Freiheit und Verantwortung 2. Glaube ohne Zweifel 3. Alles vergeben durch Christus? 4. Der Tod – Anfang und Ende 5. Wie politisch darf die Kirche sein? 6. Verantwortung der Religionen 7. Was gibt meinem Leben Sinn? Im Vorwort an die Schülerinnen und Schüler heißt es: „Auch in diesem Band von »Religion im Dialog« seht ihr auf dem Cover ein Kirchenfenster, genauer: eines der insgesamt 22, mit jeweils mehr als 15.000 Glasstückchen aufwendig gefertigten Kirchenfenster, die der Künstler Karl-Martin Hartmann zwischen 1993 und 2010 für die katholische St. Nicolai Kirche in der niederrheinischen Stadt Kalkar erschaffen hat. An der Nordseite des Gebäudes platziert ist es dunkel gehalten. Seine volle Leuchtkraft entfaltet das scheinbar spielerische Durcheinander der kleinen Formen und astro-physikalischen Elemente, die jedoch zugleich in einer gemeinsamen Ordnung zueinanderstehen und erst ein Ganzes bilden, wenn man in der Kirche auf das Fenster schaut. Wir finden, dass darin die Vielfalt der Schöpfung und auch der Religionen gut zum Ausdruck kommen. Die Schönheit und der Glanz dieser Vielfalt erschließen sich nicht isoliert, sondern kommen überhaupt erst im Miteinander und im Dialog mit Anderen zum Strahlen. Vielfalt ist einerseits sehr reizvoll, wenn sie mit der Freiheit verbunden ist, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen. Oft erleben wir unsere Welt jedoch als verwirrend, unsicher und dunkel. Es fällt uns schwer, den Überblick zu behalten und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Damit die Entscheidungen, die wir treffen, sich positiv auf unser Leben auswirken, brauchen wir Orientierung und das Gespräch mit Menschen, denen wir vertrauen und die es gut mit uns meinen. Viele Menschen finden diese Orientierung auch in der Religion und vertrauen darauf, dass trotz aller Probleme und Widrigkeiten unser Leben gelingen kann, dass das Leben einen Sinn hat und dass wir von Gott gewollt sind. In diesem Sinne möchte euch der vorliegende Band Religion und den christlichen Glauben als Angebot und Orientierungsrahmen für eure eigene Lebensgestattung präsentieren. In allen Kapiteln spielt der Gedanke der Freiheit eine wichtige Rolle: Zum einen möchte der christliche Glaube die Freiheitsräume der Einzelnen gegenüber Ansprüchen von außen sichern. Dabei kann die Botschaft Jesu Leitlinien für das eigene Handeln und auch für den Umgang mit schwierigen Lebenssituationen geben. Zum anderen werdet ihr bei der Bearbeitung der Kapitel sehen, dass ihr auch im Umgang mit diesen Leitlinien frei seid, in religiösen Fragen einen eigenen Standpunkt zu beziehen. Um diese Freiheit nutzen zu können, werdet ihr in den verschiedenen Beiträgen immer wieder unterschiedliche Perspektiven auf religiöse Fragen kennenlernen, die euch eine differenzierte Sichtweise und die Entwicklung einer eigenen Haltung ermöglichen – gerade da, wo manchmal nur einfache Wahrheiten propagiert werden, die der Komplexität des Lebens nicht gerecht werden. Dabei ist der Name der Buches Programm, nämlich einen Dialog mit anderen, auch mit nicht-religiösen Meinungen, anderen Konfessionen und anderen Religionen auf der Basis fundierten Wissens zu ermöglichen. Dialog kann nur gelingen, wenn die Gesprächspartnerinnen und -partner sich gegenseitig respektieren und sich auf Augenhöhe begegnen. Dieses Prinzip durchzieht die Beiträge in allen Kapiteln des Buches, das in enger Zusammenarbeit zwischen evangelischen und katholischen Autoreninnen und Autoren entstanden ist. Wir hoffen, dass ihr durch dieses Buch viele verschiedene Lichtblicke, Impulse und Perspektiven in eurer Auseinandersetzung mit religiösen Fragen gewinnt und wünschen euch eine interessante Entdeckungsreise durch die einzelnen Kapitel.“ (8)

In der im Calwer Verlag erscheinenden Reihe „RU kompakt. Berufliches Gymnasium. Anregungen und Materialien für den Evangelischen Religionsunterricht“ haben im Heft 3 (7668-4591-7) Harald Becker die Unterrichtseinheit „Eschatologie – Was haben wir zu hoffen?“ und Andrea Chudaska die Einheit „Die Bedeutung Jesu in Christentum und Islam am Beispiel von Weihnachten“ erarbeitet. Nach fundierten theologisch-didaktischen Überlegungen folgen die Bezüge zu den Kompetenzen des Bildungsplans und ausführliche Bausteine für den Unterricht.

Oliver Arnhold, Stephanie Lerke und Jan Christian Pinschsind verantwortlich für  das Unterrichtsmaterialheft Religiöse Feindbilder. Bausteine für die Sekundarstufe II, das im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag (525-70337-3) erschienen ist und das sich auf Spurensuche nach alten und neuen Facetten der Ausgrenzung und religiöser Feindbilder begibt: „Einerseits macht es deutlich, wie weit verbreitet und komplex die Diskriminierung von Personengruppen ist, andererseits zeigt es auf, dass religiöses »Othering« eine theologische Herausforderung darstellt. Das Heft ist wie folgt aufgebaut: Im ersten Kapitel wird mit dem von dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld entwickelten Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) bekannt gemacht. GMF meint abwertende und ausgrenzende Einstellungen gegenüber Menschen aufgrund ihrer zugewiesenen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 ist GMF in Deutschland weit verbreitet. »Nur rund ein Fünftel der Deutschen(21 Prozent) lehnt alle dort erfassten zwölf Elemente« ab, »während 80 Prozent der Befragten« gegenüber »mindestens einem der Elemente Zustimmung« signalisierten.« In den folgenden Kapiteln werden einzelne Ausformungen der GMF, wie Antisemitismus, Islam-feindlichkeit, Rassismus, Abwertung von Sexualität, Homophobie und Verschwörungserzählungen näher beleuchtet. Anhand ausgewählter aktueller Beispiele macht das Heft aber nicht nur mit der komplexen Vielfalt von (religiösen) Feindbildern bekannt. Vielmehr soll neben Aufklärung und Bewusstseinsbildung auch das Engagement der Schüler*innen gestärkt werden, menschenfeindlichen Haltungen etwas entgegenzusetzen. Insbesondere das letzte Kapitel »Vielfalt und Toleranz« verfolgt das Ziel, Schüler*innen der Sekundarstufe II gegenüber Ausformungen der GMF argumentations- und handlungsfähig zu machen. Das Themenheft leistet damit einen wichtigen Beitrag zu der im Schulgesetz verankerten Demokratiebildung, indem nicht nur antidemokratische Tendenzen in unserer Gesellschaft aufgezeigt, sondern auch demokratische Haltungen eingeübt werden.“ (4) Es ist der Wunsch der Autor*innen, „dass der Religionsunterricht durch die Auseinandersetzung der Schüler*innen mit dem vorliegenden Material einen wichtigen Beitrag leistet, die jungen Menschen resistent gegen menschenverachtende und antidemokratische Tendenzen in unserer Gesellschaft und in religiösen Kontexten zu machen, und sie zusätzlich motiviert, sich für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit einzusetzen.“ (5) Diesen Wunsch teilt auch Wilhelm Schwendemannals verantwortlicher Schriftleiter der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift für christlich-jüdische Begegnung (ZfBeg) im Kontext (ISSN 2513-1389) mit dem Titel Religiöser Fundamentalismus und schreibt in seiner inhaltlichen Hinführung zum Heftthema: „Die Autorin und die Autoren der Hauptbeiträge dieses Heftes gehen im Folgenden den verschiedenen Schattierungen des Begriffs religiöser Fundamentalismus nach. Sonja Angelika Strube fokussiert in ihrem Beitrag den Zusammenhang zwischen religiös-christlichen Fundamentalismus und politischem Rechtsradikalismus. Diesen Zusammenhang nennt sie rechtschristlich. Axel Wiemer untersucht in der religionsdidaktischen Praxis an einer Grundschule das Phänomen eines impliziten Biblizismus als »unreflektiert normativen Gebrauch der Bibel« im Unterricht. Am Beispiel der Frage »Kann man denn aus einer Rippe eine Frau machen?« (Gen 2) wird dieser Biblizismus auf Seiten der Lernenden wie der Lehrenden analysiert und auch diskutiert. Knut V. M. Wormstädt untersucht fundamentalistische Schriftverständnisse christlicher Influencer:innen im Internet, besonders auf der Plattform liebezurbibel. Im Beitrag von Youssef Dennaoui wird deutlich, dass der Fundamentalismus eine Reaktion auf den Modernisierungsprozess darstellt; die so wahr genommene gesellschaftliche Krise werde durch»die Rückkehr« zu heiligen und zeitlosen Prinzipien gelöst. Religiös-fundamentalistische Positionierungen erfolgten in religiöser Sprache. Der Salafismus im Islam stelle so eine » Rückkehr« dar. Errettung werde denen zuteil, die sich an die Vorschriften der Lehre hielten. Wilhelm Schwendemann sieht in religiös-christlichem Fundamentalismus vor allem amerikanisch-protestantischer Provenienz eine Bedrohung religiös-dialogischer Kommunikation. In der Entstehungsgeschichte des weißen, ultrakonservativen Protestantismus ist der Antimodernismus oft kombiniert mit Militanz, Rassismus und zum Teil auch mit Antisemitismus und mit Supranaturalismus. Wirklichkeit werde auf ein einfaches Deutungsmuster komplexer Zusammenhänge reduziert.“ (6f.)

5 Bilderbücher mit religiös-ethischen Inhalten

Wiebke Bähnk, Heiko Franke und Georg Raatz haben im Gütersloher Verlagshaus (579-07450-4) im Auftrag der VELKD das von Katharina Gorges, Angela Kunze-Beiküfner und Susanne Menzke erarbeitete erste von vier Kamishibai-Bildkartensets Bilder zum Glauben. Mit Kindern Religion entdecken, spielen und erzählen mit 16 von der Illustratorin Betina Gotzen-Beek gestalteten Motiven herausgegeben. Band 1 trägt den Titel „Ich bin ich und ich gehöre dazu“. Zu Beginn des umfangreichen Begleitheftes stellen sie ihr innovatives Konzept vor: „Das Anliegen dieses Kamishibai Bildkartensets ist es, religiöse Fragen und Themen von Kindern im Kontext des christlichen Glaubens aufzugreifen, ihren Erfahrungen Raum zu geben und die Kinder zum Entdecken, Forschen und Weiterdenken anzuregen. Gleichzeitig bietet das Set durch die Begleittexte Eltern, Kitapädagog*innen oder Lehrkräften Hilfestellungen, Gedankenanstöße und Hintergrundwissen zum christlichen Glauben, um die Kinder in ihren Fragen, Überlegungen und Erfahrungen zu begleiten. Das vorliegende Set ist das erste von insgesamt vier Sets. Es legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung der eigenen Identität in der Gemeinschaft mit anderen Menschen und das Angenommen- und Geliebtsein durch Gott. Es folgen Bildkartensets zu den Themenbereichen Schöpfung und Verantwortung für unsere Welt, zu Schönem und Schwerem im Leben und zum Leben in Gottes Gegenwart. In einem Set sind sowohl Bildkarten zu Lebenssituationen von Kindern enthalten als auch solche zu biblischen Geschichten und Festen. Im Rahmen des Gesamtkonzepts werden die christlichen Grundfeste wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Erntedank sowie exemplarische biblische Erzählungen und christliche Rituale thematisiert. Die Zuordnung zu einzelnen Sets erfolgt über die darin enthaltenen inhaltlichen Aspekte. Alle Sets regen zu einem ganzheitlichen und handlungsorientierten Umgang mit den christlichen Themen im Sinne eines Theologisierens mit Kindern an: Die Kinder und ihre Fragen, Ideen und Äußerungen stehen im Mittelpunkt und werden in jedem Bild aufgegriffen. Die Bildkarten zielen darauf ab, offene Gespräche mit echten Fragen zu führen. Die Antworten der Kinder sind dabei besonders wertvoll. Sie sind häufig sehr individuell und dürfen das auch sein. Kinder bringen ihre Erfahrungen und Ansichten ein. Sie brauchen dabei nicht die Erwartung der Erwachsenen erfüllen. In dieser Freiheit entwickeln die Kinder oft tiefgreifende Einsichten, die auch für Erwachsene bereichernd sind. Es geht um persönliche Aussagen, die vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen, biblischer Geschichten und christlicher Feste ausgedrückt und reflektiert werden. Des Weiteren handelt es sich um inklusives Material, das Menschen in ihrer Vielfalt in den Blick nimmt. Die Bilder greifen Alltagssituationen oder Vorstellungen der Kinder auf und ergänzen diese mit neuen Perspektiven und Inhalten. Es werden sowohl inhaltsbezogene als auch prozessbezogene Kompetenzen gefördert. Das Wichtigste ist, über christliche Themen ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und Ideen und Vermutungen zu äußern.“ (4) Ein hervorragendes Arbeitsmaterial für den Einsatz in Elementar- und Grundschulbereich sowie Gemeindearbeit, das zu altersgemäßen Gesprächen über christliche Themen anregt!

Ein buntes Bild einer vielfältigen Gesellschaft entwirft Marcus Pfister mit seinem im NordSüd Verlag (314-10659-0) erschienenen Bilderbuch So oder so. Einfach Pinguin sein für Kinder ab vier Jahren, das so beginnt: „In der Antarktis lebt eine Pinguin-Kolonie. Aus der Ferne scheinen sie alle gleich zu sein – halt einfach eine große Pinguin-Gruppe. Aber jeder von ihnen ist verschieden. Jeder ist anders, und trotzdem bilden sie eine Gemeinschaft. Komm mit, ich stelle dir ein paar von ihnen vor!“ So lernen die Betrachtenden die Pinguine Luca, Mila, Hanna, Emilie, Ida, Timo, Felix, Lena, Sara, Leon, Theo und Sofia kennen. „Ist sie nicht wunderbar, die Vielfalt der Natur? Jeder Pinguin ist anders, aber jeder ist ein Pinguin! Hauptsache Pinguin! Einfach ein Pinguin! Dem Thema Diversität widmet sich auch Marc Majewski in seinem im Hacht Verlag (96826-029-7) veröffentlichten und von Katharina Naumann übersetzten Bilderbuch Schmetterlingskind für Kinder ab vier Jahren. Ein Junge will ein Schmetterling sein und bastelt sich riesige orangefarbene Flügel. Als die anderen Kinder es verspotten, zieht er sich zuhause ganz allein zurück. Dem Vater gelingt es, seinen Sohn von einem Neuanfang zu überzeugen und gemeinsam gestalten sie selbstbewusst neue Schmetterlingsflügel: „Und diesmal … als ich meine Flügel ausbreite …fliege ich!“

In der Schlange der Träume ist der Titel des im Knesebeck Verlag (95728-711-3) erschienenen Bilderbuchs von Rita Sineiro mit eindrucksvollen Illustrationen von Laia Domènech in der Übersetzung aus dem Spanischen von Katharina Diestelmeier für Kinder ab vier Jahren. Es handelt von einer bewegenden Fluchtgeschichte aus der Perspektive eines kleinen Jungens. Mitten in der Nacht müssen dessen Vater und er vor den Panzern und Patronen der Herren des Krieges fliehen – über Land und Meer in eine große Stadt mit Zelten und Menschenschlangen. Was ihm hilft die Zeit zu überbrücken sind die Fantasie – „unsere Spielzeugfabrik“ –, Träume und die Geschichten seines Papas von einem Land voller Burgen und Schätze, in das er seinen Sohn bringen will: „Denn nur Träume haben die Macht, das Warten in Hoffnung zu verwandeln.“ In ihrem berührenden Nachwort erinnert die Autorin an den sogenannten Arabischen Frühling 2010, den „Frühling der Ideen, der zu einem endlosen düsteren Winter“ wurde, erläutert die Prozeduren in den „großen Wartesälen Europas“ und berichtet auch über „die, die nicht vergessen und uns nicht vergessen lassen“ auf den Schiffen der „guten Piraten“ und in den vielen aufnahmebereiten Städten und Gemeinden in ganz Europa. Der Auslöser für dieses traurige und zugleich hoffnungsvolle Buch war das Bild des drei Jahre alten syrischen Alan, der leblos vom Meer an einem türkischen Strand angespült worden war.

Crescent Dragonwagon hat mit Illustrationen von Jessica Love und aus dem Englischen übersetzt von Tatjana Kröll im Knesebeck Verlag (95728-707-6) für Kinder ab vier Jahren das mutmachende und Zuversicht schenkende Buch Wird alles gut? geschrieben. Die vielen sorgenvollen Fragen ihrer Tochter zu Donner und Blitz, zu Schnee und Nichtwachstum im Garten, zu Bienenstichen und Auf-alle-Sauersein, zu Nicht-Gemochtwerden und Text-Vergessenhaben bei der Theateraufführung, zu Nichtakzeptanz des eigenen Tanzvermögens und zum Tod der Mutter beantwortet diese immer wieder mit tröstenden Antworten. „Also wird alles gut?“ „Ja, mein Schatz, das wird es. Es wird alles gut.“

Für Kinder ab fünf Jahre hat Louise Spilsbury mit Illustrationen von Hanane Kai in der Übersetzung aus dem Englischen von Christa Majer-Kachler und Roland Kachler im Gabriel Verlag (522-30644-7) das Buch Manchmal muss man Abschied nehmen. Alles über Tod, Trauer und Trost veröffentlicht. „Der Tod ist schwer zu verstehen. Vor allem, wenn jemand stirbt, den wir liebhaben.“ So beginnt das informative Buch zu den Themen „Was ist der Tod?, Wann sterben Menschen?, Was passiert, wenn jemand gestorben ist?, Beerdigungen, Begräbnis Einäscherung und Auferstehung, Wie Menschen trauern, Über den Tod sprechen, Sich an geliebte Menschen erinnern, Mit der Trauer leben“. Buchtipps, Adressen von Hilfsorganisationen und ein Lexikon der wichtigsten Wörter ergänzen die hilfreiche Neuerscheinung!

Wertvolle Impulse für religiöse Lehr-Lernprozesse bietet das beeindruckende Buch sieben.die schöpfung von Linda Wolfsgruber, das im Tyrolia Verlag (7022-4150-6) für Kinder ab fünf Jahren erschienen ist. Es enthält in ausdrucksstarken Bildern – zum Teil Monotypien, zum Teil in Ölkreiden-Kratztechnik ausgeführt – einen wundervollen Lobpreis auf die faszinierende und zugleich zerbrechliche Schöpfung. Die Zahl sieben ist dabei sowohl inhaltliches wie auch dramaturgisches Konzept: Jeder der sieben Tage wird in je sieben Bildwerken dargestellt – insgesamt gerahmt durch zwei leuchtend gelbe Seiten mit dem Anfangssatz „Weil sie uns anvertraut ist … und am Schluss mit dem Satz „So wird erzählt von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden.“ Überraschend und durchaus im positiven Sinne frag-würdig ist die Thematisierung der Erschaffung der Menschen in Wort und Bild am 6. Tag, die zu einer neuen Sicht auf die biblische Schöpfungserzählung führen kann!

Die Autoren, Designer und Illustratoren Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw haben in der Übersetzung aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe und Oksana Semenets im Gerstenberg Verlag (8369-6203-2) ebenfalls für Kinder ab fünf Jahren das eindrucksvolle Bilderbuch Als der Krieg nach Rondo kam veröffentlicht. Die drei Freunde Danko, die zerbrechliche Glühbirne, und Fabian, der pinke Luftballonhund,  sowie Sirka, der reisefreudige Papiervogel, leben in der zauberhaften Stadt Rondo und genießen das heitere und unbeschwerte Leben, bis eines Tages wie aus dem Nichts der Krieg in die Stadt kommt und Zerstörung, Chaos und Dunkelheit bringt. Gemeinsam mit allen anderen Bewohnern stellen sie sich mit einer riesigen Lichtmaschine und mit dem Singen ihrer Stadthymne erfolgreich dem Krieg entgegen.

„Ein Buch nach dem ABC, auf das wir alle gewartet haben“ – so der Untertitel – hat Lena Raubaum mit farbigen Illustrationen von Clara Frühwirth im Tyrolia Verlag (7022-4075-2) mit dem Titel Worauf wartest du noch? für Kinder ab sechs Jahren angefertigt. Von Warten „… bis etwas Aufregendes anfängt“ über „… bis endlich Jetzt ist“ bis zu „… bis dir ein Ziel zuwinkt“ enthält das Buch rhythmische, mit sanften Alliterationen versehene, poetisch-humorige Sprachbilder zu Wartesituationen und in einer Mischtechnik aus analoger Bleistiftzeichnung und digitaler Koloration gestalteten Bilder. Ein ideales Buch für alphabetisches Philosophieren!

Philosophie für Kinder. Die großen Fragen des Lebens lautet der Titel des Buches von Julia Knop mit Illustrationen von Meike Töpperwien, das im Herder Verlag (451-71663-8) erschienen ist. Ein Buch für neugierige Kinder, die mehr über das Leben und die Welt erfahren möchten, und die Fragen haben wie zum Beispiel „Wer bin ich? Sind Frauen anders als Männer? Was ist Leben? Warum müssen wir sterben? Gibt es Gott? Woher kommt das Böse? Ist das gerecht? Was kommt nach dem Tod? Wie lange dauert die Ewigkeit?“. In ihrem Vorwort warnt die Autorin die Kinder zur Vorsicht: „Mit großen Fragen ist es so eine Sache: Je mehr man über sie nachdenkt, umso größer werden sie …“ (6) Dennoch ein anregendes Buch, das zum Philosophieren und Theologisieren mit Kindern einlädt!