1 Einleitung

Als die Schulen im März 2020 zum ersten Mal schlossen, konnte niemand erahnen, wie lange die SARS-CoV-2-bedingte Pandemie den schulischen Alltag beeinträchtigen würde. Bis zum jetzigen Zeitpunkt musste Unterricht in Deutschland bereits über drei große Zeiträume hinweg im digitalen Setting stattfinden, nur einzelne Schüler:innengruppen (z.B. der Abschlussklassen oder an Schulen mit bestimmten Förderschwerpunkten) durften in Präsenz unterrichtet werden. Längst kann digitaler Unterricht nicht mehr als einmalig zu bewältigende didaktische Herausforderung begriffen werden, sondern es muss aus professionell-didaktischer Perspektive die grundsätzliche Frage beantwortet werden, wie Lernen im digitalen Fernunterricht ermöglicht werden kann – und dies erstens im Hinblick auf weitere Schulschließungen, aber zweitens auch, um aus der Extremsituation des digitalen Unterrichts Konsequenzen für eine Didaktik des Präsenzunterrichts (evtl. in hybrider Erweiterung) zu ziehen. In einer im Dezember 2021 erscheinenden Monografie (Dietzsch & Pfister, 2021) werden auf der Basis quantitativer und qualitativer Studien sowie von Unterrichtsbeispielen aus Perspektive von Schüler:innen und Lehrer:innen Impulse für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht formuliert. Die Ergebnisse werden außerdem mit den Basisdimensionen von Unterrichtsqualität diskutiert, um erstens zu erfassen, welche Aspekte von Unterrichtsqualität aus religionsdidaktischer Perspektive eingebracht werden können, zweitens um Unterschiede zwischen Unterrichtsqualität von digitalem (Religions-)Unterricht und (Religions-)Unterricht in Präsenz zu konstatieren. Das Buch schließt mit Thesen für eine Didaktik des digitalen Religionsunterrichts und Konsequenzen für den Religionsunterricht in Präsenz.

Im Folgenden sollen nun erste Tendenzen aufgezeigt werden, welche Kriterien Religionsschüler:innen einerseits und Religionslehrer:innen andererseits für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht formulieren.

2 Forschungsdesign

Die Ergebnisse des vorliegenden Artikels beruhen auf unterschiedlichen Studien, die die Wahrnehmung des digitalen Religionsunterrichts während der COVID-19-bedingten Schulschließungen von März bis (zum Teil) Juni 2020 aus Perspektive der Lernenden einerseits und aus Perspektive der Lehrenden andererseits ermöglichen.

Die Perspektive der Schüler:innen wurde im Rahmen einer qualitativen Studie erhoben. Nach Abschluss des Schuljahres 2019/20 wurden im Juli und August 2020 via Videokonferenz insgesamt 13 Schüleri:nnen an sechs verschiedenen Schulen in Baden-Württemberg zu ihren Erfahrungen im und mit dem digitalen Religionsunterricht befragt. Eine maximal kontrastierende Fallauswahl hinsichtlich der Schulartenvarianz wurde durch strukturell-organisatorische Gegebenheiten eingeschränkt: Nicht in allen Schulen bzw. Schularten oder Klassenstufen fand während der COVID-19-bedingten Schulschließungen Religionsunterricht statt. Außerdem waren auch nicht alle angefragten Schüler:innen zu einem Interview bereit, weshalb hier nur Ergebnisse aus der Perspektive von drei Zehntklässler:innen an zwei Realschulen und einem Gymnasien sowie zehn Oberstufenschüler:innen an zwei allgemeinbildenden und einem berufsbildenden Gymnasien vorgestellt werden können. Von allen Schüler:innen liegen die Einverständniserklärungen der Eltern und Schüler:innen vor. Die befragten Schüler:innen unterscheiden sich sowohl in der Häufigkeit des Religionsunterrichts, den sie während der Schulschließung erlebt haben, als auch in dessen Asynchronität oder Synchronität, und bilden die Bandbreite dessen ab, was an Unterrichtsgestaltung möglich war. Die Befragungen fanden während der Sommerferien in der Freizeit der Schüler:innen via Videokonferenz statt. Ihre Wahrnehmungen wurden mithilfe qualitativer, teilstandardisierter Interviews erfasst. Als Interviewform wurde das problemzentrierte Interview nach Andreas Witzel (1982) gewählt; die Auswertung der Interviews orientiert sich am qualitativ-inhaltsanalytischen Vorgehen nach Philipp Mayring (2008). Die anonymisierten Interviewtranskripte können bei der Autorin eingesehen werden.

Ergänzt wird die Perspektive der Religionsschüler:innen durch empirische Studien, die die Wahrnehmung von Schüler:innen auf Unterricht anderer Fächer oder Schule allgemein während des ersten Lockdowns untersuchen. So stellen das Sonderkapitel der Sinus-Jugendstudie 2020 (Calmbach, Flaig, Edwards, Möller-Slawinski, Borchard & Schleer, 2020), die JuCo 1-Studie 2020 (Andresen, Heyer, Lips, Rusack, Schröer, Thomas & Wilmes,  2020), die Studie JIMplus Corona 2020 (Rathgeb, 2020), der Schul-Barometer 2020 (Huber, Günther, Schneider, Helm, Schwander, Schneider & Pruit, 2020), die Schüler:innenbefragung von Wacker, Unger und Rey (2020), die CUNITAS-Studie (Göllner & Jaekel 2021) sowie das Review von Helm, Huber und Loisinger (2021) eine Hintergrundfolie dar, mit der die empirischen Ergebnisse der qualitativen Studie zum digitalen Religionsunterricht diskutiert und kontrastiert werden können – auch um Unterschiede zum oder Spezifika von digitalem Religionsunterricht erkennen zu können.

Um die Perspektive der Religionslehrer:innen auf gelungene Lehr-Lern-Prozesse im digitalen Religionsunterricht zu erfassen, werden insgesamt 14 Unterrichtsbeispiele mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (Philipp Mayring) induktiv-deduktiv ausgewertet. Dazu verschriftlichten Religionslehrer:innen, die von März bis Juni 2020 regelmäßig digitalen Religionsunterricht erteilten, ihre Vorstellung von gutem digitalen Religionsunterricht anhand eines konkreten Unterrichtsbeispiels. Einige Religionslehrer:innen haben ihre Idee von gutem digitalem Religionsunterricht anhand einer konkreten Unterrichtsstunde dargestellt, andere Best-Practice-Beispiele umfassen eine Unterrichtseinheit oder eine konkrete methodische bzw. didaktische Herangehensweise. Die Auswahl der Religionslehrer:innen wurde nicht bewusst im Sinne einer falltypologischen Auswahl getroffen, gleichwohl liegen bis auf Schulen mit besonderem Förderbedarf Unterrichtsbeispiele aus allen Schularten vor.

Aus den Wahrnehmungen der Religionsschüler:innen konnten ebenso wie aus den Wahrnehmungen der Religionslehrer:innen Kategorien formuliert werden, die Aufschluss darüber geben, welche Kriterien Lernende und Lehrende für gelingende Lernprozesse im (digitalen) Religionsunterricht als bedeutsam bewerten.

3 Gelingende Lernprozesse im Religionsunterricht – eine vergleichende Analyse von Lehrenden- und Lernenden-Perspektive

Der systematische Vergleich Lehrenden- und Lernenden-Perspektive zeigt, ob und inwiefern Lernende und Lehrende unterschiedliche, ähnliche oder identische Gelingensbedingungen von Lernprozessen im digitalen Religionsunterricht formulieren. Die ausgewerteten Daten ermöglichen einen differenzierten Vergleich der Perspektiven hinsichtlich der Gelingensbedingungen von digitalem Religionsunterricht: Welche Faktoren bewerten Lernende und Lehrende im digitalen Religionsunterricht als bedeutsam für gelingende Lernprozesse? Sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede in deren Gewichtung zu beobachten? Und schließlich: Lassen sich Unterschiede in den Wahrnehmungen der Gelingensbedingungen von Lernprozessen im digitalen Religionsunterricht und im Religionsunterricht in Präsenz feststellen?

3.1 Unterstützung in struktureller Hinsicht

Lehrende und Lernende stimmen in weiten Teilen darin überein, dass Lernen im digitalen Religionsunterricht nur dann gelingen kann, wenn die strukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen sind: So müssen aus Perspektive der (Religions-)Schüler:innen technische und räumliche Voraussetzungen erfüllt sein. Sie benötigen sowohl einen Raum bzw. Rückzugsort zum (ungestörten) Lernen als auch Hard- und Software, um am digitalen Religionsunterricht teilnehmen zu können. Sie sind außerdem darauf angewiesen, dass Lehrende sie im Umgang mit den technischen Herausforderungen unterstützen. Auch Religionslehrer:innen sind sich dessen bewusst, dass das digitale Setting neue, oft unbewältigte Herausforderungen darstellt, weshalb sie eigens Zeit darauf verwenden, technische Anforderungen und Organisatorisches zu Beginn der Unterrichtseinheit zu klären. Aus Perspektive der Lehrenden kann Lernen im digitalen Religionsunterricht nur dann gelingen, wenn Lernhindernisse oder -widerstände, eben auch technischer Art, abgebaut sind.

Allerdings kann aus dem Vergleich beider Perspektiven konstatiert werden, dass Lehrende sensibler und umfassender jene Herausforderungen bedenken müssen, denen sich Schüler:innen in struktureller Weise gegenüber sehen als dies im Rahmen der vorliegenden Ergebnisse der Fall ist: Dass Schüler:innen in manchen Fällen nicht über einen (eigenen) Raum zum ungestörten Lernen verfügen, scheint nicht im Bewusstsein aller Lehrenden zu sein.

3.2 Didaktik und Methodik

Aus Perspektive der Lernenden können Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht dann gelingen, wenn er über eine Vielfalt und Varianz an Methoden und Sozialformen verfügt. Als wenig lernförderlich bis negativ wird der digitale Religionsunterricht dann erlebt, wenn er didaktisch und methodisch monoton gestaltet ist, also die Schüler:innen nicht zum Lernen motiviert und nur „Monologe“ der Lehrperson ermöglicht. Diese knappe Wahrnehmung der Lernenden deckt sich mit der der Lehrenden, wenngleich letztere differenzierter darüber Auskunft geben: Aus Perspektive der Religionslehrer:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn dieser methodisch und didaktisch sorgfältig vorbereitet und reflektiert ist. Elementar für das digitale Format ist ihres Erachtens eine andere Didaktik und Methodik als sie der Religionsunterricht in Präsenz erfordert. Digitales Lernen bedarf nicht nur des Einsatzes anderer Medien und Methoden, sondern muss auch reflektieren, in welchen (anderen) Räumen und Orten des Lebens Lernen stattfindet und welche Konsequenzen dies haben kann. Lehrende müssen also in der Lage sein, „neue“ Medien und Methoden im digitalen Raum lernförderlich einzusetzen, aber zugleich auch, Lernen (und Leben) unter den Bedingungen der Digitalität kritisch zu reflektieren. Lernen kann aus Perspektive der Religionslehrer:innen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn bestimmte Lernprozesse in geschütztem Rahmen (Break-out-Sessions, stummes Schreibgespräch, ausgeschaltete Kamera) stattfinden. Dezidiert betonen einige Religionslehrer:innen, dass die emotionale Verfasstheit der Schüler:innen entscheidend zum Lernen-Können beiträgt, weshalb auch über Rituale „Sicherheit und Vertrautheit“, sowie „Halt und Orientierung“ gegeben werden, damit sich Schüler:innen auf den Religionsunterricht einlassen können. Aus den Unterrichtsbeispielen wird nicht ersichtlich, ob sie dies im Unterschied zum Religionsunterricht in Präsenz betonen. Es ist allerdings eher anzunehmen, dass jene Religionslehrer:innen, die Rituale im digitalen Religionsunterricht einsetzen, diese auch im Präsenzunterricht einsetzen, weil sie davon überzeugt sind, dass sie jene positive psychosoziale Wirkung haben.

Im Vergleich der beiden Perspektiven wird deutlich, wie bedeutsam sowohl Lernende als auch Lehrende die durch das digitale Setting evozierte Andersartigkeit von Didaktik und Methodik bewerten. Beide am Lernprozess beteiligten Gruppen weisen darauf hin, dass Lernen für alle nur dann gelingen kann, wenn didaktische Prozesse und methodische Transformationen sorgfältig, anders und mit neuen Formen bedacht werden als dies der Religionsunterricht in Präsenz erfordert. Die Religionslehrer:innen bringen dies vielleicht deshalb detaillierter und mit konkreten Beispielen zum Ausdruck, weil es ihnen im Vergleich zwischen digitalem Setting und Unterricht in Präsenz deutlich vor Augen tritt.

3.3 Kombination von synchronen und asynchronen Elementen

Lernen kann aus Perspektive der Schüler:innen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Lehrende Unterricht im synchronen Lernformat mit asynchronen Elementen kombinieren. Die Synchronizität des Lernformates wird dann als lern-förderlich gesehen, wenn sie didaktisch Diskussionen und Gruppenarbeit ermöglicht und damit, dass alle Schüler:innen mitarbeiten können und wollen. Asynchrone Elemente, wie Lern- bzw. Erklärvideos, Textarbeit und Aufgaben werden von Religionsschüler:innen als lernförderlich bewertet, weil sie eine eigenständige Beschäftigung mit Unterrichtsinhalten ermöglichen. Religionsschüler:innen schätzen die Möglichkeit, sich kreativ(er), intensiv(er) und zeitlich flexibl(er) mit ausgewählten Inhalten zu beschäftigen, als dies im Präsenzunterricht möglich ist. Dies gilt vor allem für Schüler:innen, die über ausreichend Selbstorganisations- und -regulationskompetenz verfügen. Mitunter fühlen sich Schüler:innen in der Schule in ihrem Lernen gestört oder Stressmomenten ausgesetzt und schätzen deshalb das selbstbestimmte, ungestörte Lernen zu Hause im individuellen Lerntempo, mit eigenen Lernwegen und flexibler Einteilung der eigenen Arbeitszeit sehr.

Auch aus Perspektive der Religionslehrer:innen wird die Kombination von synchronen und asynchronen Elementen als Faktor für gelingende Lernprozesse interpretiert, was sie damit begründen, dass beide auf unterschiedliche Art und Weise das Lernen fördern und ermöglichen. Während synchrone Elemente ihres Erachtens der inhaltlichen Annäherung, der Klärung von Fragen, der (Ergebnis-)Sicherung und der (vertiefenden oder meinungsfördernden) Diskussion dienen, fördern die asynchronen Anteile eine eigenständige, selbstregulierte Erarbeitung von Inhalten.

Im Vergleich wird deutlich, dass sowohl Lernende als auch Lehrende eine Kombination von synchronen und asynchronen Elementen als bedeutsam für gelingende Lernprozesse bewerten. Die Perspektive der Lernenden stellt sich insofern als heterogen dar, als dass ein Teil der Religionsschüler:innen vor allem und überwiegend synchronen Unterricht als lernförderlich erachten, weil er zum einen den direkten Kontakt zur Lehrperson und den Mitschüler:innen und damit Beziehung ermöglicht, zum anderen eine Tagesstruktur: Beides kann als zur Mitarbeit motivierend interpretiert werden. Hingegen schätzen andere Religionsschüler:innen (auch) asynchrone Elemente, weil sie entweder über (ausreichend) Kompetenzen der Selbstorganisation und -regulation verfügen oder Lernen im unterrichtlichen Kontext in Präsenz als Stressor empfinden. Beide Gruppen sehen im selbstbestimmten, ungestörten Lernen zu Hause einen Faktor für gelingende Lernprozesse. Auch bei den Religionslehrer:innen ist eine Heterogenität zu konstatieren, die im Anteil von synchronen und asynchronen Elementen begründet liegt, die sie für ihre Unterrichtskonzeption bzw. -beispiel angeben. Verwenden die Religionslehrer:innen asynchrone und synchrone Elemente, so tun sie dies bewusst und begründen die Vorteile und Ziele pädagogisch. Allerdings ist die (heterogene) Perspektive jener Religionsschüler:innen hier von großer Bedeutung, um die Religionslehrer:innen für eine schüler:innenadäquate Wahl synchroner oder asynchroner Elemente zu sensibilisieren. Es scheint nämlich, als ob aus Perspektive der Lernenden sehr viel deutlicher formuliert wird, für welche Lernendentypen asynchrone Elemente lernförderlicher sind, als dies Lehrenden (vielleicht) bewusst ist. Religionslehrer:innen haben mitunter nicht dezidiert im Blick, dass vor allem selbstregulierte Schüler:innen von ihnen profitieren oder jene, die über ein (familiäres) Unterstützungssystem verfügen – und zwar je jünger, je weniger.

Damit Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen kann, sollten Lehrer:innen genau reflektieren, für welche Schüler:innen sie Lernen evozieren sollen und möchten: Inwiefern verfügen diese Schüler:innen bereits über Kompetenzen für selbstorganisiertes und -reguliertes Lernen und wie können Lehrende sie darin unterstützen, diese für sich zu erwerben? Inwiefern haben sie Schüler:innen in ihrer Lernendengruppe, die aufgrund ihrer Kompetenzen, ihres Lerntyps oder ihrer (negativen) Erfahrungen mit Unterricht im synchronen Format von asynchronen Elementen profitieren, weil sie ihnen die Möglichkeit zum ungestörten, stressfreien, intensiven, zeitlich flexiblen und kreativen Lernen eröffnen?

3.4 Klarheit der Unterrichtsstruktur und der Aufgaben

Lernen kann im digitalen Religionsunterricht aus Perspektive der Schüler:innen gelingen, wenn Lehrende klare Arbeitsaufträge formulieren, damit Lernende wissen, was sie wann, wie und warum zu erarbeiten haben. Für Schüler:innen gelingt Lernen außerdem dann, wenn die Struktur des Unterrichtsaufbaus transparent kommuniziert wird. Diese Wahrnehmung teilen die befragten Religionslehrer:innen vollumfänglich, beschreiben sie vielleicht etwas detaillierter: Aus ihrer Perspektive kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Aufgaben sowie Kommunikations- und Verhaltensregeln klar formuliert sind und der Unterrichtsablauf transparent und nachvollziehbar strukturiert ist, auch damit sich Schüler:innen emotional und im Hinblick auf die Erwartungen der Lehrperson sicher und für das Lernen bereit fühlen. Eine klar erkennbare (und nachvollziehbare) Struktur des Unterrichtsprozesses wird sogar als grundlegend für Lernprozesse erachtet. Aus Perspektive der Religionslehrer:innen müssen die Aufgaben und Regeln im digitalen Religionsunterricht im Vergleich zum Religionsunterricht in Präsenz noch konkreter, klarer und unmissverständlicher formuliert sein, da die unterstützende Mimik oder Gestik der Lehrperson im digitalen Raum wegfällt. Besonders wichtig scheinen klare Arbeitsaufträge als Voraussetzung für gelingende Lernprozesse dann zu sein, wenn Schüler:innen in einer Kombination aus asynchronen und synchronen Unterrichtssequenzen eigenständig(er) arbeiten sollen.

Im Vergleich der beiden Perspektiven wird deutlich, wie bedeutsam sowohl Lernende als auch Lehrende die Klarheit von Aufgaben und die transparente Nachvollziehbarkeit der Unterrichtsstruktur für gelingende Lernprozesse bewerten. Die Religionslehrer:innen bringen dies vielleicht deshalb detaillierter zum Ausdruck, weil es ihrem professionellen Blick entspricht, solche didaktischen Vorgänge und die damit intendierten Wirkungen (emotionale Sicherheit und Motivation) zu reflektieren. Außerdem scheint ihnen im Vergleich zum Religionsunterricht in Präsenz deutlich zu sein, dass die Körpersprache Teil ihres Repertoires im Religionsunterricht in Präsenz ist, worauf sie im digitalen Setting nicht zurückgreifen können.

3.5 Direkte, synchrone Kommunikation

Aus Perspektive der Schüler:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn regelmäßig Kontakt zu den Religionslehrer:innen besteht. Die Religionsschüler:innen betonen, dass Lehrende sowohl im Unterricht als auch außerhalb der Unterrichtszeit erreichbar sein und als Kommunikationspartner:innen zur Verfügung stehen müssen, um sie bei auftretenden Unsicherheiten oder Verständnisschwierigkeiten zu unterstützen. Besonders hilfreich sind regelmäßige synchrone Lernformate, um einen direkten und synchronen Kontakt zwischen Lernenden und Lehrenden zu gewährleisten. Es ist Religionslehrer:innen bewusst, dass das Lernen ohne die persönlichen Kontakte und das soziale Umfeld in der Schule anders gestaltet werden muss, damit Lernen gelingen kann. Sie betonen auch, dass das digitale Format große Herausforderungen für Lernende darstellt. Aus den meisten Unterrichtsbeispielen wird deutlich, dass Religionslehrer:innen die Kommunikation und Kontaktpflege in synchronen Unterrichtsformaten als selbstverständlichen Bestandteil ihrer Unterrichtskonzeption ansehen. Auch jene Unterrichtsbeispiele, die asynchrone Elemente enthalten oder in einem Beispiel sogar hauptsächlich als asynchrones Setting konzipiert sind, beinhalten synchrone Teile, um die direkte, face-to-face Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden zu ermöglichen. Allerdings kann aus den Unterrichtsbeispielen nicht interpretiert werden, welchen Stellenwert Religionslehrer:innen der Lernbegleitung ihrer Schüler:innen durch den direkten Kontakt außerhalb des Unterrichts zuschreiben.

Im Vergleich der beiden Perspektiven wird sehr deutlich, wie bedeutsam die Schüler:innen die Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit ihrer Lehrer:innen bewerten – und wie oft dies während des ersten Lockdowns nicht gewährleistet war (vor allem in anderen Fächern). Für jene Religionslehrer:innen, die aus ihren Unterrichtsentwürfen für den digitalen Religionsunterricht auswählen konnten, scheint der regelmäßige Kontakt durch den synchronen Unterricht eine Selbstverständlichkeit zu sein. Trotzdem macht die Perspektive der Schüler:innen deutlich, wie wichtig und bedeutsam die Ansprechbarkeit und die Erreichbarkeit, sowie der direkte, im Idealfall synchrone Kontakt zur Lehrperson für gelingende Lernprozesse sind.

3.6 Formatives Feedback

Aus Perspektive der Schüler:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Lernende klare, zielorientierte, regelmäßige und zeitnahe Rückmeldungen von Lehrenden erhalten. Lehrende müssen über die Kompetenz verfügen, sowohl den Leistungsstand von Schüler:innen als auch ihr Leistungspotential individuell einschätzen zu können, um den Lernprozess zielgerichtet zu unterstützen und so aktives Lernen zu ermöglichen. Aus Perspektive der Religionsschüler:innen leistet ein solches formatives Feedback einen wichtigen Beitrag zu ihrer Motivation. Auch aus Perspektive der Religionslehrer:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht dann gelingen, wenn eine lernprozessbegleitende Unterstützung stattfindet. Lehrende beschreiben diese Unterstützung zum einen als Hilfe bei Verständnisschwierigkeiten, zum anderen als individuelles Feedback. Insgesamt scheint die erstgenannte Form der Unterstützung häufiger als Kriterium gelingender Lernprozesse bewertet zu werden, betrachten doch einige der Religionslehrer:innen die Möglichkeit als Bestandteil ihres digitalen Unterrichts, dass Schüler:innen ihre Verständnisschwierigkeiten sofort bzw. zeitnah in ritualisierter Form mitteilen, sodass Lehrer:innen reagieren und die Schüler:innen bei ihrem Lernen adäquat unterstützen können. Individuelles Feedback, das die Lernleistung von und mit den Schüler:innen reflektiert und kommuniziert, scheint dagegen etwas weniger von Bedeutung zu sein.

Der Vergleich der beiden Perspektiven macht deutlich, dass sowohl Lehrende als auch Lernende eine Unterstützung des Lernprozesses für elementar erachten. Im Gegensatz zu den Religionslehrer:innen betonen die Religionsschüler:innen die Bedeutsamkeit eines individuellen, klaren, zielorientierten, regelmäßigen und zeit-nahen Feedbacks dezidierter. Für die Religionsschüler:innen trägt das formative Feedback maßgeblich zu ihrer Motivation bei. Die Religionslehrer:innen nennen dagegen die Unterstützung bei Verständnisschwierigkeiten nachdrücklicher als das formative Feedback. Jedoch kann die Tatsache, dass die Religionslehrer:innen Feedback als Kriterium nur am Rande erwähnen auf unterschiedliche Weise interpretiert werden: So kann es sein, dass Religionslehrer:innen das lernprozessbegleitende Feedback für so selbstverständlich erachten und für Lernprozesse einsetzen, dass sie es, weil zu selbstverständlich, nicht genannt haben. Es kann natürlich auch sein, dass es der Zeitaufwand, den die Formulierung eines individuellen Feedbacks erfordert, in der Praxis nicht zulässt, Feedback zu geben (zudem unter den besonderen Herausforderungen des digitalen Religionsunterrichts) und deshalb kein Bestandteil aller Unterrichtsbeispiele ist.

3.7 Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden

Aus Perspektive der Lernenden kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Lehrende in der Lage sind, eine wertschätzende, lernförderliche Beziehung zu Lernenden aufzubauen. Lehrende müssen Schüler:innen als Individuum wahrnehmen, das sich nicht in der Rolle der Schüler:in erschöpft. Für Schüler:innen ist es wichtig, dass Lehrende sie ernstnehmen: Das bedeutet, dass sie ihnen die Möglichkeit geben, als Expert:innen ihres Lernens an Lernprozessen und -inhalten zu partizipieren. Die Religionsschüler:innen bewerten die Lehrende-Lernende-Beziehung als grundlegende Voraussetzung und elementaren Faktor für gelingende Lernprozesse, die ihres Erachtens bedeutsamer für den Lernzuwachs im Religionsunterricht als in anderen Fächern ist. Sie ist die Voraussetzung für Lernprozesse im Religionsunterricht, sowohl im digitalen Format als auch im Präsenzunterricht: „Die Beziehung legt fest, was in dem Unterricht möglich ist, […] um den Religionsunterricht überhaupt als solchen zu ermöglichen“ (David, #00:24:27-3#). Auch Religionslehrer:innen bewerten die Beziehung zwischen Schüler:in und Lehrer:in als bedeutsam für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht. Dies kann auch formuliert werden, obwohl eine wertschätzende Lehrenden-Lernenden-Beziehung nur in wenigen Best-Practice-Beispielen dezidiert als Kriterium für gelingende Lernprozesse genannt wird, denn in vielen Beispielen klingt an, dass eine angenehme, vertrauensvolle, wertschätzende Atmosphäre im Religionsunterricht herrschen muss. Für Religionslehrer:innen ist gerade in einer längeren Phase des digitalen Unterrichtens eine professionelle Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden elementar, um die „emotionale […] Ausgangslage […] und Belastung der Schüler:innen“ (Dietzsch/Pfister 2021, S. 146) beurteilen zu können.

Im Vergleich der beiden Perspektiven wird deutlich, wie klar und eindeutig Lernende die Lehrende-Lernende-Beziehung als Kriterium für gelingende Lernprozesse im Religionsunterricht bewerten. Die Religionsschüler:innen formulieren dezidiert, dass die Beziehung zwischen Schüler:in und Lehrer:in die wichtigste Voraussetzung für das Lernen-Wollen und Lernen-Können im Religionsunterricht darstellt, sowohl im digitalen Setting als auch in Präsenz. Schüler:innen wollen als Individuen wahrgenommen werden und partizipieren können – mit ihren Interessen, ihrem Vorwissen und ihren Theorien von gelingendem Lernen. Bemerkenswert sind angesichts dieser eindeutig formulierten Bedeutsamkeit der Beziehung für gelingende Lernprozesse im Religionsunterricht vier Differenzierungen:

Bemerkenswert ist erstens, dass die Religionsschüler:innen der wertschätzenden, professionellen Beziehungsgestaltung zwischen Lehrer:in und Schüler:in im Religionsunterricht eine höhere Bedeutung für gelingende Lernprozesse zuschreiben als in anderen Fächern. Sie begründen dies damit, dass nur eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre eine Auseinandersetzung mit existentiellen Themen des Religionsunterrichts sowie eine (persönliche und damit angreifbar-verletzliche) Positionierung und Meinungsfindung ermöglicht. Bemerkenswert ist zweitens, dass sich aus Perspektive der Religionsschüler:innen die Lehrende-Lernende-Beziehung nicht im 45-Minuten-Takt aufbauen lässt: Für Schüler:innen ist es Bestandteil einer professionellen Beziehungsgestaltung, dass Lehrende sie auf dem Schulhof ansprechen, nachfragen und so mit ihren (außerunterrichtlichen) Interessen wahrnehmen. Dieser Hinweis ist besonders für den digitalen Religionsunterricht relevant, da keine alltäglichen Begegnungen im Schulhaus stattfinden können. Aus Perspektive der Lernenden müssen sich Lehrende im digitalen Religionsunterricht anderer Formate und Kommunikationswege bedienen, um das persönliche Gespräch zu Schüler:innen zu suchen. Bemerkenswert ist drittens, dass aus Perspektive der Religionsschüler:innen die Beziehungsgestaltung die Voraussetzung für die kognitive Aktivierung darstellt. Ihres Erachtens sind nur jene Religionslehrer:innen in der Lage, kognitiv aktivierenden Unterricht zu gestalten, die die Schüler:innen mit ihren Interessen, ihrem Vorwissen und kognitiven Leistungspotential wahrnehmen. Nur so können Themen lebensweltrelevant, spannend, herausfordernd und damit kognitiv aktivierend didaktisch aufbereitet werden. Bemerkenswert ist viertens, dass aus Perspektive der Religionsschüler:innen die Beziehungsgestaltung die Voraussetzung auch für die konstruktive Unterstützung von Schüler:innen darstellt. Ihres Erachtens können nur jene Religionslehrer:innen individuelle Lernprozesse konstruktiv unter-stützen, die den Leistungsstand, die motivationalen und emotionalen Bedingungen, die strukturellen Voraussetzungen, die Verständnisschwierigkeiten, also individuelle Lernwiderstände oder -hindernisse ihrer Schüler:innen wahrnehmen.

3.8 Beziehung zwischen Schüler:innen

Aus Perspektive der Lernenden kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Interaktion, kooperatives bzw. kollaboratives Arbeiten sowie Diskussionen und der Austausch von Ideen und Meinungen im Religionsunterricht didaktisch ermöglicht werden. Die Schüler:innen begründen dies damit, dass sie nur im Austausch mit anderen zu einer eigenen Positionierung finden sowie Inhalte artikulieren, bewerten und ihre Bedeutung (für sich) erschließen können. Für Religionsschüler:innen beschränkt sich die Beziehungsgestaltung zu (ihren) Mitschüler:innen nicht auf die Unterrichtsstunde, sondern sie nehmen Schule als Lebensraum wahr, in dem soziale Begegnungen stattfinden.

Aus Perspektive der Religionslehrer:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Schüler:innen in Beziehung zu anderen Schüler:innen treten und in der Begegnung mit anderen auch sich (anders) begegnen. Ihres Erachtens kann die Beziehung zwischen Schüler:innen und Schüler:innen auf zweifache Art ermöglicht werden: Erstens, indem Lehrende im Religionsunterricht Raum geben für den Austausch von Persönlichem oder Vertraulichem in einem geschützten Rahmen; zweitens, indem Lehrende Phasen der Interaktion, des kooperativen oder kollaborativen Arbeitens in ihrem Unterricht vorsehen.

Im Vergleich der beiden Perspektiven wird deutlich, dass sowohl Lernende als auch Lehrende die Beziehung zwischen Schüler:innen als bedeutsamen Faktor für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht bewerten. Schüler:innen und Lehrer:innen sind davon überzeugt, dass Kooperation, Kollaboration und Inter-aktion zu einem Lernzuwachs führen. Aus Schüler:innenperspektive mag der Hin-weis auf den Kontext Schule als sozialem Begegnungsraum gerade deshalb relevant sein, weil er im digitalen Setting durch andere Formate kompensiert oder ersetzt werden muss: Lehrende müssen reflektieren, wo sie Beziehungen und Begegnungen außerhalb der (digitalen) Unterrichtsstunde anbahnen können. Aus Perspektive der Religionslehrer:innen ist der Hinweis bemerkenswert, dass Schüler:innen erst in der Beziehung und Begegnung mit anderen Schüler:innen (auch) sich (anders) begegnen können. Erst durch Beziehung wird (Persönlichkeits-)Bildung ermöglicht: „Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Buber, 1962, S. 97).

3.9 Beziehung zwischen Schüler:innen und Unterrichtsgegenstand

Aus Perspektive der Religionsschüler:innen kann Lernen im digitalen Religions-unterricht gelingen, wenn Lehrende Unterricht und Unterrichtsinhalte didaktisch so gestalten, dass Schüler:innen eine Beziehung zu den Inhalten aufbauen können. Aus Perspektive der Religionsschüler:innen kann dies auf vierfache Art und Weise geschehen: Erstens durch Methoden und Medien, die eine selbstständige, aktive Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand evozieren. Zweitens durch das gemeinsame, kooperative, interaktive Arbeiten am Thema mit Mitschüler:innen, vor allem auch durch Diskussionen und Austausch von Meinungen. Dies scheint aus Perspektive der Schüler:innen für den Religionsunterricht weitaus bedeutsamer zu sein als in anderen Fächern, um zu einer eignen Positionierung zu finden und Inhalte artikulieren, bewerten und ihre Bedeutung (für sich) erschließen zu können. Drittens kann Lernen im digitalen Religionsunterricht durch Themen und dazugehörige Aufgaben gelingen, die für die Schüler:innen kognitiv anregend, herausfordernd und damit nicht zu leicht, gedanklich anregend und „spannend“ sind. Viertens kann Lernen im digitalen Religionsunterricht durch Themen gelingen, deren Lebenswelt-relevanz sich den Schüler:innen erschließen kann, indem sie Bezüge zu aktuellen persönlichen, gesellschaftlichen oder politischen Fragestellungen aufweisen.

Aus Perspektive der Religionslehrer:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Schüler:innen eine Beziehung zur Sache bzw. zum Unterrichtsinhalt ermöglicht wird. Diese Resonanz zwischen Schüler:innen und Unterrichtsgegenstand kann für Religionslehrer:innen in zweierlei Art und Weise didaktisch ermöglicht werden: Erstens durch die Lebensweltrelevanz des Unterrichtsgegenstandes, was einerseits bedeutet, dass Lehrende Themen der Lernenden zum Unterrichtsgegenstand machen, andererseits, dass Lehrende die Themen (des Bildungsplanes) so aufbereiten, dass sich diese den Schüler:innen als existentiell oder lebensrelevant erschließen. Aus Perspektive der Religionslehrer:innen ermöglicht zweitens die Re-Konstruktion von (bestehendem) Wissen der Schüler:innen eine Beziehung zum Unterrichtsgegenstand. Dies kann ihres Erachtens über kreativ-visuelle, assoziative, verfremdend-biografische oder auf die Selbstregulation und -reflexion der Lernenden abzielende Methoden geschehen. Das digitale Format des Religionsunterrichts eröffnet außerdem die Möglichkeit, Materialien aus dem häuslichen Umfeld unmittelbar im Unterricht zu integrieren und so eine persönliche, private Komponente des Unterrichts und damit eine Beziehung zum Unterrichtsgegenstand zu ermöglichen.

Der Vergleich der Lernenden- und Lehrenden-Perspektive macht deutlich, dass beide eine Beziehung der Schüler:innen zum Unterrichtsgegenstand als bedeutsam für gelingende Lernprozesse im Religionsunterricht erachten. Beide stimmen auch darin überein, dass Schüler:innen dann in Resonanz zum Unterrichtsgegenstand treten können, wenn sich ihnen dieser als lebensweltrelevant oder existentiell bedeutsam erschließt. Unterschiedlich sind die beschriebenen Wege, wie Resonanz zum Unterrichtsgegenstand ermöglicht wird. Bemerkenswert ist, dass Religionsschüler:innen es als elementar für ihr Lernen-Können und -Wollen erachten, dass Unterrichtsthemen didaktisch so aufbereitet sein müssen, dass sie für sie eine kognitive Herausforderung darstellen. Dieser Hinweis mag gerade deshalb bedeutsam sein, weil er belegt, was Susanne Schwarz in ihrer großen quantitativen Studie nachweisen konnte, nämlich dass „eindeutig zu erkennen ist, dass die Mehrheit der Religionsschüler:innen keine kognitive Überforderung erlebt“ (Schwarz, 2019, S. 430). Schüler:innen müssen also kognitiv herausgefordert werden, um lernen zu können und zu wollen.

3.10 Differenzierung

Aus Perspektive der Religionsschüler:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Aufgaben differenzierend formuliert werden. Diese Differenzierung kann sich sowohl in der Art des Lernens (Wahl von Eigenständigkeit, Kooperation, Kollaboration, Interaktion) als auch in der Methodik (kreativ, visuell, …) ausdrücken. Allerdings bewerten längst nicht alle Religionsschüler:innen die Differenzierung als Kriterium für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht. Im Vergleich zu dieser zurückhaltenden Bewertung der Religionsschüler:innen haben Religionslehrer:innen eine dezidiertere Vorstellung von Differenzierung als Faktor für gelingende Lernprozesse. Ihres Erachtens kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn schüler:innenadäquate, differenzierte Fragestellungen oder Methoden die Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten ermöglichen: Dies kann mit Hilfe von auf die spezifische Lernendengruppe abgestimmten, (binnen-)differenzierenden Fragestellungen und Lernzugängen für unterschiedliche Lernendentypen geschehen, um auf heterogene Lerngruppen hinsichtlich des Vorwissens, der Interessen und Motivation einzugehen und sowohl extrovertierten als auch eher zurückhaltenden Schüler:innen Gelegenheit zum aktiven Lernen zu bieten. Es scheint, dass die Vielfalt der (differenzierenden) Methoden aufgrund des digitalen Formats ausgeprägter und breiter ist als es im Religionsunterricht in Präsenz möglich wäre. Aus Perspektive der Religionslehrer:innen ermöglicht ein differenzierender Zugang zum Unterrichtsgegenstand ebenfalls eine Beziehung zwischen Schüler:in und Unterrichtsgegenstand.

Der Vergleich Lernenden- und Lehrenden-Perspektive macht deutlich, dass beide das Prinzip der Differenzierung als bedeutsam für gelingende Lernprozesse im Religionsunterricht bewerten, wenngleich die Religionslehrer:innen es sehr viel detaillierter und dezidierter zum Ausdruck bringen und es für sie deshalb von größerer Bedeutung sein könnte. Allerdings kann dies auch an der professionell bedingten Kompetenz und damit dem Wissen der Religionslehrer:innen liegen, wie sie didaktisch differenzierend wirken können.

3.11 Fachkompetenz

Aus Perspektive der Religionsschüler:innen kann Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen, wenn Religionslehrer:innen über eine hohe Fachkompetenz verfügen. Lernende bewerten die Fachkompetenz als elementar, weil sie es ihres Erachtens ermöglicht, Unterrichtsinhalte fachlich korrekt, didaktisch lerngruppen-adäquat und kognitiv aktivierend aufzubereiten. Zweitens bewerten die Lernenden die Fachkompetenz der Religionslehrer:innen als bedeutsam, weil sie es (auch) ermöglicht, individuelle Lernprozesse konstruktiv zu begleiten. Ihres Erachtens ist auch das formative Feedback nur jenen Religionslehrenden möglich, die über eine hohe Fachkompetenz verfügen, damit sie diagnostizieren können, was Lernende fachlich (schon) beherrschen und welche Entwicklungspotentiale sie haben. In diesem Sinne bildet die Fachkompetenz der Religionslehrperson (in ähnlicher Weise wie deren Beziehungsgestaltung) die Voraussetzung für die kognitive Aktivierung, die Schüler:innenorientierung der Unterrichtsinhalte sowie die konstruktive Unterstützung, um Lernprozesse zu ermöglichen. Die Religionslehrer:innen treffen keine Aussagen über die Fachkompetenz als Faktor für gelingende Lernprozesse, was auch an unserem Forschungsdesign liegen mag. Es ist anzunehmen (und den Unterrichtsbeispielen auch abzulesen), dass die Religionslehrer:innen die Fachkompetenz als Voraussetzung für guten Unterricht ansehen.

Dennoch stellen die Wahrnehmungen der Religionsschüler:innen hier einen wichtigen, ernstzunehmenden Hinweis dar, wie Lernen im digitalen Religionsunterricht gelingen kann: Die hohe Fachlichkeit der Lehrpersonen wird von den Schüler:innen (sehr wohl) wahrgenommen und als elementar für das Lernen-Wollen und -Können im Religionsunterricht bewertet. Allerdings ist eine wertschätzende Lehrende-Lernende-Beziehung für die Schüler:innen bedeutsamer für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht als die Fachkompetenz der Religionslehrperson oder die Inhalte des Religionsunterrichts.

4 Fazit

Lernen kann im digitalen Religionsunterricht gelingen! Dieses Ergebnis belegen die Wahrnehmungen von Religionsschüler:innen und Religionslehrer:innen gleichermaßen. Aus beiden Perspektiven lassen sich mit hoher Übereinstimmung Kriterien für gelingende Lernprozesse formulieren, die einen wichtigen Beitrag zur Konzeption einer Didaktik des digitalen Religionsunterrichts leisten können. Hilfreich für das didaktisch-professionelle Handeln von Religionslehrer:innen mögen vor allem jene Divergenzen oder unterschiedlichen Gewichtungen sein, die zwischen Lernenden- und Lehrenden-Perspektive herausgearbeitet werden konnten. Aus der Vielzahl seien hier vier bemerkenswerte Ergebnisse herausgegriffen:

Lehrende müssen erstens beachten, dass die konstruktive Unterstützung der Religionsschüler:innen im digitalen Religionsunterricht didaktisch anders gestaltet werden muss als im Religionsunterricht in Präsenz. Sie muss bereits vor dem eigentlichen Unterricht beginnen: Erst durch die strukturelle (technische, räumliche) Unterstützung kann Lernen ermöglicht werden. Lehrende müssen außerdem sorgfältig analysieren, in welchem Umfang Schüler:innen über Selbstregulations- und Organisationskompetenzen verfügen und wie sie diese stärken und fördern können, um ihnen Lernen auch in asynchronen, sozialkontaktlosen Settings zu ermöglichen.

Zweitens muss eine Didaktik des digitalen Religionsunterrichts bewusst Formen finden, um kognitiv aktivierendes, kooperatives, interaktives Lernen zu ermöglichen. Nur wenn sich Schüler:innen aktiv mit kognitiv herausfordernd aufbereitenden Unterrichtsinhalten auseinandersetzen, können Lernprozesse gelingen. Damit müssen Formen initiiert werden, die der Gefahr des digitalen Religionsunterrichts, dem Monologisieren der Lehrperson, vorbeugen und eine Resonanz von Schüler:in und Unterrichtsgegenstand evozieren.

Drittens ist die Fachkompetenz als Kombination von fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher Kompetenz der Lehrperson aus Schüler:innenperspektive von größerer Bedeutung als dies Lehrenden vielleicht bewusst ist. Sie stellt für die Lernenden eine Voraussetzung für die kognitive Aktivierung und die konstruktive Unterstützung von Schüler:innen dar. Diese Fachkompetenz zeigt sich im digitalen Setting (auch) im didaktischen Umgang mit dem digitalen Format, um methodisch gelingende Lernprozesse zu ermöglichen.

Viertens und vor allem ist aus Schüler:innenperspektive die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden von großer Bedeutung für gelingende Lernprozesse im digitalen Religionsunterricht. Nur eine wertschätzende, von Respekt geprägte Lehrende-Lernende-Beziehung kann Lernen – nach Aussage der Schüler:innen – überhaupt erst ermöglichen. Sie stellt die wichtigste und grundlegendste Voraussetzung für Lernen im Religionsunterricht dar, sowohl im digitalen Format als auch in Präsenz. Weil außerunterrichtliche Begegnungen und persönliche Gespräche im alltäglichen Begegnungsraum Schule im digitalen Setting wegfallen, müssen Lehrende andere Formate und Kommunikationswege finden, um Begegnung und Beziehung zu evozieren.

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Prof. Dr. Andrea Dietzsch, Professorin für Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, Oberstudienrätin